Moderne Kommunikationstechnologien werden heute in unterschiedlichen Formen in der psychosozialen Versorgung eingesetzt. Für nahezu alle Phasen der Versorgung existieren Angebote, die von Informationsmaterial über Prävention, Beratung und Behandlung bis hin zu Nachsorge- und Rückfallpräventionsprogrammen reichen. Den häufig artikulierten Vorbehalten und Bedenken gegenüber dem Einsatz von neuen Medien in der psychosozialen Versorgung stehen mindestens genau so oft weit reichende Verheißungen über die Chancen zur Optimierung der Gesundheitsversorgung gegenüber.

Parallel zur rapiden Verbreitung der modernen Kommunikationstechnologien in den vergangenen Jahren wächst die Anzahl der Ideen und Vorschläge für ihre Nutzung im Gesundheitswesen. Für die psychosoziale Versorgung steht dabei weniger die Technik als die durch diese vermittelte Kommunikation, die „computer-mediated communication“ (CMC), im Vordergrund. Unter CMC wird jegliche Form menschlicher Kommunikation subsumiert, die unter Verwendung oder Beteiligung von Computern stattfindet. Beispiele sind „e-mail“, Foren, „chatrooms“, „Compact-disc-read-only-memory- (CD-ROM-)Programme“ oder „digital versatile disc“ (DVD). Auch der Einsatz von Mobiltelefonen [Kommunikation mithilfe des „short message service“ (SMS), erweitert durch den „multimedia messaging standard“ (MMS) oder zukünftig auch das „universal mobile telecommunications system“ (UMTS)] ist in diesem Zusammenhang zu nennen.

Insbesondere im Internet findet sich eine Fülle an Informationen und Angeboten. Hierbei macht die Leichtigkeit des Zugangs für Anbieter und Nutzer, die sicher ein wesentlicher Vorteil des Internets ist, es gleichzeitig schwierig, Seriöses von Unseriösem zu unterscheiden. Nicht nur für Informations- und/oder Hilfesuchende, sondern auch für „professionals“ ist es schwierig, sich einen Überblick zu verschaffen. Bislang gibt es weder verbindliche Richtlinien für die Anbieter noch eine Zertifizierung, die ihre Kompetenz und Professionalität bzw. die Qualität ihres Angebotes dokumentiert (Golkaramnay et al. 2003) und als Orientierungshilfe dienen könnte. Eine Klärung der ethischen, gesetzlichen und standesrechtlichen Rahmenbedingungen (Manhal-Baugus 2001) ist dringlich, kann aber die Nutzung nicht aussetzen. Es ist eine Tatsache, dass Menschen mit psychischen Problemen zunehmend online nach Hilfe suchen. Diese steigende „Nachfrage“ trifft auf ein unstreitig vorhandenes Potenzial, das neue Technologien zur Optimierung der psychosozialen Versorgung besitzen. Daher gilt es, sich den An- und Herausforderungen zu stellen und Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten, die eine sichere Nutzung dieses Potenzials möglich machen (Golkaramnay et al. 2003).

In Deutschland gibt es diesbezüglich bislang vergleichsweise wenige konkrete Projekte, die von wissenschaftlichen Studien begleitet werden. Dabei eröffnen neue Technologien vielfältige Möglichkeiten zur Verbesserung der Versorgung sowohl des einzelnen Patienten als auch zur Optimierung des Versorgungssystems als Ganzem (Kordy 2004). Beispielsweise können sie „Stepped-care-Ansätze“ (Haaga 2000) praktisch möglich machen, die gegenwärtig, insbesondere bei schweren psychischen Störungen (z. B. Anorexia nervosa) und bei chronisch verlaufenden Erkrankungen (z. B. bei Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa), vorgeschlagen werden. Dabei geht es darum, unterschiedlich intensive Behandlungsmodalitäten in Abhängigkeit von den individuellen Bedürfnissen und dem Gesundungsverlauf eines Patienten zu kombinieren. Die Möglichkeit, den Symptomverlauf mit Hilfe neuer Technologien engmaschig zu beobachten (kontinuierliches Monitoring), stellt dabei eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung und Optimierung solcher gestuften Behandlungskonzepte dar. Veränderungen (Verbesserungen wie auch Verschlechterungen) können zeitnah erfasst werden und so eine adaptive Intervention ermöglichen.

