Die periprothetische Infektion (PPI) einer Hüftgelenkendoprothese stellt eine der schwerwiegendsten Komplikationen im Bereich der Hüftgelenkchirurgie dar. Aufgrund der steigenden Anzahl an endoprothetischen Eingriffen bei älteren Patienten mit hohem Funktionsanspruch, aber auch mit schweren Grund- und Begleiterkrankungen, steigt die absolute Zahl sowohl der aseptischen als auch der septischen Revisionseingriffe im Bereich der Hüftgelenkendoprothetik in Deutschland kontinuierlich an. Dies stellt neben den physischen und psychosozialen Problemen für den Patienten eine sozioökonomische Herausforderung an unser Gesundheitssystem dar [1].

Aktuell tritt eine PPI einer Hüftgelenkendoprothese bei Primärimplantation in 0,2–1,1 % und bei Revisionseingriffen in ca. 5 % der Fälle auf [2, 3]. Eine Langzeitstudie, die 39.929 Patienten mit einem Follow-up von 10 Jahren untersuchte, beziffert die Wahrscheinlichkeit einer PPI in den ersten beiden Jahren nach Implantation auf 1,59 % und zwischen 2 bis 10 Jahren auf 0,59 % [4].

Aufgrund neuer diagnostischer Untersuchungstechniken wie der Sonikation, molekularbiologischer Techniken und der Bestimmung antibakterieller Peptide, welche noch nicht flächendeckend eingesetzt werden, ist davon auszugehen, dass diese Zahlen einen Teil der Low-grade-Infekte (subakute Infekte, welche klinisch durch Prothesenlockerung und unspezifische Schmerzen im Bereich der Endoprothese bei Abwesenheit von akuten Entzündungszeichen imponieren) noch nicht erfassen [5, 6].

Neusten Marktforschungsstudien zufolge ist in den nächsten Jahren von einer weiteren Zunahme der Hüftgelenkendoprothetik auszugehen. Aktuell liegt die Zuwachsrate pro Jahr bei ca. 2 % mit steigender Tendenz [7]. Dies ist zum einen auf den demographischen Wandel der Industriegesellschaften zurückzuführen, zum anderen auf die steigenden Ansprüche und Anforderungen an lebensqualitätsverbessernde Operationen einer bis ins hohe Alter aktiven Gesellschaft.

Postoperative Infektionen verursachen in der Regel sehr hohe Kosten

Im Moment ist das Verhältnis von primärer zu Revisionsendoprothetik im Bereich der Hüfte 1:10. Postoperative Infektionen verursachen in der Regel sehr hohe Kosten, im Bereich der Endoprothetik sind diese jedoch im Verhältnis immens.

In Dänemark werden 0,5 % des Jahresbudgets des Gesundheitssystems zur Behandlung von postoperativen Infektionen und deren Folgen aufgewendet. Ein direkter Vergleich verdeutlicht die massiven Kosten für das Gesundheitssystem: Die Kosten für die aseptische Revision einer Hüftgelenkendoprothese betragen 14.760 €/Patient, die Kosten für eine septische Revision hingegen 27.059 €/Patient [8]. Hieraus ergeben sich für die nächsten Jahre stark ansteigende Behandlungskosten. Schätzungen in den USA gehen von Kosten bis zu 1,62 Mrd. $ pro Jahr aus.

Dem klinischen Vorgehen bei PPI wird in den nächsten Jahren eine noch größere Bedeutung zukommen.

Vor allem das standardisierte evidenzbasierte Vorgehen unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen des Gesundheitssystems wird in den Mittelpunkt rücken.

Klassifikation von Hüftendoprotheseninfektionen und Keimspektrum

Während früher oftmals die Unterscheidung von akuten und subakuten Infekten üblich war, orientiert sich die derzeit geläufige Einteilung eher an den Behandlungsmöglichkeiten der PPI. Die Therapie von PPI zielt v. a. auf die Behandlung des Biofilms auf der Implantatoberfläche ab. Grundsätzlich unterteilt man die PPI heute anhand des Reifegrades des Biofilms.

Akute Infektionen, die entweder direkt postoperativ auftreten oder durch eine hämatogene Streuung ohne zeitlichen Zusammenhang zur Implantation, also auch Jahre oder Jahrzehnte später auftreten, zeigen im Anfangsstadium einen noch unreifen Biofilm. Die Zeitangaben bezüglich der Definition eines unreifen Biofilms variieren in der Literatur zwischen 14 und 90 Tagen, wobei bereits nach 24 h eine relevante Biofilmbildung zu beobachten ist.

