Einleitung

Die Nierenbiopsie hat für die Behandlung unterschiedlicher Formen der Glomerulonephritis (GN) sowie für die nephrologische Differenzialdiagnose [3, 7, 8, 17, 20, 21] nach wie vor einen hohen Stellenwert. Dabei bedarf es klarer Begriffe und Einteilungen für eine gute klinisch-pathologische Zusammenarbeit. Die WHO-Klassifikation glomerulärer Krankheiten von Jacob Churg und Mitarbeitern aus dem Jahre 1995 bekennt sich expressis verbis zu ihren deutschen Wurzeln—"harks back to Volhard and Fahr" [1]. Unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg hatten Franz Volhard (1872–1950) als Internist und Theodor Fahr (1877–1945) als Pathologe an den Städtischen Krankenanstalten in Mannheim ihr klassisches Werk Die Brightsche Nierenkrankheit verfasst [22]. Darin ist eine bis heute beispielhafte Ordnung der Klinik und Pathologie renaler Erkrankungen umrissen und vorzüglich illustriert, sodass viele Abbildungen aus dem Werk auch im Kontext gegenwärtiger Befunde nach wie vor gültig sind.

Anhand einer eigenen Nierenbiopsieserie aus 10 Jahren sollen die bei definierten klinischen Syndromen in Vorkommen und Häufigkeit wechselnden histologischen Typen der GN und glomerulärer Erkrankungen statistisch gereiht und mit exemplarischen Befunden dargestellt werden. Die Arbeit ist als zusammengefasste diagnostische Leitschiene bei Biopsien glomerulärer Erkrankungen gedacht. Sie soll die klinisch-pathologische Zweckmäßigkeit der diesbezüglichen WHO-Klassifikation [1] erneut unterstreichen [2, 19, 23].

Material und Methoden

Untersuchungsgut.

In den Jahren 1990–1999 kamen im Rostocker Institut 653 Nierenbiopsien (ausgenommen Transplantatnierenbiopsien) aus unterschiedlichen nephrologischen Einrichtungen zur morphologischen Untersuchung. Dabei handelte es sich um 391 männliche und 262 weibliche Patienten (Verhältnis männlich:weiblich 1,5:1). Das Patientenalter bewegte sich zwischen 2 und 94 Jahren (Durchschnittsalter 37,5 Jahre; männlich 38,1 Jahre, weiblich 36,6 Jahre).

Klinische Syndrome.

Anhand der auf den Begleitscheinen gemachten klinischen Angaben wurde jeder Fall einem der 5 in der WHO-Klassifikation [1] definierten GN-Syndrome zugeordnet, die in der Tabelle 1 definiert und mit ihren fortan verwendeten Abkürzungen verzeichnet sind.

Tabelle 1. Klinische Syndrome glomerulärer Krankheiten. (Mod. nach der WHO-Definition [1])

Morphologische Methoden.

Alle Nierenbiopsien wurden regelmäßig für eine lichtmikroskopische, immunhistologische und elektronenmikroskopische Untersuchung präpariert und mit den entsprechenden Standardmethoden bearbeitet [4, 6, 21, 24].

Morphologische Klassifikation.

Die Befundung der Nierenbiopsien erfolgte mittels der anhand des Schrifttums [18, 10, 13, 14, 2024] zu registrierenden Einzelläsionen der 3 Untersuchungsmethoden, die dann jeweils zur abschließenden Diagnose gemäß der WHO-Klassifikation glomerulärer Krankheiten (Tabelle 2) führte.

Tabelle 2. WHO-Klassifikation glomerulärer Krankheiten. (Verkürzt und mod. nach Churg et al. 1995 [1])

Klinisch-pathologische Korrelationen.

Abschließend wurden für die Zielstellung dieser Arbeit bei den 5 klinischen Syndromen der GN die Rangfolgen nach der Häufigkeit der histologischen Typen glomerulärer Erkrankungen ermittelt. Umgekehrt wurden auch für ausgewählte histologische GN-Typen die Rangfolgen der Häufigkeit der dabei aufgetretenen klinischen Syndrome tabellarisch zusammengestellt.

Ergebnisse

Unter den 653 Nierenbiopsien aus 10 Jahren (1990–1999) fanden sich 345 Fälle mit primärer GN (53%), 157 Fälle mit sekundärer GN bei Systemerkrankungen (24%), 83 Fälle mit Glomerulopathien bei vaskulären, metabolischen und hereditären Krankheiten (13%) sowie 68 nichtglomeruläre Nierenerkrankungen (10%). Letztere, gelegentlich ungewöhnliche Krankheiten [16] werden in diesem Beitrag nicht dargestellt, sodass nur die 585 Fälle mit glomerulären Erkrankungen für die folgende Auswertung herangezogen werden (Tabelle 3).