Die größere Flexibilität in den Behandlungsstrategien macht es wichtiger, die Übergänge zwischen verschiedenen Behandlungsstufen zu gestalten. Hier können neue Technologien wichtige Brücken darstellen, indem sie die Reichweite spezialisierter Einrichtungen erweitern, und so z. B. eine Nachbetreuung von Patienten nach intensiver stationärer Behandlung am Wohnort erlauben oder die Wartezeit bis zu einer ambulanten Weiterbehandlung überbrücken (Kordy 2004).

Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Drucks, die Kosteneffektivität psychosozialer Versorgung zu verbessern, stellt sich natürlich auch die Frage, in welchem Ausmaß therapeutische Ressourcen durch neue Technologien optimaler genutzt werden können. Die Optimierung der Übergänge zwischen hoch intensiven und weniger intensiven Behandlungsphasen—z. B. der Übergänge zwischen stationärer, teilstationärer und ambulanter Behandlung—verspricht eine Effizienzsteigerung, insbesondere, wenn traditionelle Behandlungskonzepte durch (teil)automatisierte Komponenten ergänzt werden.

Vorteile und Chancen neuer Medien in der psychosozialen Versorgung

Als Vorteil computergestützter Angebote sind an erster Stelle ihre, verglichen mit „Face-to-face-Kontakten“, leichtere Verfügbarkeit und größere Reichweite zu nennen. Solche Angebote sind weniger beschränkt im Hinblick auf die Anzahl der zur Verfügung stehenden Plätze. Wartezeiten entfallen weit gehend, da freie therapeutische Ressourcen durch die zunehmende Verbreitung neuer Technologien in der Bevölkerung quasi „von überall“ genutzt werden können. Ein weiterer Vorteil ist die Steigerung der Flexibilität: Internetangebote können z. B. unabhängig von Zeit und Ort genutzt werden. Lange Anfahrtswege (und -kosten) entfallen, und auch Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, können erreicht werden bzw. erhalten Zugang. Auch auf anderer Ebene, etwa durch die Anonymität im Internet, wird die Zugänglichkeit psychosozialer Angebote verbessert: Für viele Betroffene sind psychische Erkrankungen schambesetzt. Das Suchen nach professioneller Hilfe und die Aufnahme einer Behandlung werden dadurch oft hinaus gezögert. Informationen oder Beratungen im Internet können hilfreich sein, derartige Schwellen zu senken, Betroffene zu entlasten und zum Aufsuchen psychosozialer Hilfe zu motivieren (Budman 2000).

Aus gesundheitsökonomischer Perspektive bieten computergestützte Angebote Vorteile für eine kosteneffiziente Versorgung, da durch ihren Einsatz z. B. aufwändige und teure stationäre Therapien möglicherweise verkürzt werden können. Computerunterstützte Programme können für die Überbrückung von Versorgungslücken oder -engpässen genutzt werden. So kann beispielsweise auch über große Entfernungen hinweg eine ambulante Nachbehandlung im direkten Anschluss an die stationäre Behandlung eingerichtet werden. Dies ist in Anbetracht von durchschnittlichen Wartezeiten auf einen ambulanten Behandlungsplatz von 3–9 Monaten (Psychotherapeutenkammer Berlin 2003) derzeit häufig nicht gewährleistet.

Grenzen und Risiken neuer Medien in der psychosozialen Versorgung

Den genannten Vorteilen stehen klare Grenzen von computergestützten Angeboten gegenüber. Angesichts dieser Grenzen müssen seriöse Angebote wichtige Bedingungen erfüllen:

  • Der Gewährleistung der Vertraulichkeit von Informationen und dem Datenschutz, insbesondere bei internetbasierten Programmen, muss Rechnung getragen werden. Für eine bestmögliche Sicherheit sind Passwortschutz und verschlüsselte Datenübertragung Mindestanforderungen. Die Nutzer sind darüber aufzuklären, dass es eine absolute Sicherheit im Internet nicht gibt.

  • Die Kompetenz bzw. die Professionalität der Anbieter sollte eindeutig ausgewiesen werden. Dies geschieht derzeit sehr selten und wenn doch, sind die Angaben kaum überprüfbar.

