Hintergrund

In der Literatur wird die Prävalenz der PGHI seit jeher meist mit 5 % beziffert. Eine rezente Studie konnte jedoch zeigen, dass bis zu 24 % aller jungen und aktiven Patienten, die aufgrund ihrer Schulterinstabilität chirurgisch versorgt wurden, von PGHI betroffen waren [33]. Diese Diskrepanz mag dadurch erklärbar sein, dass die posteriore glenohumerale Instabilität (PGHI) häufig nicht erkannt oder fehldiagnostiziert wird, da sich der Patient der posterioren Schulterinstabilität nicht zwingend bewusst ist. Im Gegensatz zur AGHI, bei der klinische Symptome oft eindeutig geschildert werden und durch typische Apprehensionzeichen in provokativen Armpositionen bestätigt werden können, gestaltet sich die Diagnosefindung bei Patienten mit PGHI als deutlich schwieriger. Klinische Symptome der PGHI sind häufig subtiler. Öfters werden nur unspezifische Schulterbeschwerden, Schmerz oder eine funktionelle Einschränkung während anspruchsvollen, schulterbelastenden Aktivitäten geschildert [19, 29]. Klinisch kann sich selbst eine chronisch verhakte hintere Luxation mit einer erhaltenen Elevation über 90° und nur geringfügigen Schmerzen als überraschend symptomarm präsentieren.

Als zusätzliche Herausforderung gestaltet sich neben der korrekten Diagnosefindung und Behandlung auch die multifaktorielle Entstehung der Pathologie [29]. Durch die sog. ABC-Klassifikation [22] soll eine vereinfachte Diagnosestellung als auch eine verbesserte Behandlung ermöglicht und zudem eine allgemein gültige Klassifikation etabliert werden.

Die ABC-Klassifikation

Basierend auf unterschiedlichen pathomechanischen Prinzipien und den hierzugehörigen aktuell empfohlenen Behandlungsstandards unterscheidet die ABC-Klassifikation [22] drei unterschiedliche Gruppen der PGHI mit jeweils zwei verschiedenen Subtypen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Die ABC-Klassifikation der posterioren Schulterinstabilität. (Nach Moroder und Scheibel [22])

Gruppe A

Diese Gruppe umfasst jene Patienten, welche erstmalig und akut ein Instabilitätsereignis der Schulter erleiden. Dieses tritt entweder im Sinne einer Subluxation ohne Verhakung des Humeruskopfes und dem Glenoidrand (A1) oder als vollständige Dislokation mit kurzzeitiger oder persistierender Verhakung (A2) auf. Entscheidend für die Unterscheidung dieser Gruppe und den entsprechenden beiden Subtypen ist neben einer genauen Anamneseerhebung auch die im Folgenden aufgeführte Auswahl an bildgebenden Verfahren. Die klinische Untersuchung ist oftmals im akuten, schmerzhaften Stadium nur eingeschränkt möglich.

A1 – Akute posteriore Subluxation

Ursächlich ist eine hintere Translation des Humeruskopfes über die posteriore Gelenklippe sowie die spontane Selbstreposition in eine zentrierte Stellung. Üblicherweise treten hierbei keine größeren strukturellen Schäden auf.

Dieser Typ der PGHI wird meist durch ein geringes oder moderates mechanisches Trauma in Flexions- und Innenrotationsstellung hervorgerufen, teilweise selbst nur durch eine unbeabsichtigte Bewegung des Armes.

Klinisch berichten betroffene Patienten über einen moderaten Schmerz, welcher durch eine forcierte Innenrotation verstärkt werden kann. Zusätzlich können geringfügige, kurzzeitige Einschränkungen des Bewegungsumfanges auftreten.

