Wenn wir die wechselseitige Beziehung psychischer und somatischer Phänomene in der Medizin—aber natürlich nicht nur in der inneren Medizin—beschreiben, erklären, verstehen und in unser ärztliches Handeln einbeziehen wollen, scheinen sich die im Folgenden dargestellten 3 Prinzipien zu bewähren.

Psychosomatische Phänomene in der Medizin: drei Prinzipien

Parallelität

Psychische Phänomene, z. B. Wahrnehmungen, Kognitionen, Emotionen, Phantasien, sind mit somatischen Phänomenen, z. B. neuronalen Aktivitäten, eng verknüpft und umgekehrt. Jedoch determinieren sie sich weder in die eine noch in die andere Richtung vollständig. Im Sinne dieser Parallelität können wir davon ausgehen, dass es überall in der Medizin relevante psychische Phänomene gibt und dass ein Teil ärztlichen Handelns in der Einschätzung besteht, ob es sich um Ursachen, Folgen oder voneinander unabhängige Phänomene handelt.

Komplexität

Medizinische Phänomene sind als biopsychosoziale Mehrebenen-Phänomene immer komplex. Auch für den Bereich der psychosomatischen Medizin haben sich weit reichende psychologische Theorien nicht bewährt: Empirisch gesichert werden können derzeit—und hier stimmen wir H. Häfner zu—allenfalls biopsychosoziale Mehrebenen-Modelle von geringer Reichweite. Im Sinne dieser Komplexität ist es erforderlich, psychosoziale Aspekte regelhaft zu untersuchen und zu beachten.

Praxis

Vom Wissenschaftstypus her sah Aristoteles in der Medizin, wie z. B. auch in der Rechtswissenschaft, eine praktische Wissenschaft. Dieser Wissenschaftstyp hat sich am jeweiligen Einzelfall zu bewähren. Anders als in der Mathematik erlaubt er es oft nicht, a priori theoretisch eine Entscheidung über richtige oder falsche Handlungsoptionen zu treffen. Eine praktische Wissenschaft muss sich im Handeln bewähren. Um handlungsfähig in der (inneren) Medizin sein zu können, muss Psychosomatik Komplexität sinnvoll reduzieren können.

Psychosomatischer Behandlungsbedarf in der inneren Medizin

Der Anteil älterer Patienten, chronisch Kranker und Patienten mit komplexen Krankheiten nimmt in der inneren Medizin kontinuierlich zu. Wir untersuchten über ein Jahr in einer Medizinischen Universitätsklinik bei konsekutiv stationär aufgenommenen Patientinnen und Patienten die psychische Komorbidität im Sinne einer ICD-Diagnose des Kapitels F (Friederich et al. 2002). Bei 35,6% der Patientinnen und Patienten lag eine psychische Komorbidität vor, bei 13,0% handelte es sich um eine Haupt-, bei 22,6% um eine Nebendiagnose. Bei 4,3% der Untersuchten war die psychische Diagnose der alleinige Aufnahmegrund. Neurotische Störungen (F4) bei 17,5% (somatoforme Störungen 4,8%), Suchterkrankungen (F5) bei 5% und affektive Störungen (F3, 3,1%) waren die Hauptdiagnosegruppen.

Die durchschnittliche Liegedauer war beim Vorliegen einer psychischen Komorbidität signifikant erhöht. Bei psychischen Hauptdiagnosen war dieser Anstieg mit bis zu 8 Tagen deutlich, bei psychischen Begleitdiagnosen mit durchschnittlich 3 Tagen noch immer beträchtlich. Deutliche Zunahmen der Liegedauer waren bei Patienten mit demenziellen Syndromen, Anpassungsstörungen, Essstörungen und Persönlichkeitsstörungen festzustellen. Hingegen lag bei affektiven und somatoformen Störungen sowie bei Alkoholerkrankungen keine verlängerten Krankenhausaufenthalte vor.

Untersuchungen zum Bedarf und zur Inanspruchnahme psychosomatischer Konsildienste lassen den psychosomatischen Untersuchungs- und Behandlungsbedarf abschätzen. Das wissenschaftliche Gutachten zur Krankenhausplanung für das Fachgebiet psychotherapeutische Medizin von Janssen et al. (1998) legte dar, dass psychosomatische Konsildienste 55% aller Anforderungen aus der inneren Medizin erhalten (s. auch T. Herzog et al. 2003). Anlass der Anforderungen sind die Abklärung unklarer körperlicher Symptome (43%), explizit von Patienten angegebene psychische Beschwerden (24%) und Probleme der Krankheitsverarbeitung (10%). Insgesamt erhalten in Deutschland durchschnittlich 1,2% der Patienten in der inneren Medizin ein psychosomatisches, 2,7% ein psychiatrisches Konsil. Diese Quote hat regional eine große Schwankungsbreite: So werden in Heidelberg 4,5% der Patienten der inneren Medizin vom psychosomatischen Konsildienst gesehen. Damit wird hier die von den Autoren der europäischen C/L-Studie (ECLW) angegebene wünschenswerte Quote psychosomatischer Konsile von 5% nahezu erreicht. Die häufigsten Diagnosen sind erneut neurotische Störungen, Verhaltensstörungen, affektive Störungen und Substanzabusus.

Untersuchung und Behandlung von internistischen Patienten mit psychischer Komorbidität und psychosomatischen Patienten mit internistischen Problemen lassen sich somit als Hauptaufgabenbereiche der internistischen Psychosomatik definieren.