  • Schließlich gilt es auch, Vorsorge gegen gesundheitliche Risiken zu treffen, die die Nutzung des Internets im Allgemeinen mit sich bringen soll. In diesem Zusammenhang werden die sog. Internetsucht oder -abhängigkeit (Kimberly 1998) genannt, sowie Internetforen, in denen selbstschädigendes Verhalten bis hin zu kollektivem Suizid verabredet wird (Koch 2002).

Ethik, Rechte und Gesetze

Ärzten verbietet in Deutschland das Berufsrecht, eine ärztliche Behandlung oder Beratung ausschließlich über Medien auszuüben; insbesondere die Diagnosestellung via Internet ist nicht zulässig (Koch 2002). Allgemein sind alle Anbieter von computergestützten (insbesondere Internet-)Angeboten aus (berufs)ethischer Perspektive denselben Richtlinien verpflichtet, die für Face-to-face-Kontakte gelten. Hierzu gehören insbesondere die Aufklärung der Hilfesuchenden sowie eine größtmögliche Transparenz sowohl über das eigene Angebot als auch über die Person des Anbieters. Derzeit existieren erhebliche Unterschiede bezüglich der Ausbildung des Anbieters sowie der Form der Angebote und deren theoretischen Grundlagen (Laszig u. Eichenberg 2003). Um Rat- und Hilfesuchenden eine Orientierung im Dschungel der Angebote zu ermöglichen und die Aufmerksamkeit auf seriöse Angebote zu lenken, gibt es sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene Bestrebungen, Richtlinien und Gütesiegel zu entwickeln. In Deutschland wurde 2001 ein derartiges Gütesiegel vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP) als Qualitätszeichen für psychologische Onlineberatung entwickelt. Voraussetzungen für das Erlangen der Zertifizierung betreffen die Qualifikation des Anbieters (Universitätsabschluss im Fach Psychologie sowie Nachweis von Gesprächsführungs- und Kriseninterventionskompetenzen) sowie die Gewährleistung der Verschwiegenheit, der Anonymität und der Vertraulichkeit. Des Weiteren sind Anbieter verpflichtet, Anfragen (per E-Mail) innerhalb von 3 Tagen zu beantworten und verantwortlich mit den Grenzen der Onlineberatung umzugehen (d. h. explizit darauf hinzuweisen, dass psychische Probleme u. U. persönlichen psychotherapeutischen Kontakt unabdingbar machen). Schließlich sind grundlegende Maßnahmen zur Sicherung der Datenübertragung und -speicherung gefordert, um die Zertifizierung erlangen zu können (nähere Informationen unter http://www.bdp.de). Ein gravierender Mangel des Gütesiegels bleibt jedoch, dass die Güte bzw. die Qualität der Onlineberatung selbst nicht Gegenstand der Prüfung ist.

Offline- und Onlineprogramme

Es wurden verschiedene Systeme zur Kategorisierung von Gesundheitsangeboten über elektronische Medien vorgeschlagen (Budman 2000). Eine grobe Unterscheidung trennt zwischen solchen Angeboten, die ausschließlich online (d. h. unter Verwendung des Internets) und solchen, die auch oder ausschließlich offline (lokale Nutzung auf einem Rechner) genutzt werden können. Onlineangebote können potenziell von jedem Internetnutzer von überall genutzt werden und sind daher einem breiten Personenkreis zugänglich. Sie erlauben, dass 2 oder mehr Personen unabhängig von räumlichen Entfernungen miteinander in Kontakt treten. Offlineangebote sind hingegen in der Regel auf einem bestimmten Computer installiert und können daher nur von denjenigen genutzt werden, die einen Zugang zu diesem Rechner haben. Die Nutzung erfolgt üblicherweise allein; computer-vermittelte Kontakte mit anderen Personen sind in aller Regel nicht vorgesehen. Offlineangebote sind insofern schwieriger zu verbreiten, erlauben jedoch eine bessere Zugangskontrolle und eine einfachere kommerzielle Nutzung. Im Folgenden werden einige Beispielprogramme vorgestellt, die—zumindest im Ansatz—evaluiert werden.