Die akute posteriore Subluxation wird meist durch ein geringes Trauma hervorgerufen

Bildgebende Verfahren wie routinemäßige Röntgenuntersuchungen bestätigen die Zentrierung des Gelenkes („true anteroposterior“, Y‑Aufnahme, Velpeau-Aufnahme, axiale Aufnahme) und stellen ggf. kleinere knöcherne humerale (inverse Hill-Sachs-Läsion) oder glenoidale (hintere Pfannenrandfragmente) Defekte dar. Die MRT ist bei dieser Gruppe das bildgebende Verfahren der Wahl. Hiermit können kapsulolabrale Läsionen, Knorpelschäden, Sehnenrisse und inverse Hill-Sachs-Läsionen, welche durch ihr typisches begleitendendes Knochenmarködem hervorgehoben werden, identifiziert werden. Die CT erlaubt die exakte Analyse des Humeruskopfes und der glenoidalen Integrität im Falle des Verdachtes auf einen knöchernen Defekt.

Als Therapie kann ein konservatives Vorgehen im Falle nicht signifikanter knöcherner oder weichteiliger Defekte gewählt werden. Eine Immobilisierung in Innenrotation kann dazu beitragen ein besseres Repositionsergebnis nach erlittenem Kapsel-Labrum-Abriss zu erzielen [5]. Eine frühe chirurgische Rekonstruktion eines diagnostizierten posterioren kapsulolabralen Defektes sollte nur bei jungen Patienten mit hoher funktioneller Belastung in Betracht gezogen werden. Kritische humerale oder glenoidale Defekte, welche arthroskopisch oder offen chirurgisch adressiert werden müssen, werden eher selten in dieser Gruppe der PGHI angetroffen [24].

A2 – Akute posteriore Dislokation

Während der Dislokation des Humeruskopfes nach posterior erleidet dieser an der anteromedialen Gelenkoberfläche häufig eine Impressionsfraktur (inverse Hill-Sachs-Läsion), welche sich entweder kurzzeitig oder permanent mit dem posterioren Glenoidrand verhakt. Besteht die Verhakung fort, so spricht man von einer verhakten hinteren Luxation.

Als Ursache kann sowohl ein mechanisches Trauma in Flexion und Innenrotation als auch eine pathologische Muskelkontraktion bei Epileptikern oder Stromunfällen in Betracht gezogen werden.

Klinisch präsentieren sich betroffene Patienten typischerweise mit einer akuten Schmerzzunahme während der Ausführung allgemeiner Bewegungen der betroffenen Schulter. Im Falle einer verhakten hinteren Luxation können eine veränderte Schulterkontur mit einer prominenten Korakoidspitze, eine Einschränkung der Außenrotation sowie eine zwar schmerzhafte jedoch oft teilweise erhaltene Innenrotation und Elevation festgestellt werden.

Die akute posteriore Dislokation kann zu einer Verhakung des Oberarmkopfes mit dem hinteren Pfannenrand führen

Als Bildgebung dienen routinemäßige Röntgenuntersuchungen der Darstellung einer verhakten hinteren Luxation („true anteroposterior“, Y‑Aufnahme, Velpeau-Aufnahme, axiale Aufnahme) und können auf eventuell aufgetretene knöcherne humerale (inverse Hill-Sachs-Läsionen) und glenoidale Defekte (hinterer Pfannenrand) hinweisen. Die CT erlaubt die exakte Evaluation von knöchernen humeralen sowie glenoidalen Defekten. Die MRT hilft bei der Einschätzung des kapsulolabralen Komplexes, der Sehnen und des Knorpels. Zudem können inverse Hill-Sachs-Läsionen durch das typischerweise auftretende Knochenmarksödem leicht identifiziert werden.

