Die traditionellen operativen Techniken für eine Akromioklavikulargelenk- (AC-)Luxation weisen eine z. T. hohe Komplikations- und Reluxationsrate auf. Weiterhin stellt die Invasivität mancher Operation ein weiteres Problem dar. Innerhalb der letzten Jahre wurden nun anatomische, minimalinvasive Operationstechniken mit dem Ziel der Rekonstruktion der korakoklavikulären Bänder entwickelt [3]. Wir möchten hier eine arthroskopisch assistierte anatomische AC-Gelenk-Rekonstruktion vorstellen, bei der das konoidale und trapezoidale Ligament separat mit jeweils einem TightRope® (Fa. Arthrex, FL, USA) ersetzt wird, um eine anatomische Rekonstruktion und optimale biomechanische Stabilität zu erreichen.

Gelenkpräparation

Nach Vollnarkose wird der Patient in der Beach-chair-Position gelagert. Es erfolgt zunächst eine Narkoseuntersuchung, um die Beweglichkeit, Stabilität und Möglichkeit der Reposition des AC-Gelenks zu testen. Danach werden der Patientenarm in einem mechanisch-hydraulischen Armhalter (Spider, Smith & Nephew, TN, USA) fixiert und die anatomischen Landmarken (Korakoid, gesamte Klavikula, Akromion, AC-Gelenk, posteriorer Zugang, 2 anterolaterale Portale und der „Mini-open-Zugang“ über der Klavikula; Abb. 1) eingezeichnet. In Anlehnung an Rios et al. [1] und Harris et al. [2] wird die Klavikula in ihrer Gesamtheit vermessen und der Insertionspunkt des trapeziodalen (17%, ca. 2,5 cm) und konoidalen (30%, ca. 4,5 cm) Ligaments, ausgehend vom lateralen Ende der Klavikula, gemessen und entsprechend für die spätere Tunnelplatzierung eingezeichnet.

Abb. 1
figure 1

Landmarken

Zunächst erfolgt über das posteriore Portal (A) die diagnostische Arthroskopie mit einer 30°, 4-mm-Optik. Unter Verwendung der Outside-in-Technik werden 2 anterolaterale Portale im Bereich des Rotatorenmanschettenintervalls positioniert. Das 1. anterolaterale Portal (B) befindet sich in der Linie der vorderen Ecke des Akromions anterior des langen Kopfes der Bizepssehne. Das 2. Portal liegt anteromedial davon (C). Danach wird die Optik in den Subakromialraum verlagert und über Portal B mittels Kauter (z. B. 3,5 mm, 90° Opes, Arthrex, FL, USA) die Akromionunterfläche denerviert. Das Arthroskop wird nun über das anteromediale Portal (B) zurück in das glenohumerale Gelenk gebracht. Über Portal C erfolgt nun mit dem Kauter die sorgfältige Präparation des subskapularen Rezessus und der korakoidalen Unterfläche. Für eine optimale Tunnelplatzierung werden der mediale und laterale Rand sowie die komplette Basis des Korakoids dargestellt, während an dessen Spitze keine Präparation erfolgt (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Korakoidpräparation

Tunnelplatzierung

Nach der korakoidalen Darstellung folgen ein ca. 3 cm langer vertikaler Hautschnitt zwischen beiden vorher markierten klavikulären Insertionspunkten der korakoklavikulären Bänder und die schichtweise Präparation auf den kortikalen Knochen der Klavikula. Nun werden die Markierungen der vorher auf die Haut aufgetragenen Insertionspunkte der CC-Ligamente direkt mit einem Pfriem auf die Klavikula übertragen. Als wichtiger Schritt erfolgt nun mit Hilfe des „Spiders“ die anatomische Reposition der Skapula gegenüber der Klavikula. Danach wird das Zielbohrgerät (Acromioclavicular TightRope® [ACTR] – Drill Guide, Arthrex, FL, USA; Abb. 3 und Abb. 4) über den anterolateralen Zugang (C) eingebracht und die kraniale Bohrhülse auf die vorher markierten klavikulären Bohrlöcher eingestellt. Zur optimalen Platzierung ist das Zielbohrgerät zwischen 70 und 90° verstellbar. Arthroskopisch kontrolliert wird das Zielgerät unter dem Korakoid nach folgenden Gesichtspunkten platziert (Abb. 5):

Abb. 3
figure 3

Zielgerät

Abb. 4
figure 4

Platzierung Zielgerät

Abb. 5
figure 5

Platzierung Zielgerät korakoidal

Kadaverstudien von Rios e al. [1] und Harris et al. [2] ergaben, dass die durchschnittliche Länge des Korakoids 45,2 mm und die Weite der Basis 24,9 mm beträgt. Die korakoidale Footprint-Weite des Lig. conoideum beträgt (mediolateral) 10,6 mm mit einem Insertionsdurchmesser von 4,4 mm. Die korakoidale Footprint-Länge des Lig. trapezoideum beträgt 14 mm (anterior-posterior) mit einem Durchmesser von 4,8 mm (mediolateral). Das Lig. conoideum entspringt, verläuft und inseriert posteromedial des Lig. trapezoideum.

