Kriegsereignisse führen zu komplexen Traumatisierungen, die körperliche Verletzungen, Todesängste, Heimatverlust, gewaltsamen Tod von Bezugspersonen, emotionale Vernachlässigung und Mangelerleben (Hunger, Armut) beinhalten können (Berman 2001). Kinder stellen eine sehr verletzliche Untergruppe dar, deren Nöte im Kriegsgeschehen in der Regel kaum Beachtung und Schutz finden (Barenbaum et al. 2004).

Hintergrund und Fragestellung

Die Studienlage zu posttraumatischen Symptomen bei Kriegskindern ist angesichts der epidemiologischen Bedeutung im Hinblick auf weltweite kriegerische Auseinandersetzungen ausgesprochen dürftig (Shaw 2003). Saigh (1991) stellte bei einem Drittel libanesischer Jugendlicher, die direkten Kriegseinwirkungen ausgesetzt waren, die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Von den Kriegskindern aus Kuwait klagten 70% nach dem ersten Golfkrieg über posttraumatische Symptome (Nader et al. 1993). Bezüglich längerfristiger Auswirkungen ist die Datenlage inkonsistent: Eine irakische Untersuchung ergab, dass posttraumatische Symptome bei dem überwiegenden Teil der untersuchten Kriegskinder (80%) 2 Jahre nach Kriegsende noch unverändert nachweisbar waren (Dyregrov et al. 2002). Andere Studien fanden eine Abnahme posttraumatischer Symptomatik nach Beendigung kriegerischer Auseinandersetzungen: Aus einer Untersuchung an Kriegskindern des Gazastreifens geht hervor, dass die initiale PTBS-Prävalenz von 40% ein Jahr nach Beginn des Friedensprozesses auf 10% abnahm (Thabet u. Vostanis 1999). Fünf Jahre nach dem Einschlag einer SCUD-Rakete war die posttraumatische Symptomatik bei Kindern deutlich reduziert, aber noch bei 8% der Betroffenen nachweisbar. Die ausbleibende Besserung war signifikant mit Defiziten in der familiären Betreuung und mit dem Verlust des Elternhauses assoziiert (Laor et al. 2001). Die unterschiedlichen Ergebnisse bezüglich der Persistenz posttraumatischer Symptome bei Kriegskindern in Friedenszeiten können verschiedene Gründe haben; hierbei spielen initiale Symptomschwere, fehlende familiäre Unterstützung und fortdauernder Heimatverlust eine herausragende Rolle (Barenbaum et al. 2004).

Die Auswirkungen kriegsbedingter Traumatisierungen auf das höhere Lebensalter sind bislang kaum untersucht worden. Jahrzehnte nach Ende des Krieges hat Schepank (1990) Mitte der 1980er-Jahre in einer epidemiologischen Felduntersuchung in Mannheim beim Vergleich der Jahrgänge 1935, 1945, 1955 in der Nachuntersuchung deutliche Unterschiede zwischen den Kohorten bezüglich psychisch bedingter Erkrankungen gefunden: 40% der „Spätkriegskinder“ des Jahrgangs 1945, 30% der „Frühkriegskinder“ des Jahrgangs 1935 und 20% der Nachkriegskinder des Jahrgangs 1955 zeigten seelisch bedingte Erkrankungen. Demnach gibt es deutliche Hinweise dafür, dass die Entwicklungsbedingungen der Kriegs- und Nachkriegszeit nachhaltige Folgen auf die spätere Gesundheit hatten. Teegen und Meister (Teegen u. Meister 2000) fanden in einer Stichprobe von vertriebenen Jugendlichen des Zweiten Weltkrieges eine PTBS-Prävalenz von 5%. In einer Studie an 47 Überlebenden der Bombardierung von Dresden (zum Zeitpunkt des Bombenangriffs darunter 17 Kinder) wurde eine vergleichsweise niedrige Prävalenz von PTBS-Symptomen gefunden (Maercker u. Herrle 2003). Eine jüngst erschienene Untersuchung an Vertriebenen, die während des Zweiten Weltkriegs überwiegend Jugendliche und junge Erwachsene waren, kam zu einer PTBS-Prävalenz von 9,8% (Fischer et al. 2006). Andererseits haben die meisten Kinder des Zweiten Weltkriegs augenscheinlich ihr Leben bislang gut bewältigt: Der Wiederaufbau als beeindruckende Kollektivleistung, Familiengründungen und berufliche Karrieren sprechen auch für die Leistungsfähigkeit der Generation. Nun – im Rahmen der anstehenden oder schon stattgefundenen Berentung – kann es zu einem stärkeren Anfluten von kriegsassoziierten Erinnerungen kommen. Der Wegfall identitätsstiftender – und ablenkender –beruflicher Tätigkeit, die Begrenztheit der eigenen Lebensperspektive und zunehmende Verlusterfahrungen werden als mögliche Einflüsse diskutiert (Radebold 2003). Die vorliegende Studie untersuchte im Rahmen des Projekts „Kriegskindheit” an der Universität München (Ermann 2005; Ermann u. Müller 2007) bei einer Gruppe früherer deutscher Kriegskinder Art und Häufigkeit kriegsbedingter Traumatisierungen, posttraumatische Symptome und die psychopathologische Beeinträchtigung in der Gegenwart.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Probanden