Offlineangebote

Computerunterstützte Programme werden u. a. entwickelt, um die Aufwand-Nutzen-Relation psychosozialer Unterstützung zu verbessern. Dies kann z. B. geschehen, indem durch die Variation der Sitzungsdauer oder der Gesamtlänge der Face-to-face-Behandlung die Zeit verkürzt wird, die ein Therapeut mit einem Patienten verbringt. Oder, indem man versucht den Nutzen traditioneller Behandlungen dadurch zu erhöhen, dass Patienten in Vorbereitung auf die Face-to-face-Behandlung oder zwischen den einzelnen Sitzungen elektronisch dargebotene Bausteine eigenständig bearbeiten. Die aktuell eingesetzten Programme bauen zumeist auf einem verhaltenstherapeutischen Ansatz auf und beinhalten insbesondere psychoedukative Elemente (Schmidt 2003).

Computergestützte Selbsthilfeprogramme sind in der Regel störungsspezifisch. Solche Angebote existieren für unterschiedliche Krankheitsbilder (Luo 2003; Murray et al. 2003). Positive Erfahrungen werden für Programme (zumeist CD-ROM oder DVD) für Essstörungen (Williams et al. 1998), Depressionen (Selmi et al. 1990), Angststörungen (Kaltenthaler et al. 2002) und Zwangsstörungen (Greist et al. 2002) berichtet. Als Vorteile gegenüber traditionellen Selbsthilfemanualen werden insbesondere der interaktive Charakter und die attraktivere Gestaltung genannt.

Die Nutzung von Offlineangeboten, wie z. B. CD-ROM-Programmen, kann an einen bestimmten Ort gebunden werden. Das hat den Vorteil, dass z. B. therapeutisch geschultes Personal in die Nutzung einführen und die Arbeit mit dem Programm begleiten kann (z. B. Murray et al. 2003). Die lokale Nutzung wird durch tragbare Rechner in Form von „laptops“, „palmtops“ oder „handhelds“ zunehmend erweitert. Palmtops und Handhelds bieten dabei nicht nur den Vorteil des einfachen Transports, sondern sie sind auch deutlich kostengünstiger als handelsübliche Rechner und können Patienten somit vergleichsweise einfach für die Dauer der Nutzung zur Verfügung gestellt werden. So werden beispielsweise verschiedene Therapiemodule einer neuen Psychotherapie für Bulimie über Palmtops dargeboten (Norton et al. 2003). In den Face-to-face-Sitzungen werden die Daten ausgelesen und besprochen, die die Nutzung der einzelnen Module durch den Patienten dokumentieren. Hinweise auf die Effektivität von Behandlungen, die mit Palmtop- bzw. Handheldapplikationen unterstützt wurden, werden für Panikstörungen (Newman et al. 1997), generalisierte Angststörungen (Newman et al. 1999) und soziale Phobien (Gruber et al. 2001) berichtet. In der begleitenden Forschung zeigte sich kein Unterschied in der Wirkung einer verkürzten Verhaltenstherapie in Kombination mit den computergestützten Modulen im Vergleich zu einer Standardbehandlung.

Onlineangebote

Bei Onlineangeboten ist zwischen reinen Informationsseiten, die über Krankheiten sowie entsprechende Beratungen und Therapien, die dann ggf. im persönlichen Kontakt durchgeführt werden, informieren, und direkter Beratung und Therapie via Internet (z. B. Chat oder E-Mail) zu unterscheiden (Laszig u. Eichenberg 2003).

Informationsmaterial im Internet

Das Internet liefert Informationen zu fast jedem psychischen Problem und fast jeder Störung. Interessierte—z. B. Betroffene und Angehörige—erhalten eine Fülle von (mehr oder weniger verlässlichen) Angaben zu Krankheitsentstehung und -verlauf sowie zu entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten. Zum Teil bieten diese Seiten auch von professionellen Experten betreute Diskussionsforen (z. B. im Bereich Depression http://www.kompetenznetz-depression.de) oder die Beantwortung individueller Fragen über E-Mail (z. B. im Bereich Essstörungen http://www.ab-server.de) an. Der Übergang zwischen Informations- und Beratungsangeboten ist fließend. Neben den traditionellen störungsspezifischen Internetseiten gibt es zunehmend auch solche, die ein breites Spektrum psychischer und somatischer Erkrankungen abzudecken versuchen. Exemplarisch werden hier http://www.web4health.de, http://www.net-doctor.de und http://www.medknowledge.de genannt.

