Fußtritte gegen den Kopf einer am Boden liegenden Person sind immer wieder Gegenstand gerichtsärztlich-biomechanischer Beurteilungen. Hierbei kommt es oftmals zu spezifisch geformten oder profilierten Verletzungen, die Rückschlüsse auf das Tatwerkzeug, d. h. den eingesetzten Schuh, erlauben [1]. Typischerweise finden sich in Gruppen angeordnete Hautabschürfungen, Petechien und Dehnungsrisse der Haut [2]. Aber auch Frakturen, besonders des Gesichtsschädels, werden regelmäßig festgestellt [3]. In einzelnen Fällen waren diese Verletzungen von todesursächlicher Relevanz. Sie führten zu innerem Verbluten, Blutaspiration und schweren Schädel-Hirn-Traumata [4].

Die zentrale Fragestellung an den forensischen Biomechaniker richtet sich neben der Intensität der Handlung meist nach der potenziellen Verletzungsgefahr durch diese spezielle Form der Gewaltanwendung. Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit den biomechanischen Aspekten des Stampftritts. Basierend auf einer außergewöhnlichen Kasuistik liefert unsere Versuchsreihe eine Interpretationsgrundlage zur Beurteilung des Verletzungspotenzials eines Stampftritts gegen den behelmten Kopf. Das bereits einzelne Stampftritte eines nicht besonders trainierten Erwachsenen mit leichtem Schuhwerk (Sport- bzw. Straßenschuhe) auf den (ungeschützten) Kopf bis zu lebensbedrohlichen Verletzungen und Zuständen führen können, wurde durch Labormessungen belegt [5].

Kasuistik

Sachverhalt

Eine 50-jährige Zeitungsausträgerin wurde während ihrer beruflichen Tätigkeit in den frühen Tagesstunden von einem ihr unbekannten Mann auf der Straße unvermittelt angegriffen. Er habe sie von hinten an den Schultern gepackt und zu Boden gezerrt. Sie sei bäuchlings auf der linken Seite zu liegen gekommen. Der Untergrund sei gepflastert gewesen. Anschließend habe der Angreifer mehrmals auf die am Boden liegende Geschädigte eingetreten. Die genaue Zahl der Tritte sei der Geschädigten nicht mehr erinnerlich gewesen. Es seien mehrere, kurz hintereinander ausgeführte, stampfende Tritte gewesen. Der Mann habe von oben mit dem kompletten Fuß auf ihren Kopf gestampft. Dabei habe er den behelmten Kopf getroffen. Im Rahmen der Auseinandersetzung seien mehrere Defektstellen an dem vor dem Vorfall intakten Helm entstanden (Abb. 1). Ihr Gesicht habe sie mit ihren Händen geschützt (Hände/Unterarme schützend vor das Gesicht bzw. zwischen den Boden und das Gesicht gelegt). Unter dem Helm habe die Geschädigte zusätzlich eine dünne Fleece-Mütze getragen.

Abb. 1
figure 1

Defekte des im aktuellen Fall getragenen Helms

Der im entsprechenden Ermittlungsverfahren Beschuldigte bestätigte die obigen Angaben der Geschädigten und demonstrierte gegenüber der Polizei die Ausführung der Tritte sowie die Lage der Geschädigten am Boden.

Verletzungen

Im ärztlichen Durchgangsbericht der Geschädigten sind am Tag des Vorfalls keinerlei äußerlich sichtbaren morphologischen Veränderungen im Kopfbereich wie Hautabschürfungen oder -einblutungen notiert. Es konnte lediglich ein Hämatom am linken Unterschenkel festgestellt werden. Im Krankenhaus durchgeführte Röntgenuntersuchungen ergaben keine Hinweise auf frische knöcherne Verletzungen. Als Diagnosen wurden eine Zerrung der Halswirbelsäule und des linken Handgelenks sowie Prellungen im Bereich der linken Schulter und des linken Oberschenkels gestellt. Die Patientin wurde medikamentös-konservativ behandelt.

Getragener Helm

Die Geschädigte hatte einen Fahrradhelm der Marke KED, Gr. L, getragen. Das Gewicht beträgt nach Angaben des Herstellers 300 g.