Tabelle 3. Hauptgruppen glomerulärer Krankheiten in 585 Nierenbiopsien der Jahre 1990–1999

Klinische Syndrome

Anhand der Angaben auf den speziellen Einsendungsscheinen für Nierenbiopsien konnten 536 der 585 Fälle (92%) einem definierten klinischen GN-Syndrom nach den Kriterien der WHO-Klassifikation [1] zugeordnet werden. Dabei lag bei den bioptisch untersuchten Patienten am häufigsten ein nephrotisches Syndrom (NS; 44%) vor, während ein akutes nephritisches Syndrom (ANS) und ein rapid progressives nephritisches Snydrom (RPNS; jeweils 5%) bei den Biopsiefällen selten waren (Tabelle 4). Hinsichtlich des Durchschnittsalters (DA) bewegten sich die berücksichtigten Fallkollektive der einzelnen klinischen Syndrome zwischen 29 Jahren (rekurrierende oder persistierende Hämaturie/RPH) und 40 Jahren (RPNS).

Tabelle 4. Klinische Glomerulonephritissyndrome bei 585 Nierenbiopsien (1990–1999)

Morphologische Diagnosen

Die durch eine kombinierte histologische (Abb. 1 a–h) und immunhistologische (Abb. 2 a–d) sowie bedarfsweise auch elektronenmikroskopische Untersuchung (Abb. 3 a–d) erbrachten Diagnosen glomerulärer Krankheiten wurden nach den Kategorien der WHO-Klassifikation [1] gruppiert (Tabelle 2).

Abb. 1 a–h.
figure 1

Lichtmikroskopie glomerulärer Erkrankungen (alle 100x). a Minimal-change-Nephropathie: geringe glomeruläre Abnormitäten (Masson). b Endokapilläre Glomerulonephritis: stark erhöhte glomeruläre Zellzahl durch intrakapilläre Endothelzellproliferation und intraluminale neutrophile Granulozyten (PAS). c Extrakapilläre Glomerulonephritis mit zellulärem Halbmond durch Proliferation des Bowman-Kapselepithels (PAS). d Membranöse Glomerulonephritis mit verdickten Kapillarschlingen ohne Zellproliferation (PAS). e IgA-Nephropathie: mesangioproliferative Glomerulonephritis mit axialer Mesangiumzellproliferation und -matrixvermehrung (PAS). f Wegener-Granulomatose: extrakapilläre Glomerulonephritis mit Schlingennekrosen (SFOG-Färbung); Inset: positiver c-ANCA-Nachweis an einem neutrophilen Granulozyten. g Noduläre diabetische Glomerulosklerose Kimmelstiel-Wilson (Domagk). h AA-Amyloidose (Anti-AA, Peroxidase)

Abb. 2 a–d.
figure 2

Immunhistologie der Glomerulonephritiden (alle FITC, 100x). a Lineare IgG-Ablagerungen an den Glomerulusschlingen bei Anti-Basalmembranantikörper-Glomerulonephritis. b "Sternhimmelartige" granuläre IgG-Ablagerungen an Kapillarschlingen und Mesangium des Glomerulus bei akuter postinfektiöser endokapillärer Glomerulonephritis. c Ausgeprägte gleichmäßige granuläre IgG-Ablagerungen an den Glomerulusschlingen bei membranöser Glomerulonephritis. d Baumartig verzweigte mesangiale IgA-Ablagerungen bei mesangioproliferativer IgA-Nephropathie

Abb. 3 a–d.
figure 3

Elektronenmikroskopie glomerulärer Erkrankungen. a Fußfortsatzverschmelzung der glomerulären Deckzellen bei Minimal-change-Nephropathie (5.000x). b Perlschnurartige epimembranöse elektronendichte Depots an der glomerulären Basalmembran und Fußfortsatzverlust der Deckzellen bei membranöser Glomerulonephritis (8.000x). c Lamellierte, unregelmäßig verdickte und konturierte glomeruläre Basalmembran bei Alport-Syndrom (8.000x). d Deutlich verschmälerte glomeruläre Basalmembran bei dünner Basalmembranen-Glomerulopathie (8.000x)

Primäre Glomerulonephritis

Eine primäre GN lag bei 345 Patienten vor, davon waren 198 (57%) männlichen und 147 (43%) weiblichen Geschlechts. Das DA dieser Fälle betrug 34,1 Jahre (Tabelle 3).