Als Therapie besteht im Falle einer verhakten Luxation die Option einer geschlossenen oder einer offenen Reposition. Die Entscheidung zur korrekten Vorgehensweise ist abhängig von begleitenden proximalen Humerusfrakturen sowie von der vergangenen Zeit seit der Dislokation. Ein Hauptrisikofaktor für die Rezidivinstabilität ist der inverse Hill-Sachs-Defekt [30]. Falls der Defekt einen Gamma-Winkel von 90° überschreitet [23], ist eine akute chirurgische Adressierung im Sinne einer Imprimatanhebung innerhalb von 2 Wochen (Abb. 2), eine autogene oder allogene Knochenplastik, eine Weichteilgewebsdeckung (McLaughlin-Prozedur) oder Endoprothetik (bei älteren Patienten) in Betracht zu ziehen. Frakturen des posterioren Glenoidrandes sollten im jungen Patientenkollektiv indirekt durch Fadenanker (kleine Fragmente) oder direkt durch Schraubenfixierung (große Fragmente) frühzeitig chirurgisch adressiert werden. Dies dient der Vermeidung der Resorption medialisierter Fragmente und hieraus resultierender glenoidaler Knochenverluste, welche zu einer Rezidivinstabilität führen können. Dieses Phänomen der Resorption medialisierter Fragmente wurde für die AGHI beschrieben [26] und ist auch für die PGHI zu erwarten. Bei älteren Patienten sollte die operative Refixation größerer Knochenfragmente überlegt werden. Eine frühzeitige chirurgische Behandlung von kapsulolabralen Einrissen sollte nur bei jungen Patienten mit hohem funktionellen Anspruch in Erwägung gezogen werden. Anderenfalls ist eine Immobilisierung in Innenrotation empfohlen um die adäquate Reposition des kapsulolabralen Komplexes zu fördern [5]. Ein konservatives Therapievorgehen ist generell möglich, falls keine kritischen knöchernen oder weichteiligen Defekte vorhanden sind.

Abb. 2
figure 2

Arthroskopische Aufstößelung einer anteromedialen Impressionsfraktur des Humeruskopfes (inverse Hill-Sachs-Läsion) nach hinterer Schulterluxation (A2). Es erfolgt die Visualisierung über ein anterolaterales Portal (a). Ein Zielgerät wird über ein anteroinferiores Portal eingeführt (b) um einen Kischner-Draht in das Zentrum des anteromedialen Gelenkimprimates zu setzen (c). Anschließend erfolgt die Aufstößelung des Imprimates mittels kannülierter Stößel (d). Der Vergleich der präoperativen (e, f) und postoperativen Bildgebung (g, h) zeigt eine anatomische Rekonstruktion der humeralen Gelenkoberfläche

Gruppe B

Patienten mit einer rezidivierenden dynamischen posterioren Instabilität, die sich in bestimmten Bewegungsphasen entweder im Sinne einer funktionellen Instabilität (B1) oder einer strukturellen Instabilität (B2) darstellt, können der Gruppe B zugeordnet werden. Während die Anamneseerhebung hilfreich für die Identifizierung dieses Patientenkollektivs der PGHI ist, sind klinische Untersuchungen und bildgebende Verfahren die Methoden der Wahl zur Differenzierung zwischen diesen beiden Subtypen.

B1 – Funktionelle dynamische posteriore Instabilität

Eine pathologische Muskelaktivierung der Rotatorenmanschette sowie der periscapulären Muskulatur (Hypo- und/oder Hyperaktivierung) führt zu einer positionsabhängigen meist posterioren Subluxation des Humeruskopfes während bestimmter Bewegungsphasen des Armes [34], üblicherweise ohne hierbei einen strukturellen Schaden zu verursachen. Dieser Typ der PGHI ist häufig mit vorbestehenden strukturellen Defiziten wie Hyperlaxität, weiter Gelenkkapsel, einer abgeflachten Gelenkoberfläche des Glenoids oder einer erhöhten glenoidalen Retroversion aufgrund glenoidaler Dysplasie assoziiert.

Typischerweise entwickelt sich die gestörte Aktivität der Schultermuskulatur atraumatisch während der Adoleszenz.