Der Helm wies hinten links Beschädigungen auf: Abbruch eines Teils der Styroporschale und eines angeklebten, mit dem Hauptteil der festen Schale nichtverbundenen Kunststoffteils sowie Riss der äußeren Kunststoffschale hinten mittig, nahe des Knopfes für die Riemensperre.

Der Riemen erschien im Wesentlichen unbeschädigt. Lediglich hinten links zeigte sich am Riemenhalter (Kunststoff) eine Überdehnungs-/Belastungsspur. Zusätzlich sind an der hinteren Stellschraube zur Größeneinstellung Druckstellen und Beschädigungen der äußeren Helmschale zu erkennen gewesen.

Getragenes Schuhwerk des Beschuldigten

Bei den sichergestellten Schuhen des später ermittelten Beschuldigten handelt es sich um weiße Sportschuhe der Marke Puma®, Gr. 40. Die Schuhe waren stark abgetragen und wiesen zahlreiche und ausgeprägte Gebrauchspuren/Defekte auf. Die Sohlen waren abgelaufen und verhältnismäßig weich.

Versuchsreihe

Material und Methoden

Fünf fabrikneue KED-Fahrradhelme der Gr. L, mit einem Gewicht zwischen 316 und 317 g, wurden zunächst auf etwaige Risse oder andere Beschädigungen untersucht. Anschließend wurden sie jeweils auf einen Schädelsimulanten aufgesetzt. Es handelte sich hierbei um den Aluminiumkern eines Dummy-Kopfes (Hybrid III), der mit einem Kopfhautsurrogat aus Gummi, entsprechend den anatomischen Formen eines Kopfes samt Gesichtsgrundzüge und Ohren, überzogen wurde. Analog den Angaben der Geschädigten wurde zusätzlich um bzw. auf den Kopf eine Fleece-Wintermütze der Marke „Jack Wolfskin“ gezogen (sichergestellte Mütze der Geschädigten, Abb. 2). Der Helm wurde an die Kopfgröße angepasst und mithilfe der Riemen ordnungsgemäß gesichert.

Abb. 2
figure 2

Versuchsaufbau

Das Kopf-Helm-Modell wurde auf einer Mehrkomponentenkraftmessplatte (Typ 9286B, Kistler GmbH Austria, Wien) entsprechend der vorgetragenen/demonstrierten Kopflage positioniert. Mithilfe der BioWare-Software wurde die Bodenreaktionskraft aufgezeichnet (Messbereich der Platte bis 12 kN).

Die Durchführung der Tritte wurde mit einer digitalen Hochgeschwindigkeitskamera vom Typ Olympus® i‑Speed 3 mit einer Nikon®-Linse AF Nikkor 50 mm f/1,8 D und einer Aufnahmerate von 4000 „frames per second“ (fps) festgehalten (Abb. 2). Hierdurch konnten Verformung und Bruchverhalten des jeweiligen Helms analysiert werden.

Die Trittgeschwindigkeit wurde mithilfe der Software Olympus® i‑Speed 3 berechnet. Im Fall einer Fragment- oder Rissbildung der Plastik- und/oder der Styroporinnenschale des Helms wurden deren jeweilige Ausdehnungen erfasst und mit der Digitalkamera Canon EOS 600D fotografisch festgehalten.

Zwei männliche Probanden (Körperlänge ca. 177 cm, Körpergewicht ca. 84 kg) führten die Fußtritte in einer stampfenden Vertikalbewegung aus. Als Kontaktmaterial wurden gebrauchte Joggingschuhe der Marke „Nike®“ ausgesucht. Kontaktflächen waren die Schläfen-/Scheitelbein- und seitliche Hinterhauptsregion des Dummy-Kopfes, jeweils mit der Fußsohle des Joggingschuhs. Zunächst wurden jeweils solitäre Tritte ausgeführt. In einem weiteren Durchgang erfolgten analog den Beschreibungen des Beschuldigten bzw. der Geschädigten mehrfach und kurz hintereinander Tritte gegen die seitlich-hinteren Anteile des behelmten Dummy-Kopfes.

