Im Kolon und Rektum liegt nach WHO definitionsgemäß erst dann ein Adenokarzinom vor, wenn der Tumor die Muskularis mucosae durchbrochen hat und bis in die Submukosa infiltriert. Eine lokale Therapie [5] ist für bestimmte frühe Adenokarzinome mittlerweile weltweit Standard. Eine wesentliche Hilfe für die Entscheidung "Operation oder nicht Operation" erwarten der behandelnde Arzt, der Chirurg und der Patient von der histologischen Begutachtung des Polypen durch den Pathologen.

Wird nun in einem endoskopisch im Gesunden entfernten kolorektalen Adenom ein Adenokarzinom mit Infiltration bis in die Submukosa (pT1-Karzinom) diagnostiziert, ergibt sich das Problem, ob die lokale Therapie bzw. endoskopische Polypektomie [5, 20, 27] eine ausreichende Therapie ist oder ob eine operative Therapie nach onkologischen Regeln mit Entfernung der regionalen Lymphknoten erforderlich ist. Kolorektale Frühkarzinome (pT1) werden in 2–12% von Polypektomiepräparaten beschrieben [22, 23, 28]. Mitentscheidend ist dabei die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der regionalen lymphogenen Metastasierung, konkret die Angabe, ob ein geringgradiges oder ein hochgradiges Risiko einer derartigen Metastasierung [18, 24] besteht.

Im Gespräch des Gastroenterologen und Chirurgen mit dem Patienten erfolgt auf der Basis des Gutachtens des Pathologen unter Berücksichtigung der Lokalisation des Tumors und des Risikos der Operation die Entscheidung über das weitere Vorgehen. Diese Rolle des Pathologen als "Lotse der Therapie" basiert auf der von Morson [11] eingeführten und von Hermanek [8] bestätigten Einteilung dieser kolorektalen Frühkarzinome in Adenomen in "Low-risk-" und "High-risk"-Fälle.

Danach sind gut bis mäßig differenzierte Adenokarzinome (G1/G2)

  • ohne Lymphgefäßeinbrüche (Abb. 1) und

    Abb. 1.
    figure 1

    a Gut differenziertes (G1) Kolonadenofrühkarzinom mit Infiltration in das mittlere Drittel der Submukosa (sm2) ohne Tumorzelldissoziation in der Invasionsfront und ohne Nachweis von Lymphgefäßeinbrüchen (HE 40x). b Schematische Darstellung der Tiefeninfiltration eines kolorektalen Karzinoms auf dem Boden eines breitbasigen villösen Adenoms. Der invasive Tumor ist jeweils schwarz dargestellt. Teilabb. A gibt die Infiltration in das obere Drittel der Submukosa (sm1) wieder. Teilabb. B zeigt die Infiltration des Karzinoms in das mittlere Drittel (sm2) und Teilabb. C in das untere Drittel der Submukosa (sm3). Teilabb. D zeigt im Vergleich ein breitbasiges Adenom ohne Nachweis eines invasiven Karzinoms. c Übertragung der schematischen Darstellung von Abb. 1b von breitbasigen Adenomen auf gestielte villöse Adenome. Schwarz ist jeweils der Anteil des kolorektalen Adenokarzinoms dargestellt. Pragmatisch wird auch der Stiel in 3 Etagen unterteilt, anhand derer die Einteilung der Tiefeninfiltration in oberes Drittel (Teilabb. A; sm1), mittleres Drittel (Teilabb. B; sm2) und unteres Drittel (Teilabb. C) der Submukosa (sm3) vorgenommen wird

  • Entfernung im Gesunden

Fälle mit geringgradigem Risiko einer lymphogenen Metastasierung.

Bei diesen Karzinomen liegt das Risiko der lymphogenen Metastasierung bei weniger als 2% (Tabelle 1).

