Sporadische Dickdarmkarzinome treten bei 40% der Patienten als lokoregionäre Erkrankung auf, die bei 15% der Patienten auch die lokoregionären Lymphknoten befällt, aber keine Fernmetastasen entwickelt. Bei 60% der Patienten werden synchrone oder metachrone Fernmetastasen festgestellt. Die Unterscheidung des lokoregionären und des fernmetastasierenden Dickdarmkarzinoms hat eine überragende Bedeutung für die Prognose und Therapie der Erkrankung. Merkmale und Marker für diese Differenzierung könnten eine Klassifikation in Low-risk- und High-risk-Karzinome ermöglichen und damit die Indikation für die adjuvante Chemotherapie und die Nachsorge nach der Operation des Primärtumors steuern. Tatsächlich gibt es bereits heute prognostische Biomarker und Markerprofile, die – wie „eine gute und eine böse Fee“ – klinisch relevante Vorhersagen des Fernmetastasierungsrisikos erlauben und für eine Risikostratifikation der Dickdarmkarzinome geeignet sind. Sie sollen nachfolgend vorgestellt und erörtert werden.

Molekulare Merkmale bei niedrigem Fernmetastasierungsrisiko

Viele prognostische Marker des sporadischen Dickdarmkarzinoms wurden in klinischen Studien mit den Endpunkten Gesamtüberleben und progressionsfreies Überleben validiert, aber nicht im Hinblick auf den Vorhersagewert von Fernmetastasen bewertet [23, 24, 28]. Genauere Analysen zum Vorkommen von Fernmetastasen gibt es jedoch für Dickdarmkarzinome mit hochgradiger Mikrosatelliteninstabilität (MSI) und mit Mikrosatellitenstabilität (MSS). Sie zeigen, dass das signifikant bessere krankheitsspezifische Patientenüberleben bei MSI-Karzinomen im Vergleich zu MSS-Karzinomen durch eine signifikant geringere Rate von Metastasen bedingt ist. Dabei kommen Lymphknotenmetastasen und Fernmetastasen bei MSI-Karzinomen seltener vor. Speziell beträgt die Rate von Fernmetastasen bei MSI-Karzinomen nur 7,9% im Vergleich zu 27% bei MSS-Karzinomen [16]. Zudem zeigen Lebermetastasen von Dickdarmkarzinomen nur sehr selten eine MSI (0–2,7% der Fälle). Das bedeutet, dass Fernmetastasen in der Leber bei MSI-Karzinomen sehr selten sind [5].

Eigene Untersuchungen bestätigen diese Beobachtungen. In einer Fall-Kontroll-Studie haben wir 57 rechtsseitige Dickdarmkarzinome mit synchronen Lebermetastasen mit 57 Karzinomen mit 5 Jahren krankheitsfreiem Überleben untersucht. Die beiden Gruppen wurden bezüglich des Patientenalters, des Geschlechts und des Tumorgrads aufeinander abgestimmt (Abb. 1 a). In der Gruppe der MSI-Tumoren fand sich eine Fernmetastasierungsrate von 12%. Die MSS-Tumoren zeigten hingegen in bis zu 60% Fernmetastasen (Abb. 1 b). Eine noch höhere Signifikanz konnte bei der Stratifizierung der Fälle mithilfe der hMLH1-Immunhistochemie nachgewiesen werden. In der Gruppe der hMLH1-negativen Dickdarmkarzinome traten lediglich in 5% der Fälle Fernmetastasen auf, wohingegen 58% der hMLH1-positiven Karzinome Metastasen aufwiesen (Abb. 1 c; [17]).

Abb. 1
figure 1

Studiendesign (a) und Ergebnisse (b, c, d) der Fall-Kontroll-Studie für die Validierung von Biomarkern hinsichtlich des Fernmetastasierungsrisikos beim rechtsseitigem Dickdarmkarzinom (Erläuterungen s. Text)

Medulläres Dickdarmkarzinom als „Low-grade-Karzinom“

Das medulläre Karzinom zeigt eine distinkte Morphologie mit solidem Wachstumsmuster, undifferenzierten Tumorzellen und einer charakteristischen intra- und peritumoralen lymphoiden Stromareaktion. Rein morphologisch sind diese Karzinome als wenig differenzierte oder undifferenzierte Karzinome (G3–G4) zu graduieren. Klinisch zeigen medulläre Karzinome im Vergleich mit anderen undifferenzierten Karzinomen jedoch eine sehr gute Prognose (100% 5-Jahres-Überleben nach chirurgischer Resektion von Stadium-II- und –III-Karzinomen) sowie eine nur sehr geringe Rate von Fernmetastasen (unter 2%; [10, 12, 26, 27]).