In einer zweiten Versuchsreihe wurden die jeweils subjektiv maximal mögliche Geschwindigkeit und Trittkraft gegen den am Boden aufliegenden Dummy-Kopf (ohne Helm) ermittelt.

Ergebnisse

Es wurden insgesamt 36 Tritte mit Trittgeschwindigkeiten zwischen 1,5 und 11,1 m/s ausgeführt (vertikale Geschwindigkeit eines mittig an der Schuhsole definierten Punkts; Tab. 1). Die resultierende Bodenreaktionskraft belief sich auf Werte zwischen 0,3 und 6,8 kN. Rissbildungen der Innenschalen der Helme konnten ab einer Trittgeschwindigkeit von 7,0 m/s und einer Trittkraft von 3,0 kN beobachtet werden.

Tab. 1 Tritte gegen einen Kopf mit Helmschutz

Nach multiplen Tritten konnten Defekte an den Helmaußenseiten (Abb. 3a), an den Helminnenseiten (Abb. 3b) sowie im Bereich der hinteren Größenverstellschraube (Abb. 3c) festgestellt werden. In einem der Fälle (Versuch 2.2) wurde eine vollständige Rissbildung der Außen- samt Innenschale im Bereich der Tritt-/Kontaktfläche realisiert (Abb. 4).

Abb. 3
figure 3

Defekte nach multiplen Tritten. a Helmaußenseite, b Helminnenseite, c im Bereich der hinteren Größenverstellschraube

Abb. 4
figure 4

Vollständige Rissbildung der Außen- samt Innenschale im Bereich der Tritt-/Kontaktfläche

Die Messungen erbrachten u. a., dass die Beschädigung des Helms (an der Styroporschicht und an der äußeren Kunststoffschale) durch eine Sequenz von mehreren deutlich submaximal intensiven Tritten durchaus erklärt werden kann (gemessene Bodenreaktionskraft < ca. 3 kN). Diese war in ihrer Ausprägung mit der am Helm der Geschädigten tatsächlich aufgetretenen Beschädigung vergleichbar. Deutlich intensivere Tritte führten allerdings nicht zu stärker ausgeprägten Helmschäden.

Die Hochgeschwindigkeitsaufnahmen zeigten folgende Befunde: Abhängig von der genauen Kontaktfläche und -region zwischen Schuhsohle und Helm (Abb. 5a,b) wird dieser als Gesamtstruktur deutlich komprimiert wird, bevor es zu einer feststellbaren Energieweitergabe an den Schädel mit Verformung der elastischen Schichten des Hautsurrogats kommt. Beim direkten Tritt führt der Kontakt zwischen Schuhsohle und Kopf (Abb. 5c,d) zur unmittelbaren Energieweitergabe und somit auch zur Komprimierung des Hautsurrogats samt der darunter liegender Strukturen.

Abb. 5
figure 5

Hochgeschwindigkeitsaufnahmen der Kontaktflächen und Kontaktregionen zwischen Schuhsohle und Helm (a,b) sowie zwischen Schuhsohle und Kopf (c,d)

Die Tritt-/Stampfversuche gegen einen seitlich am Boden aufliegenden Dummy-Kopf ohne Helmschutz zeigten (Tab. 2), dass bei vergleichbaren Trittgeschwindigkeiten zwischen 8,8 und 11,1 m/s deutlich höhere auf den Kopf übertragene Trittkräfte zwischen 6,9 und 8,9 kN realisiert werden konnten.

Tab. 2 Maximale Geschwindigkeit und Trittkraft gegen einen am Boden aufliegenden Dummy-Kopf

Diskussion

Allgemeines Verletzungspotenzial von Tritten

Eine relevante Überlastung von Körperstrukturen, wie beispielsweise Kopfschwarte oder Schädelknochen, durch stumpfe Gewalt führt zu entsprechenden Verletzungen des jeweiligen Gewebes. Ausreichend intensiv durchgeführte Tritte gegen den Kopf können je nach Kontaktfläche, der anatomischen Kontaktregion und der übertragenen Kraft zu Quetsch-Riss-Wunden, Kopfschwarteneinblutungen oder auch Frakturen des Schädelknochens und Intrazerebralblutungen führen [14].