Tabelle 1. Auflistung publizierter Studien mit Aufteilung in Hochrisiko- und Niedrigrisikogruppen und der Häufigkeit beobachteter Lymphknotenmetastasen bei kolorektalen pT1-Adenokarzinomen

Ein hohes Risiko einer lymphogenen Metastasierung besteht dagegen bei

  • schlecht differenzierten und undifferenzierten Karzinomen (G3/G4),

  • Karzinomen mit Lymphgefäßinvasion [13] (Abb. 2) und

    Abb. 2.
    figure 2

    Lymphgefäßeinbrüche eines mäßig differenziertes Kolonadenofrühkarzinoms (HE 100x)

  • Karzinomen, die nicht im Gesunden entfernt werden konnten.

Bei diesen "High-risk"-Fällen liegt das Risiko der lymphogenen Metastasierung zwischen 7,7 und 27%, im Mittel liegt das Risiko bei etwas mehr als 14% (s. Tabelle 1).

Darüber hinaus sind aber noch andere Risikofaktoren einer lymphogenen Metastasierung zur Diskussion gestellt worden:

  • Der Grad der Tumorzellendissoziation in der Invasionsfront des Karzinoms [4] (Abb. 3) und

    Abb. 3.
    figure 3

    Hochgradige Tumorzelldissoziation in der Invasionsfront eines schlecht differenzierten (G3) Kolonadenokarzinoms (HE 200x)

  • die Tiefeninfiltration bis in das untere Drittel der Submukosa [20].

In dieser Übersicht wollen wir die bisher publizierten Erkenntnisse der "klassischen" Risikobeurteilung und der beiden zusätzlichen Risikofaktoren—Infiltration bis in das untere Drittel der Submukosa (sm3) und des Grades der Tumorzelldissoziation in der Invasionsfront—zusammenfassen und mit den Ergebnissen einer eigenen, noch nicht publizierten Studie vergleichen, um daraus die Konsequenzen für die Beurteilung des Risikos der lymphogenen Metastasierung der pT1-Adenokarzinome durch den Pathologen abzuleiten.

"Die klassischen Risikofaktoren"

Entfernung "nicht im Gesunden"

Eine Grundvoraussetzung lokaler Therapien ist die vollständige Entfernung eines Tumors. Reichen nun nach endoskopischer Polypektomie Tumorausläufer eines kolorektalen Adenokarzinoms bis in die Diathermiezone hinein, so würde dies üblicherweise als Indikation zu einer operativen Therapie gelten.

Einschränkend müssen jedoch hier die Daten am Operationspräparat von Hermanek [8] berücksichtigt werden, dass nämlich bei 60% der Fälle, in denen das Karzinom bis in die Diathermienekrosezone reicht, am Operationspräparat kein Tumorrest mehr nachzuweisen ist. Daraus resultiert, dass man bei derartigen Patienten auch kurzfristig ausgiebig aus dem Zentrum des Polypektomieulkus endoskopisch-bioptisch kontrollieren kann. Wenn in diesen Biopsaten keine Tumorreste mehr nachzuweisen sind und bei dem Patienten ein erhöhtes Operationsrisiko besteht, wäre eine operative Therapie nicht unbedingt erforderlich.

Differenzierungsgrad und Typ des Karzinoms

Zwischen pT1-Adenokarzinomen und muzinösen pT1-Adenokarzinomen auf dem Boden von vorbestehenden Adenomen gibt es keinen signifikanten Unterschied bezogen auf das Risiko von Lymphknotenmetastasen [20, 26]. Einschränkend muss hier allerdings erwähnt werden, dass es zu dieser Problematik in der Literatur nur wenige Daten gibt. In der neuen WHO-Klassifikation werden die muzinösen Karzinome zu den G3-Karzinomen gezählt. Prospektive Studien liegen hierzu nicht vor.

