Der Leichnam war, insbesondere an den Gliedmaßen, sehr abgezehrt und mit schwarzen Petechien übersäht, der Unterleib ungemein wassersüchtig aufgetrieben und gespannt … In der Bauchhöhle waren vier Maß graulich-brauner trüber Flüssigkeit verbreitet … die Leber erscheint auf die Hälfte ihres Volumens zusammengeschrumpft, lederartig fest, grünlichblau gefärbt und an ihrer höckerigen Oberfläche, sowie an ihrer Substanz mit bohnengroßen Knoten durchwebt. (Obduktion Ludwig van Beethoven, Doctor Johann Wagner, Assistent beym pathologischen Musäum in Wien, März 1827)

Diagnosesicherung durch Obduktion

Die Obduktion als Instrument der Qualitätssicherung ist heute das Thema und ist es schon seit mehreren Jahren. Die Obduktion wird bereits seit Jahrhunderten als probates Instrument zur Feststellung der Erkrankungen und der Todesursache durchgeführt. Und ist als solches anerkannt. Seit Jahrzehnten ist nun ein Rückgang der Obduktionen – wie die Zahlen deutschlandweit, aber auch weltweit zeigen – festzustellen.

In unserer Fachrichtung muss dies überraschen. Denn unabhängig von gesetzlichen Regelungen, gesellschaftlichen Ansichten und Gesundheitssystemen bzw. finanziellen Bedingungen, welche mögliche Ursachen für die schwindenden Obduktionszahlen in sich bergen, ist die Obduktion nach wie vor die letzte und umfassendste körperliche Untersuchung, welche derzeit zur Verfügung steht.

Und nach wie vor sind die im Rahmen einer Obduktion diagnostizierten Befunde, ob sie nun Neben- oder Grunderkrankungen oder die Todesursache selbst betreffen, nicht in ihrer Gänze durch klinische, laborchemische oder radiologische Diagnostik zu erfassen. Bereits in zahlreichen verschiedenen Veröffentlichungen wurden abweichende, durch eine Obduktion erhobene Diagnosen differenziert betrachtet. So wurden differente Befunde klinischer Diagnostik und Obduktion bereits in der Görlitzer Studie 1986/87 bei einer Obduktionsrate von 98% aufgezeigt.

Am Beispiel unserer Zusammenarbeit mit der Abteilung für Herzchirurgie des Herzzentrums Leipzig (Herrn Prof. Dr. F. Mohr) konnten diese Aussagen bestätigt werden. Basierend auf einer diagnosebezogenen Auswertung durch Herrn Dr. Rastan am Herzzentrum in Leipzig für den Zeitraum Januar 2000 bis Dezember 2003 mit einer Obduktionsrate von 52,1% (468 von 898 Verstorbenen) betrug die gesamte Übereinstimmung der klinisch angenommenen und durch eine Obduktion gesicherten Todesursachen nur 66,2% (Tab. 1). Im Besonderen waren 15,2% der Herzinfarkte und 18,7% der Lungenembolien, welche todesursächlich waren, prämortal nicht diagnostiziert worden.

Tab. 1 Übereinstimmung klinischer und durch Obduktion gesicherter Todesursachen. (Mod. nach [2])

Hinsichtlich perioperativer Komplikationen waren 77,4% prämortal unbekannt. Durch eine Obduktion erstmals diagnostiziert wurden dabei beispielsweise:

  • arterielle Embolien zu 52,9%,

  • tiefe Venenthrombosen der unteren Extremitäten zu 93,7%,

  • periphere Lungenembolien zu 91,7%,

  • intestinale Ischämien zu 62,2%.

Postmortal diagnostizierte Begleiterkrankungen waren zu 57,6% unbekannt. Dabei waren klinischerseits prämortal nicht diagnostiziert:

  • eine arterielle Verschlusskrankheit zu 48,1%,

  • eine Leberverfettung zu 90,6%,

  • eine Leberzirrhose immerhin noch zu 48,3%.

Die Gruppe der vor der Obduktion zu 44,6% unbekannten malignen Tumoren setzte sich wesentlich zusammen aus Lymphomen, Lungen-, Nieren- und Prostatakarzinomen, aber auch aus kolorektalen Karzinomen.

Eine prämortal unbekannte arterielle Verschlusskrankheit, Leberzirrhose und maligne Tumoren wurden als relevant bezüglich der chirurgischen Indikation und Therapie angesehen und waren in 19,2% der obduzierten Patienten nachweisbar. Zudem wurden 96 prämortal unbekannte operationsbedingte pathologische Befunde durch eine Obduktion in 18,1% der Patienten gesichert – einschließlich einer wesentlichen aortokoronaren Bypassdysfunktion bei 9,6%.