Onlineberatung und Onlinetherapie

Bereits seit Mitte der 90er-Jahre findet man kommerzielle psychosoziale Beratung im Internet. Dabei werden unterschiedliche Formen eingesetzt; E-Mail, Chat und Videokonferenzen zählen zu den am häufigsten genutzten. Die meisten Anbieter bezeichnen ihre Dienste als „Beratung“ und grenzen sie klar von regulären Face-to-face-Behandlungen oder -Beratungen ab. Im deutschsprachigen Raum existieren bislang noch relativ wenige professionelle (und kostenpflichtige) Onlineberatungsangebote. Das mag auch darauf zurückzuführen sein, dass hier die Chancen kostenpflichtiger Dienste eher gering eingeschätzt werden, während kostenlose Angebote häufig genutzt und gut akzeptiert zu sein scheinen (Laszig u. Eichenberg 2003). Wenngleich dies im englischsprachigen Raum anders ist, gibt es auch dort ein klares Defizit an empirischer Forschung: In einer umfangreichen Literaturrecherche fanden Ott u. Eichenberg (2002) lediglich 17 publizierte Untersuchungen zu internetvermittelten Beratungs- und Therapieangeboten. Da die Mehrzahl dieser Studien zudem nur kleine, meist hoch selektierte Stichproben umfasste und eher kurzfristige Effekte untersuchte, bleibt die Frage nach der Wirksamkeit von internetvermittelten Beratungsangeboten weit gehend unbeantwortet.

Diese Situation beginnt sich allmählich zu verbessern. Beispielhaft sollen an dieser Stelle die Projekte „Interapy“ (Lange et al. 2001), „Internetbrücke“ (Golkaramnay et al. 2003) und „Student Bodies“ (Zabinski et al. 2003) kurz vorgestellt werden.

Projekt „Interapy“

In einer kontrollierten Studie mit 25 Teilnehmern wurde die Wirksamkeit eines internetbasierten Programms zur Behandlung von pathologischen Trauerreaktionen und Symptomen der posttraumatischen Belastungsstörung untersucht (http://www.interapy.nl; Lange et al. 2001). Die Interaktion zwischen Teilnehmern und Therapeuten fand dabei ausschließlich über das Internet statt. Die Teilnehmer der Experimentalgruppe (n=13) nahmen an einem 5-wöchigen Programm teil, das aus zehn 45-minütigen Sitzungen bestand. Hauptbestandteil der Intervention war die Methode des sog. strukturierten Schreibens (Pennebaker u. Francis 1996). In der ersten Phase (Sitzung 1–4) wurden die Patienten aufgefordert, im Sinne der Selbstkonfrontation das traumatische Ereignis detailliert zu beschreiben und insbesondere ihre Emotionen zu thematisieren. Die zweite Phase zielte auf die kognitive Neubewertung des Traumas und die dritte schließlich auf das symbolische Abschiednehmen vom Erlebten. Die Teilnehmer erhielten über das Programm regelmäßig „feedback“ von ihrem Bezugstherapeuten. Die Ergebnisse der Studie deuten auf eine gute Akzeptanz des Angebots durch die Teilnehmer und auf positiv erlebte Beziehungen zum Bezugstherapeuten hin (obwohl sie diesen nie persönlich gesehen haben). Ferner wurden in der Interventionsgruppe substanzielle Verbesserungen in der Traumasymptomatik, im psychischen Befinden und in der Stimmung festgestellt. Einschränkend muss jedoch auf die geringe Stichprobengröße, den kurzen Beobachtungszeitraum („follow-up“ nach 6 Wochen) und auf die Tatsache hingewiesen werden, dass die Teilnehmer Studenten waren, die vergleichsweise wenig Beeinträchtigung berichteten.

