Hintergrund und Fragestellung

Im Jahr 2012 wurden mehrere Debatten hinsichtlich der steigenden Eingriffszahlen endoprothetischer Versorgungen in Deutschland geführt. Der damalige Gesundheitsminister bezeichnete Deutschland als „Weltmeister bei den Endoprothesen für Knie und Hüften“ [16]. Unabhängig davon, dass Niethard et al. [8] belegen konnten, dass seit 2010 die Eingriffszahlen für die elektive Hüft- und Knieendoprothetik in Deutschland rückläufig sind, sollte in der Debatte zu endoprothetischen Versorgungen vielmehr die Konzentration auf die Sicherstellung der Ergebnisqualität und Vermeidung von Risiken bzw. Schadensfällen gelegt werden [12].

Mindestmengen

Eine Mindestmengenregelung planbarer Leistungen des Gemeinsamen Bundesausschusses wird bzgl. der Knieendoprothetik bereits seit 2006 angewendet. Diese Regelung bezweckte die Gewährleistung einer angemessenen Versorgungsqualität wie auch die kontinuierliche Versorgungsverbesserung, ohne eine flächendeckende Versorgung zu gefährden und ohne der gültigen Weiterbildungsordnung zu widersprechen [13]. Die rechtliche Wirkung der Mindestzahlen, bezogen auf Klinikeinrichtungen, war seit 2008 umstritten bis zu einem aktuellen Urteil des Bundessozialgerichts (BSG), welches Mindestzahlen im Hinblick auf Knieendoprothetik für zulässig befand, unter der Voraussetzung, dass diese eine höhere Behandlungsqualität für die Patienten bewirken [2]. Ob die spezielle Begründung für 50 Knietotalendoprothesen(K-TEP)-Implantationen inhaltlich begründet ist, wird nun vom Landessozialgericht weiter geprüft.

Um dem hohen Niveau endoprothetischer Leistungen gerecht zu werden, ist neben der Sicherstellung der Patientensicherheit eine Effizienzsteigerung seitens des Operateurs [9] erforderlich, da in Zeiten des wachsenden Kostendrucks sowohl die personellen als auch die finanziellen Ressourcen nicht linear ansteigen können.

Im Hinblick auf die Nachfrage nach mehr Transparenz im Gesundheitswesen soll ein Augenmerk darauf gelegt werden, die mögliche Bedeutung von Mindestzahlen hinsichtlich der Behandlungsqualität speziell für Operateure kritisch zu hinterfragen. Es ist durchaus denkbar, dass eine Mindestmengenregelung pro Krankenhaus, wie es das Konzept des Gemeinsamen Bundesausschusses vorsieht, nicht ausreichen könnte, sondern Mindestmengen auch und speziell für den einzelnen Operateur zu definieren sind und damit den Ansprüchen des BSG für die Vorgabe einer Mindestmenge eher inhaltlich genügen würde.

Komplikationsrisiken

Es gibt zahlreiche Studien, die darauf aufmerksam machten, dass Krankenhäuser mit geringen Fallzahlen bzgl. endoprothetischer Eingriffe im Vergleich zu Krankenhäusern mit hohen Fallzahlen ein höheres Komplikationsrisiko verzeichnen [5, 14, 15]. In einigen dieser Studien wurde zusätzlich herausgearbeitet, dass die Zahl der Eingriffe, d. h. die Qualifikation einzelner Operateure, das Komplikationsrisiko beeinflussen [4, 5, 10]. In einer früheren eigenen Studie [17] konnte festgestellt werden, dass die Operationszeiten mit wachsender Erfahrung signifikant sinken. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass die Operationszeiten, ab welcher das Komplikationsrisiko generell steigt, bei den erfahrensten Operateuren bedeutend kürzer sind als bei Ärzten in Weiterbildung.