Lebensqualität und psychische Komorbidität bei internistischen Erkrankungen

Wohlstand, weit gehend gesicherte soziale Verhältnisse und medizinische Fortschritte haben das Aufgabenspektrum der heutigen Medizin in westlichen Industrienationen nachhaltig verändert. Die angemessene Behandlung chronischer und degenerativer Erkrankungen bei multimorbiden Patientinnen und Patienten zunehmenden Alters wird zu einer zentralen Aufgabe. Aufgrund des derzeitigen Erkenntnisstandes der Medizin sind die meisten dieser komplexen Erkrankungen nicht im Sinne einer "restitutio ad integrum" heilbar. Chronische Erkrankungen bzw. aufwändige therapeutische Maßnahmen sind chronische Belastungssituationen, die häufig mit psychischer Komorbidität, sozialem Rückzug und körperlichen Befindensstörungen einhergehen und ihrerseits wieder Rückwirkungen auf das Krankheitsverhalten haben. Sie lassen sich durch somatische Parameter allein nicht erfassen. Die Einführung des Konstruktes der gesundheitsbezogenen Lebensqualität zu Beginn der 80er-Jahre ergänzte die Therapieforschung in der somatischen Medizin nachhaltig. Gesundheitsbezogene Lebensqualität kann als das subjektive Erleben von sozialen, psychischen, körperlichen und alltagsnahen Aspekten von Wohlbefinden und Funktionsfähigkeit aufgefasst werden. Obwohl das Wohlbefinden des Patienten in jedem ärztlichen Gespräch ("Wie geht es Ihnen?") und Handeln implizit Berücksichtigung finden sollte, hat die systematische Erfassung in Therapiestudien erst mit der Einführung des Konstrukts der Lebensqualität begonnen. Neben klassischen biomedizinischen Variablen zur Lebensquantität (ereignisfreies Intervall, Überlebenszeit etc.) wird durch die Berücksichtigung der Lebensqualität als Outcomemaß von Therapiestudien zumindest ein Aspekt eines erweiterten biopsychosozialen Modells eingeführt. Subjektive Bewertungen von Therapien und die Beurteilung von Versorgungsstrukturen werden so ermöglicht. Besonders deutlich wird die notwendige Diskussion um geeignete Behandlungskriterien am Beispiel der Psychoonkologie. In der Onkologie wird bei fortgeschrittenen Tumorstadien häufig die Lebensverlängerung um wenige Monate (Lebensquantität) kontrastiert durch eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität in Folge der ausgeprägten Nebenwirkungen der Therapie.

Doch auch in der Psychokardiologie werden große Anstrengungen unternommen, um im Bereich der "Volkskrankheiten" koronare Herzkrankheit und Herzinsuffizienz geeignete psychosoziale Interventionen zu entwickeln, die Risikofaktoren, wie Depression und mangelnde soziale Unterstützung (Berkman et al. 2003; SADHEART Glassman et al. 2002), beeinflussen oder durch multimodale Programme Lebensstilveränderungen (Arbeitsgruppe von Ornish; Koertge et al. 2003) herbeiführen. Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt solche Forschungsstrategien und hat als Teilprojekt 10 seines "Kompetenznetz Herzinsuffizienz" unseren Antrag zur Untersuchung der Lebensqualität und psychischen Komorbidität sowie der Entwicklung und Evaluation eines Multiplikatorenprogramms zur Berücksichtigung dieser Therapieaspekte genehmigt. Am Beispiel der Herzinsuffizienz sollen im Folgenden einige Zusammenhänge zwischen internistischer Erkrankung, Lebensqualität und psychischer Komorbidität erläutert werden; die Zusammenhänge sind aber bei nahezu allen internistischen Erkrankungen gültig (z. B. Rose et al. 1998). Die Herzinsuffizienz ist eine chronische Volkskrankheit, deren Häufigkeit kontinuierlich zunimmt und die mit einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität einhergeht (Jünger et al. 2002). Neben einer fehlenden körperlichen Belastbarkeit zeigen Patienten in fortgeschrittenen Stadien (NYHA Stadium III) für das psychische Wohlbefinden vergleichbar niedrige Lebensqualitätswerte wie Patienten mit einer schweren depressiven Episode. Während das NYHA-Stadium eng mit der Lebensqualität korreliert ist, zeigen sich keine Zusammenhänge zwischen der linksventrikulären Pumpfunktion als "objektivem Goldstandard" und prognostisch bedeutsamen Parametern und verschiedenen Skalenwerten der Lebensqualität (Jünger et al. 2002). Die Herztransplantation ist eine Therapieoption im fortgeschrittenen Stadium der Herzinsuffizienz. Die Wartephase vor der Transplantation stellt durch den Rückgang von Spenderorganen sowie der Ungewissheit an der Erkrankung zu versterben eine erheblich belastende Situation für die betroffenen Patienten dar. Während der Wartephase auf ein Spenderorgan wird gegenüber dem Zeitpunkt der Aufnahme auf die Transplantationsliste eine zusätzliche signifikante Zunahme der Depressivität sowie eine Abnahme der Lebensqualität beobachtet (Zipfel et al. 1998, 2002a). Durch die erfolgreiche Transplantation wird jedoch eine Steigerung der Lebensqualität bis hin zu Normalwerten erreicht. Die Hoffnung der Patienten hingegen, dass durch die Transplantation auch andere z. B. psychische oder Partnerschaftsprobleme gelöst werden, ist durchaus nicht selten, wenn auch unrealistisch. Die Erfassung der Lebensqualität vor und nach Transplantation kann natürlich kein therapeutisches Gespräch zur psychosomatischen Transplantationsevaluation (s. unten) ersetzen. Sie kann jedoch einen Beitrag zum Verständnis der subjektiven Beurteilung der Therapieeffekte leisten.