Die Bewertung des Biofilms ist für die Wahl des therapeutischen Verfahrens bedeutsam, da bei unreifem Biofilm ein prothesenerhaltendes Vorgehen möglich ist [9]. Unserer Erfahrung nach ist der Zeitraum bis 4 Wochen nach Implantation erfolgversprechend für ein prothesenerhaltendes Vorgehen. Auch bezüglich hämatogener Infekte wird die zeitliche Grenze für ein prothesenerhaltendes Vorgehen, bezogen auf die Dauer der Symptome, uneinheitlich definiert, wobei meist maximal 3 Wochen angegeben werden, was auch unserer Erfahrung entspricht [10, 11]. Jedoch scheint die Erfolgsquote bei möglichst früher Intervention höher zu sein.

Von diesen „Frühinfekten“ mit unreifem Biofilm sind Infektionen zu unterscheiden, die bereits einen reifen Biofilm ausgebildet haben. Dies sind entweder postoperative Infektionen oder hämatogen gestreute Infektionen, die über die oben genannten Zeiträume hinausgehen, meist Low-grade-Infekte durch niedrig virulente Keime und persistierende PPI [12, 13].

Als häufigste Erreger von akuten PPI sind Staphylococcus aureus, Streptokokken, Enterokokken und gramnegative Bakterien zu nennen. Low-grade-Infektionen werden klassischerweise durch Keime der Hautflora verursacht, welche das Implantat während der Operation kontaminieren. Zu den häufigsten Erregern gehören koagulasenegative Staphylokokken (Staphylococcus epidermidis, Staphylococcus hominis, Staphylococcus haemolyticus, Staphylococcus capitis und Staphylococcus warneri) sowie Proprionibacterium acnes. Eine besondere Herausforderung stellen sog. „Difficult-to-treat-Erreger“ dar, hierunter versteht man Erreger, gegen die keine primär biofilmaktive antibiotische Substanz verfügbar ist, wie z. B. Rifampicin-resistente Staphylokokken oder Chinolon-resistente gramnegative Stäbchen [14].

Diagnostisches Vorgehen

Anamnese und Dokumentation

Das klinische Vorgehen sollte durch eine ausführliche und strukturierte Anamnese begonnen werden. Hierbei finden sich viele Hinweise, die für die spätere Therapieentscheidung eine Rolle spielen. Grundsätzlich ist natürlich die Dauer der Symptome und explizit die Art der Symptome abzufragen und zu dokumentieren. Ort und Zeitpunkt der Erstimplantation sind zu erfragen und der Prothesenausweis als Kopie der Patientenakte hinzuzufügen. Neben der allgemeinen orthopädischen Anamnese sind antibiotische Vorbehandlungen und der direkte postoperative Verlauf genau zu klären. Oftmals berichten Patienten über kurz nach der Primäroperation aufgetretene Hämatome, Revisionen, verzögerte oder sekundäre Wundheilung, Vakuumtherapien oder eine verlängerte antibiotische Therapie oder gar Dauertherapie.

Bezüglich der Antibiotika ist die Dosierung und Dauer der Einnahme festzuhalten. Explizit sind Allergien zu erfragen und dabei besonders auf Antibiotika-, Metall-, und Knochenzementallergien einzugehen. Bei Verdacht ist eine weitere allergologische Abklärung zu initiieren.

Endogene Risikofaktoren für PPI sind einzeln zu erheben: Voroperationen im Bereich der Hüfte, Diabetes mellitus, Adipositas, Alkohol-, Nikotin- oder Drogenabusus, Immunsuppression (Kortison, „disease modifying antirheumatic drugs“), klinisch manifeste Infektionen und Bakteriämien (Harnwegsinfekte, chronische Infekte des Haut- und Unterhautgewebes, Zahnstatus etc.), vorausgegangene PPI auch an anderen Lokalisationen oder chronische Wunden. Es bietet sich an, bei Verdacht auf PPI einen standardisierten Anamnesebogen zu verwenden.

Klinische Untersuchung

In der klinischen Untersuchung ist besonders auf Zeichen einer Infektion zu achten, wie Fieber, Rötung, Überwärmung, Schwellung und Fistel. Die Weichteilsituation sollte im Hinblick auf ein mögliches prothesenerhaltendes Vorgehen beurteilt werden. Jedoch imponieren insbesondere Low-grade-Infektionen durch einen häufig unauffälligen klinischen Befund. Unklare Schmerzen im Bereich der Hüfttotalendoprothese (-TEP) können ebenfalls ein Hinweis auf eine PPI sein.