Die Studienteilnehmer wurden über einen Artikel in der „Ostseezeitung“ (Stralsunder Regionalzeitung) und ein Radiointerview des Norddeutschen Rundfunks (NDR 1) gewonnen. Der Artikel und der Radiobeitrag waren bewusst zurückhaltend formuliert: Es wurden zwischen 1933 und 1945 geborene Probanden gesucht, um über ihre Erlebnisse während des Zweiten Weltkriegs zu berichten. Stattgehabte Kriegstraumatisierung war ausdrücklich kein Aufnahmekriterium. Es nahmen 93 Probanden an der Studie teil, davon 50 Frauen (53,8%) und 43 Männer (46,2%). Aus den ehemaligen Ostgebieten bzw. Gebieten, die nach 1933 dem Dritten Reich „angeschlossen“ wurden, stammten 57 Teilnehmer (60,6%); 37 Probanden (39,4%) lebten in den Grenzen der heutigen Bundesrepublik Deutschland. Das Alter der Betroffenen reichte von 61–72 Jahren, im Durchschnitt waren die Probanden 67,3 Jahre alt (Standardabweichung=3,4 Jahre).

Instrumente

Die „posttraumatic diagnostic scale“ (PDS; Foa et al. 1997) wurde in ihrer deutschen Fassung (Ehlers et al. 1996) als Verfahren zur Erhebung posttraumatischer Symptome verwendet. Sie ist ein Fragebogen zur Selbstbeurteilung, der die Häufigkeit und Schwere der im „diagnostic and statistical manual of mental disorders- (DSM-)IV“ (American Psychiatric Association 1994) genannten PTBS-Symptome erfasst. Für unsere Studie wurde der Fragebogen wie folgt modifiziert: Die Probanden wurden qualitativ nach den drei schlimmsten Erlebnissen im Zweiten Weltkrieg gefragt; anschließend sollte das schlimmste Erlebnis angekreuzt werden. Die weitere Erfassung der PTBS-Symptomatik bezog sich auf dieses Ereignis. Die im qualitativen Teil des Fragebogens erhobenen Narrative wurden zur quantitativen Erfassung mithilfe einer kategorialen Checkliste differenziert. Die Checkliste unterteilte in die Kategorien Frontkontakt,Traumata durch Besatzungssoldaten, Flucht/Vertreibung, kriegsbedingter Tod von Angehörigen, Trennung von der Familie, Miterleben von NS-Verfolgung undsonstige Kriegstraumata.

Die Symptom-Check-Liste 90 (SCL-90; Derogatis et al. 1973) wurde in ihrer revidierten Fassung als deutsche Übersetzung (Franke 2002) zur Beurteilung der allgemeinen Psychopathologie eingesetzt. Anhand der 90 Items lassen sich insgesamt 9 syndromale Scores sowie ein Gesamt-Schwere-Index (GSI) berechnen. Die Skalen sind im Einzelnen: Somatisierung, Zwanghaftigkeit, Unsicherheit im Sozialkontakt, Depressivität, Ängstlichkeit, Aggressivität, phobische Angst, paranoides Denken und Psychotizismus. Die SCL-90 ist ein in der Psychotherapieforschung sehr verbreitetes Verfahren mit guten psychometrischen Kennwerten (Geiser et al. 2001).

Statistik

Die Datenanalyse erfolgte mit dem Computerprogramm SPSS („statistical package for the social sciences“, Version 11.5). Für Gruppenvergleiche wurden Mann-Whitney-U-Tests gerechnet. Das Signifikanzniveau wurde bei p<0,05 festgesetzt.