Aufgrund dieser Daten sollte der optimale Tunnel für das Konoid im Bereich der Korakoidbasis ca. 5 mm lateral vom medialen Rand liegen. Der trapezoidale Tunnel sollte 10 mm anterior des konoidalen Tunnels und 5 mm medial des lateralen Randes des Korakoids liegen. Nach der Bohrung muss eine ca. 10 mm breite Knochenbrücke zwischen beiden Tunneln stehen bleiben. Ist das Zielgerät korrekt positioniert, wird mit einem mit einem Bohrstopp versehenen 2,5-mm-Kirschner-Draht vorgebohrt, was die gesamte Zeit unter arthroskopischer Kontrolle geschieht, bis die Spitze des Kirschner-Drahts an der Korakoidbasis sichtbar wird. In gleicher Weise erfolgt das Platzieren des zweiten K-Drahts. Nachdem die K-Draht-Positionen nochmals klavikulär und korakoidal überprüft worden sind, wird mit einem 3,5-mm-Bohrer überbohrt. Der K-Draht wird korakoidal mit einem Löffel in seiner Position gehalten, die Bohrer werden belassen und die K-Drähte entfernt.

AC-Gelenk-Stabilisierung

Über jeden Bohrer wird ein Nitinolfaden (FadenLasso®, Arthrex) eingebracht und zunächst das mediale (Konoid) Lasso mit Hilfe einer arthroskopischen Zange durch das 2. anterolaterale Portal herausgezogen. Der Bohrer wird entfernt und der TightRope® (Abb. 6) in das Lasso gezogen. Nun wird unter arthroskopischer Kontrolle der TightRope® eingezogen, bis das längliche Plättchen unter dem Korakoid erscheint und vollständig unter zu Hilfenahme einer Fasszange unter dem Korakoid herausgezogen (Abb. 7).

Abb. 6
figure 6

TightRope®

Abb. 7
figure 7

Herausziehen des Plättchenshuttles

Der TightRope® wird an seinem kranialen Anteil angezogen, bis sich das Plättchen verkippt und unter dem Korakoid zu liegen kommt. Wenn nötig, kann nun über das 2. Portal das Plättchen in seiner Lage nochmals korrigiert werden. Das gleiche Vorgehen erfolgt mit dem 2. TightRope®. Unter subakromialer arthroskopischer Kontrolle wird das AC-Gelenk durch Anheben des Arms mit dem hydraulischen Armhalter „Spider“ reponiert und die anatomische AC-Gelenkstellung eingestellt, wobei die Kamera subakromial die Stellung des AC-Gelenks kontrollieren soll. Zuerst erfolgt das Spannen und Verknoten des medialen, danach des lateralen TightRope® mit mindestens 5 Wechselknoten. Zum Abschluss nochmal intraartikuläre Kontrolle der optimalen Platzierung der Plättchen, danach ausgiebige Spülung, Fasziennaht, Hautnaht und steriler Verband. Postoperativ wird der Arm in einer Schlinge gelagert; ein postoperatives Röntgenbild wird angefertigt (Abb. 8).

Abb. 8
figure 8

Postoperatives Röntgen

Nachbehandlung

Postoperativ ist aus einer Schlinge (medi-Sling, Bayreuth) nur ein sehr limitiertes Nachbehandlungsschema unter physiotherapeutischer Anleitung über 7 Wochen erlaubt. Ein Muskelaufbau wird erst freigegeben, nachdem der Patient die volle aktive Beweglichkeit und Schmerzfreiheit erreicht hat. Kontaktsportarten sind erst nach 6 Monaten postoperativ erlaubt.

Ergebnisse

Bis jetzt wurden 30 Patienten mit akuten AC-Gelenkluxationen der Rockwood-III-, -IV- und -V-Stadien in unserer Abteilung behandelt. Zurzeit, bei einem durchschnittlichen follow-up von 8 Monaten (1–14 Monaten wurde lediglich bei einem Patienten ein Durchrutschen der korakoidalen Plättchen beobachtet. Die Patienten berichten von einer deutlichen Verbesserung der Schulterbeweglichkeit und Schmerzsituation.

Fazit für die Praxis

Durch die Platzierung zweier unabhängiger Bohrtunnel ist es möglich, den Verlauf der CC-Ligamente anatomisch nachzuvollziehen. Der Vorteil dieses Rekonstruktionsverfahrens bietet, ähnlich der 2 Bündel der Kreuzbänder, eine optimale Stabilität in der vertikalen-, horizontalen- und Rotationsebene. Die Bedeutung der Translationssicherung durch 2 TightRope® wurde durch biomechanische Daten [4] aus unserer Abteilung validiert. Ein weiterer Vorteil dieser Methode ist, dass die Verbindung Titanplättchen und nichtresorbierbare Fäden einen direkten Kontakt der Fäden mit dem Knochen verhindert und damit eine Knochenerosion vermeiden kann. Zum anderen erlaubt dieses flexible Flaschenzugsystem während der Reposition, unter subakromialer arthroskopischer Kontrolle, eine optimale Einstellung der Klavikula zum Akromion. Zusammenfassend ermöglicht dieses arthroskopisch gestützte Verfahren eine einfache, minimalinvasive Operationstechnik, die durch die anatomische Rekonstruktion beider CC-Ligamente eine optimale Stabilität in allen Bewegungsebenen bietet. Weiterhin ist bei dieser Technik keine Materialentfernung mehr notwendig.