Die Eingriffszahlen beeinflussen das Komplikationsrisiko

In der vorliegenden Arbeit soll nun unter Berücksichtigung der Operationsdauer zunächst in einer Klinikeinrichtung unter gleichen Operationsbedingungen untersucht werden, ob zum einen die Operationsdauer Einfluss auf die Ergebnisqualität nach primärem künstlichem Hüftgelenkersatz nimmt, und zum anderen, ob insbesondere mit steigender Erfahrung seitens der Operateure das intra- bzw. postoperative Komplikationsrisiko minimiert wird. Es ist dabei zu prüfen, inwieweit eine kürzere durchschnittliche Operationszeit gleichzeitig ein besseres Operationsergebnis bedeutet. Weiterhin soll untersucht werden, ob in Abhängigkeit von der Qualifikation der jeweiligen Operateure Operationsdauern gefunden werden können, ab welchen in den 3 Qualifikationsgruppen das Risiko für den Patienten, eine intra- bzw. postoperative Komplikation zu erleiden, bedeutend ansteigt.

Studiendesign und Untersuchungsmethode

In der Orthopädischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Rostock wurden für einen Zeitraum von 4 Jahren die Operationsminuten aller Operateure von 1129 aufeinanderfolgenden Hüftendoprothesenerstimplantationen retrospektiv gegenübergestellt. Die Daten wurden von der Controllingabteilung zur Verfügung gestellt. Unter der Operationsdauer wird an dieser Stelle die Schnitt-Naht-Zeit verstanden, welche von dem jeweils verantwortlichen Anästhesisten dokumentiert wurde. Die Anästhesiezeit wurde für diese Analyse nicht berücksichtigt. Für die Auswertung wurde auch die Anzahl der jeweils durchgeführten Operationen der Operateure im oben genannten Zeitraum berücksichtigt.

Zunächst wurden die Operationsdauern in 12 verschiedene Zeitintervalle à 10 min gruppiert. Abweichend davon sind die Gruppen 1 und 12, welche aufgrund der geringen Anzahl der Operationen zusammengefasst wurden. Gruppe 1 umfasst dabei die kürzesten Operationsdauern (27–40 min) und Gruppe 12 beinhaltet die längsten Operationsdauern (141–228 min).

Berechnung der Odds Ratios

Um zu prüfen, ob die Operationsdauer Einfluss auf die Ergebnisqualität nimmt, wurde mittels SPSS (Version 15.0) zu Beginn die Odds Ratio hinsichtlich der postoperativen Komplikationen für alle Operateure berechnet, ohne Berücksichtigung der Qualifikation der jeweiligen Operateure. Die Odds Ratio ist ein Vergleichsmaß, welches auf den sogenannten Odds (Chancen) basiert. Die Chance für ein Ergebnis ist somit der Quotient aus der Wahrscheinlichkeit für sein Eintreten und der Wahrscheinlichkeit für sein Nichteintreten (R = P/1-P [6]). Unter postoperative Komplikationen wurden hier intra- oder postoperative Komplikationen bis zur Entlassung des Patienten verstanden, wie z. B.

  • Gefäßläsion,

  • Nervenschaden,

  • Implantatfehllage,

  • Implantatdislokation,

  • periprothetische Fraktur,

  • Endoprothesenluxation,

  • postoperative Wundinfektion,

  • Wundhämatom,

  • Nachblutung,

  • thromboembolisches Ereignis,

  • kardiovaskuläre Komplikation,

  • postoperative Verwirrtheit,

  • gastrointestinale Beschwerden,

  • Harnwegserkrankungen oder

  • Sonstiges gemäß der BQS/AQUA-Daten.

Von den 1129 erfassten Patienten lagen Informationen über postoperative Komplikationen vor, davon traten bei insgesamt 41 Fällen postoperative Komplikationen auf. Hinsichtlich der Odds-Ratio-Berechnung für das Komplikationsrisiko wurde eine Einteilung wie bei den Operationsdauern vorgenommen. Im Anschluss daran wurde die Qualifikation aller Operateure der Klinik berücksichtigt, um zu eruieren, ob mit steigender Erfahrung die Komplikationsrate sinkt und zusätzlich, ob ab einer bestimmten Operationszeit in 3 unterschiedlichen Qualifikationsgruppen ein höheres Komplikationsrisiko besteht. Auch hier wurde die Odds Ratio je Gruppe in Abhängigkeit von den einzelnen Zeitintervallen ermittelt. Die Qualifikationsgruppen (QG) wurden aufgrund der bisherigen Anzahl implantierter Hüftendoprothesen bestimmt. Es wurden 3 Gruppen definiert:

  • die erfahrensten Operateure (Anzahl implantierter Hüftendoprothesen > 1000, QG1),

  • die erfahrenen Operateure (Anzahl implantierter Hüftendoprothesen zwischen 150 und 500, QG2) sowie

  • die Assistenzärzte (Anzahl implantierter Hüftendoprothesen < 50, QG3).