Das Risiko, Lymphknotenmetastasen zu entwickeln, ist umso höher, je schlechter ein pT1-Tumor differenziert ist [2]. In der Studie von Compton et al. [2], ist jedoch die genaue Tiefeninfiltration in die Submukosa nicht angegeben. Andere Autoren konnten einen signifikanten Zusammenhang des Differenzierungsgrades von pT1-Tumoren und des Auftretens von Lymphknotenmetastasen nur in univariaten Analysen belegen, insofern als G1- und G2-Karzinome signifikant weniger Lymphknotenmetastasen als G3- oder G4-Karzinome aufwiesen, allerdings ohne hier Absolutzahlen zu nennen. Die Kombination der Parameter "Differenzierungsgrad" und "Infiltrationstiefe" hat im Vergleich zur Einzelbetrachtung in multivariaten Analysen einen besonders signifikanten Anstieg des Risikos von Lymphknotenmetastasen ergeben [20]. Die Infiltration des Tumors in das untere Drittel der Submukosa hat die Lymphknotenmetasen von 3% (oberes Drittel) auf 23% (unteres Drittel) der Fälle ansteigen lassen.

Lymphgefäßinvasion

Der Lymphgefäßeinbruch eines kolorektalen Adenokarzinoms ist ein etablierter Risikofaktor bei pT1-Karzinomen für einen ungünstigeren Verlauf [13] und ein erhöhtes Risiko von Lymphknotenmetastasen [7, 17, 19]. Von seiten der AJCC (American Joint Committee on Cancer) gibt es mittlerweile die einseitige Empfehlung, dass pT1-Tumoren in pT1a (Nachweis von Lymphgefäßeinbrüchen) und pT1b (Nachweis von Blutgefäßeinbrüchen) unterteilt werden sollten [2]. Dies kollidiert allerdings mit der TNM-Klassifikation, in der Lymphgefäßeinbrüche jedweder Tumoren immer als L1 angegeben werden und kleine Buchstaben nach dem T im Gastrointestinaltrakt für eine genauere Bestimmung der Tiefeninfiltration eines Tumors reserviert sind [30]. Der Nachweis von Lymphgefäßeinbrüchen am histologischen Schnitt ist jedoch schwierig, da Artefakte durch Schrumpfungsvorgänge während der Fixierung Lymphspalten oder -gefäße vortäuschen können. In Zweifelsfällen bietet sich hier in Zukunft der Einsatz eines Antikörpers gegen die Epithelien von Lymphgefäßen an, wie beipsielsweise mit dem 38 kDa integralen Membranglykoprotein Podoplanin [1]. Lymphgefäße sind weiterhin dadurch charakterisiert, dass sie VEGFR-3 ("vascular endothelial growth factor-C receptor") sowie M2A-onkofetales Antigen exprimieren und eine allenfalls umschriebene Reaktion auf CD34 zeigen und nicht von einer kompletten Lage Aktin-positiver Myozyten umgeben sind [15].

Blutgefäßinvasion

Veneneinbrüche gehören nicht zu den klassischen Risikofaktoren der lymphogenen Metastasierung. Wohl aber bedeuten Blutgefäßeinbrüche ein erhöhtes Risiko von Lokalrezidiven und hämatogenen Metastasen [3, 29], insbesondere Lebermetastasen. Das Auftreten von Veneneinbrüchen ist i. Allg. invers mit Überleben und Tumordifferenzierung korreliert [17]. Eine Elastica-van-Gieson-Färbung kann zum Nachweis von Blutgefäßeinbrüchen hilfreich sein. Der Nachweis eines einzelnen Veneneinbruches reicht aus, die Prognose stark einzuschränken [29]. Bei Anwendung der UICC-Klassifikation wird der Nachweis eines Veneneinbruches als V1 kodiert.

Ergebnisse der "klassischen" Risikobeurteilung

Die klassischen in der Literatur immer wieder erwähnten Risikoparameter der lymphogenen Metastasierung wie Lymphgefäßeinbrüche und schlechte Differenzierung des Tumors haben zu der Einteilung in Niedrigrisiko- und Hochrisikogruppen von Patienten geführt. Im Allgemeinen ist für die Niedrigrisikogruppe nach der lokalen meist endoskopischen Polypektomie keine weitergehende Therapie notwendig, während in der Hochrisikogruppe, je nach Lokalisation und Operationsrisiko eine tumorgerechte Operation angestrebt wird. In Tabelle 1 ist die Häufigkeit von Lymphknotenmetastasen in verschiedenen Studien bei kolorektalen pT1-Adenokarzinomen zusammengefasst. Kritisch ist hier vor allem die geringe Fallzahl einiger Studien hervorzuheben. Diese erklärt möglicherweise auch die großen Schwankungen im Nachweis von Lymphknotenmetastasen (0–27%) in der Hochrisikogruppe.

