Genetisches Profiling unterschiedlichster Malignome hat in jüngster Vergangenheit zu einer zunehmend neuen Einteilung bisher grob histologisch definierter Tumorentitäten geführt. Diese auf molekularen Unterschieden beruhenden Subklassifizierungen, wurden zum Großteil mit neuen Technologien charakterisiert und führen zunehmend zu spezifischeren Diagnosen, individuellen Prognosen sowie rationalen Therapieansätzen. Als Vorreiter dieses Fortschritts gilt die Einteilung maligner Lymphome. Diese Übersicht beschäftigt sich vorwiegend mit einem Ausschnitt relevanter molekularbiologischer Veränderungen, die in jüngster Zeit gefunden wurden und eine Subkategorisierung von nichtkleinzelligen Lungenkarzinomen rechtfertigen. Zudem lässt sich aus den hier aufgeführten Erkenntnissen eine Veränderung der Diagnostik weiterer Organsysteme ableiten.

EGFR- und KRAS-Mutationen

Die ersten beschriebenen klinisch relevanten molekularbiologischen Aberrationen, welche im translationalen Ansatz die Prognostizierbarkeit sowie Therapierbarkeit von Adenokarzinomen der Lunge nichtrauchender Patienten verändert haben, waren Mutationen im „epidermal growth factor receptor“ (EGFR; [1]).

Patienten, welche hier eine Mutation aufweisen (meist Exon 19, aber auch Exon 21), sprechen auf eine zielgerichtete Therapie mit den Tyrosin-Kinase-Inhibitoren (TKIs) Gefitinib oder Erlotinib besser an als Patienten ohne eine Mutation in diesem Bereich [1, 2].

Ein wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit EGFR-Mutationen ist weitergehend die detailliertere genetische Subklassifikation der Lungenadenokarzinome durch Ein-/Ausschluss von KRAS-Mutationen. Mutationen im KRAS-Gen sind Einzelmutationen, welche meist in Codon 12 und 13 des Exons 2 auftreten. Bei Patienten, die einer Anti-EGFR-Therapie zugeführt werden sollen, ist es von höchster Relevanz, den Mutationsstatus des KRAS-Gens zu bestimmen, da Patienten mit einer KRAS-Mutation resistent gegenüber einer Anti-EGFR-Therapie sind. Der Grund hierfür ist eine dauerhafte EGFR-unabhängige Aktivierung des EGFR-Signalweges. Interessanterweise schließen sich in der Regel EGFR- und KRAS-Mutationen aus.

Neben einer Relevanz für Therapieentscheidungen ist der prognostische Nutzen der beschriebenen Mutationen ein wichtiger Aspekt. KRAS-Mutationen sind mit einer schlechteren Prognose als Wild-type-KRAS vergesellschaftet. Die prognostische Relevanz einer EGFR-Überexpression bleibt jedoch strittig. Einige Studien zeigten eine positive Korrelation von EGFR-Expression mit schlechterem Überleben [6, 7], während andere eine fehlende prognostische Assoziation beschrieben [4, 8, 9].

EML4-ALK-Fusion

Ein weiterer Meilenstein in der Subklassifizierung von „non-small cell lung cancer“ (NSCLC) war die Identifikation einer Genfusionstranslokation des „echinoderm microtubule-associated protein-like 4“ (EML4)-Gens mit dem „anaplastic lymphoma kinase“ (ALK)-Gen. Diese Genfusion resultiert in einer aktivierten ALK-Kinase. Das Transkript dieser Genfusion wurde mit einer Frequenz von 6,7% in einer ostasiatischen Kohorte detektiert und trat unabhängig von der bisher bekannten EGFR-Mutation auf [10]. Somit war eine zweite genetische Subkategorie von NSCLC identifiziert. Im weiteren Verlauf zeigten Untersuchungen anderer Arbeitsgruppen mit größeren kaukasischen Kohorten eine Fusionsfrequenz von 3,7% [11] bzw. 2,7% [12].

