Die Schulter ist eines der am häufigsten von Sportverletzungen betroffenen Gelenke, so treten z. B. über 70 % aller Schulterluxationen beim Sport auf [24]. Die Komplexität der anatomischen Strukturen der Schulter und die vielfältigen möglichen Verletzungsmechanismen im Sport gehen mit einem sehr breiten Pathologiespektrum einher. Im Folgenden soll ein Überblick über die Häufigkeiten, Arten und Entstehungsmechanismen dieser Verletzungen in Abhängigkeit von verschiedenen Sportarten gegeben werden.

Hintergrund

Die Schulter mit ihren 4 separaten Gelenken und über 16.000 möglichen Positionen des Arms im Raum stellt das mit Abstand beweglichste Gelenk des menschlichen Körpers dar [24]. Es ist damit auch für viele Sportarten das zentrale biomechanische Element zur Erbringung der sportlichen Leistung und dadurch oft einer besonderen Beanspruchung ausgesetzt. Dies zusammen mit dem enormen Bewegungsumfang und der geringen knöchernen Führung erklärt die hohe Verletzungsanfälligkeit der Schulter im Sport (Tab. 1; [8]).

Tab. 1 Häufigkeit von Verletzungslokalisationen in verschiedenen Sportarten

Akute Verletzungen und Überlastungsschäden der Schulter

Grundsätzlich müssen akute traumatische, also durch einen adäquaten Unfall bedingte Verletzungen der Schulter, von den chronischen Überlastungsschäden des Sportlers unterschieden werden (Abb. 1). Zu den häufigsten akuten Verletzungen zählen v. a. die traumatischen, also erworbenen Schultergelenkinstabilitäten mit Kapsel-Labrum-Läsionen (Abb. 2), Sprengungen des Schultereckgelenks und die akuten Ausrissverletzungen der Rotatorenmanschette (Abb. 3; [23, 26, 37, 45]). Selten kann es v. a. bei Extremsportarten durch die hohe einwirkende Energie auch zu schweren Verletzungsmustern mit einer Kombination mehrerer Pathologien wie z. B. einer mehrfragmentären Luxationsfraktur des Humeruskopfs oder einer „floating shoulder“ kommen.

Abb. 1
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Repetitive Hyperextensions- bzw. Hyperangulationsbewegungen führen zu chronischen Überlastungsschäden der Schulter. Dabei können aber auch z. B. durch direkte Krafteinwirkung, wie hier durch einen Gegnerkontakt, akute Verletzungen entstehen. (Mit freundl. Genehmigung von Jan Kuppert, freier Fotojournalist, Potsdam)

Abb. 2
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Arthroskopisches Bild einer akuten Bankart-Läsion nach traumatischer Schultererstluxation eines Turmspringers

Abb. 3
figure 3

Arthroskopisches Bild einer traumatischen artikularseitigen Rotatorenmanschettenruptur nach Sturz mit direktem Trauma beim Ringen

Besonders bei Wurf- und Überkopfsportarten kommt dagegen den chronischen Überlastungsschäden, bedingt durch repetitive Mikrotraumen, eine entscheidende Bedeutung zu. Dabei werden überwiegend Verletzungen der inneren Schichten der Rotatorenmanschette (Abb. 4), strukturelle Schäden des Pulley-Systems und der langen Bizepssehne (Abb. 5) und des Bizepssehnenankers, aber auch Knorpelschäden beobachtet [8, 9, 11, 28, 30, 34]. Auch muss bedacht werden, dass aus unbehandelten oder unerkannten Verletzungen über die Zeit ein chronischer Zustand entstehen kann [17].

Abb. 4
figure 4

Arthroskopisches Bild einer durch repetitive Belastung bedingten artikularseitigen Rotatorenmanschettenpartialruptur eines Geräteturners

Abb. 5
figure 5

Arthroskopisches Bild einer Pulley-Läsion mit Bizepssehnenteilruptur eines Tennisspielers

Auch Kombinationen aus akuter Verletzung und chronischem vorbestehendem Überlastungsschaden („acute on chronic“) finden sich mit zunehmender Häufigkeit.

Zur Klärung der Ätiologie und Pathobiomechanik der Verletzung sind eine detaillierte Anamnese und Befunderhebung von großer Bedeutung. Diese sollte durch eine apparativer Diagnostik, die je nach Befund und Anamnese Röntgen, Sonographie, MRT und/oder CT enthalten kann, ergänzt werden, um eine möglichst rasche und präzise Diagnose zu stellen, die Möglichkeiten der weiteren Versorgung mit dem Sportler zu besprechen und Erfolgsaussichten aufzeigen zu können [2, 24, 32].