Für beide Berechnungen, Komplikationsrisiko unter Berücksichtigung aller Operateure und Komplikationsrisiko unter Berücksichtigung der jeweiligen Qualifikationsgruppe, wurden alle Patienten im Erhebungszeitraum von 4 Jahren unabhängig von Begleiterkrankungen oder Geschlecht einbezogen.

Eingeschlossen wurden Hüfterstendoprothesenimplantationen mit einem einheitlichen Implantatsystem (zementfreie Schraubpfanne mit „cross-linked polyethylene insert“, Keramikkopf mit in der Regel 36 mm Kopfdurchmesser und zementfreier oder zementierter Stiel) und gleichem Operationsweg über den anterolateralen Zugang. Hüftgelenkrevisionen sowie -erstimplantationen nach Oberschenkelhalsbruch wurden nicht berücksichtigt.

Ergebnisse

Im Erhebungszeitraum wurden hinsichtlich der Operationsdauer in allen 3 Qualifikationsgruppen signifikante Unterschiede (p < 0,001 im Kruskal-Wallis- und Mann-Whitney-Test) ermittelt. Die Verteilung aller Operationen in Abhängigkeit von der Qualifikation des Operateurs und der Operationsdauer zeigt Abb. 1.

Abb. 1
figure 1

Anzahl Operationen hinsichtlich Operationsdauer und je Qualifikationsgruppe (QG1 >1000 HEPs, QG2 150–500 HEPs, QG3 <50 HEPs). OPs Operationen, HEP Hüftendoprothese

Während der Mittelwert der Gruppe der erfahrensten Operateure (QG1) bei 53,2 ± 17,6 min, lag, betrug dieser bei den erfahrenen Operateuren (QG2) 74,5 ± 25,5 min und den weniger erfahrenen Operateuren (QG3) 80,8 ± 21,9 min. Da sowohl zementierte als auch zementfreie Stielimplantationen in diese Studie eingeschlossen wurden, wurde der Vollständigkeit halber die durchschnittliche Operationsdauer in Abhängigkeit von der Fixationsart berechnet (Tab. 1). Unter Hybrid bzw. teilzementiert wird verstanden, dass eine Komponente des Implantats, entweder Pfanne oder Stiel, zementiert ist.

Tab. 1 Operationsdauer in Abhängigkeit von der Fixationsart

Von den 1129 Patienten des zuvor genannten Erhebungszeitraums erlitten insgesamt 41 eine postoperative Komplikation. Bei den Operationen, welche unter 41 min dauerten, traten keine postoperativen Komplikationen auf. Ohne Berücksichtigung der jeweiligen Qualifikationsgruppen stellte sich heraus, dass die Operationsdauer Einfluss auf die Ergebnisqualität hat.

Die Operationsdauer hat Einfluss auf die Ergebnisqualität

Mithilfe der Odds-Ratio(OR)-Berechnung wurde festgestellt, dass ab der 91. Minute das postoperative Komplikationsrisiko um das 6,4-fache steigt (OR 6,442; Konfidenzintervall [KI] 3,564–11,645), während es beispielsweise ab der 71. Operationsminute um das 3,9-fache anwächst (OR 3,909; KI 1,979–7,720). Anders ausgedrückt, liegt ab der 91. Minute das Komplikationsrisiko bei 14,7 %, dagegen bis zur 90. Minute lediglich bei 2,0 %. Unter Berücksichtigung der Fixationsart, unterschieden zwischen teilzementiert (Hybrid), zementiert und zementfrei, wurde ermittelt, dass das Komplikationsrisiko bei teilzementierten Implantationen (OR 5,5 ab der 71. Minute, OR 7,7 ab der 91. Minute, OR 9,5 ab der 111. Minute) stärker ansteigt, verglichen mit zementfreien Implantationen (OR 2,5 ab der 71. Minute, OR 4,8 ab der 91. Minute, OR 8,4 ab der 111. Minute). Aufgrund der zu geringen Fallzahl konnten die voll zementierten Implantationen an dieser Stelle nicht berücksichtigt werden.