Bildgebung

Zur Routinediagnostik gehört auch bei der Infektion von Hüftendoprothesen die Röntgenaufnahme in 2 Ebenen. Es empfiehlt sich, eine Beckenübersichtaufnahme sowie eine axiale Aufnahme nach Lauenstein anzufertigen. Der Vergleich mit patienteneigenen Voraufnahmen sollte immer erfolgen. Im Hinblick auf das weitere Vorgehen ist v. a. auf die Implantatlockerung zu achten. Hierbei ist die periprothetische Saumbildung und Migration der Implantatkomponenten ein bedeutsamer Hinweis. Bei Hüft-TEP-Infekten treten gehäuft periostale Reaktionen sowie permeative oder umschriebene Osteolysen auf [15]. Insbesondere frühe Lockerungen oder Osteolysen innerhalb der ersten 5–10 Jahre nach Primärimplantation sollten den Verdacht auf die PPI als mögliche Differentialdiagnose lenken.

Weitere Bildgebung wie Computertomographie (CT) oder artefaktreduzierte Magnetresonanztomographie (MRT) ist sinnvoll, sollte jedoch nur bei speziellen Fragestellungen erfolgen (Abb. 1). Die nuklearmedizinischen Verfahren sind in der Infektdiagnostik heute weitgehend in den Hintergrund geraten.

Abb.1
figure 1

MARS-MRT („metal artefact reduction sequences“) des rechten Hüftgelenks bei PPI und Prothesenlockerung

Blutanalyse

Eine Routinelaboruntersuchung mit Bestimmung der Entzündungs- sowie Sepsisparameter sollte immer durchgeführt werden. Diese umfasst folgende Parameter: C-reaktives Protein (CRP), Blutbild mit ggf. Differentialblutbild, Blutkörpersenkungsgeschwindigkeit (BSG), Leber- und Nierenwerte, Elektrolyte, partielle Thrombinzeit (PTT), "international normalized ratio" (INR).

Keine Laboruntersuchung ist sensitiv oder spezifisch genug, um eine PPI sicher nachzuweisen

Insbesondere bei akuten bis hochakuten PPI dient die Beurteilung der Laborwerte in Kombination mit verschiedenen Vitalparametern nach der S2-Leitlinie der Deutschen Sepsis-Gesellschaft zur Bestimmung des Operationszeitpunktes und der Intensivstationsüberwachungspflicht. Keine Laboruntersuchung ist jedoch sensitiv oder spezifisch genug, um eine PPI sicher nachzuweisen [16]. Ob unauffällige Entzündungsparameter bei fehlenden Risikofaktoren und klinischen Befunden eine PPI ausschließen, ist in der Literatur umstritten [17]. Normwertige BSG und normwertiges CRP bei Fehlen von Risikofaktoren machen eine PPI jedoch eher unwahrscheinlich [17].

Abstrichentnahme aus einer kutanen Fistel

Abstriche aus dem Fistelgang sind nicht zielführend und bringen mitunter falsche mikrobiologische Ergebnisse durch Hautflorakontamination, welche die adäquate Antibiotikatherapie verzögern. Daher sollten im Rahmen der Diagnostik keine Abstriche vorgenommen werden.

Gelenkpunktion

Die Hüftgelenkpunktion ist eine Standardprozedur, die im Rahmen der Diagnostik bei Verdacht auf PPI durchgeführt werden sollte. Neben der streng sterilen Entnahme von Synovia zur mikrobiologischen Untersuchung sollte eine zytologische Untersuchung der Gelenkflüssigkeit – sowohl im Hinblick auf die gesamte Zellzahl als auch auf die Differenzierung des Anteils neutrophiler Granulozyten (NG) – durchgeführt werden. Bezüglich der Zytologie sind verschiedene Cut-off-Grenzwerte für eine PPI beschrieben und für die klinische Routine verwenden wir aktuell folgende Grenzwerte:

  • Zellzahl: >4200 Leukozyten/µl bzw. Zelldifferenzierung: >80 % NG [18].

Die Erfahrung zeigt, dass die maschinelle Auszählung nicht selten aufgrund einer erhöhten Viskosität fehlschlägt. Daher sollte auf der Untersuchungsanordnung ebenfalls eine Handauszählung angefordert bzw. im Rahmen des Standardvorgehens eine entsprechende Handauszählung mit dem untersuchenden Labor vereinbart werden.

