Die Bearbeitung plötzlicher und unerwarteter Todesfälle gehört zum Aufgabenspektrum rechtsmedizinischer Tätigkeit und wird zudem von der staatsanwaltschaftlichen Pflicht umfasst, im konkreten Fall sowohl be- als auch entlastende Umstände zu ermitteln. Hinzu kommt, dass neben der im Einzelfall strafrechtlich bedeutsamen exkulpierenden Wirkung einer Diagnose auch die Kenntnis der Todesursache eine befriedende Funktion haben kann und unnötige Selbstvorwürfe vermeiden hilft (s. Infobox).

Die Myokarditis gilt als ein häufig verkanntes Krankheitsbild. Bei der mutmaßlich hohen Beteiligung des Myokards im Rahmen viraler Infekte kommt es aufgrund der relativen Symptomarmut ohne klinische Relevanz sehr häufig nicht zu einer spezialisierten Diagnostik in einem kardiologischen Zentrum [78]. Mit neuerer immunhistochemischer und molekularpathologischer Diagnostik gelang bei dilatativen Kardiomyopathien in zahlreichen Fällen der Nachweis persistierenden viralen Genoms in Kombination mit immunhistochemisch abweichenden Befunden, sodass ein Teil dieser Fälle nach neuerer Klassifikation als chronische Myokarditis bzw. inflammatorische Kardiomyopathie („inflammatory dilated cardiomyopathy“, DCMi) angesehen werden muss [28, 52].

Kasuistisch liegen Mitteilungen über virale Myokarditiden im Säuglings- und Kindesalter vor, bei denen die Diagnose unter Einsatz immunhistochemischer Methoden und molekularpathologischer Techniken erfolgte [24, 25, 26, 32, 94]. Kleinere Studien konnten die diagnostische Überlegenheit des kombinierten Einsatzes dieser Methoden auch für das Säuglingsalter zeigen [22, 23]. Einzelne Autoren mutmaßten, dass Fälle viraler Myokarditiden fälschlicherweise dem Phänomen des plötzlichen Kindstodes („sudden infant death syndrome“, SIDS; [93]) zugeordnet werden. Gelegentlich kann somit auch bei Todesfällen von Säuglingen und Kindern eine Myokarditis als Todesursache nachgewiesen werden. Bei älteren Kindern kam es nicht selten – wie dies auch von Erwachsenen berichtet wird – zum Todeseintritt unter körperlicher Belastung (Joggen, Schwimmen, Fußballspielen etc.; [14, 27, 83, 84]). Betroffene Patienten mit einer Myokarditis berichten z. T. von einer noch nicht lange zurückliegenden Erkältungssymptomatik.

Zahlreiche Indizien sprechen für eine infektiologische Genese des SIDS (Tab. 1). Bei Fällen von mutmaßlichem SIDS sind nach herkömmlicher morphologischer Diagnostik gelegentlich lymphomonozytäre (virale) Myokarditiden als Todesursache nachgewiesen worden ([8, 38, 39] u. a.). Daneben konnten uncharakteristische morphologische Befunde im Myokard von SIDS-Opfern erhoben werden [49, 50, 86, 87, 93].

Tab. 1 Indizien für eine infektiologische Genese des plötzlichen Kindstodes. (Nach [32])

Systematische, morphologische und molekularpathologische Untersuchungen von Myokardproben mutmaßlicher SIDS-Fälle im Vergleich zu einem altersgleichen Kontrollkollektiv lagen bis 2004 nicht vor. Die Ergebnisse derartiger Untersuchungen sind vor dem Hintergrund neuerer Erkenntnisse zur Chronologie viraler Myokarditiden [44, 69] zu sehen. Darüber hinaus ist die bisherige morphologische Myokarditisdiagnostik mithilfe konventioneller Myokardfärbungen im Sinne der Dallas-Kriterien (Tab. 2 [1, 2]) mit der Aussagekraft einer immunhistochemischen Qualifizierung und Quantifizierung interstitieller myokardialer Leukozyten [34] im Vergleich zu betrachten. Nach deren Differenzierung in „Leucocyte-common-antigen+“- (LCA+-)Leukozyten, CD45R0+-T-Lymphozyten und CD68+-Makrophagen sind diagnostische Grenzwerte in der Literatur für Erwachsene [20, 60, 67, 77, 95] und im Jahr 2004 erstmals für das Säuglingsalter [33] genannt.

Tab. 2 Konventionell-histologische Diagnostik der Myokarditis nach Dallas-Kriterien. ([1, 2])

Neben der zellulären immunhistochemischen Diagnostik sind mittlerweile zahlreiche nichtzelluläre Marker (u. a. Zytokine, HLA-Klasse-I- und HLA-Klasse-II-Moleküle, Selektine; [60]) in die immunhistochemische Myokarditisdiagnostik eingeführt worden.