Eine große Stichprobe von mehr als 1.000 Patientinnen und Patienten einer Health Maintenance Organisation wurden 3 Jahre lang nach einer Ersthospitalisierung wegen einer Herzinsuffizienz nachuntersucht (Sullivan et al. 2002). Von den Patientinnen und Patienten wurden 39% mit Antidepressiva behandelt, bei insgesamt 10% wurde eine Depression diagnostiziert. Die Behandlungskosten dieser Gruppe lag auch nach Berücksichtigung von Krankheitsschwere, Zusatzerkrankungen, Alter etc. um ca. 30% über denen der nichtantidepressiv Behandelten. Diese höheren Kosten waren v. a. auf die vermehrte Inanspruchnahme medizinischer Dienste (v. a. ambulant, in geringerem Ausmaß auch stationär), nicht auf primär psychische Behandlungen zurückzuführen, die praktisch nicht vorkamen. Es wurde geschätzt, dass etwa 5 Mrd. Dollar und damit etwa ein Viertel der Behandlungskosten der Herzinsuffizienz indirekt durch die Nutzung medizinischer Dienste durch Patienten mit psychischer Komorbidität verursacht werden.

Kritische Einwände zur Unschärfe des Begriffes der Lebensqualität, zur Konfundierung mit depressiven Störungen, zur Instrumentalisierung des Konstrukts für Legitimationszwecke aller Art erscheinen durchaus berechtigt. Nicht unterschätzt werden sollte jedoch die Möglichkeit, Lebensqualität (wie auch Depressivität) als psychosoziales Konstrukt in die Qualitätssicherung internistischer Erkrankungen routinemäßig einzubringen. Psychosoziale Variablen können dann auch Teil von Benchmarkingprozessen werden und zur Steigerung der Versorgungsqualität aller Patienten beitragen.

Internistisch-psychosomatische Diagnostik und Therapie von Patienten mit psychosomatischen Erkrankungen im engeren Sinne

Ähnlich wie die somatoformen (Rudolf u. Henningsen 2003; Löwe et al. 2000) und die Schmerzstörungen (Blumenstiel et al. 2003; Werle et al. 2001) gehören Essstörungen, Anorexia nervosa (AN), bei Komplikationen auch Bulimia nervosa (BN) und die "binge eating disorder", zu den psychosomatischen Erkrankungen im engeren Sinne, die häufig in der inneren Medizin untersucht und behandelt werden. Die adäquate Diagnostik und Therapie erfordert es, spezifische internistisch psychosomatische Settings bereit zu halten.

Anorexia nervosa und Bulimia nervosa sind psychosomatische Erkrankungsbilder, deren unmittelbare organische Auswirkungen häufig intensive internistische Diagnostik und oft auch Therapie erforderlich machen. Dabei bestimmen die organischen Komplikationen, besonders bei der AN, ganz wesentlich die Langzeitprognose (Deter u. Herzog 1994; Herzog et al. 1997a). Mit einer 10fach erhöhten standardisierten Mortalitätsrate (Zipfel et al. 2000; Löwe et al. 2001) gehört die AN zu den psychischen Erkrankungsbildern mit dem höchsten Sterblichkeitsrisiko. Als direkte Folge der Mangel- und Fehlernährung können bei schweren und chronifizierten Krankheitsverläufen eine Vielzahl von Störungen der hormonellen Achsen (Hebebrand et al. 1995) bis hin zu irreversiblen somatischen Folgeschäden auftreten. Mehr als 20% der stationär behandelten Anorexiepatientinnen leiden an einer Osteoporose (Herzog et al. 1993; Zipfel et al. 2001). Das Spektrum der ebenfalls nicht seltenen Niereninsuffizienz reicht von leichten Einschränkungen der Nierenfunktion bis hin zum Auftreten einer terminalen Niereninsuffizienz mit der Notwendigkeit der Hämodialyse (Herzog et al. 1997; Russell et al. 2001; Zipfel et al. 2003). Neben der Prävention oder der Therapie von somatischen Sekundärschäden ist besonders die stationäre Therapie stark untergewichtiger anorektischer Patientinnen eine Domäne der internistischen Psychosomatik. Besonders in diesem Feld zeigt sich, dass für ein erfolgreiches Behandlungsprogramm eine Integration aus medizinischem Monitoring (Russell et al. 1998) und adaptierter psychotherapeutischer Behandlung zwingend notwendig ist (Herzog et al. 2003; Behandlungsplan). In Zeiten eines zunehmenden Kostendruckes im Gesundheitswesen und einer Umstrukturierung von Versorgungsstrukturen werden derzeit ergänzende tagesklinische Therapieangebote für Patientinnen mit Essstörungen evaluiert (Zipfel et al. 2002b).