Bei der funktionellen hinteren Instabilität ist ein konservativer Therapieansatz empfohlen

Klinisch klagen betroffene Patienten meist über eine schmerzhafte oder schmerzlose, unfreiwillige Dislokation des Humeruskopfes, welche positionsabhängig bei bestimmten Bewegungen des Armes auftritt. Dies wird oftmals von einem pathologischen Bewegungsmuster des Schulterblattes begleitet. Bisweilen ist eine willkürliche Dislokation durch gezielte Muskelanspannung möglich. Die klinische Untersuchung ermöglicht eine weitere Differenzierung der funktionellen Instabilität. Klinische Tests wie der Außenrotationstest gegen Widerstand (Wall-Slide-Test) helfen hypoaktive Außenrotatoren zu identifizieren [10, 15]. Zusätzlich kann der Scapular-Assistance-Test ein Defizit der periscapulären Muskulatur aufdecken [3, 17]. Eine bestehende Hyperlaxität sollte durch den Beighton-Score [1], Drawer-Test [9], Sulcus-Sign- [27] und Gagey-Test [7] evaluiert werden.

Obwohl diese Patientengruppe durch eine gründliche klinische Untersuchung identifiziert werden kann, sollte zusätzlich eine MRT durchgeführt werden, um erworbene strukturelle Defekte auszuschließen sowie vorbestehende begleitende strukturelle Defizite aufzudecken.

Therapeutisch ist bei diesem Patientenkollektiv ist ein konservativer Ansatz im Sinne einer intensiven Physiotherapie zur Normalisierung der Muskelaktivität empfohlen [34]. Die durchzuführende Physiotherapie sollte sich auf die Koordination des scapulären Bewegungsmusters und der Aktivierung der Außenrotatoren fokussieren [15]. Eine Pilotstudie zur Anwendung des sog. Schulterschrittmachers konnte bereits exzellente vorläufige Ergebnisse vorweisen [25]. Die chirurgische Adressierung dieser Pathologie ist zu vermeiden, da diese häufig nicht die gewünschte Stabilität wiederherzustellen vermag und oft in einer Schmerzzunahme und zusätzlicher Funktionseinschränkung resultiert [13, 14, 20, 31]. Falls eine posteriore Instabilität trotz erfolgreicher Wiederherstellung der funktionellen Komponente weiterhin besteht, kann eine chirurgische Behandlung der evidenten strukturellen Defizite in Form einer Salvagetherapie versucht werden [6].

B2 – Strukturelle dynamisch posteriore Instabilität

Bei axialer Belastung des flektierten und innenrotierten Arms können strukturelle Defekte, wie z. B. eine hintere Bankart-Läsion, kapsuläre Insuffizienz auf Basis repetitiver Mikrotraumata, posteriorer glenoidaler Knochenverlust oder eine kritische inverse Hill-Sachs-Läsion, zu rezidivierender PGHI führen. Zusätzlich kann dieser Typ der Instabilität durch eine multifaktorielle Kombination aus gleichzeitig vorliegenden vorbestehenden strukturellen und funktionellen Defiziten verstärkt werden. Hierzu zählen unter anderem die Hyperlaxität, weite Gelenkkapseln, abgeflachte Gelenkoberflächen des Glenoides, die erhöhte glenoidale Retroversion aufgrund glenoidaler Dysplasie sowie die scapuläre Dyskinesie.

Ursächlich für einen strukturellen Schaden dieses Typs der PGHI können neben einem einmalig aufgetretenen mechanischen Trauma auch eine unkoordinierte Muskelkontraktion aufgrund von Epilepsie oder eines Stromunfalls sowie repetitive Mikrotraumata sein. Falls bereits konstitutionelle strukturelle Defizite bestehen, können selbst kleinere Traumata und strukturelle Schäden zur Entstehung einer dynamischen PGHI führen.

