Zusammenfassung
Sinunasale Tumoren sind meistens Plattenepithelkarzinome oder Transitionalzellkarzinome. Die seltenen Adenokarzinome der inneren Nase und der Nasennebenhöhlen zeigen eine Korrelation zu einer Holzstaubbelastung. Dies trifft allerdings nur für Adenokarzinome vom intestinalen Typ zu und nicht für Speicheldrüsenkarzinome oder polymorphe Low-grade-Adenokarzinome. Unter 160 Fällen mit Holzstaubanamnese und Malignomen der inneren Nase fanden sich 134 sinunasale Adenokarzinome vom intestinalen Typ (SNAIT) und 24 andere Karzinome sowie ein malignes Melanom und ein malignes Synovialom. Die SNAIT zeigen verschiedene Subtypen mit hoher morphologischer Ähnlichkeit zu kolorektalen Adenokarzinomen (papillär-tubulär: 72,4%; alveolär-becherzellig 5,2%, siegelringzellig 3,7%, Übergangsformen 18,7%). Hochdifferenzierte Adenokarzinome (G1) sind mit 23,1% und muzinöse Adenokarzinome mit 29,1% relativ häufig. Als kanzerogene Faktoren werden neben Holzstaub auch Holzadditive diskutiert. Bei der Entwicklung von SNAIT ist eine Metaplasie-Dysplasie-Carcinoma-in-situ-Sequenz wahrscheinlich. Bei symptomarmem klinischem Verlauf tritt eine Erstmanifestation der Tumoren häufig im fortgeschrittenen Stadium auf.
Abstract
Sinonasal carcinomas are usually of the squamous cell or transitional cell type. Adenocarcinomas of the inner nose and the paranasal sinus correlate with exposure to wood dust. However, this is only true for adenocarcinomas of the intestinal type and not for salivary gland carcinomas or polymorphous low-grade adenocarcinomas. Of 160 cases with a history of wood dust exposure and malignant tumors of the inner nose, 134 were sinonasal adenocarcinomas of the intestinal type (SNAIT). In addition, there were 24 other carcinomas as well as 1 malignant melanoma and 1 malignant synovial tumor. The SNAIT showed various subtypes with great morphological similarities to colorectal adenocarcinomas (papillary tubular cylinder cell: 72.4%; alveolar goblet cell: 5.2%; signet ring cell: 3.7%; transitional type: 18.7%). Highly differentiated adenocarcinomas (G1) and mucinous adenocarcinomas were relatively frequent: they accounted for 23.1% and 29.1% of the 134 SNAIT, respectively. Apart from wood dust, wood additives are discussed as a carcinogenic factor. With the development of SNAIT, a metaplasia–dysplasia–carcinoma in situ sequence is probable. If the clinical course shows few symptoms, the first manifestation of such a tumor often occurs in an advanced stage.
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Karzinome der inneren Nase und der Nasennebenhöhlen sind selten. Unter den Malignomen der oberen Luftwege nehmen sie etwa 15% der Fälle ein. Ihre Inzidenz wird mit 6–9 Fällen pro 1 Mio. Einwohner pro Jahr angegeben. Vorherrschend handelt es sich um Plattenepithelkarzinome. Der Anteil der Adenokarzinome liegt zwischen 4 und 20% [25, 34].
Klassifikation
Sinunasale Adenokarzinome zeigen ein breites morphologisches Spektrum, das bereits früher zu verschiedenen Klassifikationsvorschlägen führte [3, 16, 24]. Die WHO-Klassifikation [32] listet neben den verschiedenen Varianten von Speicheldrüsenkarzinomen eigene Kategorien für Adenokarzinome, papilläre Adenokarzinome, polymorphe Low-grade-Adenokarzinome und intestinale Adenokarzinome auf.
Im Tumoratlas der AFIP [23] werden den Adenokarzinomen vom Speicheldrüsentyp die vom Nichtspeicheldrüsentyp gegenübergestellt und letztgenannte Tumoren in die größere Gruppe der sinunasalen Adenokarzinome vom intestinalen Typ (SNAIT) und die sehr kleine inhomogene Gruppe der polymorphen Low-grade-Adenokarzinome gegliedert. Diese Einteilung entspricht weitgehend der Kategorisierung von Kleinsasser [15].