"Neuere" Risikofaktoren

Tumorzelldissoziation in der Invasionsfront

Der Ausdruck Tumorzelldissoziation in der Invasionsfront geht auf Gabbert [4] zurück, im englischen Sprachgebrauch wird der Ausdruck "budding" bevorzugt und geht auf Imai [10] zurück. Man ging zu dieser Zeit davon aus, dass eine Tumorzelldissoziation ein höheres malignes Potenzial des Tumors andeutet. Gabbert [4] und fast 10 Jahre später Hase et al. [7] konnten zeigen, dass "Budding" oder Tumorzelldissoziation an der Invasionsfront ein Prädiktor für Rezidive und Langzeitüberleben ist. In diesen Arbeiten werden aber keine genauen Angaben bezüglich des Risikos der lymphogenen Metastasierung gemacht.

Tumorzelldissoziation bedeutet das Vorkommen von einzeln liegenden flachen oder kuboiden Tumorzellen. Tumordrüsenkomplexe werden im Falle einer ausgeprägten Tumorzelldissoziation an der Invasionsfront nicht mehr gefunden. Es liegen dann lediglich Nester schlecht differenzierter einzeln liegender Tumorzellen vor. Desmosomen sind zwischen den Tumorzellen allenfalls unvollständig bis völlig fehlend ausgebildet. Die Zellform ist sehr variabel und reicht von rund bis sanduhrförmig. Graduiert wird in "nicht vorhanden oder geringe Tumorzelldissoziation" und "mäßige bis starke Tumorzelldissoziation" [4, 7].

Die Tumorzelldissoziation ist auf die Invasionsfront beschränkt, deshalb soll das biologische Verhalten eines Tumors auch vom Verhalten der Tumorzellen in der Invasionsfront abhängen bzw. davon ausgehend beurteilbar sein [11, 25]. Die gute Blutversorgung an der Invasionsfront ermöglicht Tumoren ihr biologisches Potenzial voll zu entwickeln [7, 19]. Von vielen molekularen Ereignissen, die für die Aggressivität eines Tumors eine Rolle spielen, nimmt man an, dass sie an der Invasionsfront ihren Ausgang nehmen, so zum Beispiel die Expression und der Verlust bestimmter Adhäsionsmoleküle, die Sekretion proteolytischer Enzyme und eine erhöhte Proliferation [25].

Die verschiedenen Studien sind schwer vergleichbar, da zum Teil nur gut differenzierte Karzinome herangezogen wurden [24].

Grad der Tiefeninfiltration in der Submukosa

Kudo [14] war der erste, der eine Einteilung der Submukosa in oberes/mittleres und unteres Drittel (sm1–3) vorgenommen hat. Kickuchi et al. konnten zeigen, dass die Infiltration des unteren Drittels der Submukosa mit einem erhöhten Risiko der lymphogenen Metastasierung verbunden ist [12, 16]. Bei Infiltration des oberen Drittels der Submukosa sind in diesen Studien keine Lymphknoten-Metastasen aufgetreten, während bei Infiltration in das mittlere Drittel 10% und im unteren Drittel der Submukosa 25% Lymphknotenmetastasen nachweisbar waren [12]. Eine andere Studie gibt in Kombination mit einem schlechten Differenzierungsgrad 3% Lymphknotenmetastasen bei Infiltration des oberen Drittels der Submukosa an [20]. Die Dreiteilung der Submukosa wird in dieser Studie als praktikabel und in 97% der Fälle als anwendbar angegeben.

Ein anderer Ansatz, der nicht allgemein anerkannt ist [6], besteht darin, die Tiefeninfiltration bei Adenokarzinomen in gestielten Adenomen danach zu beurteilen, ob Kopf, Hals oder Stiel des Polypen infiltriert sind. Diese Einteilung hat sich nicht durchgesetzt, da sie sich praktisch nur für gestielte Polypen eignet und auf flache Karzinome nicht ohne weiteres zu übertragen ist.