Geringe glomeruläre Abnormitäten

Glomeruläre Minimalläsionen waren mit 177 Fällen (DA 29,7 Jahre) der häufigste Befund im Biopsiematerial der 585 glomerulären Erkrankungen (30%). Unter Berücksichtigung klinischer und immunhistochemischer Ergebnisse sowie einer ebenfalls angezeigten elektronenmikroskopischen Untersuchung entfielen 160 Fälle (82 männlich, 78 weiblich; DA 29,7 Jahre) auf primäre und 17 Fälle auf sekundäre geringe glomeruläre Abnormitäten (Tabelle 5). Unter den primären Fällen war die Minimal-change-Nephropathie mit NS mit 87 Fällen (42 männlich, 45 weiblich; DA 26,2 Jahre) die häufigste Erkrankung (Abb. 1 a, 3 a). 73 weitere Fälle (40 männlich, 33 weiblich; DA 34 Jahre) boten immunhistologisch relevante Immunglobulin- und/oder Komplementablagerungen an den Glomerulusschlingen, sodass sie einer minimalen bzw. abgeheilten primären GN entsprachen [4].

Tabelle 5. Geringe glomeruläre Abnormitäten, primäre und sekundäre Formen (n = 177)

Fokale/segmentale Läsionen

Fokale/segmentale Läsionen lagen in 91 Fällen im Biopsiematerial (16%) vor. Unter Berücksichtigung klinischer und immunhistochemischer Ergebnisse sowie elektronenmikroskopischer Untersuchungen entfielen 79 Fälle (56 männlich, 23 weiblich; DA 29,7 Jahre) auf primäre und 12 Fälle auf sekundäre fokale/segmentale Läsionen (Tabelle 6). Unter den primären Fällen war die fokale segmentale Sklerose (fokale und segmentale Hyalinose und Sklerose) mit NS mit 74 Fällen (52 männlich, 22 weiblich; DA 42,7 Jahre) die häufigste Erkrankung. 5 weitere Fälle (4 männlich, 1 weiblich; DA 16,6 Jahre) boten entsprechende immunhistologisch relevante Befunde an den Glomerulusschlingen, sodass sie einer fokalen primären GN entsprachen. Sekundäre fokale/segmentale Läsionen (12 Fälle) waren am häufigsten Ausdruck einer IgA-Nephropathie (7 Fälle) oder einer Lupusnephritis (3 Fälle).

Tabelle 6. Fokale/segmentale Läsionen, primäre und sekundäre Formen (n = 91)

Diffuse Glomerulonephritis

Eine primäre diffuse GN wurde in 106 Fällen (60 männlich, 46 weiblich; DA 43,1 Jahre) diagnostiziert (18%). Die Häufigkeit der einzelnen histologischen Typen nach den Kriterien der WHO-Klassifikation [1] geht aus der Tabelle 7 hervor. Am häufigsten ist unter den primären diffusen GN-Formen die mesangioproliferative GN (38%; DA 40,5 Jahre), gefolgt von der membranösen (22%; DA 49,1 Jahre), der membranoproliferativen (13%; DA 36,7 Jahre) und der extrakapillären GN (11%; DA 39 Jahre). Exemplarische Befunde zeigt Abb. 1 b–d.

Tabelle 7. Primäre diffuse Glomerulonephritiden (n = 106; DA 43,1 Jahre)

Sekundäre Glomerulonephritis und Glomerulopathien

Sekundäre GN bzw. Glomerulopathien lagen in 240 untersuchten Fällen vor (41% des Gesamtmaterials), davon 148 (62%) bei männlichen und 92 (38%) bei weiblichen Patienten (Tabelle 8).

Tabelle 8. Sekundäre Glomerulonephritiden bei Systemerkrankungen (n = 157; DA 30,2 Jahre)

Glomerulonephritis bei Systemerkrankungen

Lupusnephritis.

Eine Lupusnephritis boten 19 Patienten (7 männlich, 12 weiblich; DA 35,2 Jahre) mit einem klinisch angegebenen systemischen Lupus erythematodes. Histologisch lagen geringe glomeruläre Abnormitäten (WHO-Stadien I und II) in 4 Fällen, eine fokale/segmentale GN (WHO-Stadium III) in 3 und diffuse Lupus-GN (WHO-Stadien IV und V) in 12 Fällen vor [1].

IgA-Nephropathie.