Für eine Untergliederung der SNAIT gibt es unterschiedliche Vorschläge, wie etwa die Abgrenzung tubulärer und papillärer Tumoren [3] oder die Diskriminierung von papillären, soliden, muzinösen und kolonartigen Bildern [2]. Kleinsasser [15] unterscheidet anhand von 79 Fällen mit SNAIT 4 Unterkategorien—nämlich papillär-tubuläre Zylinderzelladenokarzinome („papillary tubular cylinder cell carcinoma“—PTCC; 75,9%), alveoläre Becherzelladenokarzinome („alveolar goblet cell carcinoma“—AGC; 11,4%), Siegelringzelladenokarzinome („signet ring cell carcinoma“—SRC; 3,8%) sowie schließlich Übergangsformen („transitional type“—TR; 8,9%). Ein Grading der 60 PTCC-Fälle war prognostisch relevant: Die mittlere 5-Jahres-Überlebensrate betrug bei 11 Grad-1-Tumoren 81,8%, bei 28 Grad-2-Tumoren 54, 2% und bei 21 Grad-3-Tumoren 36,4%. Diese Unterteilung fand bei guter Reproduzierbarkeit und prognostischer Relevanz eine gute Akzeptanz [8]. Die WHO-Klassifikation sieht lediglich muzinöse Adenokarzinome mit mehr als 50% Schleimanteil als Unterkategorie vor ohne ein Grading vorzunehmen [32]. Neuere Untersuchungen halten eine Graduierung entsprechend der WHO-Klassifikation für kolorektale Karzinome auch für SNAIT angemessen [9].
Pathogenese
Die hohe Ähnlichkeit der SNAIT mit kolorektalen Adenokarzinomen ist schon lange bekannt ([18], Übersicht bei [28]). Auch heute findet man nicht selten Pathologieberichte zu SNAIT mit einem Kommentar an den Kliniker, dass möglicherweise die Metastase eines Kolonkarzinoms vorliege. Diese morphologische Ähnlichkeit hat zu verschiedenen pathogenetischen Hypothesen geführt, die zum einen die Stammzellhypothese auch für diese Tumoren aufgreifen [22, 27] und zum zweiten die besondere intestinale Differenzierung im Zusammenhang mit einer Prädetermination durch eine sequenzielle aszendierende Intestinalisation des Vordarmes in Erwägung ziehen [33]. Möglicherweise spielt auch hier, wie bei den kolorektalen Adenokarzinomen, das Konzept der Top-down-Morphogenese eine Rolle [31].
In den Brennpunkt des Interesses gelangte diese besondere Tumorgruppe durch klinische Beobachtungen der Hals-Nasen-Ohren-Ärztin E. Hadfield, die über eine Häufung von Adenokarzinomen der inneren Nase bei Arbeitern in der holzverarbeitenden Industrie (Stuhlfabrikation) im High-Wycombe-Gebiet bei Oxford, Großbritannien, berichtete [19]. Epidemiologische Studien bestätigten diese Beobachtung [1] und führten bereits 1969 in Großbritannien zu einer Anerkennung von sinunasalen Adenokarzinomen als Berufskrankheit.
Seit den 1970er Jahren häuften sich die Berichte über holzstaubassoziierte Adenokarzinome auch aus Ländern wie Schweden, Finnland, Italien, Frankreich und Deutschland, nicht jedoch aus den USA [4]. Eine Analyse des nationalen Krebsregisters der DDR ergab für die Jahre 1958–1979 unter den Tumoren des oberen Respirationstraktes eine Häufung von Adenokarzinomen nach Holzstaubexposition, und zwar in 22 von 62 Tumorfällen (35%) gegenüber 23 von 561 (4%) Tumoren bei Beschäftigten, die nicht in der Holzindustrie tätig waren [10].
1982 wurde in der BRD in der MAK-Wert-Liste Holzstaub erstmals als Stoff „mit begründetem Verdacht auf krebserzeugendes Potenzial“ gelistet. 1984 wurde der erste Fall wie eine Berufserkrankung nach § 551 Abs. 2 der RVO anerkannt und entschädigt. 1985 stufte die Senatskommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft „Eichen- und Buchenholzstäube“ in die Gruppe IIIA1 der MAK-Wert-Liste als „für den Menschen krebserzeugende Stoffe“ ein, nahm aber als Fußnote auf, dass zwar Stäube epidemiologisch eindeutig Krebs erzeugen, allerdings das verursachende krebserzeugende Prinzip derzeit noch nicht identifiziert sei. Am 1. April 1988 trat eine Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung in Kraft, in der unter der Nummer BK4203 „Adenokarzinome der Nasenhaupt- und Nasennebenhöhlen durch Stäube von Eichen- und Buchenholz“ in die Berufskrankheitenliste aufgenommen wurden. Die anderen Holzstäube wurden als „krebsverdächtig“ eingestuft [29].