Japanische Arbeitsgruppen [21] haben versucht, eine möglichst exakte Tiefenmessung vorzunehmen und sind zu dem Schluss gekommen, dass eine Tiefeninfiltration eines kolorektalen Adenokarzinoms in die Submukosa von weniger als 1000 Micrometer kein Risiko darstellt Lymphknotenmetastasen zu entwickeln und deshalb eine gute Indikation für eine lokale endoskopische Therapie ist. Für Tiefeninfiltrationen jenseits der 1000 Micrometer fanden Nishi et al. [21], dass hier auch eine lokale Therapie sinnvoll sein kann, wenn die anderen bereits oben genannten zusätzlichen histologischen Faktoren berücksichtigt werden. Zu einer suffizienten Beurteilung von pT1-Adenokarzinomen auf dem Boden von kolorektalen Adenomen gehört deshalb immer eine vollständige Einbettung des Materials in ca. 1,5 mm breiten Scheiben [8].

Eigene Untersuchungen

In einer eigenen, noch nicht publizierten Serie von über 900 Patienten mit T1-Kolonadenokarzinomen konnten wir die klassischen Risikofaktoren für Lymphknotenmetastasen bestätigen. Knapp ein Drittel der Patienten gehörte der Hochrisikogruppe, die restlichen zwei Drittel der Niedrigrisikogruppe an.

In einer univariaten Analyse stellten sich einige Parameter, die die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines kolorektalen Adenokarzinoms in einem vorbestehenden Adenom erhöhen [9], nicht als Risikofaktor für die Entstehung von Lymphknotenmetastasen heraus: Weder Alter noch Geschlecht sind Risikofaktoren für den Nachweis von Lymphknotenmetastasen. Im Gegensatz zu unserer Analyse, in der die Lokalisation des Tumors keine Rolle spielte, fanden andere Autoren ein erhöhtes Risiko von 13% Lymphknotenmetastasen bei Lokalisation des Tumors im unteren Drittel des Rektums [20]. Der Dissoziationsgrad der Tumorzellen in der Invasionsfront des Tumors und der Nachweis von Lymphgefäßeinbrüchen zeigte in unserer Studie eine hohe Korrelation mit der Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Lymphknotenmetastasen. Dies gilt, wenn auch nicht so ausgeprägt, ebenfalls für die Größe des Karzinoms, die Infiltrationstiefe sowie die Einteilung in Hochrisiko- und Niedrigrisikofälle und den Differenzierungsgrad des Tumors. Aus der Literatur ist bekannt, dass in univariaten Analysen schlecht differenzierte Tumoren ein höheres Lymphknotenmetastasierungsrisiko haben [20].

Eine multivariate Analyse unserer eigenen Fälle zeigt allerdings, dass der Differenzierungsgrad des Tumors (Grading) nicht signifikant mit einem erhöhten Risiko der lymphogenen Metastasierung korreliert ist. Da die schlecht differenziertern pT1-Adenokarzinome in unserer Studie sehr selten waren, muss kritisch eingeschränkt werden, dass die Signifikanzberechnung hierdurch beeinflusst worden sein kann. Die Infiltrationstiefe und der Dissoziationsgrad der Tumorzellen an der Invasionsfront sowie der Nachweis von Lymphgefäßeinbrüchen in unserer Studie steigert das Risiko des Nachweises von Lymphknotenmetastasen signifikant von 3,8 auf 13,6%.