Ergebnisse

Nach dem PDS erfüllten 13 Probanden (14,0%) die DSM-IV-Kriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung im Längsschnitt; 10 Probanden (10,8%) litten zum Zeitpunkt der Untersuchung unter signifikanten PTBS-Symptomen. Durchschnittlich 2,8 traumatische Erlebnisse wurden berichtet (Tab. 1). Über direkten Frontkontakt berichteten 66,7% der Teilnehmer, mehr als 50% beschrieben Misshandlungen durch sowjetische Besatzungstruppen und ebenfalls über 50% nannten Flucht bzw. Vertreibung aus den ehemaligen Ostgebieten als schlimmstes Erlebnis. Etwa ein Drittel berichtete über den kriegsbedingten Tod von direkten Angehörigen. Traumata durch Besatzungssoldaten, Heimatverlust und direkter Frontkontakt trugen in gleichem Ausmaß zu 90% der aktuellen posttraumatischen Symptomatik bei.

Tab. 1 Traumatische Erlebnisse von ehemaligen Kriegskindern, erfasst mit der modifizierten Posttraumatic diagnostic scale

Davon ausgehend wurden folgende Untergruppen gebildet:

  1. 1.

    Studienteilnehmer ohne aktuelle kriegsassoziierte posttraumatische Symptomatik (n=83; 89,2%), im Folgenden „PTBS-negativ“ und

  2. 2.

    Probanden mit aktuell signifikanten Symptomen im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung (n=10; 10,8%), „PTBS-positiv“ genannt.

Es zeigten sich signifikante Unterschiede im Hinblick auf die aktuelle Psychopathologie, gemessen mit dem SCL-90-R: Probanden mit weltkriegsassoziierter PTBS-Symptomatik waren in den meisten Subskalen und im GSI hochsignifikant bis signifikant belasteter als ehemalige Kriegskinder ohne posttraumatische Symptome im Sinne einer PTBS (Tab. 2). Ausnahmen bildeten lediglich die Subskalen Somatisierung und Aggressivität, die sich zwischen beiden Gruppen nicht signifikant unterschieden.

Tab. 2 Vergleich der aktuellen Psychopathologie (SCL-90-R) bei früheren Kriegskindern ohne posttraumatische Symptomatik („PTBS−“, n=83) und solchen mit kriegsassoziierten PTBS-Symptomen („PTBS+“; n=10)

Diskussion

Die Untersuchung hatte zum Ziel, Art und Schwere der Traumatisierung, die posttraumatische Symptomatik und die aktuelle psychopathologische Belastung bei Probanden zu evaluieren, die ihre Kindheit während des Zweiten Weltkriegs verbracht haben. Bisherige Studienergebnisse zu Kriegskindern bestätigend, fanden wir ein hohes Ausmaß an traumatischer Erfahrung (Laor et al. 2001; Saigh 1991; Teegen u. Meister 2000; Thabet u. Vostanis 1999): Über 50% berichteten über direkte Kriegseinwirkungen, gewaltsame Übergriffe durch Besatzungssoldaten und Heimatverlust. Etwa ein Drittel der Studienteilnehmer beklagten den kriegsbedingten Tod naher Angehöriger.

Noch 60 Jahre nach Kriegsende litten 10,8% der Probanden unter signifikanten posttraumatischen Symptomen im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung. Die bislang wenigen Studien, die posttraumatische Symptome bei Kriegskindern evaluiert haben, nennen sehr unterschiedliche PTBS-Prävalenzen, die zwischen 8 und 80% beziffert werden (Dyregrov et al. 2002; Laor et al. 2001; Shaw 2003; Thabet u. Vostanis 1999). Fast alle bisherigen Untersuchungen evaluierten die Probanden während oder wenige Jahre nach Beendigung des Konflikts, während die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung den Einfluss kindlicher Kriegstraumatisierung auf das höhere Lebensalter unterstreichen. Inwiefern es sich hierbei um einen nachhaltigen Einfluss im Sinne einer Chronifizierung oder um Phänomene der Reaktualisierung handelt, lässt sich mit den vorliegenden Daten nicht beurteilen. Im Gegensatz zu den Untersuchungen der Arbeitsgruppen von Maercker bzw. Teegen war die Prävalenz von posttraumatischen Symptomen in der vorliegenden Studie vergleichsweise hoch (Maercker u. Herrle 2003; Teegen u. Meister 2000). Beide Autoren untersuchten nur zu einem Teil ehemalige Kriegskinder, die insbesondere in der Arbeit von Maercker und Herrle den kleineren Teil der untersuchten Stichprobe stellten (Maercker u. Herrle 2003). Es ist bekannt, dass jüngere Erwachsene bezüglich sozialer Traumatisierung im Vergleich zu traumatisierten Kindern eine geringere Vulnerabilität besitzen (Maercker 1999).