Dieses diagnostische Paradoxon (G3/4-Karzinom mit niedrigem malignem Potential) zeigt auch die von uns durchgeführte Fall-Kontroll-Studie. Eine Stratifizierung der Fälle anhand der morphologischen Kriterien für das medulläre Karzinom ergab die besten Ergebnisse für die Vorhersage von Fernmetastasen. Medulläre Karzinome (12 der 114 Fälle) zeigten während des 5-jährigen Beobachtungszeitraums keinerlei Fernmetastasen. Hingegen waren bei 56% der Dickdarmkarzinome mit nichtmedullärer Morphologie Fernmetastasen nachweisbar (Abb. 1 d; [17]).

Medulläre Dickdarmkarzinome sind dabei durch ihre Morphologie und durch ein molekulares Markerprofil zu kennzeichnen. Die meisten Fälle weisen MSI und einen Verlust der hMLH1-Proteinexpression auf. Eine abnorme p53-Expression oder Dysregulation des Wnt/β-Catenin-Signalwegs liegt dagegen nicht vor (Abb. 2 a–d; [10]). Somit kann das medulläre Dickdarmkarzinom, nach Ausschluss der Assoziation mit einem HNPCC(„hereditary non-polyposis colorectal cancer“)-Syndrom, als Prototyp eines sporadischen Low-grade-Dickdarmkarzinoms mit Mismatch-Reparatur-Defekt (hMLH1-Ausfall) und MSI angesehen werden.

Abb. 2
figure 2

Dickdarmkarzinome mit prognostisch günstigem (a–d) und ungünstigem (e–h) Markerprofil: morphologisch undifferenziertes Dickdarmkarzinom vom medullären Typ (a) mit Verlust der hMLH1-Expression (b), fehlender nukleärer β-Catenin-Expression (c) und fehlender Expression von CD133 (d). Wenig differenziertes Adenokarzinom des Dickdarms vom kribriformen Typ (e) mit erhaltener hMLH1-Expression (f), starker nukleärer β-Catenin-Expression (g) und starker CD133-Expression (h)

Molekulare Graduierung von Dickdarmkarzinomen

Die Beobachtung, dass Dickdarmkarzinome mit Mismatch-Reparatur-Defekt und MSI eine signifikant günstigere Prognose und ein geringes Fernmetastasierungsrisiko haben, wird auch in der aktuellen WHO-Klassifikation der maligen Tumoren des Gastrointestinaltrakts von 2010 berücksichtigt (Tab. 1; [2]). Speziell wird in der neuen Fassung eine molekulare Graduierung für die muzinösen, siegelringzelligen, serratierten, kribriform-komedoartigen oder solid-undifferenzierten Subtypen des Dickdarmkarzinoms vorgeschlagen. Bisher wurden diese Subtypen nach der Morphologie als G3- oder G4-Karzinome eingestuft. Jetzt sollen diese Tumoren bei einem Anhalt für MSI als Low-grade-Karzinome und bei einem Anhalt für MSS als High-grade-Karzinome graduiert werden.

Tab. 1 Aktuelle Kriterien für die Graduierung von Adenokarzinomen des Dickdarms nach der WHO-Klassifikation (Mod. nach [2])

Anstelle der MSI-Diagnostik setzen wir für die molekulare Graduierung die technisch einfachere und kostengünstigere Immunhistochemie für hMLH1 und hMSH2 ein, da Expressionsverluste von hMLH1 oder hMSH2 signifikant mit MSI korrelieren [15, 20, 21, 22]. Bei negativer Immunhistochemie für hMLH1 oder hMSH2 werden die muzinösen, siegelringzelligen, serratierten, kribriform-komedoartigen oder solid-undifferenzierten Karzinome als „low grade“ und bei positiver Immunhistochmie als „high grade“ bewertet.

Ambivalente Bedeutung von BRAF-Mutationen

Sporadische Dickdarmkarzinome mit MSI leiten sich von serratierten Polypen, meist sessilen serratierten Adenomen, ab [9, 14]. Am Beginn ihrer molekularen Tumorigenese steht überwiegend eine BRAF-Mutation, selten auch eine KRAS-Mutation. Auf diese Onkogenmutation folgen eine onkogeninduzierte Seneszenz und eine Hypermethylierung von CpG-Inseln in verschiedenen Genpromotoren. Dies bedingt einen CpG-Methylator-Phänotyp mit einer messbaren Methylierung von mehreren Markergenen, die als CIMP („CpG island methylator phenotype“) definiert wurde. Typische methylierungsbedingte Genexpressionsausfälle betreffen p16, wodurch die onkogeninduzierte Seneszenz überwunden wird, oder hMLH1, wodurch der Mismatch-Reparatur-Defekt und die Ausprägung von MSI in der Tumorigenese bedingt sind (Abb. 3; [1, 11]). Es wurde daher zunächst angenommen, dass – wie die MSI und der hMLH1-Ausfall – auch die BRAF-Mutation oder CIMP brauchbare Biomarker für eine günstige Prognose und eine geringe Fernmetastasierungsrate des Dickdarmkarzinoms sein könnten.