Die IgA-Nephropathie ist mit 122 Fällen (83 männlich, 39 weiblich; DA 34,1 Jahre) die häufigste GN-Form im Biopsiematerial (24% der 502 Nierenbiopsien mit primärer oder sekundärer GN). Sie zeigt immunhistologisch das typische baumartig verzweigte mesangiale Ablagerungsmuster von IgA (Abb. 2d). Histologisch lagen geringe glomeruläre Abnormitäten in 11 Fällen, eine fokale/segmentale GN in 7 und diffuse mesangioproliferative IgA-GN (Abb. 1 e) in 100 Fällen vor (Tabelle 9).

Tabelle 9. Histologische Typen der IgA-Nephropathie (n = 122; DA 35,1 Jahre)

Schönlein-Henoch-Glomerulonephritis.

Sie ist morphologisch kaum von einer IgA-Nephropathie zu unterscheiden, sodass die verbindliche Diagnose nur durch die klinische Angabe einer vorliegenden Schönlein-Henoch-Purpura möglich ist. 11 derartige Fälle (7 männlich, 4 weiblich; DA 19,8 Jahre) lagen vor, darunter 2 Fälle mit geringen glomerulären Abnormitäten, ein Fall mit fokaler und 9 Fälle mit diffuser mesangioproliferativer GN.

Goodpasture-Syndrom.

Ein Goodpasture-Sydrom mit Anti-Basalmembranantikörper-GN und entsprechender Lungensymptomatik lag bei 5 männlichen Patienten vor. Immunhistochemisch bestanden lineare IgG-Ablagerungen an den Glomerulusschlingen (Abb. 2 a), histologisch lag in der Regel eine diffuse extrakapilläre GN vor (Abb. 1 c).

Glomerulopathien bei vaskulären, metabolischen und hereditären Krankheiten

Sekundäre glomeruläre Läsionen lagen im Rahmen vaskulärer, metabolischer oder hereditärer Erkrankungen bei 83 Fällen (47 männlich, 36 weiblich; DA 42,3 Jahre) vor. Die Verteilung der Fälle auf die Entitäten der WHO-Klassifikation geht aus Tabelle 10 hervor. Am häufigsten handelte es sich um eine benigne Nephrosklerose (Arterio-Arteriolosklerose der Niere) unterschiedlichen Ausmaßes (28%; DA 48,3 Jahre), gefolgt von einer diabetischen Glomerulopathie (23%; DA 56,2 Jahre), einer Nierenbeteiligung bei Wegener-Granulomatose (18%; DA 56,7 Jahre) sowie einer Amyloidnephrose (11%; DA 53,1 Jahre). Exemplarische histologische Befunde sekundärer Glomerulopathien zeigt Abb. 1 f–h.

Tabelle 10. Glomerulopathien bei vaskulären, metabolischen und hereditären Krankheiten (n = 83; DA 42,3 Jahre)

Korrelation klinischer Syndrome mit histologischen Typen der Glomerulonephritis

Nachfolgend werden die ermittelten Korrelationen

  1. 1.

    zwischen den einzelnen klinischen GN-Syndromen und den dabei häufigsten histologischen GN-Typen sowie umgekehrt

  2. 2.

    zwischen den GN-Typen und den dabei am häufigsten vorliegenden klinischen GN-Syndromen

tabellarisch wiedergegeben, sodass ein Vergleich mit ähnlichen Tabellen der WHO-Klassifikation [1] möglich ist.

Klinische Syndrome und histologische Typen

Akutes nephritisches Syndrom (n = 31).

Es lag mit nur 31 unter den 585 glomerulopathischen Biopsiefällen (5%) selten vor. Jedoch handelte es sich dabei am häufigsten um eine renale Wegener-Granulomatose (8 Fälle) sowie eine IgA-Nephropathie (5 Fälle) und eine Schönlein-Henoch-Nephritis (4 Fälle), während eine "akute" endokapilläre GN nur einmal vorlag (Tabelle 11).

Tabelle 11. Die häufigsten glomerulären Krankheiten bei akutem nephritischen Syndrom (n = 31*)

Rapid progressives nephritisches Syndrom (n = 30).

Es war mit 30 Fällen (5%) gleich selten wie das ANS, bot jedoch histologisch in 14 Fällen eine extrakapilläre (47%) und in 16 Fällen (53%) unterschiedliche andere GN-Typen (Tabelle 12).

Tabelle 12. Die häufigsten glomerulären Krankheiten bei rapid progressivem nephritischen Syndrom (n = 30*)

Rekurrierende/persistierende Hämaturie (n = 40).