Beim Treten von oben im Sinne eines Stampftritts können im Gegensatz zum seitlichen Kicken gegen einen am Boden liegenden Kopf höhere Kräfte auf den Schädel übertragen werden [6]. Beim Stampftritt können durch eine leichtere Koordination der Bewegung und die Möglichkeit, durch Einsatz des Körper- bzw. Beingewichts eine erhöhte Masse zu erzeugen, höhere Maximalwerte erreicht werden als beim seitlichen Kick. Hinzu kommt das Vorhandensein des Widerlagers (Boden), das eine mögliche Relativbewegung im Sinne eines Ausschwingens des Kopfes verhindert. Befindet sich der Kopf des Opfers initial etwas oberhalb des Bodens, kann ein intensiver Stampftritt (und insbesondere auch der unmittelbar nachfolgende Kopfaufprall auf den Boden) eine sehr hohe lineare Kopfbeschleunigung bewirken (höher als bei Tritten in Form einer Kickbewegung, [5]). Dies ist mit der Gefahr hoher Scherkräfte und der Entstehung entsprechender Verletzungen innerhalb des Craniums verbunden.

Grundsätzlich ist diese Form der Gewalteinwirkung, eine hohe Trittintensität unterstellt, als eine potenziell lebensgefährdende Behandlung einzustufen.

Spezielle vorliegende Fallkonstellation

In speziellen Fallkonstellationen, wie der hier vorliegenden, kann die Eingrenzung der Intensität einer Tritteinwirkung jedoch nur experimentell, unter Berücksichtigung der konkreten Umstände, erfolgen. Daher wurden Vergleichsversuche mit intakten Helmen durchgeführt, bei denen der tatsächlich aufgetretene Schadensumfang in möglichst identischer Situation reproduziert wurde. Auf dieser Grundlage war es im vorliegenden Fall möglich, die potenzielle Gefährdung durch eben diese stumpfe Gewalteinwirkung gerichtsärztlich-biomechanisch anhand naturwissenschaftlicher Daten zu analysieren.

Für die Entstehung des eher lokal begrenzten Schadens hinten links am Helm war keine exzessive Krafteinleitung notwendig. Die vorliegenden Untersuchungen haben gezeigt, dass aus einem sehr massiven und aus einem eher mittelgradig intensiven Tritt vergleichbare Beschädigungen des Helms resultieren können. Dies ist dadurch erklärbar, dass das Ausmaß der Helmverformung durch den darin befindlichen (und nur sehr wenig verformbaren) Kopf begrenzt ist. Der Helm verformt sich also bis zu einem gewissen Grad (bis er an der Stelle der Einwirkung durch den Schuh und an der Stelle des Widerlagers dem Kopf anliegt). Eine weitere Steigerung der Stoßkraft führt nicht zu einer deutlich stärkeren Verformung des Helms, sondern im Wesentlichen zur höheren Kompression des Kopfes.

Bedeutend bezüglich des Schutzpotenzials des evtl. bereits beschädigten Helms ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Dämpfungseigenschaften des Helms (Energieabsorption durch die Styroporschicht zwischen dem tretenden Fuß und dem Kopf einerseits sowie zwischen dem Boden und dem Kopf andererseits) auch bei einem Bruch des Helms zumindest zunächst weitgehend erhalten bleiben. Selbst ein gebrochener Helm kann also einen effektiven Schutz bieten.

Behelmter vs. unbehelmter Kopf mit und ohne Schutzreaktion

Die Gefährlichkeit der angewandten Gewalt für die Geschädigte hängt von den konkreten Rahmenbedingungen der Situation und der Intensität der Tritte ab. Betrachtet man die tatsächliche Situation im gegenständlichen Fall (Tritte auf den behelmten Kopf mit zusätzlicher Schutzmaßnahme der Geschädigten und hierdurch erzeugter Dämpfung der Gewalteinwirkung durch die Weichteile des Unterarms/der Hand) ergibt sich selbst bei intensiven Tritten kein nennenswertes Risiko der Entstehung schwerer Verletzungen. Der Helm schützt effektiv gegen hohe lokale Spannungen (Kraft pro Fläche) und gegen hohe Kopfbeschleunigungen (beim evtl. Anheben des Kopfes zum Zeitpunkt des Tritts). In der vorgetragenen Situation liegt lediglich eine in ihrer Intensität als unbedenklich einzustufende quasistatische Kompression des Kopfes vor.