Projekt „Internetbrücke“

Die „Internetbrücke“ (http://netgruppe.psyres-stuttgart.de) ist ein Gemeinschaftsprojekt der Forschungsstelle für Psychotherapie, Stuttgart, mit der Panorama Fachklinik Scheidegg und der Techniker Krankenkasse (Golkaramnay et al. 2003). Das Projekt untersucht Praktikabilität, Akzeptanz und Effektivität von poststationären, therapeutisch begleiteten Gruppensitzungen in einem Chatraum. Es zielt auf eine Unterstützung der Patienten im Übergang in den Alltag nach Entlassung aus stationärer Behandlung und damit auf die Stabilisierung der während der stationären Zeit erreichten Verbesserungen. Die Chatgruppen finden direkt im Anschluss an den stationären Aufenthalt wöchentlich statt und dauern jeweils 90 min. Die Gruppen sind offen. Die Teilnahmedauer beträgt 12–15 Wochen. Die Chatgruppen werden von erfahrenen Gruppentherapeuten geleitet, die sich bei allen Teilnehmern zum Ende des Klinikaufenthalts persönlich davon überzeugt haben, dass das psychische Befinden ausreichend stabil für die Projektteilnahme ist.

Die Teilnehmer (n=117) äußern sich sehr zufrieden mit dem neuartigen Angebot. Die Abbruchrate liegt unter 10%. Die Teilnehmer erleben das Programm subjektiv als hilfreich und stabilisierend beim Übergang von der Klinikbehandlung ins häusliche Umfeld. Es zeigt sich ein positiver mittelfristiger Effekt: Teilnehmer an den Chatgruppen beschreiben sich 6 Monate nach der Entlassung in ihrer psychischen und physischen Gesundheit weniger beeinträchtigt als Patienten der Kontrollgruppe (unter Berücksichtigung des Gesundheitszustandes zur Klinikentlassung). Über die langfristige Wirksamkeit des Programms in der Rückfallprophylaxe werden die derzeit durchgeführten 12-Monats-Katamnesen Aufschluss geben (Golkaramnay u. Kordy 2003).

Projekt „Student Bodies“

„Student Bodies“ ist ein internetbasiertes Präventionsprogramm, das mit dem Ziel entwickelt wurde, bei jungen Frauen mit subsyndromalen Essstörungssymptomen die Erstmanifestation der Erkrankung zu verhindern. Das 8- bis 10-wöchige Programm nutzt verhaltenstherapeutische Prinzipien. Die Teilnehmerinnen bearbeiten wöchentlich einen psychoedukativen Teil des Programms (zu Aspekten, wie Körperwahrnehmung, Ernährung, Diät, körperliche Aktivitäten etc.), erledigen eine bestimmte Hausaufgabe und protokollieren ihre Gedanken und Gefühle. Ferner wird erwartet, dass sie mindestens 2 Nachrichten zu einem für sie relevanten essstörungsbezogenem Thema im Diskussionsforum abgeben, das als „bulletin board“ organisiert ist. Dieses Forum wird von einem Psychologen betreut. In mehreren Studien wurde die Wirksamkeit der Intervention untersucht (Zabinski et al. 2001). Teilnehmerinnen des Programms zeigten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe (Warteliste), eine deutliche Reduktion ihrer Essstörungssymptome und der Sorgen um Figur und Gewicht. Die beschriebene asynchrone Version des Programms wurde kürzlich durch synchrone Komponenten in Form von Chatsitzungen ergänzt (Zabinski et al. 2003). Erste Ergebnisse zu dieser erweiterten Version sind ebenfalls positiv: Die Zufriedenheit mit dem Programm lag bei 86%. Von den Teilnehmerinnen bevorzugten 97% die Chatsitzungen gegenüber Face-to-face-Kontakten und 93% bevorzugten die Chats gegenüber dem Diskussionsforum. In Bezug auf die symptomatischen Veränderungen zeigten die Teilnehmerinnen ähnliche Verbesserungen wie in der ursprünglichen Version des Programms.

Eine Evaluation des Programms an größeren Kollektiven steht jedoch noch aus. Alle Befunde beruhen bislang auf vergleichsweise kleinen Stichproben und beziehen sich auf kurze Beobachtungszeiträume.