Sie lag bei 40 Fällen (7%) vor und war am häufigsten (17 Fälle) durch eine minimale GN (geringe glomeruläre Abnormitäten mit positiver Immunhistologie) oder durch eine IgA-Nephropathie (9 Fälle) bedingt (Tabelle 13).

Tabelle 13. Die häufigsten glomerulären Krankheiten bei rekurrierender/persistierender Hämaturie (n = 40*)

Chronisches nephritisches Syndrom (n = 177).

Ein CNS lag in 30% der 585 glomerulären Nierenbiopsiefälle (30%) vor und war morphologisch am häufigsten mit einer IgA-Nephropathie (37%), einer fokalen segmentalen Glomerulosklerose (14%) oder geringen glomerulären Abnormitäten (12%) verknüpft (Tabelle 14).

Tabelle 14. Die häufigsten glomerulären Krankheiten bei chronischem nephritischem Syndrom (n = 177*)

Nephrotisches Syndrom (n=258).

Dieses Syndrom kam klinisch mit 44% unter den 585 glomerulopathischen Fällen (44%) am häufigsten in unserer Nierenbiopsieserie vor. Pathomorphologisch führte die Minimal-change-Nephropathie (30%; DA 26,1 Jahre), gefolgt von der fokalen segmentalen Glomerulosklerose (18%; DA 44,4 Jahre) und der IgA-Nephropathie (12%; 38,1 Jahre) sowie weiteren glomerulären Erkrankungen, darunter die membranöse GN (7%) und die diabetische Glomerulopathie (5%) u. a. (Tabelle 15).

Tabelle 15. Die häufigsten glomerulären Krankheiten bei nephrotischem Syndrom (n = 258*)

Histologische Typen und klinische Syndrome

Diese Korrelationen sind wegen der zahlreicheren histologischen GN-Typen im Vergleich zu den 5 definierten klinischen GN-Syndromen vielfältiger, jedoch wegen der häufig geringen Fallzahlen auch weniger verbindlich. Hier sollen deshalb nur 6 häufige histologische Diagnosen hinsichtlich ihres Verknüpfungsranges mit den verschiedenen klinischen Syndromen dargestellt werden.

Minimal-change-Nephropathie (n = 87).

Sie war mit 77 unter den 87 Fällen (89%), nahezu regelhaft mit einem NS verknüpft, während das in der Reihe folgende CNS mit 6 Fällen (7%) selten war (Tabelle 16).

Tabelle 16. Klinische Syndrome bei Minimal-change-Nephropathie (n = 87)

Fokale segmentale Glomerulosklerose (n = 74).

Auch dieser histologische Typ bietet in den klinischen Angaben mit 46 unter den 74 Fällen (62%) am häufigsten ein NS sowie bei 24 Fällen (32%) ein CNS (Tabelle 17).

Tabelle 17. Klinische Syndrome bei fokaler segmentaler Glomerulosklerose (n = 74)

IgA-Nephropathie (n = 122).

Bei den bioptisch diagnostizierten IgA-Nephropathien lagen klinisch mit 66 Fällen (54%) am häufigsten ein CNS und bei 31 Fällen (25%) ein NS vor, während die übrigen Syndrome selten waren (Tabelle 18).

Tabelle 18. Klinische Syndrome bei IgA-Nephropathie (n = 122; DA 34,1 Jahre)

Diffuse mesangioproliferative Non-IgA-Glomerulonephritis (n = 40).

Dieser auch bei Non-IgA-Fällen häufigste histologische Typ der diffusen GN geht im Biopsiefall klinisch am häufigsten mit einem NS (42%) oder einem CNS (30%) einher (Tabelle 19).

Tabelle 19. Klinische Syndrome bei primärer diffuser mesangioproliferativer Glomerulonephritis (n = 40)

Diffuse membranöse Glomerulonephritis (n = 24).

Hierbei handelte es sich 23-mal um eine primäre membranöse GN und einmal um eine reine membranöse Lupus-GN. 19 Fälle (inklusive dem Lupusfall) boten ein NS (79%), die übrigen 5 ein CNS.

Diffuse extrakapilläre Glomerulonephritis (n = 16).

Dieser sehr charakteristische histologische GN-Typ geht klinisch in ähnlich charakteristischer Weise ganz überwiegend mit einem RPNS (88%) einher, während andere Syndrome dabei praktisch kaum eine Rolle spielen (Tabelle 20).