Die immunhistochemische Diagnostik gilt als wesentlich sensitivere Methode [60], während nach herkömmlicher Diagnostik unter Beachtung der sog. Dallas-Kriterien von einer erheblichen Interobserver-Variabilität auszugehen ist [92]. Als weiteres diagnostisches Problem stellt sich die Probenauswahl dar. Myokarditiden können im Myokard fokal auftreten. Dies führt z. B. bei Endomyokardbiopsien zum „sampling error“ (falsch-negativer Befund), der in der klinischen Biopsiediagnostik durch immunhistochemische Methoden gemindert, jedoch nicht beseitigt werden kann [95]. Bei der Untersuchung von Todesfällen ist die erforderliche umfangreiche Probenentnahme einer hinreichend repräsentativen Zahl an Myokardproben im Rahmen der Autopsie möglich, sodass auch u. U. nur fokale (virusbedingte) inflammatorische Prozesse im Myokard erfasst werden können. Die konventionell-histologischen und die immunhistochemischen Befunde sollten bei Annahme einer viralen Myokarditis durch den molekularpathologischen Erregernachweis im Myokard ergänzt werden. Dies kann bei akuten Infektionen bzw. bei gegebener Viruspersistenz gelingen. Allerdings kann es auch nach gelungener Viruselimination zu einer fortbestehenden autoimmunologischen Myokarditis mit dann nicht mehr möglichem Erregernachweis kommen. Eine gleichartige Problematik findet sich bei der immunhistochemischen und molekularpathologischen Diagnostik dilatativer Myokarditiden, insbesondere bei der Abgrenzung der DCMi gegenüber anderen Kardiomyopathieformen [61, 78, 79, 90].

Gelingt der molekularpathologische Nachweis viralen Genoms im Myokard, sollten die Befunde in der Gesamtschau interpretiert werden. Insbesondere muss nach derzeitigem Kenntnisstand eine Differenzierung bei den nachgewiesenen Viren erfolgen. Während der Nachweis von Enteroviren als häufige Erreger viraler Myokarditiden bereits für sich genommen als pathologischer Befund gelten kann (s. unten), kommt dem Nachweis etwa von Parvovirus B19 (PVB19) zunächst keine derartige Aussagekraft zu, wenngleich in den letzten Jahren PVB19 zunehmend als auch kardiotropes Virus und potenzieller Auslöser viraler Myokarditiden diskutiert wird [12, 13, 19, 30, 31, 62, 75, 88].

Mit den nachfolgend dargestellten Untersuchungen kann den aufgezeigten diagnostischen Problemen begegnet und die Inzidenz viraler Myokarditiden bei Fällen von mutmaßlichen SIDS unter Einsatz neuer diagnostischer Methoden eingegrenzt werden. Dabei soll insbesondere auf zwei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Studien hingewiesen werden.

Studien zu Myokarditis und SIDS

Entnahme von Myokardproben

In einer ersten Studie wurden autoptisch entnommene Gewebeproben von 63 verstorbenen Säuglingen untersucht, bei denen nach Abschluss der Obduktion eine Zuordnung zum SIDS favorisiert wurde [32, 33]. Als Kontrollen dienten Gewebeproben von Säuglingen mit bekannter nichtnatürlicher Todesursache. Bei der Asservation von Myokardproben musste der Tatsache Rechnung getragen werden, dass virale Myokarditiden in der konventionell-histologischen Diagnostik häufig ein fokales Verteilungsmuster aufweisen [17, 48, 91]. Um eine nahezu vollständige Begutachtung des Myokards zu gewährleisten, wurden 8 Myokardproben entnommen. Diese Myokardproben zwischen 1,5×0,2 cm (rechter Ventrikel, Querschnitt) und 1,5×1,2 cm (linker Ventrikel, teils Längs-, teils Querschnitt) sind angesichts der Größe eines Säuglingsherzens als hinreichend repräsentativ anzusehen. Damit kann ein mangels unzureichender Probenentnahme übersehener pathologischer Befund am Myokard nahezu ausgeschlossen werden. Die 8 Myokardproben wurden während der Obduktion aus den in Tab. 3 genannten definierten Lokalisationen entnommen. Da sowohl die immunhistochemische als auch die molekularpathologische Diagnostik durch die Verwendung hochkonzentrierten Formaldehyds als Fixativ über einen längeren Zeitraum erheblich beeinträchtigt werden können, sollten sämtliche autoptisch entnommenen Proben maximal 48 h in neutral phosphatgepuffertem Formalin fixiert und anschließend in Paraffin eingebettet werden. Zugleich kann die Fixierung in einem alternativen Fixativ (z. B. NoTox; [71]) sinnvoll sein.

Tab. 3 Lokalisationen für die Entnahme von Myokardproben. ([22, 32, 33])

Diagnostik

Konventionell-histologische Verfahren

Alle anlässlich der Obduktion entnommenen Organproben sollen ebenso wie die jeweils 8 Myokardproben mit konventionell-histologischen Routinefärbungen (Hämalaun-Eosin-, Luxol-Fast-Blue-, Mallory-, Elastica-van-Gieson-Färbung etc.) aufgearbeitet und die Myokardproben unabhängig voneinander von 2 Untersuchern mikroskopisch untersucht werden. Während eine eindeutige, diffuse lymphomonozytäre Myokarditis in Fällen von mutmaßlichen SIDS sehr selten diagnostiziert wird, finden sich in einem Teil der Fälle zumindest fokale lymphomonozytäre Infiltrate [22, 86]. Deren Interpretation ist umstritten; eine geringe entzündliche Infiltration („mild infiltration“) ohne Zeichen einer Myozytolyse soll bei extrakardial lokalisierten Infektionen vorkommen und ohne todesursächliche Relevanz sein [8, 45]. Die Vertreter dieser Ansicht geben jedoch keine Bezugsgröße an: Soll ein fokales Entzündungsinfiltrat in z. B. 8 Myokardproben unterschiedlicher Lokalisation ohne todesursächliche Relevanz sein, also letztlich ein Zufallsbefund? Nach eigenen Erfahrungen finden sich bei der Anfertigung weiterer Stufenschnitte häufig weitere fokale Infiltrate, sodass sich bei z. B. 3 fokalen Infiltraten in 16 Schnitten oder 5 in 24 Schnitten zumindest bei gleichzeitigem Erreger- bzw. Virusnachweis in Myokardproben doch die Frage nach der todesursächlichen Relevanz stellen muss.