Operateurqualifikation

Da signifikante Unterschiede bei der Operationsdauer aller 3 Qualifikationsgruppen auftraten, wurde auch hier die OR für die verschiedenen Qualifikationen der berechnet. Wie erwartet stieg das Risiko für postoperative Komplikationen in der Gruppe der erfahrensten Operateure (QG1) bei kürzeren Operationsdauern im Vergleich zu den erfahrenen und weniger erfahrenen Operateuren. Bei den erfahrensten Operateuren der Klinik wuchs das Komplikationsrisiko ab der 51. Minute um das 3,8-fache (OR 3,846; KI 1,055–14,016), ab der 71. Minute um das 9,9-fache (OR 9,927; KI 3,264–30,195) und ab der 91. Minute bereits um das 12,0-fache (OR 12,00; KI 4,098–35,138). Hingegen besteht bei den erfahrenen Operateuren (QG2) ab der 51. Minute ein 0,8-faches (OR 0,755; KI 0,097–5,901), ab der 71. Minute ein 7,3-faches (OR 7,267; KI 0,907–58,258) und ab der 91. Minute schon ein 16,1-faches (OR 16,071; KI 3,357–76,943) Komplikationsrisiko. Aufgrund der höheren Durchschnittsdauer der Ärzte in Weiterbildung liegt ab der 51. Minute ein 0,8-faches (OR 0,850; KI 0,121–5,967), ab der 71. Minute ein 1,6-faches (OR 1,600; KI 0,599–4,277) Risiko, ab der 91. Minute ein 3,3-faches (OR 3,269; KI 1,429–7,476) Risiko und ab der 111. Minute ein 4,4-faches (OR 4,366; KI 1,809–10,538) Komplikationsrisiko vor. Wie sich das Komplikationsrisiko in Abhängigkeit von der Qualifikationsgruppe und der Operationsdauer verhält, verdeutlicht Abb. 2.

Abb. 2
figure 2

Komplikationsrate in Abhängigkeit vom Operationsdauerzeitintervall für jede einzelne Qualifikationsgruppe (QG)

Es ist ersichtlich, dass das Komplikationsrisiko bei den erfahrensten (QG1) und erfahrenen Operateuren (QG2) bei zunehmender Operationsdauer erheblich steigt, während bei den weniger erfahrenen Operateuren (QG3) ein grundsätzliches konstantes und zeitunabhängiges Risiko besteht.

Da das Risiko der ersten beiden Qualifikationsgruppen in den höheren Zeitintervallen anwächst, wurden alle Patienten mit einer Operationsdauer > 90 min (25/445 Patienten) von der Gruppe der erfahrensten Operateure im Detail betrachtet (Tab. 2). Diese detaillierte Untersuchung sollte die Ursachen der langen Operationszeiten der erfahrensten Operateure aufzeigen.

Tab. 2 Beispiele für Ursachen der Operationsdauer > 90 min der erfahrensten Operateure

Aus Tab. 2 wird ersichtlich, dass die Operationen mit einer Dauer von über 90 min aufgrund entweder erwarteter oder unerwarteter Ereignisse nachvollziehbar länger dauerten. Von diesen 25 Operationen hatten 5 Patienten eine post- bzw. intraoperative Komplikation und damit ein deutlich erhöhtes Komplikationsrisiko (20 % bei Operationsdauer > 90 min vs. 1,67 % bei Dauer < 90 min bei QG1).

Nachstehend wird graphisch das Komplikationsrisiko in Abhängigkeit der 3 Qualifikationsgruppen und der Fixationsart dargestellt (Abb. 3). Auch hier konnten aufgrund der zu geringen Fallzahl voll zementierte Implantationen nicht berücksichtigt werden. Es zeigte sich (Abb. 3), dass das Komplikationsrisiko bei den erfahrensten Operateuren im Gegensatz zu den weniger erfahrenen schon in den kurzen Zeitintervallen hoch ist, was darauf schließen lässt, dass die erfahrensten Operateure überwiegend multimorbide Patienten operieren, während bei den weniger erfahrenen Operateuren zu keinem Zeitpunkt ein gravierend hohes Risiko besteht. Unter Berücksichtigung der Fixationsart wird ersichtlich, dass bei teilzementierten Implantaten das Risiko einer Komplikation etwas höher ist als bei zementfreien Implantaten.