Tabelle 20. Klinische Syndrome bei diffuser extrakapillärer Glomerulonephritis (n = 16)

Diskussion

Die seit Volhard und Fahr [22] geläufige Vielfalt klinischer Symptome und histologischer Befunde bei glomerulären Erkrankungen hat immer wieder zu verbesserten Ordnungsprinzipien und Klassifikationen veranlasst [1, 8, 10, 21, 24]. Heute stehen die Biopsieindikation und -häufigkeit bei einer GN naturgemäß zu der Sicherheit oder Unschärfe des klinischen Syndroms und damit zu dem Validitätsgrad der klinischen Diagnose in direkter Beziehung. Leider sind nur wenige histologische GN-Typen signifikant häufig mit einem bestimmten klinischen Syndrom verknüpft, sodass die Nierenbiopsie für viele Entitäten nach wie vor zum so genannten Goldstandard der nephrologischen Diagnostik gehört [3, 5, 17, 18]. Bei einem klinisch-nosologisch eindeutig einzuordnenden ANS und bei einer meist milder verlaufenden RPH ist die Biopsiehäufigkeit verständlicherweise geringer, sodass dann auch die dabei vorkommenden GN-Formen [1] im Biopsiegut seltener sind. Insofern erscheint die vorgelegte Zusammenstellung klinischer und morphologischer Befunde an einem einheitlich nach den WHO-Kriterien [1] untersuchten Biopsiegut als diagnostische und didaktische Richtschnur wünschenswert [5, 6, 14, 23].

Klinische Glomerulonephritissyndrome

Akutes nephritisches Syndrom (n = 31).

Bei einem klassischen ANS mit klinisch eindeutiger "akuter Post-Streptokokken-GN" ist keine Nierenbiopsie indiziert. Umgekehrt ist dadurch die diffuse endokapilläre GN (Abb. 1b, 2b) im Biopsiegut selten geworden (Tabelle 7). Jedoch fanden sich bei gezielter elektronenmikroskopischer Untersuchung in einem vergleichbaren Nierenbiopsiegut retrospektiv etwa 10% Fälle einer abgeheilten Immunkomplex-GN [4]. In der eigenen Serie wurden auf den Begleitscheinen zur Nierenbiopsie die Symptome eines ANS gehäuft bei sekundären GN-Formen (Wegener-Granulomatose, IgA-Nephropathie, Schönlein-Henoch-GN) vermerkt, sodass bei einem klinisch diagnostizierten ANS entgegen der im WHO-Atlas [1] angegebenen Reihenfolge heute vornehmlich diese Erkrankungen zu erwarten sind (Tabelle 11). Auf die wechselnden Befunde und die breite morphologische Differenzialdiagnose einer atypischen postinfektiösen GN ist kürzlich in einem diagnostischen Seminar erneut hingewiesen worden [20].

Rapid progressives nephritisches Syndrom (n = 30).

Histologisch liegt dabei am häufigsten eine diffuse extrakapilläre GN (Abb. 1 c) bei unterschiedlicher Immunpathogenese und Nosologie vor, wobei es sich überwiegend um eine Anti-Basalmembranantikörper-GN, ein Goodpasture-Syndrom und eine Wegener-Granulomatose handelte (Tabelle 12).

Rezidivierende/persistierende Hämaturie (n = 40).

Wegen des blanden Verlaufes führt die RPH seltener zu einer Nierenbiopsie. Durch diesen Umstand ist dieses häufige klinische Syndrom im Biopsiematerial, so auch im vorliegenden Untersuchungsgut selten (7%; DA 29 Jahre). Histologisch fanden sich überwiegend geringe glomeruläre Abnormitäten mit positiver Immunhistologie im Sinne einer minimal proliferativen GN oder eine IgA-Nephropathie (Tabelle 13), die im klinischen Alltag meistens mit einer RPH einhergeht, jedoch dann häufig (noch) nicht bioptisch gesichert wird [3, 13].

Chronisches nephritisches Syndrom (n = 177).

Ein CNS lag klinisch bei 30% (DA 34,7 Jahre) unserer Biopsiefälle vor. Pathomorphologisch fanden sich dabei die IgA-Nephropathie mit 66 Fällen (37%) am häufigsten, eine fokale segmentale Glomerulosklerose mit 24 Fällen (14%) oder geringe glomeruläre Abnormitäten bei 22 Fällen (12%), während dann mit nur 11 Fällen (6%) erst die diffuse Non-IgA-mesangioproliferative-GN folgte (Tabelle 14), die die entsprechende Liste des WHO-Atlasses [1] anführt.

Nephrotisches Syndrom (n = 258).