Unterstellt man, dass dieselben Tritte auf die in identischer Körperposition liegende, unbehelmte Geschädigte ausgeführt werden, ergibt sich bei dem geschilderten Schutzverhalten der Geschädigten (Kopf auf dem eigenen Unterarm aufliegend) gegenüber der tatsächlichen Situation ein erhöhtes Verletzungsrisiko. Die Entstehung lebensbedrohlicher Verletzungen erscheint jedoch auch in dieser Vorfallsvariante aus biomechanischer Sicht selbst bei hoher Trittintensität sehr unwahrscheinlich. Dies ergibt sich aufgrund des eher flächigen Kontakts der weichen Schuhsohle mit dem Kopf und des zusätzlichen Schutzes durch Auflage des Kopfes auf dem Unterarm bzw. auf der Hand (die Weichteile agieren in diesem Fall ähnlich wie die Innenauskleidung des Helms).

Betrachtet man aber die gleiche Konstellation nun für die nichtbehelmte Geschädigte ohne die vorgetragene Schutzreaktion (d. h. keine „weiche“ Lage zwischen dem Kopf und dem sehr festen Untergrund), liegt in biomechanischer Hinsicht eine deutlich andere Situation vor. Grundsätzlich könnte dies zu schweren oder gar tödlichen Verletzungen bzw. Komplikationen für die Geschädigte führen. Denkbar sind außer den bereits genannten Verletzungsfolgen die Entstehung von Mittelgesichtsfrakturen und die anschließende Blutaspiration bei einer stoßbedingt induzierten Bewusstlosigkeit.

Mittelgesichtsfrakturen können bereits durch Kräfte entstehen, die deutlich < 3 kN sind [7]. Die Schläfen-Scheitelbein-Region weist ebenfalls eine niedrigere Toleranzgrenze ab ca. 2,5 bzw. ab ca. 4 kN auf [810]. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass beim Tritt direkt auf den Kopf bzw. bei direktem Kopfkontakt mit dem Boden die Bodenreaktionskraft durchaus höher ausfallen kann als beim behelmten Kopf. In unserer Messreihe erreichte die Bodenreaktionskraft beim Tritt auf den behelmten Kopf bis knapp unterhalb 7 kN, beim Tritt auf den unbehelmten Dummy-Kopf bis zu knapp unterhalb 9 kN. Somit liegen unsere Ergebnisse den nichtbehelmten Kopf betreffend in der Größenordnung, die bei Messungen von Stampftritten in der Vergangenheit von Schirmer et al. [11] berichtet wurde. In der genannten Studie wurde nicht auf den Kopf bzw. auf ein Kopfmodell, sondern direkt auf die Kraftmessplatte getreten (mit und ohne Hautsurrogat). Im Gegensatz zu Stampftritten auf eine ebene Fläche (Kraftmessplatte, optimale Auftreffbedingungen für den Fuß) gehen Tritte auf den Kopf. bzw. auf das Kopfmodell mit einer erhöhten Verletzungsgefahr für den Tretenden einher. Die suboptimale Kraftübertragung (Streifkontakt anstelle eines zentralen Stoßes, Abrutschen und/oder Umknicken des Fußes) ist möglich. Aus diesem Grund kann eine gesteigerte Variante des Stampftritts – ein Sprung auf den Kopf – mit einem Modell nicht untersucht werden. Die Ergebnisse von Schirmer et al. [11] mit nahezu doppelt so hohen Werten im Vergleich zu Stampftritten erscheinen daher zwar theoretisch erreichbar, aber praktisch nur schwer zu realisieren.