Fast alle Probanden nannten mehrere schwere Traumata; dies gilt in der Literatur als ein Faktor, der zu höheren PTBS-Prävalenzen führt (Laor et al. 2001). Kriegserleben ist in diesem Sinne eine kumulative Extremtraumatisierung (Berman 2001). Einen besonderen Einfluss hat in diesem Rahmen offenbar der Heimatverlust mit Flucht- bzw. Vertreibungserleben: Es stammten 60,6% der Probanden aus den ehemaligen Ostgebieten bzw. Regionen, die nach 1933 dem Deutschen Reich „angeschlossen“ wurden. Mehr als 50% der Studienteilnehmer – und somit 86% aller Vertriebenen unter den Probanden – benannten die Flucht aus den ehemaligen Ostgebieten (überwiegend Hinterpommern und Ostpreußen) als traumatisierende Erfahrung. Dies steht im Einklang mit bisherigen Studienergebnissen, die diesem Faktor eine besondere Bedeutung in der Pathogenese posttraumatischer Symptome einräumen (Fischer et al. 2006; Laor et al. 2001; Shaw 2003; Teegen u. Meister 2000). Mutmaßlich führen in der Gruppe der Heimatvertriebenen kumulative Effekte zu hoher posttraumatischer Symptombelastung, da sie über den traumatischen Verlust des Elternhauses hinaus mit der gesamten Spannbreite von Kriegseinwirkungen ohne jeglichen Schutz konfrontiert waren (Fischer et al. 2006; Teegen u. Meister 2000). Insbesondere die Mütter dieser Kriegskinder waren multiplen Extremtraumatisierungen, u. a. auch durch Massenvergewaltigungen der sowjetrussischen Armee, ausgesetzt (Teegen u. Meister 2000). Selbst traumatisiert konnten sie inmitten der Kriegswirren als verlässliche Bindungspersonen für ihre Kinder kaum zur Verfügung stehen. Dies deckt sich mit den Ergebnissen von Laor et al., in denen Heimatverlust und Symptombelastung der Mütter mit der Persistenz posttraumatischer Symptome bei Kriegskindern korreliert waren (Laor et al. 2001). Zusätzlich könnte nach klinischer Erfahrung bei den Studienteilnehmern zur Prävalenz der posttraumatischen Symptome beigetragen haben, dass Traumatisierungen durch russische Besatzungssoldaten in der späteren DDR öffentlich nicht thematisiert und somit nicht in ein kollektives Narrativ eingebunden werden konnten.

Als weiteres Studienergebnis waren kriegsassoziierte posttraumatische Symptome mit signifikant höherer psychopathologischer Belastung zum Studienzeitpunkt korreliert. Davon ausgenommen waren die Subskalen Somatisierung und Aggessivität, in denen sich ein Unterschied unterhalb des Signifikanzniveaus zeigte. Dies könnte zum einen an der zu kleinen Stichprobe liegen, möglicherweise aber auch Ausdruck eines Problems des Rekrutierungsmodus der Studie bzw. der Altersgruppe sein: Aggressive Probanden könnten einem Forschungsprojekt ablehnend gegenüberstehen und sich nicht beteiligen. Somatische Beschwerden wiederum sind im höheren Lebensalter generell höher prävalent, sodass der Effekt der Kriegstraumatisierung bei unserer Stichprobengröße nicht distinkt abgebildet werden konnte (Hessel et al. 2001).

Der auch bei anderen PTBS-Risikogruppen nachgewiesene Zusammenhang mit psychopathologischer Belastung (Creamer et al. 2005; Spitzer et al. 2000) ist für die psychotherapeutische Praxis von erheblicher klinischer Relevanz: Psychotherapeutische Patienten der entsprechenden Altersgruppe sollten im Hinblick auf eine mögliche Reaktualisierung kriegsassoziierter Traumata einfühlsam exploriert werden. Für die posttraumatische Abwehr sind Verleugnung und Dissoziation unerträglicher Erlebnisfragmente kennzeichnend (Ermann 2004b), sodass nach klinischer Einschätzung den Betroffenen ein Zusammenhang mit der eigenen Kriegskindheit häufig nicht bewusst ist.