Es war im eigenen Untersuchungsgut am häufigsten (44%; DA 37,9 Jahre) und kommt nicht nur bei unterschiedlichen GN-Typen sondern auch bei einer großen Anzahl weiterer Glomerulopathien vor. Nahezu konform mit der Reihenfolge im WHO-Atlas [1] fanden wir bei der klinischen Angabe eines NS in der Nierenbiopsie mit 77 Fällen (30%) am häufigsten eine Minimal-change-Nephropathie und mit 46 Fällen (18%) eine fokale segmentale Glomerulosklerose. Dann folgten bei uns die IgA-Nephropathie (31 Fälle/12%) und die diffuse membranöse GN (17 Fälle/7%) und erst an 6. Stelle die diabetische Glomerulopathie (12 Fälle/5%) (Tabelle 15).

Histologische Glomerulonephritistypen

Sucht man nun umgekehrt bei einer gegebenen pathomorphologischen GN-Diagnose nach einer Verknüpfung zu einem charakteristischen klinischen Syndrom, dann gibt es nur wenige GN-Typen, die eine solche bieten [1, 8, 21].

Geringe glomeruläre Abnormitäten (n = 177).

Primäre geringe glomeruläre Abnormitäten (n = 160) waren in der eigenen Serie mit 87 Fällen (49%) am häufigsten Minimal-change-Nephropathien oder 73 immunhistologisch positive minimal proliferative GN-Fälle (41%). Sekundäre geringe glomeruläre Abnormitäten hingegen waren selten (10%) und traten dann im Rahmen einer IgA-Nephropathie (11 Fälle) oder einer Lupusnephritis (WHO-Stadium IB) auf (4 Fälle). Neben der immunhistologischen Untersuchung ist beim lichtmikroskopischen Vorliegen geringer glomerulärer Abnormitäten unabdingbar die elektronenmikroskopische Untersuchung der Nierenbiopsie gefordert [1, 4, 6, 11, 23, 24]. Die Minimal-change-Nephropathie, die im eigenen Untersuchungsgut klinisch in 89% der Fälle mit einem NS einherging (Tabelle 16), zeigt im Elektronenmikroskop die typischen Fußfortsatzverschmelzungen der glomerulären Deckzellen (Abb. 3 a). Andere seltene Erkrankungen mit lichtmikroskopisch geringen glomerulären Abnormitäten sind das nur elektronenmikroskopisch zu diagnostizierende Alport-Syndrom (Abb. 3 c), die dünne Basalmembranen-Glomerulopathie (so genannte benigne Hämaturie) (Abb. 3 d) und andere ungewöhnliche Glomerulopathien [1, 5, 6, 11, 24]. Die seltenen hereditären Glomerulopathien (Tabelle 10) imponieren klinisch meist als RPH, CNS oder NS.

Fokale/segmentale Glomerulopathien (n = 91).

Auch hier sind die primären Formen mit 79 Fällen (87%) häufiger als eine sekundäre fokale/segmentale Beteiligung beim Lupus erythematodes, bei IgA-Nephropathie, Schönlein-Henoch-Nephritis und Goodpasture-Syndrom (insgesamt 13%). Die häufigste Erkrankung in dieser Gruppe ist mit 74 Fällen die fokale segmentale Glomerulosklerose (fokale und segmentale Hyalinose und Sklerose), die (wie die Minimal-change-Nephropathie als mildes Stadium) als fortgeschrittenes Stadium der so genannten Podozytenkrankheit mit elektronenmikroskopisch erkennbarer Fußfortsatzverschmelzung gilt [5, 8, 9, 21]. Ein NS liegt klinisch bei 62%, ein CNS bei 32% dieser Fälle vor (Tabelle 17). In den Formenkreis der Grenzfälle zwischen einer Minimal-change-Nephropathie und einer fokalen segmentalen Glomerulosklerose gehört möglicherweise auch die seltene IgM-Nephropathie, die sowohl mit einem NS als auch mit einer RPH einhergehen kann [8, 12].

Diffuse Glomerulonephritistypen.

Aus der Vielfalt der primären und sekundären diffusen GN-Typen (Tabelle 2) werden hier nur die häufige IgA-Nephropathie und die mesangioproliferative Non-IgA-GN sowie die membranöse und die extrakapilläre GN besprochen. Hinsichtlich der ganzen Spannbreite der klinischen und morphologischen Befunde bei glomerulären Erkrankungen darf auf die Standardwerke verwiesen werden [1, 5, 8, 21, 22].

IgA-Nephropathie (n = 122).