Wurf- und Schlagsportarten

Schon früh führte das bei Wurfsportarten häufige Auftreten von Schulterbeschwerden zur Entstehung des Begriffs der sog. „Werferschulter“ („throwing shoulder“), unter den alle chronischen und überlastungsbedingten Verletzungen der Schulter bei Wurfsportlern gezählt wurden. Da sehr ähnliche Beschwerdekonstellationen mit der Zeit für immer mehr Sportarten beschrieben wurden, kam es zu einer immer weiteren Ausdehnung des Begriffs, sodass mittlerweile die Bezeichnung „Sportlerschulter“ („athlete’s shoulder“) Einzug in die Fachliteratur gefunden hat. Unter diesem etwas unscharf definierten Begriff werden Schulterschmerzen subsumiert, die in fast allen schulterbelastenden Sportarten in Zusammenhang mit wiederholter, sportartspezifischer Überkopfbelastung wie z. B. Wurf- bzw. Ausholbewegungen beschrieben werden [5, 6, 8, 11, 26, 28, 37]. Häufig betroffen ist dabei der Wurfarm von Baseball-Pitchern und Handballspielern (Tab. 1; [27]).

Der Begriff „Sportlerschulter“ ist in die Fachliteratur eingegangen

Die Problematik kann aber auch bei allen anderen Sportarten mit hoher Überkopf- oder Wurfarmbelastung auftreten. Als Ursache werden u. a. eine initial hypermobile Schulter, die für die Ausholbewegungen zur Entwicklung extremer Beschleunigungsmomente nötig ist, und eine als Anpassungsreaktion in der Folge auftretende dorsale Kapselverkürzung, das sog. GIRD-Syndrom (glenohumerales Innenrotationsdefizit) verantwortlich gemacht [5, 6, 7, 9, 27]. Diese kann dann durch Dezentrierung des Humeruskopfs und die wiederholte Überlastung Ursache für die vom Sportler beschriebenen Beschwerden sein. Die Symptomatik ist komplex und stellt sich oft als Kombination aus Instabilität und Impingement, also einer Dysbalance zwischen Beweglichkeit einerseits und Stabilität bzw. Einklemmungsphänomenen (glenohumerales postero- oder anterosuperiores Impingementsyndrom) andererseits dar [37].

Burkart et al. [5, 6, 7] beschrieben dieses Phänomen initial bei Baseball-Pitchern. Jobe et al. [26] vermuten eher ein durch die Aufweitung der vorderen Kapsel bedingtes Instabilitätsimpingement mit dadurch bedingten Sekundärschäden. Hierdurch könnte z. B. die für Handballspieler, aber auch für andere Wurfsportarten beschriebene hohe Prävalenz von Rotatorenmanschettenpathologien (83 %), LBS-Läsionen (lange Bizepssehne, 40 %), Superior-labrum-anterior-to-posterior(SLAP)-Läsionen (26 %), Labrumläsionen (9,4 %) und Bursitiden (20 %) erklärt werden (Tab. 2).

Tab. 2 Anteil verschiedener Schulterpathologien bei Verletzungen in ausgewählten Überkopfsportarten

Artistik- und Individualsportarten

Betrachtet man die Häufigkeit von Schulterverletzungen (Tab. 1), findet man auch bei den Individualsportarten hohe Inzidenzen, wie z. B. beim Turnen (21 %) oder beim Rudern (ca. 34 %), lediglich unterkörperbetonte Sportarten wie z. B. das Tanzen (9 %) sind mit weniger Schulterverletzungen vergesellschaftet.

In einer eigenen Untersuchung konnte gezeigt werden, dass auch im Turnsport eine bilaterale Form des GIRD-Syndroms mit entsprechender Alters- und Trainingsabhängigkeit beobachtet werden kann. Auch bei den oben genannten Sportarten werden die für das GIRD-Syndrom charakteristischen Folgeverletzungen wie SLAP-Läsionen, Rotatorenmanschettenrupturen und anteriore Labrumverletzungen beschrieben [3, 16, 46].

Aus epidemiologischen Kohortenuntersuchungen geht hervor, dass bei vielen schulterbelastenden Individual- und Artistiksportarten häufig Rotatorenmanschettenläsionen vorliegen.