Als Mindestmenge für das Punktat gilt 1 ml, optimal wären allerdings 5–10 ml. Abhängig davon, ob es sich um einen (hoch)akuten oder chronischen Infekt handelt und ob eine antibiotische Vorbehandlung stattgefunden hat, ändert sich die Wahrscheinlichkeit, in der mikrobiologischen Untersuchung einen Keim nachweisen zu können. Ein antibiotikafreies Intervall von mindestens 14 Tagen wäre wünschenswert. Eine antibiotische Vorbehandlung, auch mit 14 Tage antibiotikafreiem Intervall, erhöht jedoch grundsätzlich die Rate der falsch-negativen Ergebnisse [19].

Über die Sensitivität und Spezifität der mikrobiologischen Untersuchung von Synovialflüssigkeit besteht Uneinigkeit [20]. Besonders bei langsam wachsenden Keimen, die v. a. für Low-grade Infektionen typisch sind, ist ein Keimnachweis mitunter schwierig (z. B. bei Propionebacterium acnes). Aus diesen Gründen ist eine Inkubationsdauer von 10–14 Tagen unbedingt anzustreben [21].

Biopsie von periprothetischem Gewebe

Die (arthroskopische) Gewinnung von Biopsien des periprothetischen Gewebes zur mikrobiologischen Untersuchung ist bei dem Verdacht auf Low-grade-Infektionen der Hüft-TEP indiziert, wenn kein Keimnachweis in der Aspirationspunktion durchgeführt werden konnte, jedoch Zellzahl oder Zelldifferenzierung eine PPI vermuten lassen.

Entscheidend für eine sichere Diagnostik ist der Entnahmeort der Biopsien

Die bioptische Probenentnahme am Hüftgelenk wird unter streng sterilen Bedingungen unter Voll- oder Regionalanästhesie im Operationssaal durchführt. Geeignet sind in leichter Hüftflexion ein hohes und ein tiefes anterolaterales Portal, wie sie üblicherweise zur Adressierung des peripheren Gelenkkompartiments verwendet werden (Abb. 2). Es werden in der Regel 6 Proben des periprothetischen Gewebes entnommen und davon 5 zur mikrobiologischen und eine zur histologischen Untersuchung eingeschickt [22].

Abb. 2
figure 2

a Anatomische Landmarken zur Anlage eines hohen und tiefen anterolateralen Portals, b Anlage der Portale unter Röntgenkontrolle, c diagnostische Hüftgelenkarthroskopie zur Biopsieentnahme

Entscheidend für eine sichere Diagnostik ist der Entnahmeort der Biopsien – es sollte unbedingt die periprothetische Membran biopsiert werden und nicht unspezifisches Synovialgewebe entnommen werden. In Kombination (Gelenkpunktion und Biopsie von periprothetischem Gewebe) kann eine deutliche Steigerung der Sensitivität und Spezifität erreicht werden.

Histologisch sollte die Aufarbeitung und Beurteilung des Präparats nach Morawietz u. Krenn erfolgen (Tab. 1). Entscheidend ist die Anzahl von NG in 10 „high-power-fields“ (HPF), also bei 400-facher Vergrößerung und CD15-Färbung, Grenzwerte sind 23 NG. Beim Mischtyp besteht eine Kombination von abriebinduzierter und infektiöser periprothetischer Membran (Mischtyp aus Typ I und II). Beim Indifferenztyp sind hingegen weder abriebinduzierte noch infektiöse Charakteristika zu finden. Die Ätiologie dieses Typs ist vielfältig und reicht von mechanischen Ursachen bis zur Osteoporose [23].

Tab. 1 Histopathologische Klassifikation von gelenkendoprothesenassoziierten Erkrankungen nach Krenn

Sonikation

Entfernte Implantatkomponenten sollten – bei noch unsicherem Infektstatus oder bis dato fehlendem Keimnachweis – unter sterilen Bedingungen der Sonikation und nachfolgenden mikrobiologischen Untersuchung zugeführt werden. Dadurch lassen sich die Sensitivität und Spezifität insbesondere im Hinblick auf biofilmbildende Keime erhöhen, da im Ultraschallbad der Biofilm samt der darin enthaltenden Bakterien von der Implantatoberfläche gelöst wird [24]. Ferner ist eine Sonikation insbesondere bei Fällen zu empfehlen, bei denen bereits eine Antibiotikabehandlung eingeleitet wurde, bevor ein Keim nachgewiesen werden konnte. Trampuz et al. [6] konnten zeigen, dass mittels Sonikation insbesondere die Sensitivität nach vorherigen Antibiotikagabe ansteigt.