Immunhistochemische Verfahren

Die immunhistochemische Aufarbeitung der Myokardproben kann mit zahlreichen zellulären und nichtzellgebundenen Antikörpern erfolgen. Zum Spektrum der zellgebundenen Antikörper zählen: LCA, CD3- oder CD45R0 (T-Lymphozytenmarker), CD68 – derzeit spezifischster Makrophagenmarker. Unter den proinflammatorischen Molekülen sind zu nennen: HLA-Klasse-I- (HLA-A, -B, -C) und Klasse-II-Moleküle (HLA-Dp, -DQ, -DR), aber auch Tumor-Nekrose-Faktor- (TNF-)α und das E-Selektin als endothelialer Marker. Zum Nachweis inflammatorisch bedingter myokardialer Einzelzellnekrosen kommt C5b–9(m)-Komplement-Komplex in Betracht (früher Nekrosemarker; [22, 30, 96]). Die immunhistochemisch charakterisierten Zellen können durch Auszählung in 20 repräsentativen Gesichtsfeldern bei starker Vergrößerung (400:1; „high power field“, HPF) mit anschließender Mittelwertbildung quantifiziert werden.

Die Auszählung macht die vorherige mikroskopische Untersuchung aller Myokardschnitte nicht entbehrlich. Es ist im Gegenteil erforderlich, dass der Untersucher sich einen Überblick über folgende vorliegende Myokardveränderungen verschafft: akute Stauungshyperämie, interstitielles Ödem, eosinophile Homogenisierung des Zytoplasmas der Kardiomyozyten, Kaliberschwankungen der Herzmuskelzellen, Kerngrößenunterschiede, Faserdissektionen und irreguläre Anordnungen der Myokardfasern, interstitielle und perivaskuläre Fibrosen, Entzündungsinfiltrate im subepikardialen Fettgewebe sowie Kontrolle, ob die angestrebte immunhistochemische Darstellung gelungen ist. (Beispiel: Eindeutige interstitielle Rundzellen ohne färberische Darstellung müssen zur Wiederholung der immunhistochemischen Untersuchung zur Darstellung der Leukozyten bzw. T-Lymphozyten führen!) Vor dem Hintergrund dieser Befunde kann die zufällgie Auswahl der 20 repräsentativen Gesichtsfelder erfolgen; weniger erfahrene Mikroskopiker können die Aussagekraft der Quantifizierung interstitieller Leukozyten, T-Lymphozyten und Makrophagen durch Auszählung einer höheren Anzahl an Gesichtsfeldern verbessern. Schließlich können im Einzelfall wegen des fokalen Charakters der zellulären Infiltration bei Myokarditiden trotz Quantifizierung und Mittelwertbildung nur relativ niedrige Zellzahlen erreicht werden, sodass deren Aussagekraft relativiert werden muss, wenn bei der oben genannten unverzichtbaren routinehistologischen Untersuchung fokale Infiltrate nachgewiesen werden. Nach eigenen Erfahrungen empfiehlt sich in solchen Fällen die Anfertigung weiterer Stufenschnittpräparate mit Hämalaun-Eosin-Färbung, da nicht selten bei zunächst einem Fokus in den genannten 8 Schnittpräparaten weitere fokale Infiltrate auftauchen. Finden sich dann z. B. 2 fokale Entzündungsinfiltrate in 12 Schnittpräparaten oder 4 in 18 Schnittpräparaten, kann die Diagnose einer Myokarditis mit zunehmender Zahl der (lymphomonozytären) Infiltrate auch ohne immunhistochemische Färbungen gestellt werden. Empfehlungen mit Mindestanforderungen zur konventionell-histologischen, immunhistochemischen und molekularpathologischen Myokarditisdiagnostik bei SIDS-Opfern und Kontrollfällen sind in Tab. 4 genannt.

Tab. 4 Auswahl empfohlener konventionell-histologischer, immunhistochemischer und molekulargenetischer Untersuchungen bei SIDS-Opfern und Kontrollfällen. (Nach [22, 32, 33])

Molekularpathologische Techniken

Der Erfolg des Nachweises viralen Genoms in formalinfixiertem und paraffineingebettetem Gewebe hängt nicht nur von der Wahl des Fixativs, sondern auch von der Fixationsdauer ab [9]. Empfohlen wird eine Fixationsdauer bis zu 48 h (besser nur 24 h); danach sollte das Gewebe in Paraffin eingebettet werden. Bedeutsam für eine erfolgreiche molekularpathologische Aufarbeitung ist wohl weniger die Einbettung in Paraffin als das Fixativ (im Regelfall Formaldehyd) und die Fixationsdauer.