Posteriore Subluxationen werden von den Patienten nicht zwingend als solche wahrgenommen

Klinisch treten rezidivierende Dislokationen oder Subluxationen positionsabhängig in Flexion und Innenrotation auf. Patienten berichten jedoch oftmals lediglich über Schmerzen, Kraftlosigkeit oder ein schnappendes Geräusch, da Subluxationen häufig nicht als solche wahrgenommen werden. Funktionelle klinische Test wie der Jerk-Test [12], Kim-Test [19] oder auch der Load-and-Shift-Test [12] eignen sich als hilfreiche Untersuchungsmethoden für diese Form der PGHI. Hyperlaxität sollte zusätzlich durch die bereits erwähnten Tests evaluiert werden.

Als bildgebendes Verfahren dient die MRT der Evaluation des posterioren kapsulolabralen Komplexes, des Gelenkknorpels, der Glenoidmorphologie, eventuell aufgetretener Sehneneinrisse sowie in geringem Ausmaße der Beurteilung eines knöchernen Defektes. Die CT ermöglicht eine präzise Beurteilung des posterioren glenoidalen Knochenverlustes, der inversen Hill-Sachs-Läsion und der Glenoidmorphologie.

Als Therapie sollte im Falle einer schmerzhaften und funktionell einschränkenden strukturell dynamischen PGHI ein elektives chirurgisches Vorgehen in Betracht gezogen werden, um strukturelle knöcherne oder weichteilige Defekte sowie konstitutionelle strukturelle Defizite zu adressieren:

  1. a)

    Inverse Hill-Sachs-Defekte

    Falls der Gamma-Winkel eine Defektgröße von 90° überschreitet, wird ein Verhindern der Verhakung des Defektes durch Knochenplastiken oder Weichteilgewebsdeckungen empfohlen [23].

  2. b)

    Posteriore knöcherne Defekte

    Obwohl es bis dato keinen kritischen Grenzwert für posteriore knöcherne Glenoiddefekte gibt, sollten große Knochendefekte durch Spanplastiken behoben werden [4, 21].

  3. c)

    Posteriore kapsulolabrale Defekte und Insuffizienz

    Arthroskopische Eingriffe bei Patienten mit kapsulolabralen Defekten oder Insuffizienz können signifikante Verbesserungen in Bezug auf Stabilität, Schmerzen und Funktion erzeugen [2]. Es konnte gezeigt werden, dass die Versorgung von posterioren Bankart-Läsionen mit Fadenankern (Abb. 3) ein besseres klinisches Ergebnis liefert als die Versorgung posteriorer kapsulärer Insuffizienz durch ankerlose Kapselraffung [2]. Bei posterioren humeralen Kapselabrissen (reverse HAGL) ist ebenfalls eine arthroskopische Versorgung möglich (Abb. 4).

Abb. 3
figure 3

Arthroskopische Visualisierung einer posterioren Bankart-Läsion bei einem Patienten mit dynamischer struktureller hinterer Instabilität (B2) über ein anterosuperiores Portal (a). Es erfolgt das Setzen eines inferioren Kapsel und Labrum fassenden „cinch stitch“ (b) und anschließende Fixation des Kapsel-Labrum-Komplexes über einen knotenlosen Fadenanker (c). Ein weiterer „cinch stitch“ wird nun leicht kranial vom ersten Anker gestochen (d) und ein weiterer knotenloser Anker gesetzt (e). Derselbe Vorgang wird für die Platzierung des letzten Ankers wiederholt (f, g). Das abschließende Bild zeigt eine Reinsertion des Kapsel-Labrum-Kkomplexes am hinteren Pfannenrand (h)

Abb. 4
figure 4

Arthroskopische Visualisierung eines posterioren humeralen Kapselabrisses (reverse HAGL) bei einem Patienten mit dynamischer struktureller hinterer Instabilität (B2) über ein anterosuperiores Portal (a). Es erfolgt zunächst die Platzierung von Fadenankern an den ehemaligen Ursprungsort der Gelenkkapsel am Humeruskopf (b). Daraufhin werden die Fäden der Fadenanker durch die Gelenkkapsel gestochen (c) und anschließend in Form von Matratzennähten verknotet, um eine Refixation der Gelenkkapsel am Humeruskopf zu bewerkstelligen (d)

Im Falle einer schmerzlosen dynamischen PGHI mit zusätzlichem Auftreten einer pathologischen funktionellen Muskelaktivität sollte ein konservatives Vorgehen fokussierend auf eine korrekte Scapulapositionierung und Kräftigung der Außenrotatoren durchgeführt werden [15, 18].