Die Diagnosestellung orientiert sich letztendlich an den Konsensusempfehlungen der „International Muskuloskelatal Infection Society“ [25]. Die Kriterien, durch welche eine PPI als gesichert gelten, sind in Tab. 2 aufgeführt. Problematisch ist dabei v. a., dass bei Zutreffen von weniger als 4 Nebenkriterien zwar die Infektion laut Definition nicht als gesichert gilt, eine Infektion jedoch bei weitem nicht ausgeschlossen werden kann! Insofern bleibt zu hoffen, dass neuere Diagnostika – wie beispielsweise die hochsensitive und spezifische Bestimmung von synovialen Biomarkern in der Gelenkflüssigkeit (z. B. antimikrobielle Peptiden wie Defensine etc.) – die diagnostische Lücke schließen können.

Tab. 2 Kriterien der „Muskuloskeletal Infection Society“, nach denen eine periprothetische Infektion als gesichert gilt

Therapieentscheidung

Nach der ausführlichen zuvor beschriebenen diagnostischen Abklärung sollte die folgende, für die Therapieentscheidung bedeutsame Einteilung erfolgen.

Akute bzw. hochakute PPI

Hierunter werden die Infektionen zusammengefasst, die noch keinen reifen Biofilm ausgebildet haben. Entweder handelt es sich um akute postoperative Infektionen oder um hämatogene Infekte.

Falls die zeitlichen Grenzen (s. oben) erfüllt sind, ein Infektionserreger nachgewiesen wurde, ein testgerechtes biofilmgängiges Antibiotikum verfügbar ist und das Implantat nicht gelockert ist, streben wir ein prothesenerhaltendes Vorgehen an. Dieses sollte unbedingt zeitnah erfolgen. Bei hochakuten septischen Krankheitsbildern ist die Operation auch notfallmäßig durchzuführen.

Low-grade-PPI/chronische Infektion mit oder ohne Fistelbildung

Hierrunter werden Infektionen mit einem reifen Biofilm zusammengefasst. Es kann sich um sog. Low-grade-Infekte oder aber auch chronische Infekte mit oder ohne Fistelbildung handeln (Abb. 3). Die Sicherung des Erregers steht im Vordergrund, klar strukturierte und invasive Diagnostik sollten großzügig indiziert werden. Grundsätzlich ist hier – ebenso wie bei Infektionen ohne Keimnachweis, ohne verfügbares biofilmgängiges Antibiotikum oder bei Implantatlockerung – ein Prothesenwechsel indiziert.

Abb. 3
figure 3

Chronisch fistelnde periprothetische Infektion

Therapeutisches Vorgehen

Konservatives Vorgehen (Suppression/Anlage einer stabilen Fistel)

Bei Kontraindikationen gegen eine Operation oder sehr hohem perioperativen Risiko kann auch eine suppressive antibiotische Langzeittherapie oder die Anlage einer stabilen Fistel diskutiert werden.

Ziel einer solchen Langzeitantibiotikatherapie ist eine schmerzfreie Prothese ohne Fistelung, allerdings nicht die Eradikation des Erregers. Einheitliche Empfehlungen hierfür existieren nicht, bei der Wahl der Langzeitantibiose sollten die Resistenzbildungen beachtet werden [26].

Ein engmaschiges Monitoring aller relevanten laborchemischen Parameter des Patienten und des klinischen Befunds ist angezeigt. Auf eventuelle Nebenwirkungen der Antibiotika ist hinzuweisen und der Patient zu sensibilisieren.

Alternativ hierzu kann die Anlage einer „stabilen“ Fistel in besonderen Umständen eine Möglichkeit der Infektkontrolle sein, womit häufig auch auf eine weitere Antibiotikagabe verzichtet werden kann.

Grundsätzlich sollten diese beiden Möglichkeiten eher die Ausnahme darstellen und nur nach besonderer Abwägung zum Einsatz kommen, da sich die Fistelgänge immer wieder verschließen können und Patienten dann rasch in eine Sepsis geraten können. Die Resistenzentwicklung stellt ferner ein massives Problem dar, weshalb an unserer Klinik eine Fistelanlage oder Suppression nur in absolut seltenen Fällen angestrebt wird.

Operatives Vorgehen mit Prothesenerhalt

Der Prothesenerhalt ist nur bei akuten und hämatogenen PPI in den oben genannten Zeitintervallen sinnvoll [10]. Es erfolgt eine operative Revision der Hüft-TEP über einen ausreichend großen Operationszugang. Initiale minimal-invasive Zugänge sind ggf. zu erweitern.