Mithilfe der PCR bzw. der RT-PCR können die paraffineingebetteten Myokardproben molekularpathologisch auf das Spektrum der in der Literatur als Erreger viraler Myokarditiden gerade auch im Säuglings- und Kindesalter genannten Viren untersucht werden [3, 4, 33, 35, 37]. Orientiert an der nach Literaturangaben zu erwartenden Häufigkeit von kardiotropen Viren sind folgende Viren zu favorisieren: Enteroviren (EV; [70, 98]), einschließlich der als besonders kardiotrop geltenden Coxsackieviren der Gruppe B, vor allem CVB3 [81], Adenoviren (AV; [7]), Epstein-Barr-Virus (EBV; [65]), Parvovirus B19 (PVB19; [16]) sowie Zytomegalieviren (CMV; [21, 40, 41, 42, 85]). Neben den Myokardproben können zugehörige Blut-, Milz- und Leberproben ebenfalls molekularpathologisch untersucht werden. Nach Sequenzierung der positiv getesteten PCR-Produkte kann ein Abgleich mit der DNA-Datenbank (National Center for Biotechnology Information; PUBMED, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/) erfolgen. Die Details der molekularpathologischen Diagnostik einschließlich der verwendeten Primer sind früheren Publikationen zu entnehmen [3, 4, 26, 32, 33, 35, 37].

Ergebnisse

Histologische und immunhistochemische Untersuchungen

Bei den histologischen Routineuntersuchungen kann im Einzelfall – auch in Fällen von mutmaßlichem SIDS – bereits in konventionell-histologisch gefärbten Präparaten eine im Regelfall lymphomonozytäre (virale) Myokarditis diagnostiziert werden, z. B. in einem unter 63 mutmaßlichen SIDS-Fällen in der genannten ersten DFG-Studie (Förderkennzeichen DE 814-1; [33]). Dabei finden sich jedoch bei konventionell-histologischen Färbungen immer wieder Befunde, die nach ihrer Ausprägung eine eindeutige Diagnose nicht zulassen und eindrucksvoll die geringe diagnostische Aussagekraft der sog. Dallas-Kriterien mit der unvermeidbaren Interobserver-Variabilität demonstrieren (Abb. 1). In einzelnen Fällen kann eine mehr oder weniger ausgeprägte perivaskuläre oder auch interstitielle Fibrose den Verdacht auf eine chronische Myokarditis begründen (Abb. 2). Nicht immer gelingt dann noch der Virusnachweis in den Myokardproben.

Abb. 1
figure 1

SIDS-Kollektiv. a Diffuse lymphomonozytäre Myokarditis (HE-Färbung, Vergr.  200:1). b Einzelne Abbrüche von Myokardfasern und diffuses interstitielles Ödem ohne erkennbar vermehrte zelluläre Infiltration (HE-Färbung, Vergr. 200:1). c Fokales Ödem, Abbrüche von Myokardfasern, verstärkte begleitende zelluläre Infiltration (HE-Färbung, Vergr. 400:1). d Intramyokardiales Ödem und (bei 8 Myokardproben) singuläres fokales lymphomonozytäres Entzündungsinfiltrat (HE-Färbung, Vergr. 400:1)

Abb. 2
figure 2

SIDS-Kollektiv. a Drei Monate alter, männlicher Säugling, betonte perivaskuläre Fibrose, chronische Myokarditis mit Nachweis von Coxsackievirus B3 (Elastica-van-Gieson-Färbung; Vergr. 400:1). b Fünf Monate alter, männlicher Säugling, diffuse interstitielle Fibrose, Verdacht auf chronische Myokarditis, kein Virusnachweis (Elastica-van-Gieson-Färbung; Vergr. 100:1)

Wie im Myokard sind konventionell-histologische Befunde im Sinne einer Virusinfektion auch in Lungengewebeproben nachweisbar, insbesondere ein prominentes bronchusassoziiertes Gewebe (BALT), eine fokale oder gar diffuse interstitielle Pneumonie und zelluläre Veränderungen insbesondere der Alveolarmakrophagen (Pneumozyten II. Ordnung) mit zunehmender Zell- und Kernpolymorphie und hyperchromatischen Zellkernen [36, 40, 41, 42] bis hin zu mehrkernigen Riesenzellen (s. den Beitrag zu Infektionen des Respirationstraktes und zur letalen Masernviruspneumonie, beide in diesem Heft). Neben der Suche nach sog. Eulenaugenzellen bei CMV-induzierter Pneumonie im Lungengewebe sollte auch immer Speicheldrüsengewebe (Glandula submandibularis, Glandula parotis) zum Nachweis oder Ausschluss typischer Kerneinschlüsse bei CMV-Infektion (Abb. 3) mikroskopiert werden. Bei gleichzeitigem Nachweis einer CMV-induzierten Sialoadenitis, einer interstitiellen Pneumonie und fokaler Infiltrate im Myokard, aber auch einer diffus im myokardialen Interstitium erhöhten Zellzahl gewinnt die Diagnose einer CMV-induzierten Myokarditis erhebliche Plausibilität als mögliche Ursache eines rhythmogenen Herztodes. Fokale interstitielle Pneumonien hingegen können für sich genommen nicht zwanglos als Todesursache in Anspruch genommen werden.

Abb. 3
figure 3

SIDS-Kollektiv, Befunde bei CMV-Infektion. a Sieben Monate alter, weiblicher Säugling, typische zytomegale Einschlüsse in den Drüsenepithelien in der Glandula parotis (HE-Färbung, Vergr. 400:1), b bei gleichzeitig fokaler leukozytärer Infiltration im Myokard der linksventrikulären Hinterwand (HE-Färbung, Vergr. 400:1). c Chronische Sialoadenitis bzw. Parotitis mit immunhistochemischer Darstellung von CMV+-Zellen (Vergr. 200:1). d Typische Einschlusskörperchen in zytomegalen Zellen, dargestellt mithilfe der In-situ-Hybridisierung bei CMV-Infektion der Glandula parotis (Vergr. 400:1)