Gruppe C

Patienten mit einer chronischen statischen PGHI werden in Gruppe C zusammengefasst. Des Weiteren kann als Subtyp die konstitutionelle strukturelle PGHI (C1) von der erworbenen strukturellen PGHI (C2) unterschieden werden. Die Identifikation dieser Form der PGHI erfolgt durch eine gründliche Anamnese, klinische Untersuchung und zielführender Bildgebung.

C1 – Konstitutionelle statische posteriore Instabilität

Der Pathomechanismus dieser Form der PGHI ist noch weitgehend ungeklärt [35]. Mögliche Ursachen können ein konstitutionelles Ungleichgewicht der Außen- und Innenrotatoren sowie eine scapuläre Fehlhaltung sein, die zu einem exzentrischen Kontakt der artikulierenden Gelenkflächen führen und in weiterer Folge eine gesteigerte exzentrische posteriore Glenoidabnutzung bewirken. Auch können eine erhöhte glenoidale Retroversion oder in schwerwiegenden Fällen eine Malformation der scapulären Ossifikationszentren mit resultierender glenoidaler Hypoplasie eine statische posteriore Humeruskopfsubluxation bedingen.

Initial präsentiert sich diese Art der PGHI klinisch typischerweise beschwerdefrei und stellt häufig einen bildmorphologischen Zufallsbefund dar. Im Verlauf können jedoch Schmerzen aufgrund von degenerativen Veränderungen vor allem im posterioren Bereich der Gelenkpfanne entstehen [35].

Als bildgebendes Verfahren kann die MRT eine statische posteriore Humeruskopfsubluxation, Knorpel- sowie Labrumdefekte und generalisierte degenerative Veränderungen beurteilen. Die CT hilft bei der Evaluation von Knochendefekten, welche im fortgeschrittenen Stadium insbesondere im hinteren Pfannenbereich auftreten können.

Die konstitutionelle statische posteriore Instabilität stellt häufig einen Zufallsbefund dar

Als konservativer Therapieansatz sollte bereits im Frühstadium eine Physiotherapie mit Fokus auf die Humeruskopfzentrierung sowie bei fortgeschrittenen degenerativen Veränderung zur Beschwerdelinderung versucht werden. Schulterbelastende Aktivitäten während sportlicher sowie beruflicher Tätigkeiten sollten nach Möglichkeiten vermieden werden. Zu den chirurgischen Optionen zählen neben der Endoprothetik bei älteren Patienten mit fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen bei jüngeren Patienten das anteriore Weichteilgewebsrelease kombiniert mit posteriorer Kapselraffung, die posteriore Open-wedge-Glenoidosteotomie und die posteriore Knochenblockaugmentation. Letztere sind jedoch aufgrund des limitierten klinischen Ergebnisses als Rettungsoptionen beim jüngeren Patienten einzustufen [35].

C2 – Erworbene statische posteriore Instabilität

Aufgrund eines erworbenen strukturellen Schadens, welcher meist eine ausgedehnte inverse Hill-Sachs-Läsion oder posteriore glenoidale Knochendefekte umfasst, kann eine permanente posteriore Dezentrierung des Glenohumeralgelenks entstehen. Diese Fehlstellung kann zu einem rapiden Fortschreiten von degenerativen Veränderungen führen. Bei Kindern mit geburtstraumatischer Plexusläsion kann es durch die resultierende Innenrotationskontraktur der Schulter und das Kräfteungleichgewicht der Rotatorenmanschette zu einer statischen posterioren Humeruskopfsubluxation und einer ausgeprägten knöchernen Entwicklungsstörung, einschließlich posteriorer Pfannendysplasie führen.