Abb. 3
figure 3

Komplikationsrisiko in Abhängigkeit von der Qualifikationsgruppe und der Fixationsart. (H  Hybrid, zf zementfrei)

Eine Übersicht über das gesamte Komplikationsrisiko je Qualifikationsgruppe stellt Tab. 3 dar.

Tab. 3 Generelle Komplikationsrate pro Qualifikationsgruppe unabhängig von der Operationsdauer

Diskussion

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass mit längeren Operationszeiten das intra- und postoperative Komplikationsrisiko (bis zur Entlassung des Patienten) ansteigt. Mittels Odds-Ratio-Berechnung konnte nachgewiesen werden, dass bei sehr langen Operationszeiten das Komplikationsrisiko erheblich höher ist. Da der Begriff Komplikation in dieser Untersuchung an die Daten der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) angelehnt wurde, lässt sich jedoch nicht exakt ableiten, welche Komplikationen signifikant ansteigen. Dass das Infektionsrisiko mit steigenden Operationszeiten zunimmt, ist bereits bekannt [1, 3, 5, 7, 10]. Ob sich diese Beobachtungen für Spätkomplikationen generell verallgemeinern lassen, bleibt offen.

Weitere Limitationen dieser Arbeit sind, dass keine Risikoadjustierung der Patienten vorgenommen wurde und die Unterschiede in der Verweildauer keine Berücksichtigung gefunden haben. Das scheint jedoch für eine erste Analyse vertretbar zu sein.

Ob es zu einer verlängerten Operationszeit kommt, lässt sich nicht anhand des Alters, BMI (Body Mass Index) oder vorhandener Begleiterkrankungen vorhersagen [11, 12]. Die Erfahrung des jeweiligen Operateurs scheint hier einen nicht unerheblichen Einfluss zu haben. Unsere Ergebnisse zur Komplikationsrate unter Berücksichtigung der jeweiligen Operateurqualifikationsgruppe und der Operationsdauer zeigen, dass das Risiko der erfassten Komplikationen bei den erfahrensten und den erfahrenen Operateuren in den kürzeren Zeitintervallen bedeutend kleiner ist als bei längerer Operationsdauer. Hingegen operieren die Ärzte in Weiterbildung generell etwas langsamer als erfahrene Operateure, doch steigt das Komplikationsrisiko mit zunehmender Operationsdauer nur vergleichsweise gering an. Es kann also nicht geschlussfolgert werden, dass ein Arzt in Weiterbildung mit einer höheren Operationsdauer zugleich ein schlechteres Operationsergebnis bzgl. der Komplikationsrate erzielt. Es sind also weitere Analysen erforderlich, um zu klären, welche Faktoren auf die Prognose von Operationszeiten einen signifikanten Einfluss haben.

Es war ein Ziel dieser Studie, eine bestimmte Operationsdauer als Qualitätsindikator in den einzelnen 3 Qualifikationsgruppen zu bestimmen. Allerdings lässt sich kein genereller Zeitpunkt festlegen, ab dem eine Operation risikobehaftet ist, da die durchschnittliche Operationsdauer sehr stark vom jeweiligen Operateur abhängt, was anhand der dargestellten interindividuellen Streuung sichtbar wird. So operiert die 2. Qualifikationsgruppe durchschnittlich etwa 20 min länger als die erfahrenste Qualifikationsgruppe (QG1). Jedoch ist das postoperative Komplikationsrisiko bei dieser nur minimal 0,3 % höher im Vergleich zu den Erfahrensten. Ein Zeitpunkt, ab welchem das Komplikationsrisiko steigt, kann unter Berücksichtigung der 3 Qualifikationsgruppen nicht allgemein gültig definiert werden. Diese offene Frage lässt sich nur im Rahmen einer breit angelegten multizentrischen Datenerhebung im Detail evaluieren.

Die QG3 operiert im Mittel nur ca. 6 min länger als QG2, hat aber ein erhöhtes Komplikationsrisiko von 5 vs. 3 %. Daraus lässt sich schließen, dass weniger die Operationszeit Einfluss auf das Ergebnis hat, als die Erfahrung des jeweiligen Operateurs. Dafür würde auch sprechen, dass sich innerhalb einer Gruppe die Operationszeiten einzelner Operateure, beispielsweise in QG2, sehr stark unterscheiden, ohne dabei das Ergebnis der Komplikationsrate der einzelnen Operateure zu beeinflussen.