Die Ergebnisse der immunhistochemischen Charakterisierung und Quantifizierung von Leukozyten, T-Lymphozyten und Makrophagen (LCA, CD45R0, CD68) im myokardialen Interstitium mit den Angaben zum Kontrollkollektiv sind für die erste DFG-Studie in Tab. 5 dargestellt. Die Verteilung der zellulären Infiltration ergab in vielen Fällen kein homogenes Muster, vielmehr zeigten sich fokal akzentuiert vermehrt Entzündungszellen, z. T. auch unter Einbeziehung des Epikards. Neben der Intensität der zellulären Infiltration kann der Expressionsgrad proinflammatorischer Zytokine in die Beantwortung der Frage nach einem myokardialen Entzündungsprozess einbezogen werden (z. B. HLA-Klasse-II-Moleküle und endotheliales E-Selektin). Der semiquantitativ bestimmte Expressionsgrad der HLA-Klasse-II-Moleküle auf Leukozyten, einschließlich T-Lymphozyten, Makrophagen, Endothelzellen und dem Endokard (Abb. 4), ergibt bezogen auf das Gesamtmyokard, regelmäßig eine weitgehend einheitliche Intensität der Expression; dies stimmt mit den Erfahrungen anderer Untersucher überein. In einzelnen Fällen können mikrofokale myokardiale Einzelzellnekrosen mit dem frühen Nekrose-Marker C5b–9(m)-Komplement-Komplex in den Myokardproben mutmaßlicher SIDS-Opfer nachgewiesen werden [26].

Tab. 5 Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse der ersten DFG-Studie bei SIDS-Opfern und Fällen eines altersgleichen Kontrollkollektivs. (Nach [33])
Abb. 4
figure 4

SIDS-Kollektiv, immunhistochemische Befunde im Myokard. a Vermehrte fokale Infiltration mit LCA+-Leukozyten im Myokard (Vergr. 400:1). b Fokale Infiltration mit CD45R0+-T-Lymphozyten (Vergr. 400:1). c Deutlich vermehrte endotheliale und zelluläre Expression der HLA-Klasse-II-Moleküle in einem Fall von akuter Myokarditis (Vergr. 100:1). d Kräftige endotheliale Expression des proinflammatorischen E-Selektins in peripheren Koronararterienästen (Vergr. 400:1)

Der Vergleich der Ergebnisse des SIDS-Kollektivs mit denen des altersgleichen Kontrollkollektivs erlaubt auch unter Orientierung an entsprechenden Publikationen zur Quantifizierung myokardialer Leukozyten bei Erwachsenen den Vorschlag von Grenzwerten für das Säuglingsalter, gestützt auf die Auszählungsergebnisse [33].

Unter Zugrundelegung der Quantifizierung der Leukozyten und der T-Lymphozyten im Kontrollkollektiv können Grenzwerte benannt werden, bei deren Überschreiten die morphologische Diagnose einer lymphomonozytären (viralen) Myokarditis anhand der immunhistochemischen Befunde gestellt werden darf. Danach kann die Diagnose Myokarditis bei im Mittelwert erhöhten Leukozytenzahlen (>15/HPF) und erhöhten Zahlen an T-Lymphozyten (>10/HPF) gestellt werden. T-Lymphozyten-Zahlen von 5–9/HPF gelten als suspekt, ebenso im Mittelwert erhöhte Makrophagenzahlen (>10/HPF). Die Quantifizierung der Leukozyten im myokardialen Interstitium konnte mit diesen Grenzwerten in weiteren 11 von 63 Fällen die Annahme einer lymphomonozytären Myokarditis begründen [33]. Allerdings sind in der Frühphase viraler Myokarditiden (Tab. 6) selbst immunhistochemische Befunde nicht zwingend zu erwarten. In wiederum 11 weiteren Fällen bewegten sich die T-Lymphozyten-Zahlen im Mittelwert zwischen 5 und 9/HPF, sodass von Myokarditisverdachtsfällen ausgegangen werden durfte. Auch in dieser Gruppe zeigten sich vereinzelt mikrofokale Ansammlungen von CD45R0+-T-Lymphozyten. In der Literatur werden nach Untersuchungen an Myokardproben von Erwachsenen bereits mehr als 2 T-Lymphozyten/HPF als pathologischer Befund angesehen, sodass einer erhöhten Zahl an T-Lymphozyten im Myokard eine besondere Aussagekraft zukommt (Abb. 5).

Tab. 6 Diagnostische Phasen einer akuten Virusmyokarditis. (Nach Feldmann u. McNamara [44]; Mall [69])
Abb. 5
figure 5

Vergleich CD45R0+-T-Lymphozyten im Myokard beim SIDS-Kollektiv (n=63) und im altersgleichen Kontrollkollektiv (n=11)

Molekularpathologische Diagnostik

Nach dem Ergebnis der immunhistochemischen Diagnostik waren Fälle mit viraler Affektion des Myokards zu erwarten. Der Nachweis von Desoxyribonukleinsäure- (DNA-) bzw. Ribonukleinsäure- (RNA-)Viren mithilfe der (RT)-PCR führte in 27 von 63 Fällen zum Nachweis viralen Genoms. Mit Abstand am häufigsten fanden sich in der ersten DFG-Studie Enteroviren (14-mal), gefolgt von PVB19 (7-mal), EBV (3-mal) und AV (2-mal). Hinzu kam in einem Fall eine Humanes-Herpes-simplex-Virus-Typ-6- (HHSV-6) induzierte Myokarditis, die bereits allein anhand der überzeugenden immunhistochemischen Befunde diagnostizierbar war und um den molekularpathologischen Virusnachweis ergänzt werden konnte (externer Nachweis viralen Genoms; Prof. Kandolf, Tübingen). Allerdings korreliert der Virusnachweis, soweit derzeit beurteilbar, nicht zwingend mit der Intensität der immunhistochemischen Befunde. Einerseits kann sich virales Genom im Myokard nachweisen lassen, ohne dass sowohl konventionell-histologisch als auch immunhistochemisch eindeutig auffällige Befunde zu erheben waren, andererseits ist, bezogen auf die morphologisch auffälligen Befunde im Myokard, das Spektrum der eine Myokarditis auslösenden Viren nicht ausgeschöpft. Insbesondere stehen Untersuchungen zum Nachweis von Influenzaviren-Typ A und -Typ B aus.