Die besondere Herausforderung in der Diagnostik und der Therapie liegt im Aufbau eines Settings, das eine Simultandiagnostik und -therapie erlaubt: Hier müssen sowohl das Spektrum internistischer Diagnostik und Therapie bis hin zu intensivmedizinischen Maßnahmen verfügbar sein als auch ein psychosomatisch-psychotherapeutisches Setting mit einem erfahrenen multidisziplinären Team. So können z. B. auch spezifische psychische Spaltungsprozesse transparent und behandelbar werden. Es ist kein Zufall, dass es gerade Patienten und Patientinnen mit Persönlichkeitsstörungen sind, die durch die übliche Trennung internistischer und psychosomatischer Diagnostik und Therapie in ein therapeutisches "Vakuum" geraten.

Herausforderungen, Perspektiven und Organisationsformen in der Krankenversorgung

In der Krankenversorgung besteht die Notwendigkeit, die Hauptaufgaben internistischer Psychosomatik—die Behandlung von internistischen Patientinnen und Patienten mit psychischer Komorbidität und jenen mit psychosomatischen Erkrankungen im engeren Sinne—so anzubieten, dass sie angemessen auch flächendeckend verfügbar sind. Die aktuelle Diskussion um die Versorgungsgerechtigkeit wirft zu Recht die Frage auf, wie begrenzte Ressourcen so eingesetzt werden können, dass eine möglichst große Zahl betroffener Patientinnen und Patienten eine möglichst wirksame Behandlung erhalten kann. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, sollten Behandlungsangebote der internistischen Psychosomatik einige übergeordnete Kriterien erfüllen, die zunächst formuliert werden. Im zweiten Schritt werden Organisationsmodelle diskutiert, die eine Umsetzung erlauben.

Behandlungsangebote der internistischen Psychosomatik sollten:

  • niederschwellig sein,

  • eine individuell gestufte Behandlung ermöglichen,

  • das Wissen und die Kompetenz anderer systematisch einbeziehen.

Therapieangebote der internistischen Psychosomatik erfahren eine höhere Akzeptanz, wenn Patienten zu Beginn keine hohe Schwelle überwinden müssen. Niederschwellige Angebote steigern die Therapiemotivation. Patienten mit ausgeprägter funktioneller Herzkrankheit wurde in der kardiologischen Ambulanz unserer Klinik randomisiert ein ambulantes Therapieangebot vor Ort gemacht oder die gleiche Empfehlung für eine Praxis gegeben. Während nur knapp ein Drittel der Patienten eine ambulante Therapie in einer Praxis nach Überweisung aufnahmen, war die Quote in der Klinik doppelt so hoch.

Weiterhin sollten Therapieangebote der internistischen Psychosomatik gestuft erfolgen. In der Vorbereitung von Herztransplantationen (Zipfel et al. 1998; 2002a) entwickelten wir zusammen mit Kardiologen und Kardiochirurgen ein gestuftes Behandlungsprogramm. Wir initiierten die Gründung einer Selbsthilfegruppe. Bei allen Transplantationskandidaten führen wir ein psychosoziales Erstinterview durch. Allen Patienten und Angehörigen wird zudem die Teilnahme an einer offenen Transplantationsgruppe angeboten; 70% der Patienten nehmen an dieser Gruppe teil. Die spezifische Indikation zur Einzel-, Paar- oder Familientherapie ist lediglich bei ca. 10% aller Patienten zu stellen; weiter gehende stationäre psychosomatische Behandlungen stellen die Ausnahme (1%) dar.

Viele neue medizinische Behandlungsmöglichkeiten (Transplantationen, Defibrillator-Schrittmachersysteme, Medikationspumpen etc.) sind auf Spezialisierung und damit verbundenen spezifischen medizinischen Kompetenzausweitungen zurückzuführen. Damit wird Kooperation mit Spezialisten, aber auch mit Vor- und Nachbehandlern zur "conditio sine qua non". In der Zusammenführung vorhandenen, oft jedoch unverbundenen Wissens (z. B. auch unterschiedlicher Berufsgruppen) liegen erhebliche Ressourcen.

Diese Prinzipien lassen sich, modifiziert nach dem wissenschaftlichen Gutachten zur Krankenhausplanung für das Fach psychotherapeutische Medizin (Janssen et al. 1998), in folgenden Organisationsformen internistischer Psychosomatik realisieren:

  • Konsiliarmodell,

  • Liaisonmodell,

  • Arbeitsgruppenmodell,

  • integriert internistisch-psychosomatische Abteilungen,

  • Fachabteilungen an Allgemeinkrankenhäusern.

Konsiliarmodell

Der psychosomatische Konsildienst, hier in der inneren Medizin, ist dadurch charakterisiert, dass hier nach einer spezifischen Anfrage zu psychosomatischer Diagnose und Therapie Stellung genommen wird. Die Versorgungsqualität kann hier angehoben werden, wenn durch spezifische, wenig aufwändige Screeningverfahren bei allen Patienten, z. B. durch den Gesundheitsfragebogen für Patienten (Löwe et al. 2002a; Löwe et al. 2003), die Indikation für ein Konsil gestellt wird. Eine zentrale Aufgabe des psychosomatischen Konsils kann im Schnittstellenmanagement liegen: Vorhandene Informationen von Hausärzten, niedergelassenen Psychotherapeuten, Angehörigen und Stationsteammitgliedern können hier zusammengetragen, gesichtet und in Empfehlungen und Interventionen eingebracht werden (de Cruppe et al. 2002; T. Herzog et al. 2003).