Abb. 3
figure 3

Typische molekulare Karzinogenese sporadischer Dickdarmkarzinome mit Mikrosatelliteninstabilität (MSI): Initial liegt meist eine Mutation im BRAF-Onkogen vor, die von einer Hypermethylierung der CpG-Inseln in verschiedenen Genpromotoren gefolgt wird. Sie bedingt den „CpG island methylator phenotype“ (CIMP) und in der Regel eine Inaktivierung des hMLH1-Gen-Promotors mit hMLH1-Expressionsverlust. Daraus resultiert ein Mismatch-Reparatur-Gen-Defekt und konsekutiv eine hochgradige MSI

Überraschenderweise haben klinische Studien diese Annahme widerlegt. Nach den Studienresultaten haben Patienten mit BRAF-mutierten Dickdarmkarzinomen im Stadium II und III eine signifikant schlechtere Prognose als Patienten mit Nachweis von BRAF-Wildtyp im Dickdarmkarzinom. Die Erklärung für diesen Befund ist, dass die BRAF-Mutation kombiniert sowohl mit MSI (5% der Dickdarmkarzinome) als auch mit MSS (4% der Dickdarmkarzinome) vorkommt [19]. Eine günstige Prognose besteht nur bei Karzinomen mit BRAF-Mutation im Verbund mit MSI, während bei Karzinomen mit BRAF-Mutation im Verbund mit MSS die Prognose ausgesprochen schlecht ist und das 5-Jahres-Gesamtüberleben nur 16,7% beträgt. In Studien mit fernmetastasiertem Dickdarmkarzinom (Stadium IV) liegen in der Regel BRAF-mutierte Karzinome mit MSS vor, so dass hier die BRAF-Mutation der Indikator für die schlechteste Prognosegruppe ist [13, 18].

Der alleinige Nachweis einer BRAF-Mutation macht daher als prognostischer Biomarker für das sporadische Dickdarmkarzinom keinen Sinn, da eine Abhängigkeit vom MSI-Status bzw. dem Mismatch-Reparatur-Defekt (hMLH1-Ausfall) besteht:

  • Die gute Fee ist hier das Markerprofil mit BRAF-Mutation, CIMP, hMLH1-Negativität und MSI.

  • Die schlechte Fee ist das Markerprofil mit BRAF-Mutation, CIMP oder Nicht-CIMP, hMLH1-Positivität und MSS.

Molekulare Marker bei hohem Fernmetastasierungsrisiko

Das Markerprofil BRAF-Mutation, hMLH1-Positivität und MSS wäre somit ein Indikator für eine sehr schlechte Prognose und ist bei 4% der Dickdarmkarzinome zu erwarten [19]. Weitere Markerprofile von High-risk-Karzinomen lassen sich auch aus dem 2005 publizierten Konzept der migrierenden Krebsstammzellen für das Dickdarmkarzinoms ableiten [3]. Das Konzept basiert auf der Beobachtung, dass in vielen Dickdarmkarzinomen, insbesondere an der Invasionsfront, eine starke nukleäre Expression von β-Catenin nachweisbar ist. Zielgene des Wnt/β-Catenin-Signalwegs sind neben bekannten Stammzellfaktoren unter anderem Gene, die die epithelial-mesenchymale Transition (EMT) steuern und Tumorzellen die Fähigkeit zur Migration verleihen. Die resultierenden migrierenden Stammzellen könnten wesentlich zur Ausbildung von Fernmetastasen beitragen.

Tatsächlich korreliert die Expression von nukleärem β-Catenin und von dem des Stammzellmarkers CD133 signifikant mit Fernmetastasierung beim Dickdarmkarzinom (Abb. 2 e–h; [6, 7, 8]). Karzinome mit hoher nukleärer β-Catenin-Expression haben eine Fernmetastasierungsrate von 71%. Bei fehlender oder nur geringer β-Catenin-Expression beträgt diese nur 39%. Ebenso zeigen Karzinome mit hoher Expression von CD133 in 79% der Fälle Fernmetastasen, wohingegen die Fernmetastasierungsrate von Karzinomen mit niedriger CD133-Expression nur 38% beträgt. Die Kombination beider Marker ergibt die höchste prognostische Relevanz. 94% der Dickdarmkarzinome mit hoher CD133-Expression und hoher nukleärer β-Catenin-Expression wiesen nach unseren Untersuchungen für das rechtsseitige Kolon Fernmetastasen auf [17].