So fanden z. B. De Carli et al. [9], dass bei Leistungsturnern über 75 % der Athleten pathologische Veränderungen der Rotatorenmanschette aufwiesen, davon 14,3 % Partial- und 5,5 % Komplettrupturen. Aber auch beim Schwimmen, den Kampfsportarten und dem Gewichtheben sind diese Verletzungen häufig anzutreffen. Auch hier beobachtet man 2 Erscheinungsformen: zum einen akute traumatische Sehnenaus- bzw. -einrisse, zum anderen degenerative Rissbildungen auf dem Boden chronischer Überlastungsschäden [8, 17, 27, 32, 37].

Daneben kommt es gerade in den Individualsportarten wie dem Schwimmen, aber auch dem Gewichtheben und Bodybuilding neben den Akutverletzungen durch die oftmals gleichförmige Belastung der Schulter über ein langes Zeitintervall zu Bursitiden und Einklemmungsphänomenen in Folge einseitiger Belastung der Hauptmuskelgruppen [15, 18, 47]. So können neben den klassischen externen Impingementformen wie dem subakromialen Impigement (externes Outletimpingement) oft auch funktionelle Einklemmungsphänomene als Folge einer mangelnden Skapulaführung z. B. durch eine skapulothorakale Dyskinesie, die in der Regel durch eine muskuläre Dysbalance der Schultergürtel- und oberen Wirbelsäulenmuskulatur bedingt ist, auftreten [6, 29].

Eine weitere Pathologie, die z. B. beim Kunstturnen oder Turmspringen beobachtet werden kann, ist die chronische Schulterinstabilität [42]. Sie ist gekennzeichnet durch wiederkehrende Luxationsereignisse oder Subluxationen, die zu Verletzungen des Labrums und zu einem Verlust der knöchernen Stabilisatoren des Schultergelenks führen können. Grund sind oft eine habituelle Hyperlaxität oder wiederholte Luxationen nach initialer traumatischer Luxation. In dieser Situation ist eine detaillierte radiologische Diagnostik erforderlich, um einen relevanten knöchernen Substanzdefekt nicht zu übersehen [30, 41].

Kontakt- bzw. Extremsportarten

Auch in den Kontakt- und Extremsportarten machen Schulterverletzungen einen großen Teil der Gesamtverletzungshäufigkeit wie z. B. beim Downhill-Mountainbiking (17 %), beim Rugby (14,6 %) oder dem Snowboarden (14 %) aus (Tab. 1).

Bei Sportarten mit häufigem Körperkontakt oder Zweikampfsituationen ist die traumatische Schulterluxation nach der Akromioklavikular(AC)-Gelenksprengung das mit Abstand häufigste Verletzungsmuster im Schulterbereich [15, 19, 31, 33]. Sie tritt in der Regel durch einen Sturz auf den angehobenen Arm oder durch eine Krafteinwirkung auf den abgespreizten und nach außen gedrehten Arm, wie dies auch häufig bei Ballsportarten wie Football, Handball oder auch im Fußball vorkommt, auf. Besonders gefährdet sind dabei Sportarten mit gezieltem Körperkontakt und Zweikampfsituationen wie Rugby, Ringen und Kampfsportarten wie Judo und Karate (Tab. 1). Strukturelle Folge der akuten vorderen Schulterluxation ist in den meisten Fällen die Ausrissverletzung des Kapsel-Labrum-Komplexes (Bankart-Läsion) mit begleitender posterolateraler Impression des Oberarmkopfs (Hill-Sachs-Läsion [23]). Vor allem bei älteren Sportlern muss auch immer nach Rupturen der Rotatorenmanschette gesucht werden [37]. Auch sollte nicht übersehen werden, dass Luxationen mit einer hohen Rate an Glenoidverletzungen einhergehen. So kommt es bei Erstluxationen in bis zu 41 % der Fälle zu Substanzdefekten des Glenoids, bei rezidivierenden Luxationen sind es sogar fast 90 %. In ca. 20 % der Fälle kommt es zu einer Pfannenrandfraktur [22].

Schultereckgelenksprengungen gehören, wie bereits erwähnt, in den Kontaktsportarten zu den häufigsten Verletzungen des Schultergürtels überhaupt (Abb. 6). Sie machen mehr als ein Drittel aller sportbedingter Schulterverletzungen aus [14, 23, 37, 45]. Dabei ist der direkte Sturz auf den Schultergürtel mit Depression der Skapula gegenüber der Klavikula der typische Unfallmechanismus. Besonders häufig betroffen sind wiederum alle Sportarten mit hohem Sturzrisiko, wie zweikampfbetonte Mannschaftssportarten, Kampfsportarten, die Hoch- und Weitsprungdisziplinen sowie der Radsport.