Liaisondienste

Liaisondienste werden nicht nur auf Anfrage tätig (Lipsitt 2001): Durch die regelmäßige Teilnahme an Visiten, Stationsbesprechungen etc. sind auch anfrageunabhängige Kontakte institutionalisiert. Durch diese Zugänge, die in den USA im Übrigen auch durch regelmäßige Teilnahme von psychosozialen Experten an Sprechstunden von Allgemeinmedizinern realisiert werden, wird das Erkennen von nicht so offensichtlichen Problem- und Konfliktfeldern erleichtert. In der Psychoonkologie, der Psychonephrologie, der Transplantationsmedizin und in der Pädiatrie (z. B. Frühgeborenenstationen) gibt es häufig solche Liaisondienste.

Arbeitsgruppenmodell, integriert internistisch-psychosomatische Abteilungen und Fachabteilungen an Allgemeinkrankenhäusern

Beim Arbeitsgruppenmodell sind häufig Mitarbeiter mit Doppelausbildung (somatische und psychosoziale Qualifikation) in Bereichen der somatischen (inneren) Medizin festangestellt (z. B. in Nephrologie, Diabetologie bzw. den bei den Liaisondiensten genannten Arbeitsfeldern).

Während die bisher beschriebenen Organisationsformen internistischer Psychosomatik gut geeignet sind, internistische Patientinnen und Patienten mit psychischer Komorbidität zu erkennen, ggf. zu überweisen und oft auch zu behandeln, erfordert insbesondere die Vorhaltung eines spezifisch internistisch-psychosomatischen stationären Behandlungssettings eine Abteilungsstruktur, sei es im Sinne einer Fachabteilung am Allgemeinkrankenhaus (Janssen et al. 1998) oder aber integriert als internistisch-psychosomatischen Abteilung (s. auch Uexküll et al. 2002).

Durch die Einführung des Facharztes für psychotherapeutische Medizin (künftig psychosomatische Medizin und Psychotherapie) ließen sich an viele Orten Fachabteilungen an Allgemeinkrankenhäusern einrichten. Insbesondere das wissenschaftliche Gutachten (Janssen et al. 1998) führte in Baden-Württemberg zur Festlegung von Bettenbedarfszahlen und Umwidmung von v. a. internistischen und psychiatrischen Betten in solche für Psychosomatik und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern. Hier ergibt sich die wertvolle Möglichkeit, nah an der somatischen und Akutmedizin, psychosomatische und psychotherapeutische Kompetenz im Pflege- und Arztbereich abgestimmt auf die Bedürfnisse der jeweiligen Umgebung zu entwickeln und auszubauen.

Durch die Veränderungen im Abrechnungssystem stationärer Leistungen wird es notwendig, Diagnose- und Behandlungsprozesse im Krankenhaus zu optimieren. Integriert in den Fachgebieten arbeitende psychosomatische Abteilungen müssen ihre Finanzierung in dieser Situation einerseits in einem Abrechnungssystem sichern, das primär für die Erbringung eng definierbarer, z. B. operativer Leistungen, konzipiert wurde. Andererseits bieten sich hier weit reichende Möglichkeiten für solche Abteilungen, da sie die Gelegenheit bekommen, ihre spezifischen Dienstleistungen und Kompetenzen zu formulieren und die klinische und ökonomische Relevanz zu belegen und weiterhin eine Atmosphäre entstehen kann, in der neue Modelle realisiert werden können, wenn gleichzeitig medizinische und ökonomische Wirksamkeitsnachweise angestrebt werden. Die Chance integriert arbeitender Abteilungen—also solcher Abteilungen, die sowohl ein somatisches Fachgebiet vertreten als auch psychosomatisch-psychotherapeutische Settings vorhalten—dürfte darin liegen, dass einige ihrer ureigensten Ziele durchaus mit der Logik der neuen Abrechnungssysteme vereinbar sind. Dies sind die verstärkte, institutionalisierte Kooperation und Kommunikation zwischen Abteilungen eines Krankenhauses und zwischen dem ambulanten und klinischen Sektor. Dazu gehört auch die systematische Erarbeitung von Gesamtbehandlungsplänen (z. B. Herzog et al. 2003), den biographischen Hintergrund einer Erkrankung ebenso berücksichtigen wie die Krankheitsphase. In diesem Kontext ist es wahrscheinlich, dass integrierte Abteilungen ihr Angebot für Akutbehandlungen komplexer und schwerer Störungen ausweiten, ansonsten ihre Funktion als Kompetenzzentren auch sektorenübergreifend als Kristallisationspunkt lokaler Netze für psychosoziale Therapieangebote ausbauen werden.

Als Beispiel für ein Modell einer integriert arbeitenden internistisch-psychosomatischen Abteilung wird hier die Struktur der Abteilung Innere Medizin II (Schwerpunkt: Allgemeine Klinische und Psychosomatische Medizin) beschrieben.

In der Krankenversorgung existieren hier in Weiterentwicklung des von Hahn 1976 entwickelten Heidelberger 3-Stufen-Modells (s. z. B. Hahn et al. 1991) sowohl im ambulant als auch stationär jeweils ein allgemein-internistischer, ein internistisch-psychosomatischer und ein psychosomatisch-psychotherapeutischer Bereich (Abb. 1): Damit steht ein Diagnostik- und Therapiespektrum für die Patienten zur Verfügung, das alle Übergänge von der inneren Medizin zur Psychosomatik und Psychotherapie abdeckt. Insbesondere der Konsildienst und die Ambulanzen erlauben ein Schnittstellenmanagement und dienen der Vernetzung und der Brückenbildung zwischen medizinischer und psychosomatisch-psychotherapeutischer Versorgung über die Abteilung hinaus. Damit sollen die Voraussetzungen für ein lückenloses Ineinandergreifen internistischer und psychosomatischer Versorgungs- und Behandlersysteme geschaffen werden.