Der Nachweis viralen Genoms im Myokard von SIDS-Opfern bei gleichzeitig negativem Virusnachweis in den zugehörigen Milz- und Leberproben spricht für eine isolierte virale Infektion des Myokards. Immunhistochemisch suspekte Befunde ohne korrespondierenden Nachweis viralen Genoms lassen einerseits bei der Probenauswahl für die molekularpathologischen Untersuchungen weiterhin an einen „sampling error“ denken, andererseits ist das Spektrum an potenziell kardiotropen Viren diagnostisch nicht ausgeschöpft. Die Interpretation des alleinigen Virusnachweises hat zurückhaltend und für jeden Virustyp gesondert zu erfolgen. Insbesondere bei fehlendem konventionell-histologischen und immunhistochemischen Nachweis eines inflammatorischen Prozesses im Myokard ist zu fragen, ob der Virusnachweis für sich genommen als pathologischer Befund anzusehen ist. Insoweit müssen die Virustypen gesondert betrachtet werden.

Enteroviren, insbesondere Coxsackievirus B3

Um die Bedeutung des Nachweises von Enteroviren im humanen Myokard zu erfassen, sollen pathophysiologische Aspekte ebenso wie epidemiologische Erkenntnisse herangezogen werden. In der Frühphase der enteroviralen Myokarditis kommt es nach endozytotischer Invasion in die Kardiomyozyten zur Virusreplikation mit nur elektronenmikroskopisch nachweisbarer intrazytoplasmatischer Vesikelbildung [51, 52, 55, 53, 54, 55, 56, 57, 58]. Dabei kann sich die Menge an Viruskomponenten innerhalb der infizierten Zelle sehr schnell vervielfältigen. Liegen in der Zelle virale Proteine und RNA-Genom in ausreichender Zahl vor, werden diese Komponenten zu infektiösen Virionen zusammengestellt („self assembly“). Zu den viralen Proteinen gehören z. B. die Hüllproteine der Enteroviren, die Kapsidproteine 1–4 (VP1–4). Die enterovirale Proteinase 2A zerstört den Dystrophin-Glykoprotein-Komplex, ein extrasarkomeres Protein des Zytoskeletts der Kardiomyozyten, und greift auf diese Weise den kontraktilen Apparat der Wirtszelle an. Durch molekularbiologische Untersuchungen konnte die genaue Bruchstelle, die „Hinge-3“-Region lokalisiert werden [5, 6]. Diese Erkenntnisse am Mausmodell gelten als auf das Säuglingsmyokard übertragbar.

Nach epidemiologischen Untersuchungen gelten Enteroviren als häufige Erreger einer viralen Myokarditis, insbesondere die Coxsackieviren B (CVB)1–5, und darunter gilt wiederum CVB3 als besonders kardiotrop [59]. Enterovirale Infektionen können saisonal gehäuft [73], besonders im Sommer [43, 46], vorkommen. Gelegentlich wird von Epidemien berichtet [11, 29, 74, 82]. Humanpathogene Enteroviren zählen zu den bislang bestuntersuchten Virussystemen [52]. Noch nicht identifizierte genetische Faktoren sollen dafür verantwortlich sein, dass bei den meisten Menschen eine spontane Viruselimination aus dem Myokard gelingt. Diese effektive Viruselimination soll mit einer adäquaten natürlichen Killerzellantwort, einer T-Zellen vermittelten Beseitigung der virusinfizierten Zellen sowie mit einer Suppression der Histokompatibilitätsantigene (HLA-Klasse) einhergehen. Eine zytokinvermittelte Aktivierung phagozytierender Makrophagen und die Induktion des apoptotischen Zelltodes der virusinfizierten Zellen sollen hinzutreten [53, 76, 89]. Bereits die gesteigerte Expression proinflammatorischer Zytokine soll jedoch einen proarrhythmogenen Effekt haben [54]. Bei zusammenfassender Betrachtung wird nach derzeitigem Kenntnisstand davon ausgegangen, dass der Nachweis von Enteroviren im Myokard für sich allein bereits als pathologischer Befund anzusehen ist.