Methodenkritisch müssen mehrere Einschränkungen der vorliegenden Arbeit genannt werden; hierbei wäre die relativ kleine Teilnehmerzahl als Erstes zu nennen. Es handelt sich nicht um eine epidemiologisch relevante Stichprobe, vielmehr wurden die Probanden über einen – wenn auch neutral formulierten – Aufruf in der Tagespresse rekrutiert. Somit könnte man schlussfolgern, dass besonders belastete Kriegskinder zur Teilnahme motiviert wurden. Andererseits ist aus der Literatur zur PTBS bekannt, dass massiv traumatisierte Menschen die Teilnahme an wissenschaftlichen Studien vermeiden, um nicht erneut mit dem für sie Unerträglichen konfrontiert zu werden (Newman u Kaloupek 2004). Als weiteres methodisches Problem wurde die PTBS-Symptomatik mit einem Selbstbeurteilungsinstrument (PDS) erfasst und nicht mit einem strukturierten Interview validiert. Obwohl der Fragebogen eine gute Übereinstimmung (82%) mit dem PTSD-Modul des „structured clinical interview for DSM“ (SCID) zeigte (Foa et al. 1997), muss die kategoriale Diagnose einer PTBS über ein Selbstbeurteilungsinstrument als vorläufig bezeichnet werden. Da lediglich die drei schlimmsten Traumata erfasst wurden, können Aussagen zur Häufigkeit der Traumatisierungen nur eingeschränkt vorgenommen werden. Potenzielle Traumatisierungen im späteren Leben der Probanden wurden nicht erfragt. Mithilfe der PDS kann nicht ausgesagt werden, ob die Symptomatik bis zum Untersuchungszeitpunkt ununterbrochen bestanden hat oder etwa fluktuierend verlief.

Auch unter Würdigung der methodischen Einschränkungen kann man den Studienergebnissen entnehmen, dass im Hinblick auf die Spätfolgen kindlicher Traumatisierungen während des Zweiten Weltkriegs dringender Forschungsbedarf besteht. Über diagnostische Implikationen hinaus sollten Konsequenzen für die psychotherapeutische Versorgung der epidemiologisch relevanten Patientengruppe entwickelt und evaluiert werden. Die ehemaligen Kriegskinder haben mittlerweile erwachsene Kinder und Enkelkinder; dies wirft die Frage nach der transgenerationellen Weitergabe traumatischen Erlebens auf (Yehud et al. 2001). Bislang ist der Effekt von Kriegstraumatisierungen auf sehr kleine Kinder, deren neurobiologisch begründete kindliche Amnesie explizite Erinnerung an Traumata nicht ermöglicht, völlig unklar (Bruce et al. 2005); diese stellen aber entwicklungspsychopathologisch eine besonders vulnerable Untergruppe der Kriegskinder dar. Inhaltsanalytische Ansätze könnten mit einem qualitativen Design komplexere Folgewirkungen erfassen (Ermann 2004a; Ermann 2005; Radebold 2003). Schlussendlich ist der Beleg psychischer Belastungen 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ein zwingendes Argument für den Schutz von Kindern in aktuellen Kriegsgebieten, wie z. B. im Irak, in Tschetschenien oder in anderen Konfliktregionen dieser Welt: Der UN-Konvention über die Rechte des Kindes sind mittlerweile fast alle Staaten – außer Somalia und den U.S.A. – beigetreten. Doch zwischen der völkerrechtlichen Anerkennung von verbindlichen Grundrechten für Kinder und ihrer praktischen Umsetzung in den weltweiten Kriegsregionen klafft eine eklatante Lücke. „Wenn in einem Land Krieg geführt wird, müssen die Kinder, die Frauen und die alten Menschen besonders geschützt werden“ (Unicef 2005).

Fazit für die Praxis

Ein signifikanter Anteil ehemaliger Kriegskinder des Zweiten Weltkriegs leidet unter posttraumatischen Symptomen, die mit psychopathologischer Beeinträchtigung einhergehen können. Flüchtlingskinder sind eine besonders belastete Risikogruppe. Die klinische Erfahrung lehrt, dass bei Reaktualisierungen ein Zusammenhang mit der eigenen Kriegskindheit für Betroffene oft bewusst nicht herstellbar ist. Somit bedarf es der empathischen – und historisch bewussten – Gesprächsführung, um Einsicht zu ermöglichen. Im Einzelfall muss abgeklärt werden, ob über kathartische Phänomene hinaus eine spezifische Traumatherapie erfolgen sollte.