Schlussfolgerungen

Dass bereits einzelne Tritte in dieser Ausführung – auch mit weichen Schuhsohlen und durch Personen ohne besonderes Kampf- oder Sporttraining – zu lebensbedrohlichen Verletzungen führen können, wurde in der wissenschaftlichen Literatur mehrfach belegt [12]. Ausführliche Übersichten hinsichtlich des Phänomens Treten bzw. Tottreten unter Einbeziehung medizinischer, biomechanischer, kriminalistischer und rechtlicher Aspekte finden sich in der Dissertation von Heinke 2010 [13] und in Analysen von Fallbeispielen [1416]. Tritte auf den Kopf einer behelmten Person sind bis dato nicht untersucht worden.

Im hier vorliegenden Fall liegt die nachweisbare minimale Intensität der Tritte deutlich unterhalb des für einen jungen gesunden Erwachsenen anzunehmenden subjektiven Maximums. Angesichts der Ausführung von mehreren Tritten und der bekanntlich hohen Variabilität der individuellen Belastbarkeit von Körperstrukturen ist die Möglichkeit der Entstehung lebensbedrohlicher Verletzungen der Geschädigten bei entsprechend intensiverer Trittausführung in dieser hypothetischen Situation (Tritte auf den nichtbehelmten Kopf) als gegeben anzusehen.

Die seitens der Geschädigten zur Vorfallszeit getragene Fleece-Mütze hat keinen nennenswerten Einfluss auf eine evtl. Stoßbelastung des Kopfes; insbesondere ist keine effektive Dämpfung zu erwarten. Darüber hinaus könnte es bei wiederholten Tritten durchaus zum Abziehen der Mütze kommen.

Potenzielle Einschränkungen

Trotz der relativ geringen Zahl von Versuchen sind unsere Ergebnisse als aussagekräftige, auf der Grundlage physikalischer Daten basierende Orientierungshilfe bei der Einschätzung einer Stampftrittverletzungsgefahr einzustufen.

Die eigenständige, im Gegensatz zu einer standardisierten Durchführung der Trittbewegung hatte geringe Schwankungsbreiten der Aufprallgeschwindigkeit, des Aufprallwinkels, der übertragenen Kraft und des Bruchverhaltens der Helme zur Folge. Außerdem könnte eine jeweils individuelle „Technik“ der Ausführung der Tritte seitens der beiden Probanden die Ergebnisse beeinflusst haben. In der Beurteilung realer Situationen, wie der hier vorliegenden, können aber eben sämtliche physikalische Variablen prinzipiell nicht lückenlos eruiert werden. Das deklarierte Ziel der Studie war eine möglichst realitätsnahe Nachstellung der physikalischen Rahmenbedingungen mit tatsächlicher individueller Trittausführung. Die Ergebnisse mit Defektmustern an den Vergleichshelmen, die mit dem Schaden am Helm der Geschädigten gut übereinstimmen, stützen die Annahme, dass die Realität in den Labortests auch tatsächlich hinreichend getreu nachgebildet wurde.

Fazit für die Praxis

Unsere Versuchsreihe hat gezeigt, dass die Intensität eines Stampftritts gegen den auf dem Boden liegenden behelmten Kopf nur begrenzten Einfluss auf den Schadensumfang am Helm ausübt. Aus dem Schadensbild des Helms allein kann nicht sicher auf die tatsächliche Intensität der erfolgten Gewalteinwirkung geschlossen werden. In speziellen Konstellationen angewandter stumpfer Gewalt, wie beim im vorliegenden Fall untersuchten Stampftritt gegen einen behelmten Schädel, wirken oft verschiedene Kräfte mit einer hohen Zahl unbekannter Variablen in komplexer Form zusammen. Hierzu zählen beispielsweise der materielle Zustand des getragenen Helms, die individuelle Dicke des Knochenschädels, die tatsächliche Kontaktfläche, die Zahl der Tritte und die Trittgeschwindigkeit. Aus diesem Grund sollte eine forensisch-biomechanische Beurteilung erst nach Kenntnis sämtlicher Informationen, die den Hergang betreffen, und unter Einbeziehung von Vergleichsversuchen erfolgen. Im gegenständlichen Fall (Tritte auf den behelmten Kopf, zusätzlich eine Schutzmaßnahme der Geschädigten durch Ablegen des Kopfes auf den Unterarm) ergibt sich selbst bei intensiven Tritten kein nennenswertes Risiko der Entstehung schwerer Verletzungen.