Seit August 2011 ist der ALK-Tyrosin-Kinase-Inhibitor Crizotinib für die Therapie von Patienten mit NSCLC mit diagnostizierter EML4-ALK-Genfusion zugelassen. Siebenundfünfzig Prozent der Patienten mit einer EML4-ALK-Genfusion sprechen auf die Therapie an und 33% der Patienten präsentierten sich mit stabilem Krankheitsverlauf. Dieses Ansprechen ist vor allem im Vergleich zur bisher angewandten Chemotherapie bemerkenswert, bei der in lediglich 10% der Fälle eine positive Ansprechrate zu vermerken ist [13]. Patienten ohne EML4-ALK-Genfusion zeigten kein Ansprechen auf den ALK-Tyrosin-Kinase-Inhibitor. Bei der Untersuchung von Patienten, welche nicht auf den ALK-Tyrosin-Kinase-Inhibitor angesprochen haben, gibt es Hinweise auf Crizotinib-resistente Mutationen in der ALK-Kinase-Domäne. Auch hieran kann man sehen, dass genetisch subkategorisierte Tumoren einer detaillierteren Klassifizierung bedürfen, um einen prädiktiven Wert abschätzen zu können.

Thyroidtranskriptionsfaktor 1

Weitere Studien zur Identifizierung wiederkehrender Genalterationen haben TTF1 („thyroid transcription factor 1“) als weiteren molekularen Biomarker identifiziert. Weir et al. [14] charakterisierten 2007 durch SNP („single nucleotide depolymorphism“)-Arrays das Karzinomgenom von 371 Adenokarzinomen der Lunge. Hierbei entdeckte die Gruppe, neben anderen amplifizierten und deletierten Regionen, mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) eine Amplifikation von NKX2-1 (TTF1) in 12% der Fälle. Mittels funktioneller Studien wurde der Transkriptionsfaktor TTF1 als Protoonkogen identifiziert [14]. 2009 wurde dann von Perner et al. [15] eine Amplifikationsfrequenz von 13% High-level-Amplifikationen (HLA) in Adenokarzinomen und 9% Low-level-Amplifikationen (LLA) bei Plattenepithelkarzinomen der Lunge beschrieben. Des Weiteren resultiert eine HLA im TTF1-Gen sowohl in Adenokarzinomen als auch in Plattenepithelkarzinomen in einer erhöhten Proteinexpression.

TTF1 kann als prognostischer Marker Verwendung finden: Adenokarzinompatienten mit einer erhöhten TTF1-Proteinexpression haben eine bessere Prognose als solche mit einer niedrigen TTF1-Proteinexpression [15]. Weiterhin wird TTF1 lediglich in Schilddrüse, Lunge und dem zentralen Nervensystem exprimiert, sodass eine immunhistochemische Identifikation des Proteins nahezu spezifische Rückschlüsse auf die Entität des untersuchten Gewebes zulässt.

SOX2

Im Jahr 2009 beschrieben Bass et al. [16] SOX2 („sex determining region Y-box 2“) als ein amplifiziertes Onkogen in Plattenepithelkarzinomen der Lunge. Während TTF1 die deutlichste Genanreicherung in Adenokarzinomen der Lunge darstellt, ist SOX2 die signifikanteste Genanreicherung in dieser pulmonalen Tumorentität. 2011 beschrieben Wilbertz et al. eine SOX2-Amplifikationsfrequenz von ca. 6% in Adenokarzinomen und ca. 66% in Plattenepithelkarzinomen der Lunge [17]. Interessanterweise zeigte sich eine erhöhte mRNA-Exression in SOX2-amplifizierten im Vergleich zu nichtamplifizierten Fällen [16] und auch eine erhöhte Proteinexpression scheint die Folge von Genamplifikationen des SOX2-Gens zu sein [17]. Die Assoziation von SOX2-Überexpression und Prognose bleibt umstritten, so zeigten wir eine bessere Prognose bei SOX2-Proteinexpression [17], während andere Autoren eine SOX2-Expression mit einer schlechteren Prognose verbanden [18, 19].