Sie ist die häufigste GN-Form [1, 5, 8, 13, 21, 22] und kam in den eigenen 502 GN-Nierenbiopsien in 24% vor (83 Männer/68%, 39 Frauen/32%), das DA betrug 35,1 Jahre zum Biopsiezeitpunkt. Immunhistologisch ist das typische baumartig verzweigte mesangiale IgA-Ablagerungsmuster für die Diagnose maßgeblich (Abb. 2 d). Der häufigste histologische Typ war in 100 Fällen eine diffuse mesangioproliferative GN (Tabelle 9). Klinisch lagen bei den IgA-Nephropathien mit 66 unter den 122 Fällen (54%) am häufigsten ein CNS und bei 31 Fällen (25%) ein NS vor, während die übrigen Syndrome selten waren (Tabelle 18).

Diffuse mesangioproliferative Non-IgA-Glomerulonephritis (n = 40).

Dieser auch bei Non-IgA-Fällen häufige histologische Typ der primären diffusen GN ist in der Regel eine Immunkomplex-GN, die das Residuum einer früheren akuten postinfektiösen GN sowie eine primäre idiopathische GN sein kann [1, 22, 23]. Sie kann auch bei allen sekundären GN-Formen auftreten [1, 6, 7, 21, 24]. Die primäre mesangioproliferative GN ging klinisch mit 17 der 40 Fälle (42%) am häufigsten mit einem NS oder bei 12 Fällen (30%) mit einem CNS einher (Tabelle 19).

Diffuse membranöse Glomerulonephritis (n = 24).

Hierbei handelte es sich 23-mal um eine primäre membranöse GN und einmal um eine reine membranöse Lupus-GN. Immunhistologisch sind kräftige granuläre Ablagerungen von IgG und C3 auf den glomerulären Basalmembranen ("epimembranös") für diese Immunkomplex-GN typisch (Abb. 2 c). Elektronenmikroskopisch werden 4 Stadien in Bezug auf die Immunkomplexablagerungen (Abb. 3 b) und ihre Inkorporation an den glomerulären Basalmembranen unterschieden [1, 5, 8, 21, 23, 24]. Klinisch lag bei 19 eigenen Fällen (inklusive einem Lupusfall) ein NS (79%) vor, nur 5 boten ein CNS (21%).

Diffuse extrakapilläre Glomerulonephritis (n = 16).

Dieser charakteristische histologische GN-Typ (Abb. 1c) tritt als primäre und sekundäre GN auf. Immunhistologisch und pathogenetisch sind die Anti-Basalmembranantikörper-GN und Immunkomplex-GN-Fälle sowie die so genannte pauciimmune GN bei Wegener-Granulomatose, mikroskopischer Polyangiitis und Churg-Strauss-Syndrom zu unterscheiden [1, 8, 21, 23, 24]. Hier sind für die klinisch-pathologische Einordnung die Serumtiter der antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörper (c- und p-ANCA) wesentlich [5, 8, 22]. Für die diffuse extrakapilläre GN (früher: "subakute" bzw. "subchronische" GN) gilt seit Volhard und Fahr [22], dass mit ihr meistens das prognostisch ungünstige RPNS einhergeht (so bei 14 der 16 eigenen Biopsiefälle), während andere Syndrome bei dieser GN-Form praktisch kaum eine Rolle spielen (Tabelle 20).

Zusammenfassend ist die Diagnose glomerulärer Erkrankungen im Biopsiegut nach der aktuellen WHO-Klassifikation [1] durch eine kombinierte histologische, immunhistologische und elektronenmikroskopische Untersuchung problemlos möglich. Die Verknüpfung mit einem bestimmten klinischen Syndrom ist bei einzelnen histologischen GN-Typen häufiger, kann jedoch im Einzelfall immer variieren, sodass die Nierenbiopsie nach wie vor einen hohen klinischen Stellenwert besitzt.

Fazit für die Praxis

Primäre und sekundäre Glomerulonephritiden und Glomerulopathien gehen klinisch mit 5 verschiedenen nephritischen Syndromen einher, sie haben eine teilweise unterschiedliche Immunpathogenese, und sie sind durch vielfältige histologische Typen gekennzeichnet. Da keine strikte Korrelation zwischen den klinischen Syndromen und histologischen Typen einer GN besteht, besitzt die Nierenbiopsie mit kombinierter licht- und elektronenmikroskopischer und immunhistologischer Untersuchung nach wie vor einen hohen diagnostischen und therapeutisch relevanten Stellenwert.