Adenoviren

Unter den Erregern einer viralen Myokarditis werden AV nach den Enteroviren häufig an zweiter Stelle genannt, insbesondere die AV2 und 5 [10, 68, 70, 80]. In jüngerer Zeit gelang die Identifizierung eines gemeinsamen membrangebundenen Rezeptors für CV und AV [10, 66]. Dieser Coxsackie-Adenovirus-Rezeptor (CAR) gehört zur Immunglobulinsuperfamilie und soll auch mit weiteren Viren aus der Gruppe der Enteroviren reagieren können [66]. Beim CAR handelt es sich um ein Genprodukt mit hohem Expressionsniveau in der embryonalen Entwicklung und bereits in der neonatalen Phase beginnender „down regulation“. Der Rezeptor fehlt unter physiologischen Bedingungen auf adulten Kardiomyozyten [10, 78]. Zumindest bei unreifen Neugeborenen und bei Frühgeborenen wäre ein postnatal zunächst persistierend relativ hohes Expressionsniveau des CAR-Gens eine molekulare Grundlage für einen erhöhten Kardiotropismus von CV und AV, möglicherweise aber auch von Enteroviren überhaupt [78]. Allerdings existieren keine Untersuchungen zu der Frage, ob im Vergleich zu Erwachsenen abweichende Myokarditisverläufe bei Säuglingen und/oder Kindern auftreten. Der Nachweis des CAR und dessen postnatal noch hohes Expressionsniveau lassen jedoch an eine bei Säuglingen andere Zeitdynamik denken.

Da die Infektion der Zielzelle über den CAR vermittelt wird, ist bei hohem Expressionsniveau dieses Rezeptors eine wesentlich raschere Virusinvasion in die Zielzellen vorstellbar. Raschere Verläufe bei hohem Expressionsniveau des CAR sind auch angesichts der Unterschiede im Myokardvolumen (Herzgewicht ca. 25–45 g bei Säuglingen, mehr als 300 g bei Erwachsenen) in Betracht zu ziehen. Eine (persistierende) hohe Expression des CAR in der Neonatalperiode wäre für adenovirale Myokarditiden, bezogen auf das SIDS-Kollektiv, eine molekularpathologische Erklärung dafür, dass unreife Neugeborene bzw. Frühgeborene häufiger SIDS-Opfer sind. Allerdings muss diese Hypothese durch vergleichende Untersuchungen des CAR-Rezeptor-Status von Frühgeborenen und Nichtfrühgeborenen verifiziert werden.

Epstein-Barr-Virus

Epstein-Barr-Viren sind als potenzielle Erreger einer viralen Myokarditis bekannt; im Rahmen einer infektiösen Mononukleose (Pfeiffer-Drüsenfieber, „kissing disease“) kommen auch plötzliche und unerwartete Todesfälle vor [15]. Obwohl die Durchseuchungsrate mit EBV mit dem Lebensalter zunimmt und im Erwachsenenalter hoch ist, werden EBV-induzierte Myokarditis und Perikarditis klinisch selten beobachtet [65] Todesfälle auch im Kindesalter kommen aber vor [47]. Im Säuglingsalter lässt der Nachweis EBV-spezifischer DNA-Sequenzen allerdings an eine Primärinfektion denken. Die Kenntnisse zur molekularen Pathologie von EBV sind noch sehr lückenhaft. Nach kasuistischen Mitteilungen kann eine EBV-induzierte Myokarditis klinisch und echokardiographisch einen akuten Myokardinfarkt mit kardiogenem Schock simulieren [65, 72, 97]. Der genaue Schädigungsmechanismus ist nicht bekannt. Der isolierte Nachweis von EBV in Endomyokardbiopsien von Säuglingen dürfte zwanglos in Kombination mit immunhistochemisch auffälligen Befunden zu der Schlussfolgerung einer EBV-induzierten Myokarditis führen. Eine Annahme, die auch für die berichteten EBV-positiven SIDS-Fälle nahe liegt, bei denen die zugehörigen Milz- und Leberproben EBV-negativ waren.

Parvovirus B19

In den letzten Jahren gab es zunehmend kasuistische Mitteilungen über PVB19-induzierte Myokarditiden auch im Kindesalter [12, 13, 16, 19, 30, 31, 75]. Eine PVB19-Variante ist aus der veterinärpathologischen Literatur als Erreger letaler Myokarditiden bei Welpen, sog. plötzlicher Hundetod, bekannt [64]. Nach derzeitigem Kenntnisstand erlaubt der alleinige molekularpathologische Nachweis von PVB19 keine zuverlässige diagnostische Aussage; PVB19-Genom kann gelegentlich in Blut- und Myokardproben nachgewiesen werden und gilt als ubiquitär verbreitet. Eine Interpretation des PVB19-Nachweises in Myokardproben sollte daher im Zusammenhang mit den Ergebnissen weiterer, insbesondere immunhistochemischer Untersuchungen erfolgen.

Zytomegalievirus

Zytomegalieviren gelten als eher seltene Erreger einer Myokarditis. Gelegentlich finden sich CMV bei Säuglingen und Kindern in den Drüsenepithelien der Mundspeicheldrüsen, insbesondere der Glandula parotis ([18, 21, 63, 85]; Abb. 3). Auch in Fällen von mutmaßlichem SIDS kann neben der CMV-induzierten Sialoadenitis vereinzelt eine meist fokale Myokarditis nachgewiesen werden, wenn eine ausreichende Anzahl an Gewebeschnitten angefertigt wird und immunhistochemische Befunde im Sinne eines myokardialen Entzündungsprozesses zu erheben sind. Die Kombination von CMV-induzierter Sialoadenitis und fokaler Myokarditis bei gleichzeitig nachgewiesener Virämie verleiht der Annahme einer letalen Virusmyokarditis auch ohne immunhistochemische Untersuchungen eine hohe Plausibilität.