Schultereckgelenksprengungen gehören bei Kontaktsportarten zu den häufigsten Schultergürtelverletzungen

Abb. 6
figure 6

Konventionelles Röntgenbild einer Akromioklavikulargelenksprengung nach direktem Trauma beim Radsport

Auch wenn es bei Extremsportarten wie z. B. dem Motocross heute dank moderner Schutzkleidung und Sicherheitsvorkehrungen bei den meisten Unfällen nur zu mehr oder weniger harmlosen Prellungen kommt, stehen auf Grund der oft hohen einwirkenden Energie bei Unfällen wie z. B. bei direkten Stürzen auf die Schulter oder Überschlagsverletzungen schwere und leider oft komplexe Verletzungen nach wie vor im Vordergrund der medizinischen Versorgung [19, 33]. Dabei kommt es häufig zu einer Kombination aus ligamentären und knöchernen Verletzungen. Diese können von einfachen AC-Gelenksprengungen und traumatischen glenohumeralen Luxationen bis hin zu schweren Luxationsfrakturen des Humerus, der Skapula und der Klavikula reichen (Abb. 7). So macht z. B. die Klavikulafraktur im Radsport oder Motocross bis zu 33 % aller auftretenden Frakturen aus [4, 19]. Treten bei großen einwirkenden Kräften Frakturen des Skapulahalses und der Klavikula auf, kann es zu einer instabilen Situation, der sog. „floating shoulder“ kommen, bei der das Schultergelenk nur noch weichteilig am Thorax fixiert ist [10]. Oft kommt diese Verletzung im Rahmen schwerer Unfälle, z. B. bei Polytraumata vor, wie sie vereinzelt im Motorsport oder dem Downhill-Mountainbiking gesehen werden [4, 21].

Abb. 7
figure 7

3-D-CT mit Klavikulastückfraktur und horizontaler Skapulablattfraktur nach Motocrossunfall

Bedeutung für die sportorthopädische/sportmedizinische Betreuung

Der medizinischen Betreuung kommt daher v. a. im professionellen Bereich eine wichtige Bedeutung zu. Dabei zeigt die Erfahrung in der täglichen Praxis, dass ein gut funktionierendes und eingespieltes Netzwerk aus betreuenden Ärzten, Physiotherapeuten, Trainerstab und im Idealfall einem Rehabilitationsmediziner, eine ideale Voraussetzung bietet, um eine schnelle und zielgerichtete Versorgung zu gewährleisten [21].

Da die Ausrüstung vor Ort meist auf das wichtigste zur Erstversorgung beschränkt ist, ist es für den primär betreuenden Arzt umso bedeutsamer, die zu erwartenden Verletzungshäufigkeiten zu kennen, aus den beobachteten Verletzungsmechanismen auf die möglichen Verletzungsmuster schließen zu können und die wichtigsten klinischen Tests und Untersuchungstechniken vor Ort sicher zu beherrschen. Nur so können auch unter teils widrigen Bedingungen und unter Zeitdruck Entscheidungen über die weitere Sportfähigkeit nach einer Verletzung und wenn nötig über die weitere Versorgung wie z. B. die Diagnostik in einer Klinik und/oder Vorstellung bei einem entsprechenden Spezialisten getroffen werden [44]. Genauso bedeutend ist für den sportlerbetreuenden Arzt aber auch das Wissen um nichtoperative Versorgungsmöglichkeiten der häufigsten Verletzungen sowie die Gestaltung der Nachbehandlung und sportspezifischen Rehabilitation [25]. Nicht zuletzt ist es auch Aufgabe der betreuenden Mediziner, auf Grundlage der Kenntnisse über die Entstehung von Schulterverletzungen gemeinsam mit Trainern und Physiotherapeuten gezielte Präventionsprogramme zu entwickeln und deren Umsetzung zu begleiten, um so die Häufigkeit von Verletzungen zu minimieren.

Fazit für die Praxis

  • Verletzungen der Schulter machen einen großen Teil der Sportverletzungen überhaupt aus. Dabei sind Art und Häufigkeit der Verletzungen u. a. stark vom jeweiligen Risiko- und Belastungsprofil der einzelnen Sportarten abhängig.

  • Neben akuten Verletzungen kommt eine Reihe chronischer Überlastungsschäden und auch Kombinationen aus beidem vor.

  • Die Kenntnis über die häufigsten Verletzungen und deren Entstehungsmechanismen ist dabei für die Behandlung und Prävention von essenzieller Bedeutung.