Eine ausreichend gute Darstellung des Operationssitus ist zwingend erforderlich.

Es ist ein schichtübergreifendes, gründliches Débridement durchzuführen, optimaler Weise wird die ursprüngliche Zugangsnarbe ausgeschnitten. Nach Entfernung aller mobilen Teile können diese zur Sonikation abgegeben werden. Nun sollte eine Spülung mittels Jetlavage durchgeführt werden. In unserer Klinik hat sich ein Standard von mindestens 9 l etabliert. Die Wirksamkeit von lokal antiseptischen Spülungen ist umstritten. Ein arthroskopisches Vorgehen ist obsolet. Nach Handschuh- und Instrumentenwechsel werden neue mobile Teile eingesetzt.

Die Weichteilsituation sollte eine Wundheilung per primam zulassen, das Implantat muss während der Operation auf eine Lockerung hin überprüft werden und biofilmwirksame Antibiotika müssen zwingend zum Prothesenerhalt zur Verfügung stehen. Ist einer oder mehrere dieser Bedingungen nicht erfüllt, sollte ein zweizeitiges Vorgehen gewählt werden.

Operatives Vorgehen mit Prothesenwechsel

Der Prothesenwechsel ist das Standardverfahren für Infektionen mit einem reifen Biofilm (Low-grade-Infektionen/chronische Infektionen mit oder ohne Fistel), für Infektionen mit Erregern, welche Resistenzen gegen biofilmaktive Antibiotika bilden und bei Infektionen, bei denen kein Infektionserreger isoliert werden kann [27, 28].

Das Grundprinzip des zweizeitigen Wechsels besteht darin, alle Prothesenkomponenten und, falls vorhanden, auch den Zement restlos zu entfernen. Da dies v. a. bei fest verankerten Prothesenkomponenten und bei zementierten Schäften ein Problem ist, kommen hier verschiedene Techniken zum Einsatz. Zum einen sollten diese Operationen nur von erfahrenen Kollegen und an Zentren für Revisionsendoprothetik durchgeführt werden. Spezielles Instrumentarium zum knochensparenden Ausschlagen der Pfanne und zur Entfernung des Schafts sollte im Operationssaal zur Verfügung stehen. Eine Fensterung des Schafts zur Lockerung und Entfernung von nicht-zementierten Prothesenstielen kann notwendig sein. Auch Zementreste, v. a. im Bereich des Femurs, können über diese Technik entfernt werden. Spezielle Zemententfernungssysteme kommen hier regelmäßig zum Einsatz. Es ist zwingend notwendig, dass alle Komponenten und der Knochenzement restlos entfernt werden. Eine Teilentfernung mit Verbleib von Komponenten oder Zement ist obsolet.

Alle Implantatkomponenten sollten mit Hilfe der Sonikation bei bis dato fehlendem Keimnachweis oder unsicherem Infektstatus untersucht werden. Periprothetisches Gewebe und Gewebe aus dem Protheseninterface muss für mikrobiologische und pathologische Untersuchung gewonnen werden.

Nach der Fremdmaterialentfernung wird ein ausführliches Débridement durchgeführt. Dies sollte ohne Zeitdruck gründlich durchgeführt werden, um den Operationserfolg nicht zu gefährden. Die Neokapsel, Narbengewebe und potentiell infiziertes Gewebe sowie freie Anteile wie Knochensequester sind zu entfernen.

In vielen Fällen bietet sich eine Implantation von antibiotikahaltigen Platzhaltern an (Abb. 4). Diese können entweder selbst geformt werden, oder es können industriell gefertigte Ausgussformen verwendet werden. Auf die Art des lokalen Antibiotikums ist zu achten, der Keim sollte bei Verwendung von Spacern im Vorfeld bekannt sein, da Knochenzement einen Fremdkörper darstellt, der ohne lokalen Antibiotikaschutz von Bakterien besiedelt wird. Nicht alle Antibiotika sind zur Verwendung in Zementplatzhaltern geeignet.