Kritisch müssen unsere Daten allerdings mit Blick auf die Frage, , warum der Differenzierungsgrad des Tumors in einer univariaten, aber nicht in einer multivariaten Analyse mit dem Risiko für das Auffinden von Lymphknotenmetastasen korreliert, betrachtet werden. Abgesehen von einer kleinen Fallzahl haben wir den Differenzierungsgrad eines Tumors nach WHO immer am schlechtesten differenzierten Anteil des Karzinoms ausgerichtet [30], ohne jedoch die Invasionsfront in den Differenzierungsgrad mit einzubeziehen, und auch kleine apikale schlecht differenzierte Herde nicht gewertet. Andere Autoren richten sich generell nach dem überwiegenden Anteil des Karzinoms zur Bestimmung des Differenzierungsgrades. Unsere Ergebnisse werden durch eine andere Studie mit einer ähnlichen Häufigkeit von 13,8% Lympyhknotenmetastasen bei pT1-Hochrisikofällen gestützt [20]. In dieser Studie haben die Autoren dieselben histologischen Kriterien verwendet, wie sie von der WHO empfohlen werden.

Die bislang zum Lymphknotenmetastasenrisiko vorliegenden Studien sind allerdings alle retrospektiv durchgeführt worden, sodass der Evidenzgrad eingeschränkt ist. Aus diesem Grund sollte die gesamte Problematik der Risikofaktoren der lymphogenen Metastasierung der kolorektalen pT1-Karzinome unbedingt in einer prospektiven Multizenterstudie noch einmal analysiert werden.

Schlussfolgerungen

Zur Aufarbeitung von pT1-Adenokarzinomen auf dem Boden von kolorektalen Adenomen ist eine vollständige Einbettung in ca. 1,5 mm breiten Scheiben notwendig [8]. Sollte bereits in den ersten Schnittstufen ein G3- oder G4-Karzinom vorliegen, so braucht das Paraffinmaterial nicht weiter aufgestuft werden, ebenso, wenn der Tumor bereits in die Diathermienekrose reicht und primär Lymphgefäßeinbrüche nachweisbar sind. In all diesen Fällen kann man eine tumorgerechte Operation nach Abwägung des Operationsrisikos empfehlen. Auch die Infiltration in das untere Drittel der Submukosa (sm3) und eine hochgradige Dissoziation der Tumorzellen in der Invasionsfront stellt eine Indikation zur chirurgischen Therapie dar.

Liegt allerdings ein Adenokarzinom mit Infiltration bis in das obere oder mittlere Drittel der Submukosa vor (sm1/sm2) ohne Lymphgefäßeinbrüche, so muss das Material noch in Stufen aufgearbeitet werden. Erfahrungsgemäß haben sich hier 5 zusätzliche tiefe Stufen pro Block bewährt. Es muss nun gezielt nach Lymphgefäßeinbrüchen gesucht werden (Abb. 4). Für die Zukunft wären prospektive Multizenterstudien zur Bestimmung des Risikos der lymphogenen Metastasierung von kolorektalen pT1-Karzinomen empfehlenswert.

Abb. 4.
figure 4

Konsequenzen aus der histologischen Diagnostik von Frühkarzinomen in Adenomen. (Mod. nach Stolte [45])

Fazit für die Praxis

Für die Therapieentscheidung lokal versus chirurgisch beim kolorektalen Adenofrühkarzinom ist das Risiko der regionalen Lymphknotenmetastasierung der entscheidende Parameter. Ist das Risiko der Lymphknotenmetastasen geringer als das Operationsrisiko, so ist eine chirurgische Therapie nicht zwingend erforderlich, garantiert sein muss dann aber eine entsprechende Nachsorge. Für die Weichenstellung kurative Polypektomie oder tumorgerechte radikale Operation ist der histopathologische Befund von großer Bedeutung. Eine Einteilung in eine Niedrigrisikogruppe und Hochrisikogruppe erleichtert dem Gastroenterologen die weitere Therapieplanung. Zu den klassischen Hochrisikoparametern gehören Lymphgefäßeinbruch, schlechte Differenzierung (G3/G4) und nach neuen Erkenntnissen auch die Infiltration des unteren Drittels der Submukosa (sm3) und der mäßig bis stark ausgeprägte Grad der Tumorzelldissoziation in der Invasionsfront des Tumors. Blutgefäßeinbrüche stellen ein Risiko für hämatogene Metastasen dar, nicht jedoch für Lymphknotenmetastasen.