Im Fall der diagnosebezogenen Todesursachen konnte bei 24 der 32 Patienten mit der klinischen Diagnose eines plötzlichen Herztods durch die Obduktion eine zugrunde liegende morphologische Todesursache festgestellt werden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Übereinstimmung klinischer und autoptischer Todesursachen (Anzahl der Patienten), organbezogene Todesursachen wurden in markierten Quadraten summiert. (AMI akuter Myokardinfarkt, AHF „acute heart failure“, ARDS „adult respiratory distress syndrome“, MOV Multiorganversagen; mod. nach [2])

Instrument der Qualitätssicherung

Die Obduktion als damit unschlagbares Instrument zur Qualitätssicherung der klinischen Diagnostik und Therapie dürfte gestern wie heute mannigfach bewiesen sein. Und dies wird in unserer täglichen Praxis wieder und wieder gezeigt. Insbesondere in den klinisch-pathologischen Konferenzen, welche unsererseits monatlich mit dem Herzzentrum und der Inneren Medizin am Universitätsklinikum in Leipzig durchgeführt werden und Raum zur offenen Diskussion zum einen der behandelnden Ärzte untereinander und zum anderen mit den Pathologen bieten.

Die Obduktion und die Besprechung der Ergebnisse mit den klinischen Kollegen ist letztendlich die einzige Möglichkeit, Neben- und Grunderkrankungen im Gesamtkontext eines Krankheitsverlaufs zu gewichten, Krankheitsverläufe zu rekonstruieren, Differenzialdiagnosen aufzuzeigen und therapeutische Maßnahmen hinsichtlich ihrer Effizienz zu beurteilen. Nicht zuletzt ist im Rahmen einer solchen interdisziplinären Konferenz eine Erfassung der Erkrankungen und der Komplikationen im Rahmen einer statistischen Analyse möglich, was bestenfalls zu strukturellen Veränderungen mit Erarbeitung erkenntnisadaptierter interner Leitlinien und Therapiestrategien führen kann.

Das ist Qualitätssicherung, welche jedoch zwingend voraussetzt, dass sämtliche Informationen der Klinik und Obduktion zusammengetragen werden. Und welche zwingend voraussetzt, dass eine Obduktion makroskopisch und mikroskopisch vollständig und gründlich sowie adäquat fachlich betreut durchgeführt wird. Qualitätssicherung, die als Qualitätsmanagement in anderen Berufen selbstverständlich ist, muss doch in Krankenhäusern und in der Pathologie noch selbstverständlicher sein.

Einschränkungen

Warum also besteht eine Diskussion über die Obduktion? Auch von Seiten der Pathologen? Oder viel verheerender: Warum wird nicht mehr über die Obduktion gesprochen – auch dies nicht mehr von Seiten der Pathologen?

Ich bin nun seit 8 Jahren am Institut für Pathologie in Leipzig bei Herrn Prof. Wittekind und erfülle u. a. die Funktion der Obduktionssaalaufsicht seit 2005, wobei unsere jährlichen Obduktionszahlen von 2005 bis 2010 bei Minimum 438 bis Maximum 516 im letzten Jahr lagen.

Nach dieser Zeit muss ich natürlich eingestehen, dass die tägliche Praxis immer wieder Grenzen aufzeigt. Selbst die eingangs zitierten Obduktionsergebnisse von Ludwig van Beethoven haben bis heute keine Klarheit über seine tatsächliche Grunderkrankung gebracht. Auch heute bleiben nach einer durchgeführten Obduktion Krankheitsverläufe teilweise unklar, sind insbesondere funktionelle Veränderungen mit den im Rahmen einer Obduktion zur Verfügung stehenden Mitteln nur zu diskutieren und nicht zu beweisen. Dies ist die menschliche Beschränkung, aber kein Grund die Obduktion als Instrument der Qualitätssicherung anzuzweifeln.

Nun höre ich es schon förmlich raunen, der Aufwand, klinische Angaben zusammenzutragen, die Zeit für die Obduktion, die Fotodokumentation, die mikroskopische Befundung, das Erstellen des Obduktionsberichts, nicht zu vergessen die Korrekturen, die Bearbeitung des Obduktionsmaterials im Labor, die Arbeitszeit von Obduktionsassistenten, medizinisch technischen Assistentinnen und Sekretärinnen, die Aufarbeitung für die klinisch-pathologischen Konferenzen – und für was? Da gibt es lukrativere Zweige in der Pathologie. Aber keinen, in welchem Lernen so umfassend auch für den Pathologen selbst möglich ist und der Erkenntnisgewinn über kausalpathologische Zusammenhänge größer wäre. Was von unschätzbarem Vorteil in der Routinehistologie an Organbiopsien sein kann – im wörtlichen Sinne: Totum pro parte.

Aufgaben der Pathologen

„In den meisten Fällen ist die Todesursache eines Menschen sein Leben.“ So könnte man mit Voltaire die Aufgabe, welche bei einer Obduktion vor einem liegt, zusammenfassen.

Und man lernt nicht aus. Eine Obduktion heute ist mit einer Obduktion vor 50, ja selbst vor 20 Jahren nicht mehr zu vergleichen. Allein die immer mehr und komplexer werdenden Therapieoptionen bedürfen einer z. T. neuen und deutlich eingehenderen Interpretation von Obduktionsergebnissen – hier genügt nicht mehr die Aufzählung von Organbefunden, sondern eine Befundinterpretation bzw. Befunddiskussion muss im Kontext erfolgen. Dies kann heutzutage ohne eine entsprechende klinische Angabe unmöglich sein, das heißt nicht alle Obduktionsergebnisse sprechen für sich.