Abb. 4
figure 4

a Beckenübersichtsaufnahme einer 82-jährigen Patientin mit periprothetischem Low-grade-Infekt der linken Hüftgelenkendoprothese (Staphylococcus epidermidis), b Formspacer aus PMMA-Knochenzement (Polymethylmethacrylat), c Zustand nach Prothesenausbau und Platzhalterimplantation, d Reimplantation einer Revisionsendoprothese

Der Platzhalter hat verschiedene Funktionen. Zum einen soll die Verkürzung der Muskulatur und der periartikulären Weichgewebe verhindert werden, zum anderen eine lokale Antibiotikaabgabe und damit hohe intraartikuläre Konzentrationen erreicht werden. Auch eine gewisse Mobilität des Patienten durch Stabilität des Gelenks sollten die Platzhalter gewährleisten [29].

Die Verwendung von Platzhaltern wird in der letzten Zeit kontrovers diskutiert, v. a. bei Erregern mit Resistenzen gegen biofilmaktive Antibiotika wird dies als problematisch gesehen. Bei Verwendung von Spacern sind hohe Antibiotikakonzentrationen in den Platzhaltern anzustreben, ferner sollte die Liegezeit der Spacer auf 6–10 Wochen beschränkt werden, da bereits nach dieser Zeit eine bakterielle Besiedelung nachgewiesen wurde. Auch andere Komplikationen wie Spacerluxationen und Frakturen sind nicht selten und müssen in der Indikationsstellung zur Verwendung von Spacern beachtet werden.

Die Verwendung von Platzhaltern wird in letzter Zeit kontrovers diskutiert

Aktuell ist der Goldstandard ein langes Intervall von 6 Wochen unter Antibiotikatherapie und Entzündungszeichenmonitoring im Labor. Kurze Intervalle und einzeitige Wechsel werden von verschiedenen Arbeitsgruppen propagiert. Vorteile dieser Methoden sind mit Sicherheit die verkürzte Liegedauer des Patienten und die damit verbundene niedrigere Mortalität. In manchen Fällen lässt sich durch Kurzzeitintervalle oder einzeitige Wechsel auch eine bessere Funktion erreichen. Inwieweit Kurzzeitintervalle bezüglich Rezidivfreiheit im Follow-up mehr als 2 Jahren mit den Langzeitintervallen mithalten können, bleibt abzuwarten. Ein kurzes Intervall ist bei bekannten und unkomplizierten Erregern sowie bei Fehlen von Kontraindikationen eine zu diskutierende Behandlungsmöglichkeit. Dieses Vorgehen stellt Kliniken durch Fallzusammenführungen vor große wirtschaftliche Probleme. Ob durch die neue 2015 eingeführte Abbildung als DRG nun Kurzzeitintervalle eher kostendeckend durchgeführt werden können bleibt abzuwarten.

Der einzeitige Wechsel wird von uns aufgrund schlechter Erfahrung mit Rezidiven nicht durchgeführt. Bei den in der Literatur angegebenen relativ niedrigen Reinfektionsraten von ca. 10–15 % muss auch ergänzt werden, dass es sich dabei um ein selektioniertes Kollektiv handelt, da komplexe und schwerer zu behandelnde Fälle mit Weichteildefekten, resistenten Bakterien, Mischinfektionen etc. als Kontraindikationen ausgeschlossen wurden. Insofern sind die Ergebnisse nicht unbedingt mit den Ergebnissen des zweizeitigen Wechsels vergleichbar.

Weitere Optionen (Amputation/Girdlestone)

Exartikulationen im Bereich des Hüftgelenks stellen für den Patienten eine hochproblematische Situation im Hinblick auf die prothetische Versorgung dar. Wir sehen diese Möglichkeit als absolute Ultima ratio und führen sie vor allem bei Rezidivinfekten von totalen Femurersätzen durch.

Die ersatzlose Entfernung der Prothese kann in bestimmten Fällen eine Option sein. Vor allem bei Erregern, für die keine Antibiofilmtherapie zur Verfügung steht oder bei geringem funktionellen Anspruch des Patienten sollte diese Option individuell in Erwägung gezogen werden.

Antibiotikatherapie

Dauer und Applikationsform

In der aktuellen Literatur variieren die Angaben zur notwendigen Dauer der Therapie enorm, es werden Zeiträume zwischen 4 Wochen und 12 Monaten genannt [3032]. Verschiedene Autoren unterscheiden auch die Art der Prothese (Hüft vs. Knie) und legen jeweils unterschiedliche Zeiträume an [10]. Viele erfahrene septische Abteilungen legen 3 Monate als Therapiezeitraum fest, dieser Zeitraum wird auch in unserer Klinik verwendet [11, 33].