Ursächlich entwickelt sich diese Form der PGHI meist auf Basis von strukturellen Schäden, ausgelöst durch ein mechanisches Trauma oder durch pathologische Muskelkontrakturen während eines Krampfanfalls oder eines Stromunfalles.

Die klinischen Beschwerden sind vielfältig und abhängig vom Schweregrad sekundärer degenerativer Veränderungen. Schmerz und Bewegungseinschränkung, vor allem während der Außenrotation, sowie ein prominentes Korakoid aufgrund der gesteigerten posterioren Translation des Humeruskopfes können hierbei auftreten. Eine deutlich eingeschränkte Außenrotation bei in gewissem Maße erhaltener Innenrotation und Elevation kann im Falle einer chronisch verhakten hinteren Luxation häufig beobachtet werden.

Trotz chronisch verhakter hinterer Luxation wird oft eine erhaltene Elevation beobachtet

Bildgebende Verfahren wie Standardröntgenbilder („true a.p.“ und axial) können eine posteriore Subluxation als auch eine verhakte Dislokation darstellen sowie bei der Evaluation knöcherner humeraler (inverse Hill-Sachs-Läsion) oder glenoidaler Defekte helfen. Zudem erlauben Röntgenbilder die generelle Einschätzung sekundärer degenerativer Veränderungen. Die CT ermöglicht die detaillierte Erfassung und Beurteilung von knöchernen humeralen und glenoidalen Defekte, der Dezentrierung des Humeruskopfes sowie von sekundär resultierenden degenerativen Veränderungen. Die MRT hilft bei der Einschätzung von Sehnenrissen, Knorpelschäden und Labrumdefekten. Des Weiteren können mit der MRT die Dezentrierung des Humeruskopfes sowie in geringerem Maße vorhandene knöcherne Defekte evaluiert werden.

Therapeutisch empfohlen sind die elektive offene Reposition und chirurgische Wiederherstellung der artikulierenden Gelenkoberflächen unter Beachtung der Weichteilbalancierung, um ein Wiederauftreten der posterioren Dezentrierung des Humeruskopfes zu vermeiden.

  1. a)

    Chronisch verhakte inverse Hill-Sachs-Läsion:

    Knochenspanplastiken stellen das Mittel der Wahl für die gelenkerhaltende Therapie dar ([8]; Abb. 5). Alternativ kann eine subkapitale Rotationsosteotomie als zweitrangiges Rettungsverfahren in Betracht gezogen werden [16]. Eine anatomische Endoprothese kann im Falle eines ausgedehnten Schadens der humeralen Gelenkoberfläche, einer fortgeschrittenen Omarthrose und erhöhtem Patientenalter erwogen werden ([36]; Abb. 6). Falls hierbei die Weichteilbalancierung als unmöglich erscheint und eine posteriore Redezentrierung aufgrund der chronischen Fehlstellung droht, sollte statt der anatomischen eine inverse Endoprothese zum Einsatz kommen.

  2. b)

    Posteriore knöcherne Glenoiddefekte:

    Gelenkerhaltende Maßnahmen umfassen posteriore Knochenspanaugmentationen ([32]; Abb. 7) und posteriore Open-wedge-Glenoidosteotomien [28]. Fortgeschrittene degenerative Veränderungen bei fortgeschrittenem Patientenalter können, abhängig vom Ausmaß des posterioren Glenoiddefektes und von der erzielbaren Weichteilbalancierung [11], mittels anatomischer oder inverser Endoprothese behandelt werden.