Entschädigt nach der BK 4203 wurden von 1988 bis 2000 in Deutschland 384 Erkrankte. Zur Abgrenzung von Tumoren, für die epidemiologisch kein wesentlich erhöhtes holzstaubassoziiertes Risiko nachgewiesen ist, wie Adenokarzinome der Speicheldrüsen, polymorphe Low-grade-Adenokarzinome (WHO) bzw. Adenokarzinome vom terminal-duktalen Typ, Plattenepithelkarzinome oder Transitionalzellkarzinome, strebt die Berufsgenossenschaft eine einheitliche histologische Beurteilung der Tumoren an. Diese wurde bis 1998 für die Mehrzahl der Fälle durch Prof. Kleinsasser, Universitätsklinik Marburg, durchgeführt und erfolgt seitdem vornehmlich in Braunschweig.
Material und Methoden
Über die Berufsgenossenschaften, vorwiegend die Holzberufsgenossenschaft, erhielten wir zur konsiliarischen Beurteilung des Tumortyps vom 01.01.1999 bis zum 30.06.2003 aus zahlreichen Instituten für Pathologie insgesamt 166 Einsendungen. Den einsendenden Kollegen sei für ihre vertrauensvolle Unterstützung, ihren Aufwand bei der Dearchivierung von Schnitten und Paraffinblöcken sowie für die Übermittlung von Befundkopien nachdrücklich gedankt.
In allen Fällen lagen histologische Schnittpräparate und Paraffinblöcke vor. Von jedem Fall wurden eigene Schnitte angefertigt und folgendermaßen regelmäßig gefärbt: Hämatoxylin-Eosin, PAS-Diastase und Eisen-Diamin-Alcianblau-Färbung (HID). In zahlreichen Fällen erfolgten immunhistochemische Untersuchungen mit einem tumordifferenzierungsabhängigen Antikörperpanel: CEA, MUC2, CDX2, CA19–9, S-100-Protein, Aktin, Chromogranin, Synaptophysin, NSE, MIB-1. Einzelfälle wurden einer molekularpathologischen Untersuchung unterzogen (p53, K-ras, SYT-SSX). Ein Teil der Fälle wurde im Universitätsinstitut für Pathologie der Charité Berlin mit der CGH-Methode analysiert.
Anhand der histologischen und immunhistochemischen Befunde wurden die Fälle nach der WHO-Klassifikation typisiert. Die SNAIT wurden in vorherrschend muzinöse und nichtmuzinöse Gruppen unterteilt und entsprechend der Klassifikation nach Kleinsasser [15] in 4 Gruppen unterteilt. Zudem erfolgte eine Graduierung der SNAIT in Anlehnung an die Empfehlung der WHO für kolorektale Karzinome [13], wobei allerdings der Grad der Kernatypie als zusätzliches Kriterium berücksichtigt wurde (Tabelle 1). Als glanduläre Komponente wurden tubuläre, papilläre und alveoläre Formationen angesehen. Dem Schleimanteil wurde keine Relevanz beigemessen.
Ergebnisse
Von 166 eingesandten Fällen waren 32 Fälle (19,3%) nicht der Gruppe der SNAIT zuzuordnen. Dreimal war kein Tumor nachweisbar (darunter 2 Fälle mit Sialometaplasie). Drei Fälle betrafen eine nicht sinunasale Lokalisation (1-mal Nasenvorhof, 2-mal Epipharynx). 26 Fälle der 160 sinunasalen Tumoren (16,3%) ließen keine histologische Beziehung zu einem SNAIT erkennen (Tabelle 2), wenngleich in all diesen Fällen eine berufliche Holzstaubbelastung angegeben war.
134 Tumoren zeigten das histologische Bild eines SNAIT (Abb. 1 a). 39 dieser Fälle (29,1%) wiesen in erheblichem Ausmaß (über 50%) eine Schleimbildung auf und entsprachen damit dem muzinösen Subtyp der WHO (Abb. 1c). Diese 39 muzinösen Adenokarzinome entsprachen folgenden Kleinsasser-Kategorien: PTCC 12 Fälle, AGC 7 Fälle, SRC 5 Fälle, TR 15 Fälle. Über die Subtypisierung nach Kleinsasser [15] und ihre Beziehung zum histologischen Malignitätsgrad informiert Tabelle 3.