Nutzung des Short message service

Die Forschungsstelle für Psychotherapie Stuttgart entwickelte und evaluierte in Zusammenarbeit mit der Psychosomatischen Fachklinik Bad Pyrmont ein computergestütztes Programm zur nachstationären Betreuung von Bulimiepatientinnen (Bauer et al. 2003a). Als Kommunikationsmedium wird SMS über Mobiltelefone genutzt. Im Mittelpunkt des 6-monatigen Programms steht die wöchentliche SMS-Interaktion der Patientinnen mit der Forschungsstelle. Die Patientin schickt dabei einmal/Woche per SMS in standardisierter Form einen Bericht über die Ausprägung der zentralen Bulimiesymptome. Ein Computerprogramm analysiert die eingehenden Nachrichten und schlägt in Abhängigkeit zu den Veränderungen der Symptomatik zur Vorwoche aus einem Pool von zuvor formulierten Nachrichten einen Feedbacktext vor. Dieser wird auf Plausibilität überprüft, ggf. abgeändert und per SMS an die Patientin geschickt. Insofern stellt das Programm eine Mischung aus automatisiertem und individuellem Vorgehen dar. Die Ergebnisse einer Pilotstudie zeigten eine gute Akzeptanz des Angebots durch die Teilnehmerinnen. Abbrüche waren selten (15%). Die Mehrzahl der Patientinnen gab an, es als hilfreich erlebt zu haben, einmal wöchentlich bewusst über ihre Erkrankung nachdenken zu müssen und das Gefühl zu haben, dass „jemand da ist“. Die Kosten/Teilnehmerin liegen bei einer maximalen Teilnahmedauer an dieser psychosozialen Unterstützung von 6 Monaten bei ca. 30 EUR. Eine kontrollierte Studie zur Effektivität des Programms ist in Vorbereitung. Die Befunde der Pilotstudie deuten jedoch darauf hin, dass diese Minimalintervention geeignet zu sein scheint, um den Entlassungszustand der Patientinnen zu stabilisieren (Bauer et al. 2003b).

Perspektiven

Parallel zur technischen Weiterentwicklung verändern sich auch die therapeutischen Konzepte und Modelle. (Stationäre) Therapien werden kürzer, und Psychoedukation erhält in der primären und sekundären Prävention eine wachsende Bedeutung (Schmidt 2003). Patienten sollen durch die psychotherapeutische Behandlung Wissen über ihre Krankheit erwerben und einen kompetenten und eigenverantwortlichen Umgang damit lernen („Hilfe zur Selbsthilfe“). Gerade zur Vermittlung von Wissen über die Krankheit eignen sich Internet- oder CD-ROM-basierte Programme. Zunehmend werden mehrstufige Behandlungskonzepte für die psychosoziale Versorgung diskutiert, insbesondere bei Krankheiten, die eine lang dauernde oder gar lebenslange Betreuung erfordern. Die Forschung dazu befindet sich jedoch erst in den Anfängen: Man weiß z. B. wenig darüber, wie man die Effekte von Psychotherapie „nachhaltig“ macht; gezielte Nachsorge- und Rückfallprophylaxeprogramme existieren kaum. Auch die Frage nach Interventionen für Nonresponder wurde bislang kaum systematisch untersucht. Erste Befunde im Bereich der Essstörungen legen nahe, alternative Unterstützungsangebote für die zweite Behandlungsstufe zu entwickeln (Mitchell et al. 2002, 2004). Innovative Ansätze, die Nachsorge über Chat und SMS betreiben, scheinen bei Patienten gut akzeptiert zu sein. Abbrüche sind selten, und die Teilnehmer dieser Programme berichten eine Stabilisierung ihres Zustandes (Bauer et al. 2003a; Golkaramnay et al. 2003).

Vor allem bei Krankheiten mit hohem Chronifizierungsrisiko bieten die neuen Kommunikationsmedien interessante Perspektiven für die Optimierung der psychosozialen Betreuung in den unterschiedlichen Phasen der Erkrankung. Internet- bzw. SMS-basierte Monitoringsysteme erlauben es Verschlechterungen früh zu erkennen, so dass intensivere Behandlungsschritte zeitnah eingeleitet werden können.

Computergestützte Ansätze werden sich nicht für alle Patienten als hilfreich erweisen. Die Frage der differenziellen Wirksamkeit ist für CMC-Angebote gleichermaßen offen wie für traditionell angebotene Therapien.