Verheerend ist das Schweigen zum Thema Obduktion von Seiten der Pathologen v. a. aus einem Grund: So wie mit sinkenden Obduktionszahlen die Qualitätssicherung abnimmt, so nimmt mit sinkenden Obduktionszahlen die Qualität der Obduktionsergebnisse ab. Eine Diskussion, die uns Pathologen bei sinkenden Obduktionszahlen beschäftigt, ist die geforderte Obduktionszahl im Rahmen der Facharztausbildung. Das Lernen in Kontexten, auch im Kontext einer ganzkörperlichen Diagnostik ist sowohl für den Studenten, den klinischen Kollegen als auch den Pathologen unerlässlich – auch wenn dies in der Realität wie eine Utopie klingen mag.

Es ist also an uns – den Pathologinnen und Pathologen – die Obduktion an ihrem Platz zu sehen, zwar am Ende eines Lebens, aber in der Mitte alltäglicher medizinischer Arbeit. Als Verbindung zwischen dem, was war und dem, was sein wird. Ob nun auf Seiten der klinischen Kollegen in der Patientenbehandlung oder auf Seiten der Pathologen. Dass heißt, die Obduktion muss zum Thema werden.

Stellenwert der Kommunikation

Die Kommunikation hierüber könnte Verschiedenes bedeuten:

Zunächst eine Weiterbildung klinischer Kollegen zum Thema – denn Voraussetzung ist das Aufklärungsgespräch möglicherweise des Patienten selbst sowie seiner Angehörigen durch erfahrene Ärzte. Nur durch eine glaubwürdige und kompetente Darstellung der Obduktion und ihrer Möglichkeiten kann eine Akzeptanz auf Seiten der Betroffenen geschaffen werden.

Dies könnte auch bedeuten: abschließende Gespräche mit den Angehörigen durch den Pathologen selbst.

Vor allem aber beinhaltet Kommunikation einen effizienten Informationsaustausch über klinische Daten und Obduktionsergebnisse in Zeit, Form und Inhalt und mit dem Angebot von klinisch-pathologischen Konferenzen.

In der Abteilung für Herzchirurgie konnte über den Zeitraum 2000 bis 2003 bei einer anfänglichen Obduktionsrate im Jahr 2000 von 32,7% eine Steigerung der Obduktionsrate auf ca. 60% im Jahr 2003 erreicht werden [2]. Dieses Ergebnis basiert auf einem beiderseitigen Verständnis der Obduktion als Mittel der Qualitätssicherung. Das Herzzentrum nimmt die Obduktion vorrangig als Mittel der klinikinternen Qualitätssicherung wahr – mit hoher Behandlungstransparenz und der damit verbundenen objektiven Berichterstattung nach außen. Weiterhin steht eine praxisnahe Beantwortung der klinischerseits erhobenen Fragen im Vordergrund. Grundlage hierfür ist ein mit dem Leichenschein zugesandtes detailliertes Verlaufsprotokoll des Herzzentrums.

Im Umkehrschluss wurde mittels eines von uns mit dem Obduktionsprotokoll versandten Antwortbogens die Zusammenarbeit anhand von Parametern der Verfahrensweise durch Frau Nestler [1] evaluiert. Dies beinhaltet z. B. das Vorliegen der Autopsieanforderungscheine, der genauen klinischen Fragestellung, der Anwesenheit der Kliniker bei der Obduktion sowie die Dauer der Befundübermittlung und Beantwortung der klinischen Fragestellung bzw. Unklarheiten nach Berichterstattung. Bemerkenswert ist dabei, dass bei 96,7% der Obduktionen eine Beantwortung der klinischen Fragestellung erfolgte. Zusätzliche Befunde wurden demnach in 74,8% der Obduktionen erhoben, davon wurden von klinischer Seite 32,9% als diagnostisch oder therapeutisch relevant angesehen.

Durch eine solche Rückkopplung können etwaige Schwachstellen der interdisziplinären Zusammenarbeit eruiert werden. Eine effizientere Strukturierung der Zusammenarbeit unterstützt nicht nur eine zeitnahe Befundübermittlung, sondern führt aufgrund der praxisnahen und -relevanten Ergebnisse auf beiden Seiten zu einer positiven Bewertung der Obduktion und damit wiederum zu einer Steigerung der Obduktionsrate.

In Zukunft könnte somit, wie am Beispiel des Herzzentrums gezeigt, eine hinsichtlich der Qualitätssicherung sinnvolle Obduktionsrate unabhängig von einem Intervenieren der Krankenkassen bzw. einer bundeseinheitlichen Gesetzgebung erreicht werden.

Der ist der glücklichste Mensch, der das Ende (s)eines Lebens mit dem Anfang in Verbindung setzen kann. (Johann Wolfgang von Goethe)