Auf der anderen Seite steigt das Komplikationsrisiko erheblich, wenn ein Operateur seine durchschnittliche Operationszeit stark überschreitet. Eine allgemeine Aussage lässt sich hier nur soweit ableiten, dass mit wachsender Operationserfahrung die durchschnittliche Operationszeit und das Komplikationsrisiko sinken, sich bei schwierigen intraoperativen Verhältnissen trotzdem Operationsdauer und Komplikationsrisiko erhöhen.

Die individuelle Operationsdauer sollte als Qualitätsindikator beachtet werden.

Die erhöhte Operationsdauer zeigte einen erhöhten operativen Aufwand und eine erhöhte Komplikationswahrscheinlichkeit. Es ist zu beachten, dass individuelle Operationszeiten und der Eintritt von Komplikationen zwar korrelieren, nicht aber alle Komplikationen voraussehbar sind und nicht jede verlängerte Operationszeit auch wirklich zu einer Komplikation führt.

Für die Gruppe der weniger erfahrenen Operateure hingegen konnte in unserer Studie ein derartiger Qualitätsfaktor nicht festlegt werden, da hier ein konstantes zeitunabhängiges Komplikationsrisiko vorlag. Mit einem individuell definierten Qualitätsfaktor, in welchem sich die Operationsdauer ausdrückt, könnte im Rahmen des internen Risiko- und Qualitätsmanagements der Zeitfaktor einbezogen werden. Bei Überschreiten der erfahrungsabhängigen Operationsdauer kann im Qualitätsmanagementsystem an reproduzierbarer Stelle ein Vermerk zur Begründung der längeren Operationszeit festgehalten werden. Damit kann retrospektiv analysiert werden, ob und warum es aufgrund vorhersehbarer Umstände, wie z. B. Zustand nach Umstellung oder unvorhersehbarer Umstände zu intraoperativen Komplikationen gekommen ist.

Im Rahmen eines etablierten Risiko- und Qualitätsmanagements können auf der Basis der hier erarbeiteten Ergebnisse risikobehaftete Operationen definiert und identifiziert werden. Insbesondere im Falle unvorhersehbarer Komplikationen können alle Operateure der jeweiligen Einrichtung durch deren standardisierte Offenlegung vom Risiko- und Qualitätsmanagement profitieren. Bei vorhersehbaren Komplikationsrisiken könnte an Hand dieser risikobezogenen Daten die optimale Auswahl des geeigneten Operateurs erfolgen. Zudem könnten die individuellen Bedürfnisse zur Nachschulung sowie die Eignung des verwendeten Implantatsystems bzw. des zugehörigen Instrumentariums regelmäßig überprüft und dem Erkenntnisstand angepasst werden. Erkenntnisse aus der ermittelten Komplikationshäufigkeit und deren Ursachen sowie Operationsdauern können in der Kostenkalkulation, Personal- und Ressourcenzuteilung und Risikokalkulation Berücksichtigung finden.

Fazit für die Praxis

  • Der Operateur und speziell seine Erfahrung sind von wesentlicher Bedeutung. Mindestmengenregelungen bezogen auf die operierende Einrichtung ohne Berücksichtigung der Operateure sind eine wichtige Grundlage einer hohen Ergebnisqualität und ein Beitrag zur Erhöhung des Patientenschutzes. Als weitere Verbesserung können die Mindestmengen speziell für den einzelnen Operateur zur Sicherstellung der Behandlungs- wie auch Ergebnisqualität der Patienten definiert werden.

  • Die Erfahrung des Operateurs, gemessen an der Summe aller Eingriffszahlen, beeinflusst signifikant die Operationsdauer. Diese wiederum hat einem deutlichen Einfluss auf die Ergebnisqualität. Bei den hier gebildeten Gruppen von erfahrensten und erfahrenen Operateuren steigt das Komplikationsrisiko erst bei zunehmender Operationsdauer erheblich, während bei den weniger erfahrenen Operateuren ein operationsdauerunabhängiges Risiko besteht. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, in einem internen Qualitätsmanagementsystem den Qualitätsparameter – Operationsdauer in Relation zur individuellen Erfahrung des Operateurs – aufzunehmen, da bei jedem Operateur ab einer gewissen Operationsdauer das Komplikationsrisiko erheblich steigt.