Diskussion

Die Interpretation der genannten Ergebnisse erfolgt einerseits mit Blick auf die Chronologie viraler Myokarditiden, andererseits ist die Relevanz des nachgewiesenen viralen Genoms im Myokard kritisch zu werten. Für das SIDS-Kollektiv gilt, dass eine Zuordnung des Todesfalles zum SIDS nur in Betracht kommt, wenn nach Ausschluss aller diagnostischen Möglichkeiten eine plausible Todesursache nicht nachgewiesen werden kann. Die konventionell-histologischen Befunde führten nur in einem von 63 Fällen zum Nachweis einer – hier CVB3-induzierten – letalen Virusmyokarditis. In einem weiteren Fall wurde die nachgewiesene fokale interstitielle Pneumonie für sich allein nicht als todesursächlich gewertet, sodass nach Einsatz konventionell-histologischer Untersuchungen 62 Fälle einem SIDS zugeordnet werden mussten.

Die Chronologie viraler Myokarditiden zeigt, dass immunhistochemisch darstellbare proinflammatorische Prozesse in der Frühphase der Erkrankung nicht nachweisbar sind, sodass auch eine derart intensive zelluläre Infiltration des myokardialen Interstitiums, wie dies von den Dallas-Kriterien verlangt wird, nicht vorliegt. Der Vergleich der Zellzahlen im SIDS- und im Kontrollkollektiv konnte zu den für das Säuglingsalter vorgeschlagenen Grenzwerten für LCA+-Leukozyten, CD45R0+-T-Lymphozyten und CD68+-Makrophagen führen (Tab. 5). Beim Überschreiten dieser Grenzwerte kann zukünftig auch im Säuglingsalter eine immunhistochemisch nachweisbare Myokarditis diagnostiziert werden.

Die auf das genannte Virenspektrum durchgeführten molekularpathologischen Untersuchungen haben im Kollektiv mutmaßlicher SIDS-Fälle im Rahmen der ersten DFG-Studie zum Nachweis von Enteroviren (n=14; davon 4-mal CVB3), AV (n=2), EPV (n=3) und PVB19 (n=7) geführt. Eine zweite DFG-Studie (Förderkennzeichen DE 814-2) ergab, wie auf dem 20. Kongress der International Academy of Legal Medicine (IALM) 2006 in Budapest berichtet [40] vergleichbare Ergebnisse bei einem größeren Untersuchungskollektiv (129 mutmaßliche SIDS-Opfer, 17 Kontrollen): Bei fehlendem Virusnachweis in der Kontrollgruppe fanden sich im SIDS-Kollektiv – je nach eingesetzten Antikörpern – 14 Fälle mit immunhistochemisch diagnostizierbarer Myokarditis und 32 Fälle mit begründetem Myokarditisverdacht. Im Myokard der SIDS-Opfer fanden sich Enteroviren (17-mal; davon 7-mal CVB3), AV (5-mal), EPV (3-mal), PVB19 (7-mal), HHSV-6 (2-mal; externer Virusnachweis, Prof. Kandolf, Tübingen), CMV (3-mal) und Toxoplasma gondii (1-mal; externer Nachweis, Prof. Kandolf, Tübingen). Insgesamt konnte in 38 Fällen der SIDS-Opfer (29,4%) virales Genom im Myokard nachgewiesen werden [40, 41].

Während bei den virusnegativen, aber immunhistochemisch positiv diagnostizierten inflammatorischen Prozessen im Myokard auch andere bislang nicht in das Untersuchungsspektrum einbezogene Virustypen als potenzielle Erreger in Betracht kommen, fanden sich auch viruspositive Fälle ohne signifikante histologische und immunhistochemische Auffälligkeiten. Dafür sind mehrere Erklärungsmöglichkeiten zu diskutieren: Grundsätzlich ist ein Virusnachweis ohne pathophysiologische Relevanz denkbar, ebenso ein derart früher rhythmogener Tod, dass selbst die immunhistochemische Diagnostik nicht „greift“. Denkbar ist weiterhin, dass die festgesetzten Grenzwerte bei der immunhistochemischen Diagnostik noch zu streng und insbesondere bereits niedrigere Zellzahlen für Leukozyten, T-Lymphozyten und Makrophagen als pathologischer Befund zu werten sind. Möglicherweise kann hier eine Ausweitung des Spektrums immunhistochemischer Marker mehr diagnostische Sicherheit bringen.

Fazit für die Praxis

Die kombinierte immunhistochemisch-morphologische und molekularpathologische Diagnostik führt bei mutmaßlichen SIDS-Fällen zur Aufdeckung bis dato allein mit konventionell-histologischen Färbungen nicht nachweisbaren Virusmyokarditiden im Säuglings- und Kindesalter [32, 33]. Diagnostische Aussagekraft kann dabei bereits dem alleinigen Virusnachweis zukommen. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand zu Chronologie und Pathophysiologie viraler Myokarditiden sind post infectionem frühe inflammatorische Prozesse elektronenmikroskopisch und danach immunhistochemisch darstellbar; erst protrahiert kann sich das klassische Bild einer virusinduzierten lymphomonozytären Myokarditis im Sinne der Dallas-Kriterien zeigen. Die erarbeiteten Befunde sprechen dafür, dass in einem Teil der Fälle von mutmaßlichem SIDS im Rahmen einer viralen Myokarditis eine akute letale rhythmogene Asystolie auftritt. Diese Annahme wird durch zahlreiche in der Literatur mitgeteilte Erkenntnisse zu Epidemiologie und Pathophysiologie viraler Myokarditiden sowie auch durch mikromorphologische und molekularpathologische Befunde gestützt. Für die zukünftige Myokarditisdiagnostik bei Säuglingen können Empfehlungen ausgesprochen werden.