In der Regel erfolgt eine 14-tägige i.v.-Antibiose mit anschließender Oralisierung, wenn geeignete bioverfügbare Alternativen zur Verfügung stehen. Falls dies nicht der Fall ist wird die i.v.-Therapie über den gesamten Zeitraum fortgeführt. Generell ist für die Antibiotikatherapie die Identifizierung und Resistenztestung des Infektionserregers wichtige Voraussetzung um eine gezieltes, erregerspezifisches Therapiekonzept zu erstellen.

Biofilmaktive Antibiotika

Einer der Hauptpfeiler für das prothesenerhaltende Vorgehen ist die Verfügbarkeit von biofilmaktiven Antibiotika. Hier sind besonders Rifampicin und Fluorchinolone zu erwähnen. Neuere Studien zeigen auch die Wirksamkeit von Daptomycin und Fosfomycin [3436].

Staphylokokken

Oxacillin-sensible Staphylokokken werden mit einem staphylokokkenwirksamen Betalactam-Antibiotikum behandelt. Flucloxacillin i.v. ist in unserem Behandlungsalgorithmus Mittel der ersten Wahl.

Falls eine Oxacillin-Resistenz des Erregers vorliegt, wird Vancomycin i.v. verwendet. Hier erfolgt eine gewichtsadaptierte Dosis in Abhängigkeit der Nierenfunktion des Patienten. Das biofilmwirksame Rifampicin findet Anwendung bei prothesenerhaltendem Vorgehen und nach Reimplantation der Prothesen. Eine Rifampicin-Therapie bei liegendem Platzhalter sollte nicht erfolgen. Der postoperative Zeitpunkt, die Rifampicin-Therapie zu beginnen ist Gegenstand laufender Diskussionen. Vor allem die Resistenzentwicklung der Hautflora stellt in diesem Zusammenhand ein Problem dar.

Für Oralisierung ist eine gute Bioverfügbarkeit der Antibiotika Grundvoraussetzung. Hierfür stehen Antibiotika wie z. B. Fluorchinolone, Cotrimoxazol oder Doxycyclin zur Verfügung. Bei Prothesenerhalt oder Reimplantation erfolgt eine Kombination mit Rifampicin.

Streptokokken und Enterokokken

In der Regel erfolgt die i.v.-Therapie von Streptokokken mit Penicillin G oder alternativ Ceftriaxon, aufgrund der oft niedrigen minimalen Hemmstoffkonzentration (MHK) ist eine Oralisierung mit Amoxicillin möglich.

Eine größere Herausforderung stellen die Enterokokken dar, abhängig von der Resistenz erfolgt die Therapie mit Ampicillin und einem Aminoglykosid (Gentamicin). Diese Kombinationstherapie erfolgt für 2–4 Wochen i.v. Die Oralisierung erfolgt in der Regel mit Amoxicillin [30, 10].

Gramnegative Stäbchen

Insbesondere bei den gramnegativen Stäbchen muss die Resistenztestung berücksichtig werden. Abhängig von der Sensibilität des Erregers kommen für die initiale Therapie Betalactam-Antibiotika (i.v.) oder Ciprofloxacin (i.v. oder oral) zur Anwendung. Die Therapie sollte mit Ciprofloxacin über die geplante Therapiedauer fortgeführt werden.

Resistenzen gegen biofilmaktive Antibiotika

Eine Resistenz der Erreger gegen biofilmaktive Stoffe stellt eine große Herausforderung in der Behandlung von PPI dar. Das Therapiekonzept kann nicht standardisiert werden, chirurgische und medikamentöse Behandlung muss individuell mit einem interdisziplinären Team aus Orthopäden und Mikrobiologen/Infektiologen ausgearbeitet werden.

Fazit für die Praxis

  • Es ist ein standardisiertes diagnostisches Vorgehen bei periprothetischen Infekten des Hüftgelenks notwendig.

  • Der Keimnachweis sollte durch Stufendiagnostik erzwungen werden.

  • Das Vorgehen richtet sich nach dem Reifegrad des Biofilms.

  • Arthroskopisch gewonnene Biopsien sollten mikrobiologisch und histopathologisch aufgearbeitet werden.

  • Eine Sonikation aller entfernten Implantatkomponenten ist nötig.

  • Besondere Bedeutung für den Erfolg hat das chirurgische Débridements und die Entfernung des gesamten Fremdmaterials (Zement!).

  • Interdisziplinäre Zusammenarbeit (Orthopädie/Mikrobiologie/Infektiologie) führt zum Erfolg.

  • Eine differenzierte Antibiotikatherapie mit biofilmwirksamen Antibiotika ist notwendig.

  • Keine empirische Therapie mit Rifampicin.