Abb. 1
figure 1

Stufenmodell der internistisch-psychosomatischen Versorgung. (Mod. nach Hahn et al. 1991)

Im ambulanten Bereich gibt es eine allgemeininternistische Ambulanz, eine psychosomatische Ambulanz, Spezialambulanzen für Essstörungen, Schmerzstörungen und psychokardiologische Probleme. Diese Ambulanzen dienen sowohl als Anlaufstelle für PatientInnen von zuweisenden niedergelassenen Kollegen als auch als eine Gelenkstelle zwischen den internistischen Notfall- und Spezialambulanzen und einer psychosomatischen Versorgung. Neben einer ambulanten Diagnostik geben die Ambulanzen Therapieempfehlungen unter Berücksichtigung differenzialdiagnostischer und -therapeutischer Überlegungen. Sie können künftig bei entsprechendem regionalen Bedarf Funktionen der ambulanten Versorgung übernehmen, die durch die niedergelassenen Therapeuten nicht abgedeckt werden Die Behandlungsempfehlungen umfassen das gesamte Spektrum von Selbsthilfegruppen, über die Suchtberatung, die Vermittlung ambulanter Einzel- oder Gruppentherapien bis hin zur internistisch-psychosomatischen Simultandiagnostik oder -therapie bzw. stationärer psychosomatisch-psychotherapeutischer Therapie. Symptom- bzw. krankheitszentrierte Gruppentherapieangebote werden in der Abteilung für Fibromyalgiepatienten, Patienten mit Binge eating disorder, Herztransplantationspatienten und ältere PatientInnen gemacht.

Die kongruenten Gelenkstellen im stationären Bereich werden von zwei psychosomatisch-internistischen Stationen repräsentiert, die sowohl an der Regelversorgung mit den Schwerpunkten Gastroenterologie und Kardiologie teilnehmen, darüber hinaus aber Patienten mit psychischer Komorbidität oder psychosomatischen Erkrankungen erweiterte Therapieangebote machen. Diese umfassen Gesprächsgruppen, Gestaltungs- und Kunsttherapien, körperorientierte psychotherapeutische Verfahren (autogenes Training, progressive Muskelrelaxation, Feldenkrais), sozialarbeiterische Interventionen sowie im Bedarfsfalle familientherapeutische Ansätze.

Ein systemisch orientiertes Vorgehen mit Einbeziehung der Angehörigen sowie Berücksichtigung des sozialen Umfeldes ist essenziell und kann nur durch Kooperation der Behandlersysteme von Stationsarzt, Hausarzt, Psychologe/ Psychotherapeut, Sozialarbeiter und Pflege erreicht werden. Im Rahmen eines Kooperationsprojektes zwischen Medizinern und Sozialarbeitern (KISMED; Topp et al. 2000) an unserer Abteilung wurde zur Verzahnung ambulant-stationärer Behandlungsmaßnahmen das Stufenmodell "familienmedizinischer Intervention" von Doherty und Baird (1986) systematisch für den stationären und erweitert auch für den poststationären Bereich übernommen und eingesetzt. Ein abgestuftes Vorgehen mit bedarfsangepasster Einbeziehung der Familie erwies sich bei Patientinnen und Patienten mit komplex-internistischen und psychosomatischen Erkrankungen als wirksames Konzept zur Überleitung aus dem Akutkrankenhaus in den ambulanten Bereich.

Herausforderungen und Perspektiven in Lehre und Weiterbildung

Die Umsetzung der neuen Approbationsordnung für Ärzte bietet—ebenso wie die Umsetzung der Beschlüsse des Ärztetages 2003—hervorragende Möglichkeiten für eine integrierte psychosomatische Medizin.

Die neue Approbationsordnung für Ärzte rückt die Themen der Arzt-Patient-Beziehung, Kommunikation, Gesprächsführung, Prävention, chronische Krankheiten und Schmerz für die zukünftige Gestaltung medizinischer Curricula an eine zentrale Stelle. Der Erwerb von Wissen soll um das Training spezifisch ärztlicher Kommunikationsfähigkeit erweitert werden. Dies erfordert eine Umstrukturierung der Curricula und den Einbezug neuer Lehrmethoden. Erkennen und Behandeln von psychischer Komorbidität, somatoformen Störungen und der Einbezug der Familie bei Schwerkranken sind deshalb zentrale Themen, die aufgrund der Umstrukturierung der Approbationsordnung in den interdisziplinären Block innere Medizin im neuen Heidelberger Curriculum Medicinale (HEICUMED) aufgenommen wurden.

Diese Inhalte werden in einer leitsymptomorientierten Vorlesung, in POL-Tutorien sowie in einem spezifischen Kommunikations- und Interaktionstraining (Jünger und Köllner 2003) interdisziplinär vermittelt. Dabei kommen Rollenspiele, standardisierte Patienten und der Unterricht in einem Skillslab (z. B. im Bereich psychovegetative Funktionsdiagnostik und Biofeedback) zum Einsatz (Jünger und Köllner 2003; Nikendei et al. 2003a). Beim Einsatz standardisierter Patienten gehört die individuelle Rückkopplung des spezifischen Kommunikationsstils und der sich entwickelnden Arzt-Patient-Beziehung durch darin erfahrene und supervidierte (Laien-) Schauspieler zu den besonderen Stärken des Verfahrens. Dieser Ausbildungsteil bezieht alle—und nicht nur besonders interessierte—Medizinstudentinnen und -studenten ein.