Aus diesen Beobachtungen kann man einen zweistufigen, auf drei immunhistochemischen Färbungen basierenden Algorithmus ableiten, mit dessen Hilfe Dickdarmkarzinome des rechten Kolons entsprechend ihres Fernmetastasierungsrisikos klassifiziert werden können (Abb. 4). Zunächst erfolgt eine Risikostratifizierung anhand der hMLH1-Expression, um die hMLH1-negativen Fälle mit einem extrem niedrigen Fernmetastasierungsrisiko (5%) zu identifizieren. Die Hochrisikopatienten für Fernmetastasen werden dann bei erhaltener hMLH1-Expression durch eine hohe CD133-Expression und eine hohe nukleäre β-Catenin-Expression erfasst. Ihre Fernmetastasierungsrate beträgt 94% [17].

Abb. 4
figure 4

Zweistufiger Algorithmus basierend auf 3 immunhistochemischen Markern (hMLH1, CD133 und β-Catenin) zur Vorhersage des Fernmetastasierungsrisikos beim rechtsseitigen Dickdarmkarzinom

Das Konzept des einfachen immunhistochemischen Algorithmus zur Klassifikation des Fernmetastasierungsrisikos ähnelt dem Ansatz des teuren, kommerziell erhältlichen Oncotype DX Colon Cancer Assay© (Genomic Health, Inc.). Dieser Test soll die Therapieentscheidung hinsichtlich einer adjuvanten Chemotherapie bei Dickdarmkarzinompatienten im UICC-II-Stadium mit R0-Resektion erleichtern. Hierfür werden die Dickdarmkarzinome zunächst, ähnlich wie bei dem immunhistochemischen Algorithmus, in ein Profil mit äußerst niedrigem Fernmetastasierungsrisiko (Mismatch-Reparatur-Defekt mit hMLH1-Ausfall bzw. hochgradiger MSI) und ein Profil mit einem äußerst hohen Fernmetastasierungsrisiko (pT4-Tumoren, G3/G4-Tumoren, Nachweis von Lymph- oder Blutgefäßeinbrüchen, Perforation oder Nachweis von weniger als 12 tumorfreien Lymphknoten) eingeteilt. Die übriggebliebenen Karzinome (76% der Fälle) können anhand der bekannten Prognoseparameter nicht weiter subtypisiert werden. Sie werden mit dem Oncotype DX Colon Cancer Assay© bewertet. Dieser wird an formalinfixiertem, paraffineingebetteten Tumorgewebe (Block oder 15 Paraffinschnitte) durchgeführt und analysiert mittels mRNA-Expressionsanalyse (RT-PCR) 7 tumorassoziierte Gene sowie 5 Referenzgene. Aus dem Expressionsprofil wird dann ein individueller Rekurrenzscore abgeleitet, anhand dessen das Fernmetastasierungsrisiko abgeschätzt werden kann [4, 25].

Fazit für die Praxis

  • Anhand von Markerprofilen lässt sich das sporadische Dickdarmkarzinom in lokoregionäre Tumoren und Tumoren mit hohem Fernmetastasierungsrisiko unterteilen.

  • Sporadische Dickdarmkarzinome mit Verlust der hMLH1-Expression bzw. mit Mikrosatelliteninstabilität (morphologischer Prototyp hierfür ist das medulläre Karzinom des Dickdarms) weisen nur ein sehr geringes Fernmetastasierungsrisiko auf.

  • In der aktuellen WHO-Klassifikation werden Sonderformen des Dickdarmkarzinoms (muzinös, siegelringzellig, serratiert, kribriform-komedoartig und solid-undifferenziert) anhand ihres Mikrosatellitenstatus bereits molekular in Low-risk- und High-risk-Karzinome graduiert. In der täglichen Routine kann an die Stelle der molekularpathologischen Mikrosatellitenanalyse eine Immunhistochmie für hMLH1 und hMSH2 zum Nachweis eines Mismatch-Reparatur-Gen-Defekts treten.

  • Eine BRAF-Mutation bzw. der CIMP-Status korrelieren nur vor dem Hintergrund einer Mikrosatelliteninstabilität mit einer guten Prognose. Bei mikrosatellitenstabilen Karzinomen korrelieren BRAF-Mutationen sogar mit einem äußerst schlechten Krankheitsverlauf.

  • Dickdarmkarzinome mit einem hohen Fernmetastasierungsrisiko können durch eine starke Expression von nukleärem β-Catenin und dem Stammzellmarker CD133 charakterisiert werden.