Sog. Übergangsformen (TR) mit Mischbildern der Subtypen fanden sich in 25 Fällen (18,7%). Hierbei waren die häufigen Tumoren vom PTCC-Typ (120 Fälle) 16-mal mit einem AGC-Typ vergesellschaftet, 4-mal mit dem SRC-Typ (Abb. 1e) und 2-mal sowohl mit dem AGC- als auch mit dem SRC-Typ. Drei Fälle zeigten eine Kombination von AGC- und SRC-Typ. Sieben Fälle (5,2%) wiesen ausschließlich einen AGC-Typ (Abb. 1b) und 5 Fälle (3,7%) ausschließlich einen SRC-Typ auf.
Darüber hinaus zeigten einige Adenokarzinome besondere histologische Auffälligkeiten: ein Tumor enthielt reichlich Paneth-Zellen (Abb. 1d), ein anderes Adenokarzinom reichlich Psammomkörper. Ein weiteres Adenokarzinom wies ausgesprochen hellplasmatische glykogenreiche Tumorzellen auf. In einem Fall bestand ein kollisionsartiges Nebeneinander von SNAIT und Plattenepithelkarzinom. Bei einem 68 Jahre alten Mann fand sich neben einem SNAIT ein synchrones Auftreten eines Adenokarzinoms des Kolon und bei einem 72-jährigen Mann das eines plattenepithelialen Larynxkarzinoms.
Diskussion
Entstehungsort
Die Berufskrankheitenbezeichnung nach BK Ziffer 4203 als „Adenokarzinom der Nase und der Nasennebenhöhlen“ suggeriert unterschiedliche Entstehungsorte der holzstaubassoziierten Tumoren. Tatsächlich werden klinisch oft Siebbeinhöhlen oder Kieferhöhlen als Ursprungsort angesehen. Hierbei handelt es sich in der Regel aber um fortgeschrittene Fälle, die keinen exakten Ausgangsort erkennen lassen. So ist eine primäre Tumorentstehung der SNAIT in einer der Nasennebenhöhlen oder auch des Nasenrachens nicht zweifelsfrei belegt. Vielmehr muss man annehmen, dass praktisch alle Tumoren an der mittleren Muschel und im mittleren Nasengang am Übergang zum Siebbein entstehen und sich sekundär bevorzugt in die Sinus ethmoidales und Sinus maxillares ausbreiten. Insofern wäre die Bezeichnung unter der BK 4203 als „Adenokarzinom der inneren Nase“ zutreffender [29].
Für diesen Entstehungsort sprechen auch histologische Untersuchungen zu Schleimhautveränderungen nach Holzstaubeinwirkung [5, 7, 12, 35]. Diese zeigen verschiedenartige Metaplasieformen am Epithel der inneren Nase, wobei besonders häufig zylinderzellige Metaplasien auftraten [36]. Die Beobachtung von Dysplasien des Oberflächenepithels und von oberflächlich ausgebreiteten Karzinomen, auch in unserem Untersuchungsgut (Abb. 1g), stützt die Annahme einer Metaplasie-Dysplasie-Carcinoma-in-situ-Sequenz [11].
Differenzierungen
Unter Berücksichtigung des Stammzellkonzeptes zur Tumorentwicklung sind grundsätzlich verschiedenartige Differenzierungen möglich. Dies trifft auch für die sinunasalen Karzinome zu, wie das beobachtete morphologische Spektrum zeigt. Allerdings dominieren in unserem Untersuchungsgut mit positiver Holzstaubanamnese der Erkrankten SNAIT außerordentlich stark. Dies lässt darauf schließen, dass für dieses Kollektiv eine Determination zu einer zylinderzelligen Differenzierung sehr ausgeprägt ist. Dementsprechend zeigen auch epidemiologische Untersuchungen für holzstaubassoziierte Tumoren ein deutlich erhöhtes Risiko für Adenokarzinome, ein gering erhöhtes Risiko für Plattenepithelkarzinome und kein erhöhtes Risiko für Speicheldrüsenkarzinome [30].