Die studentische Leistungsüberprüfung am Semesterende findet nicht nur in Form einer schriftlichen Abfragung von Faktenwissen statt, sondern die Studenten werden im Rahmen eines OSCE ("objective structured clinical examination") in Bezug auf ihre Anamnesefähigkeiten und ihr Verhalten in schwierigen Arzt-Patient-Kontakten (z. B. beim Führen eines Aufklärungsgespräches) geprüft. In einer Studie im Gruppen-Kontroll-Design mit 143 Studenten konnte gezeigt werden, dass Studenten, die neben einem "bedside teaching" auch ein spezielles Skillstraining und ein Kommunikations- und Interaktionstraining mit standardisierten Patienten erhielten, Anamnese- und Untersuchungstechniken besser beherrschten, als die Kontrollgruppe, die einen zeitäquivalenten Unterricht ausschließlich auf Station erhielt (Nikendei et al. 2003b).

Die neue Musterweiterbildungsordnung, die vom Ärztetag 2003 beschlossen wurde, bringt eine Reihe von neuen Möglichkeiten. Ein Pflichtkurs "psychosomatische Grundversorgung" wurde für die neuen Fachärzte für innere Medizin und Allgemeinmedizin und Frauenheilkunde und Geburtshilfe festgelegt. Die Inhalte des Gebietes psychosomatische Medizin und Psychotherapie wurden z. T. verändert. Der Zusatztitel Psychotherapie erfährt eine gebietsbezogene fachliche Ausrichtung. Auch hier wird also die Möglichkeit einer an den Gegebenheiten des Faches ausgerichteten Zusatzweiterbildung für Internisten etc. entstehen.

Herausforderungen und Perspektiven in der Forschung

Forschungsperspektiven der Psychosomatik im Allgemeinen und der internistischen Psychosomatik im Besonderen umfassen auch zukünftig den a) psychosomatischen Zusammenhang. Hier werden exemplarisch die Genese und die Behandlung von somatoformen Störungen (Rudolf u. Henningsen 2003) auch im höheren Lebensalter (Schneider et al. 2003) sowie die Erforschung und Therapie der Essstörungen (Herzog et al. 2003) benannt. Besonderes Augenmerk der internistischen Psychosomatik erhält der b) somatopsychische Zusammenhang. Neben einer zunehmenden Berücksichtigung psychosozialer Aspekte in den Forschungsfeldern der Palliativmedizin (McClain et al. 2003), der Genese und der Therapie chronischer Schmerzzustände (Blumenstiel et al. 2003) sowie der Onkologie sollen im folgenden Abschnitt exemplarisch aktuelle Forschungstrends aus den Bereichen der Kardiologie und Gastroenterologie etwas detaillierter beschrieben werden. Als eher c) grundlagenwissenschaftlicher Forschungszweig wird hier auf die bereits langjährige Tradition der Psychoneuroimmunologie verwiesen (Kiecolt-Glaser et al. 2002). Seit dem Siegeszug der neurowissenschaftlichen Forschung hat auch dieser Wissenschaftszweig die psychosomatische Grundlagenforschung bereichert. Beispielhaft sollen hier aktuelle Untersuchung zur Sättigungsregulation bei Essstörungen erwähnt werden (Ellison et al. 1998). In Zeiten der "evidence based medicine" spielt auch im Bereich der Psychosomatik die d) Versorgungsforschung mit Entwicklung, Implementierung und Evaluation von Leitlinien (Henningsen et al. 2002) eine zunehmende Rolle. Unter dem Begriff des "shared decision making", also des Paradigmas von Aushandlungsprozessen bezüglich diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen zwischen Arzt und Patient, erfährt die Untersuchung der Arzt-Patient-Beziehung geradezu eine Renaissance. In diesem ureigenen psychosomatischen Feld ist die Psychosomatik gefordert, ihre Kernkompetenz einzubringen (Bieber et al. 2003).

Der folgende Abschnitt soll, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, einen kleinen Einblick in aktuelle Forschungsfelder der internistischen Psychosomatik ermöglichen. Aufgrund der Breite der inneren Medizin soll dabei eine Fokussierung auf zwei Bereiche erfolgen:

  • Psychokardiologie,

  • Gastroenterologie.