Abb. 5
figure 5

Axiale Computertomographie der Schulter eines Patienten mit ausgeprägter inverser Hill-Sachs-Läsion (a) bei erworbener statischer posteriorer Instabilität (C2) nach Krampfereignis 2 Wochen zuvor mit gleichzeitiger Luxationsfraktur der Gegenseite. Die intraoperative Darstellung zeigt die anteromediale Impressionsfraktur des Humeruskopfes (inverse Hill-Sachs-Läsion) mit Fragmentierung der imprimierten Knorpeloberfläche (b). Nach Versorgung der Gegenseite mittels inverser Frakturprothese wurde das geborgene Kopffragment als osteochondraler Autograft (c) für den Wiederaufbau der Gelenkoberfläche der ipsilateralen Seite verwendet (d)

Abb. 6
figure 6

Anteroposteriores Röntgenbild (a) und axiale Computertomographie (b) eines Patienten mit erworbener statischer posteriorer Instabilität (C2) nach hinterer Schulterluxation mit ausgedehntem inversen Hill-Sachs-Defekt. Die Verlaufsröntgenbilder nach Versorgung mittels anatomischer schaftfreier Schulterhemiendoprothese sowie Subscapularissehnenrelease zeigen ein rezentriertes Glenohumeralgelenk (c, d)

Abb. 7
figure 7

Axiale Computertomographie der Schulter eines Patienten mit erworbener statischer posteriorer Instabilität (C2) nach hinterer Schulterluxation mit Pfannenranddefekt (a). Die Verlaufsaufnahme nach arthroskopischer Versorgung mittels autologer Spanplastik und Bio-Kompressionsschrauben zeigt die knöcherne Konsolidierung sowie eine verbesserte Gelenkzentrierung (b)

Falls der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten eine Operation nicht zulässt ist die beobachtende Zurückhaltung („skillful neglect“) eine mögliche Option.

Fazit für die Praxis

Die ABC-Klassifikation ermöglicht eine einfache, aber dennoch umfassende und therapierelevante Klassifikation der PGHI. Ziel der Klassifikation ist es, die korrekte Diagnosestellung und zielführende Therapiefindung bei Patienten mit posteriorer Schulterinstabilität zu erleichtern.

Die Typ-1-PGHI umfasst Patienten mit erstmaliger posteriorer Subluxation (A1), funktioneller dynamischer PGHI (B1) oder einer konstitutionellen statischen PGHI (C1). In dieser Gruppe ist ein konservatives Therapievorgehen empfohlen. Patienten mit Typ-2-PGHI leiden an einer erstmalig aufgetretenen posterioren Dislokation (A2), einer strukturellen dynamischen PGHI (B2) oder einer erworbenen statischen PGHI (C2). In dieser Gruppe von Patienten kann unter Beachtung individueller Faktoren, wie z. B. dem Ausmaß struktureller Defekte, der Schwere der Symptome, dem zeitlichen Verlauf, dem funktionellen Anspruch, dem Alter sowie dem allgemeinen Gesundheitszustand, ein chirurgisches Vorgehen erwogen werden. Wichtig ist es dabei zu beachten, dass sich die einzelnen Subgruppen überlappen oder gleichzeitig auftreten können (z. B. funktionelle [B1] und strukturelle [B2] dynamische PGHI). Außerdem ist im Sinne einer Progression der Pathologie ein Wechsel zwischen den Hauptgruppen möglich, sodass z. B. eine erstmalig aufgetretene posteriore Dislokation (A2) sich in eine strukturelle dynamische PGHI (B2) und im weiteren Verlauf in eine erworbene statische PGHI (C2) aufgrund rezidivierender Dislokationen und progressiven degenerativen Veränderungen entwickeln kann. In wenigen Ausnahmefällen kann ein gleichzeitiges Auftreten von AGHI und PGHI im Sinne einer bidirektionalen oder multidirektionalen Instabilität beobachtet werden.

Zusammenfassend stellt die ABC-Klassifikation eine Leitlinie für die allgemein empfohlenen Therapiemöglichkeiten der posterioren glenohumeralen Instabilität dar.