Kausale Pathogenese
Trotz vieler Bemühungen ist bis heute die kausale Pathogenese der holzstaub assoziierten Adenokarzinome nicht geklärt. Da auch nach Verarbeitung von Spanplatten, die besonders reichlich Holzschutzmittel enthalten, SNAIT anzutreffen sind, hat in letzter Zeit die Frage erneut an Bedeutung gewonnen, ob nicht vielleicht doch—wie früher bereits vermutet—Holzadditive (Chromate, Holzschutzmittel, Formalin etc.) eine kanzerogene Rolle spielen [36]. Da sich über Tierversuche bisher allenfalls Hinweise, aber keine hinreichenden Korrelationen an nicht unmittelbar vergleichbaren Modellen finden lassen [14], werden neue Erkenntnisse von subtilen epidemiologischen Untersuchungen in Kombination mit molekularbiologischen Methoden erwartet.
Vor dem Hintergrund dieser Diskussion sind die sporadisch auftretenden SNAIT ohne Holzstaubassoziation von besonderem Interesse. Offenbar sind sie bezüglich Lokalisation und Differenzierung identisch, allerdings so selten, dass ihr Nachweis eine konsequente Berufsanamnese zur Folge haben muss [6, 28].
Eine besondere Eigenschaft der SNAIT ist ihre im Einzelfall außerordentlich hohe Differenzierung. Im Extremfall kann diese so ausgeprägt sein, dass man nur anhand des destruierenden Wachstums die tumorartige Natur erkennen kann [22]. Tatsächlich sind hochdifferenzierte Karzinome an kleinen, oft gequetschten Biopsiepartikeln u. U. nicht einfach zu erkennen, sodass erst auf den zweiten Blick eine Hinwendung zum Karzinom induziert wird. Überdies bleibt der Nachweis von reichlich Schleim nicht der Diagnose Mukozele vorbehalten, sondern kann ein muzinöses Adenokarzinom signalisieren.
Ähnlichkeiten mit Dickdarmkarzinomen
Die SNAIT reflektieren in vielerlei Hinsicht das histologische Spektrum der kolorektalen Adenokarzinome. Das betrifft das Vorherrschen von tubulopapillären Bildern ebenso wie den hohen Anteil muzinöser Tumoren und einen relativ niedrigen Anteil siegelringzelliger Formen. Mischbilder sind auch bei kolorektalen Adenokarzinomen keine Seltenheit [20]. Überdies ergeben sich histochemisch und immunhistochemisch sehr ähnliche Reaktionsmuster, die für die Definition der SNAIT durchaus hilfreich sein können (Abb. 1f). Möglicherweise ist eine endokrine bzw. neuroendokrine Differenzierungstendenz innerhalb der SNAIT etwas häufiger als bei kolorektalen Adenokarzinomen [21]. Überdies zeigen auch nichtmorphologische Befunde, wie CGH-Ergebnisse [17] und K-ras bzw. p-53-Mutationen [26] Ähnlichkeiten zu Dickdarmkarzinomen.
Unterschiede zu Dickdarmkarzinomen
Allerdings ist bei SNAIT eine Adenom-Karzinom-Sequenz nicht in gleicher Weise nachweisbar wie beim kolorektalen Adenokarzinom. Ein wesentlicher Grund dürfte der voneinander abweichende Aufbau der normalen Mukosa der verschiedenen Lokalisationen sein. Tatsächlich findet man als Vorläuferläsion zunächst eine kuboidale bzw. zylinderzellige Metaplasie und in einem Teil der Fälle die Entwicklung einer intraepithelialen Neoplasie, die mehr oder weniger papillär, aber auch mehr oder weniger becherzellreich sein kann (Abb. 1g). Auch bei fortgeschrittenen SNAIT sieht man nicht selten großflächige In-situ-Anteile über einem tumorfreien ödematösen polypös wirkenden Stroma, sodass eine Invasion nicht an allen Stellen und nicht an jedem Biopsat evident ist. Bemerkenswerterweise sind Metastasen auch bei fortgeschrittenen SNAIT eine Rarität.
Bei einem großzelligen undifferenzierten Karzinom ist mit der Möglichkeit einer Entdifferenzierung eines zunächst hochdifferenzierten SNAIT zu rechnen. Eine derartige dedifferenzierende Entwicklung konnten wir an 2 Fällen anhand von Sequenzbiopsien im Verlauf von 2 bzw. 4 Jahren beobachten.