Wie anhand der Beispiele skizziert, versprechen neue Medien, die Versorgung zum Vorteil der Patienten zu ergänzen. Darüber hinaus eröffnen sie interessante Perspektiven für die Psychotherapieforschung. Die zur Evaluation derartiger Programme notwendige Datenerfassung kann online erfolgen. Dies bedeutet gegenüber traditionellen Wirksamkeits- und Effektivitätsstudien eine erhebliche Erleichterung und eröffnet neue Möglichkeiten der Prozess-Ergebnis-Forschung, da z. B. longitudinale Daten in engen Zeitabständen einfach erhoben werden können. Mit Hilfe von Palmtops, Handhelds oder Mobiltelefonen lassen sich Daten in spezifischen Alltagssituationen erheben. Dieses „ecological momentary assessment“ (Stone u. Shiffman 1994) verspricht Informationen über das Befinden und den Umgang mit für die Erkrankung relevanten Ereignissen zu liefern (z. B. Situationen, die bei Alkoholabhängigen Alkoholverlangen auslösen), ohne Erinnerungsverzerrungen zu unterliegen (Collins et al 2003).

Die gesamte Kommunikation läuft bei E-Mail und Chat vermittelten psychosozialen Programmen schriftlich ab und kann elektronisch gespeichert werden. Das heißt, Sitzungen müssen nicht mehr aufwändig transkribiert werden; dies erleichtert Inhalts- und Prozessanalysen enorm.

So werden zukünftige Arbeiten sich verstärkt mit der Untersuchung therapeutischer Prozesse bei internetvermittelter Kommunikation beschäftigen können. Bislang existieren vorwiegend Hypothesen darüber, wie sich der Einsatz neuer Technologien beispielsweise auf die therapeutische Arbeitsbeziehung auswirkt, der eine wichtige Rolle für den Erfolg von Psychotherapie zugeschrieben wird (z. B. Horvath u. Symonds 1991; Martin et al. 2000). Erste Untersuchungen liefern keine Hinweise für Einschränkungen in der Patient-Therapeut-Beziehung bei Onlinekontakten (für einen Überblick s. Knaevelsrud et al. 2004).

Nahe liegend ist, dass nach der Bedeutung von Übertragung und Gegenübertagung im Onlinesetting gefragt wird (Lindner u. Fiedler 2002; Suler 2004). Dabei wird spekuliert, inwieweit durch das Fehlen wichtiger, im Face-to-face-Setting verfügbarer Informationen (Stimme, Körpersprache, Gesichtsausdruck etc.) Übertragungs- und Gegenübertragungsprozesse gar begünstigt werden (Suler 2004).

Solche Fragen machen beispielhaft die Rückkopplung zwischen Forschung zum Online- und Face-to-face-Setting deutlich. Die im Vergleich zum Face-to-face-Setting reduzierte Komplexität der Kommunikation und der leichte Zugang zu den Inhalten der Kommunikation durch elektronische Speicherung laden zu detaillierten Untersuchungen von Fragen ein, die aus der Prozess-Ergebnis-Forschung der Face-to-face-Psychotherapie abgeleitet sind. In der Klärung der Prozesse im Onlinesetting werden sich so auch die Fragen zum Prozess im Face-to-face-Setting neu akzentuieren.

Fazit für die Praxis

Neue Technologien eröffnen neue Chancen für die psychosoziale Versorgung, die es (mit der gebotenen Sorgfalt) zu nutzen gilt.

Neue Technologien erweitern die Reichweite professioneller Hilfe. So können z. B. speziell ausgebildete oder besonders erfahrene Psychotherapeuten Patienten über große Distanzen betreuen. Genauso können Patienten von nahezu jedem Ort—z. B. aus ländlichen Gebieten—Zugang zu speziellen, professionellen, psychosozialen Angeboten finden, die sie vorher nicht hätten erreichen können. Dies bietet in Kombination mit der herkömmlichen Versorgung gerade in der Langzeitbetreuung interessante Möglichkeiten. Die Notwendigkeit zu erkennen, für wen solche CMC-Programme geeignet sind und für wen nicht, erfordert die volle Aufmerksamkeit und entsprechende Verantwortungsbereitschaft der Anbieter. Die Notwendigkeit, bei unerwarteten negativen Entwicklungen des Patienten, ggf. auch im Verlauf der Internetunterstützung, entsprechende Schritte einzuleiten, verlangt ein kontinuierliches Monitoring. Evaluation und Qualitätskontrolle sind bei einer verantwortungsbewussten Nutzung dieser neuen Möglichkeiten unverzichtbar.