Psychokardiologie

Ein Beispiel für ein sehr forschungsintensives Feld mit langer Forschungstradition ist die "Psychokardiologie". In einer Reihe prospektiver Studien konnte u. a. nachgewiesen werden, dass besonders eine zusätzliche Depression und eine fehlende soziale Unterstützung als eigenständige kardiovaskuläre Risikofaktoren anzusehen sind. Im Forschungsfokus stehen hierbei Untersuchungen, die die Bedeutung biopsychosozialer Faktoren für die Pathogenese und Manifestation besonders der koronaren Herzerkrankung untersuchen (Herrmann-Lingen 2001). Aus dem Bereich der Psychokardiologie stammt auch die bislang größte multizentrische Psychotherapie-Interventions-Studie (Berkman et al. 2003). Im Rahmen dieser Interventionsstudie wurden Patienten mit Myokardinfarkt und zusätzlicher Depression sowie niedriger sozialer Unterstützung behandelt. Obwohl die ENRICHD-Studie keinen positiven Effekt auf den primären Endpunkt eines erneuten kardialen Ereignisses hatte, konnte durch die primär psychotherapeutische Intervention eine signifikante Besserung des psychosozialen Status erreicht werden. Das Besondere am Design dieser Studie ist, dass je nach Schwere der komorbiden Depression eine kombinierte Therapie aus Psychotherapie und Antidepressiva eingeleitet wurde. Trotz der weiten Verbreitung körpertherapeutischer Verfahren, besonders im Bereich der kardiologischen Rehabilitation, liegen bislang erst wenige kontrollierte Untersuchungen zum Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit dieser Verfahren vor (Löwe et al. 2002b).

In den vergangenen Jahren rückt die Herzinsuffizienz, bedingt durch die Häufigkeit und die Schwere dieser Erkrankung, zunehmend in den Blick der Psychokardiologie (Jünger et al. 2002). Darüber hinaus liegt in diesem Forschungsfeld eine Vielzahl von Studien zur Lebensqualität, zur psychischen Komorbidität und zum Copingverhalten bei neueren kardiologischen und kardiochirurgischen Therapieverfahren vor. Diese reichen von der Akzeptanz komplexer Schrittmachersysteme bis hin zur Krankheitsverarbeitung bei der Herztransplantation. Auch die Psychophysiologie ist traditionsgemäß in der internistischen Psychosomatik beheimatet. Hier werden besonders die Antwortmuster des kardiovaskulären Systems auf definierte psychosoziale Stressparadigmen untersucht. Eine Erweiterung erfährt dieser Teil der experimentellen Psychophysiologie durch die Kombination mit der funktionellen Bildgebung (Jennings 2003).

Gastroenterologie

Ein weiteres bedeutsames Forschungsfeld stammt aus der Gastroenterologie. Hierzu konnte in den vergangenen Jahren eine Reihe methodisch ausgezeichneter Studien die Bedeutung psychosozialer Faktoren für funktionelle Darmerkrankungen, insbesondere, das Reizdarmsyndrom, nachweisen (Übersicht bei Porsch u. Leibbrand 2002). Beim Reizdarmsyndrom ("irritable bowel syndrome", IBS) ist der Einfluss psychosozialer Faktoren unterdessen unbestritten. Ergebnisse dieser intensiven Forschung sind die Betonung und die Berücksichtigung psychosozialer Faktoren beim IBS in den aktuellen internationalen Leitlinien (Drossman et al. 2002). Als Forschungsfeld ist das IBS auch deshalb interessant, da der unmittelbare Einfluss psychosozialer Stressoren auf die Interaktion vom Gehirn und vom enterischen Nervensystem untersucht werden kann. Hier liegen erste Studien vor, die mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) einen Zusammenhang zwischen einem erfolgreichen Therapieverlauf und der Veränderung des zentralen Aktivitätsmuster im Sinne einer Reduktion der neuronalen Aktivität im Bereich des Cingulums nachweisen konnten (Drossman et al. 2003). Besonders angloamerikanische Therapieevaluationsstudien zum IBS zeigen, dass auch unter der Maxime einer Kosteneffizienz psychotherapeutische Verfahren hier einen nachweisbaren Stellenwert haben (Creed et al. 2003).

Eine besondere Herausforderung für die zukünftige Forschung im Bereich der internistischen Psychosomatik liegt neben den erwähnten Schnittstellen zwischen somatischen und psychotherapeutischen Bereichen in den sektorenübergreifenden Feldern der Versorgungsforschung. Um in Zukunft nicht in einem Nischendasein zu enden, sollte die psychosomatische Medizin sich aktiv an der Berücksichtigung psychosozialer Dimensionen und Fragestellungen im Bereich der Disease-Management-Programme und transnationaler Kompetenznetzwerke beteiligen. Darüber hinaus sollte auch auf nationaler und internationaler Ebene eine Intensivierung der Kooperation in Forschungsfragen avisiert werden. Eine zentrale Vorraussetzung hierbei ist eine faire Mittelzuteilung durch die Organe der Forschungsförderung, verbunden mit einer adäquaten Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses durch die jeweiligen Institutionen.

Fazit für die Praxis

In der inneren Medizin hat mindestens jeder bzw. jede Dritte eine psychische Störung. Bei etwa 5% der Patienten, die durch Screeningverfahren bestimmt werden können, ist zumindest ein psychosomatisches Konsil erforderlich. Messungen der Lebensqualität und der psychischen Komorbidität internistischer Patienten werden zunehmend als Ergebnisvariablen von somatischen Krankheiten genutzt. Psychosomatische Erkrankungen im engeren Sinne führen Patienten nicht selten in internistische Behandlungen, da körperliche Komplikationen behandlungsbedürftig sind oder die subjektive Krankheitstheorie der Patienten primär somatisch ausgerichtet ist. Zur Behandlung sind spezifische psychosomatisch-psychotherapeutische Settings erforderlich. Einrichtungen der internistischen Psychosomatik sollten in der aktuellen Diskussion über die Versorgungsqualität den Nachweis empirisch erbringen, dass hier ein Schnittstellenmanagement gelingt und wirksame Therapieangebote gemacht werden.