Die Abgrenzung der seltenen polymorphen Low-grade-Adenokarzinome setzt ihre Kenntnis voraus und kann im Einzelfall schwierig sein (Abb. 1h). Diese Tumoren haben offenbar keine erhöhte Holzstaubassoziation [15], wenngleich in dem von uns beobachteten Einzelfall eine Holzstaubanamnese vorliegt. Dieser Tumortyp wird den kleinen Speicheldrüsen zugeordnet und tritt primär nicht nur in der inneren Nase, sondern auch in der Mundhöhle auf [23].
Prognose und Graduierung
Prognostisch ist eine histologische Graduierung der SNAIT durchaus relevant [9, 15, 16, 22]. So wird bei hochdifferenzierten und wenig differenzierten PTCC-Karzinomen eine unterschiedliche Überlebenszeit beobachtet. Muzinöse Adenokarzinome sollen wie PTCC-Grad 3-Karzinome und Siegelringzellkarzinome kurze Krankheitsverläufe signalisieren [9]. Bemerkenswerterweise zeigt eine Korrelation von Malignitätsgrad und Berufsanamnese, dass nach alleiniger Hartholzstaubexposition eher ein niedriger Malignitätsgrad und nach Spanplattenverarbeitung mit Holzadditiven eher ein höherer Malignitätsgrad aufzutreten scheint [28]. Konsistente Aussagen sind bisher allerdings aus den wenigen Studien mit nur niedrigen Fallzahlen nicht abzuleiten. Dies gilt auch für die prognostische Vergleichbarkeit der WHO- und Kleinsasser-Klassifikation.
Therapie
Zweifellos ist der wichtigste prognostische Parameter die Operabilität und damit das Stadium der Tumorerkrankung. Bei primär harmlos erscheinender klinischer Symptomatik kommt es trotz langsamen Wachstums häufig erst im fortgeschrittenen Stadium zur Diagnose. Die einzige wirksame Therapie, eine möglichst radikale Operation, stößt bei der infiltrativen Ausbreitung zur Schädelbasis und auch in das Gehirn häufig an ihre Grenzen. Der Effekt einer postoperativen Radiatio ist limitiert. Für eine Chemotherapie ist kein wesentlicher adjuvanter Effekt belegt. So liegt die mittlere 5-Jahres-Überlebenszeit bei Patienten mit SNAIT trotz Vorsorgeuntersuchungen lediglich bei 50% [16, 28, 36].
Auch 40 Jahre nach der Aufdeckung eines Zusammenhanges zwischen Holzstaubexposition und Entwicklung sinunasaler Adenokarzinome ist es keine Seltenheit, dass Patienten mit langjähriger Holzstaubanamnese über viele Monate oder sogar Jahre wegen Schnupfen, verstopfter Nase oder Nasenbluten konservativ behandelt werden, bis schließlich oft unter der klinischen Angabe „Nasenpolypen“ eine Probebiopsie erfolgt. Die histologische Detektion auch hochdifferenzierter Tumoren und die Zuordnung der Adenokarzinome als SNAIT bedeutet eine wesentliche Weichenstellung für den weiteren Krankheitsverlauf und die Anerkennung als berufsbedingte Erkrankung.
Fazit für die Praxis
Sinunasale Adenokarzinome zeigen ein breites morphologisches Spektrum, das zum einen die verschiedenen Varianten der Speicheldrüsenkarzinome umfasst und zum anderen dem Adenokarzinom vom intestinalen Typ zuzuordnen ist. Seltene Fälle des polymorphen niedriggradigen Adenokarzinoms sind als Sondergruppe zu berücksichtigen. Nur für die Adenokarzinome vom intestinalen Typ ist epidemiologisch eine Beziehung zu einer Belastung durch Holzstäube, besonders Hartholzstäube gegeben. Vor diesem Hintergrund ist die Kenntnis der Subtypen des Adenokarzinoms vom intestinalen Typ bedeutsam. Der nicht selten hohe Differenzierungsgrad der intestinalen Adenokarzinome kann ihre Detektion erschweren. Die uncharakteristische klinische Symptomatik erfordert bei Entfernung von Nasenpolypen immer eine histologische Untersuchung.
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Donhuijsen, K., Hattenberger, S. & Schroeder, H.G. Sinunasale Karzinome nach Holzstaubbelastung. Pathologe 25, 14–20 (2004). https://doi.org/10.1007/s00292-003-0668-z
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