“Fibroblast growth factor receptor 1”

Im Laufe der letzten Jahre kamen ständig neue Genaberrationen mit prognostischer, prädiktiver oder therapeutischer Relevanz hinzu. So beschrieben Weiss et al. [20] 2012 erstmals Amplifikationen im „fibroblast growth factor receptor 1“ (FGFR1) in Plattenepithelkarzinomen der Lunge. FGFR1-amplifizierte Zellen zeigten in vitro und in vivo ein signifikant besseres Ansprechen auf FGFR-Inhibitoren als nicht-FGFR1-amplifizierte Zellen [20]. Auch im Tiermodell konnte durch orale Gabe eines gezielten Inhibitors gegen FGF-Rezeptoren eine Reduktion des Tumorvolumens erreicht werden.

Als Folge werden aktuell Patienten mit FGFR1-amplifizierten Plattenepithelkarzinomen in Phase-1-klinischen Studien mit FGFR-Inhibitoren therapiert. 2012 konnten wir das therapeutische Spektrum auf metastasierte Tumoren erweitern, indem wir zeigten, dass der FGFR1-Amplifikationsstatus in die lokoregionären Lymphknotenmetastasen übertragen wird ([21], Abb. 1). FGFR1-Amplifikationen sind die ersten therapeutisch angreifbaren Genaberrationen für Plattenepithelkarzinome der Lunge.

Abb. 1
figure 1

Übersichtsaufnahme einer High-level-Amplifikation (HLA) in einem Plattenepithelkarzinom der Lunge. Eingefügt im rechten oberen Bildrand ist ein vergrößerter Nukleus mit HLA aus der Übersichtsaufnahme

FGFR1 in Plattenepithelkarzinomen anderer Lokalisationen

Da bei anderen genetischen Aberrationen wie SOX2- oder EGFR-Mutationen nicht die Lokalisation, sondern die histologische Entität für das organübergreifende Auftreten wichtig war, haben wir zudem weitere Plattenepithelkarzinome auf Amplifikationen im FGFR1-Genlokus untersucht. In Plattenepithelkarzinomen des Penis, der Cervix uteri sowie der Haut scheint eine Genamplifikation des FGFR1-Gens nur eine untergeordnete Rolle zu spielen [21]. Bereits 2007 beschrieben Freier et al. [22] jedoch eine bemerkenswerte Amplifikationsrate von 17% in oralen Plattenepithelkarzinomen. Erste unpublizierte Daten deuten darauf hin, dass diese Genaberration nicht nur in oralen Plattenepithelkarzinomen, sondern auch in Plattenepithelkarzinomen aller anderen Hals-Nasen-Ohren-Lokalisationen auftritt. Weiterhin überträgt sich die Amplifikation auch hier in den meisten Fällen auf lokoregionäre Metastasen.

Weitere Untersuchungen sind nötig, um eine genaue Amplifikationsfrequenz festzulegen und in funktionellen Studien einen möglichen neuen zielgerichteten Therapieansatz aufzudecken sowie gegebenenfalls einen prädiktiven oder prognostischen Wert zu eruieren.

Fazit für die Praxis

Genetisches Profiling hat zur Identifikation von Subklassen der vormals beschriebenen groben histologischen Klassifizierung von Malignomen der Lunge geführt. Eine Identifikation der diagnostisch, prognostisch und therapeutisch bedeutsamen Marker ist für eine zeitgemäße adäquate Patientenversorgung unerlässlich, da für den einzelnen Patienten weitreichende Konsequenzen in Form von personalisierter Therapie und individueller Prognose resultieren. Neben Lymphomen können Malignome der Lunge als Modellerkrankung für rationale Subklassifikationen auf der Basis molekularer Veränderungen angesehen werden.