Die Implantation einer unikondylären Schlittenprothese bei Patienten mit einer medialen Gonarthrose zeigt mittlerweile, speziell unter Verwendung minimal-invasiver Zugänge, gute klinische Ergebnisse [1, 2]. Das Oxford-Kniesystem (Biomet, Bridgeton, Großbritannien) weist bei erfahrenen Operateuren eine Überlebensrate von 91% nach 20 Jahren auf [3]. Diese Ergebnisse sind zwar viel versprechend, dennoch sind die Standzeiten unikondylärer Schlittenprothesen in Registerdaten schlechter und liegen weiterhin unter denen von Knietotalendoprothesen (Knie-TEP). Die genauen Ursachen hierfür sind bisher nicht bekannt, weshalb sich ein hoher Bedarf an klinischer, aber auch biomechanischer Forschung ergibt [4].

Hintergrund

Die Positionierung der femoralen Komponente einer unikondylären Prothese ist durch die Anatomie der Kondylen schon teilweise vorgegeben. Speziell bei den Mobile-bearing-Prothesen ist die Postionierung der femoralen Komponente bedingt durch die Kugelform weniger kritisch in Bezug auf die Kinematik des Gelenks als die der tibialen Komponente. Die Lockerungsraten der femoralen Komponente liegen auch dementsprechend deutlich unter denen der tibialen [5]. Die Rolle der Positionierung der tibialen Komponente wurde bisher noch kaum untersucht. Insbesondere ist die Positionierung der unikondylären Schlittenprothese in der sagittalen Richtung (tibialer Slope) bisher nur in wenigen Studien untersucht worden. Dies spiegelt sich auch in den Herstellerempfehlungen wieder, die einen idealen Slope zwischen −5° und +10° angeben, was einer Spannweite von 15° entspricht (Angaben aus Operationsanleitungen von 4 verschiedener Hersteller unikondylärer Schlitten – Biomet, DePuy, Smith & Nephew, Aesculap).

Der physiologische tibiale Slope wird in der Literatur mit durchschnittlich etwa 9° angegeben und weist dabei eine erhebliche interindividuelle Spannweite von bis zu 20° auf [6, 7]. Zudem zeigen Studien, welche den Einfluss des tibialen Slopes auf die Kinematik nach totalen Knieendoprothesen (Knie-TEPs) oder nach tibialen Umstellungsosteomien (HTOs) untersucht haben, dass der tibiale Slope erheblichen Einfluss auf die Kinematik des Kniegelenks hat.

Der tibiale Slope hat erheblichen Einfluss auf die Kinematik des Kniegelenks

So wurde in einer In-vitro-Studie nachgewiesen, dass ein höherer tibialer Slope bei einer Knie-TEP mit einem experimentell angelegten engen Beugespalt die Anpassung zum Streckspalt bzgl. Varus-Valgus-, a.-p.- und Rotationslaxizität deutlich besser erzielt als ein isoliertes Release des hinteren Kreuzbandes [8]. Hofmann et al. [9] demonstrierten in einer retrospektiven Untersuchung, dass Knie-TEPs mit nichtanatomischem tibialem Slope eine erhöhte Lockerungsrate aufwiesen. Diesen Effekt konnten die Autoren auch durch eine biomechanische Studie erklären. Ebenso wurde in In-vitro-Studien festgestellt, dass die Beugefähigkeit bei Knie-TEP durch eine Erhöhung des tibialen Slopes verbessert wird [10, 11].

Auch hat der Slope einen Einfluss auf die Spannung des vorderen (VKB) und hinteren Kreuzbandes (HKB): Eine In-vitro-Studie kam zu dem Ergebnis, dass ein hoher Slope am nativen Kniegelenk ein insuffizientes HKB ausgleichen kann, während ein geringer Slope das VKB schützt [12, 13]. Ebenso wurde in vitro nachgewiesen, dass nach Ruptur des VKB eine Reduzierung des tibialen Slopes die Ventralverschiebung der Tibia reduzieren kann [14].

Daher erscheint es von Interesse, auch den Einfluss des tibialen Slopes bei der Implantation unikondylärer Schlittenprothesen zu untersuchen. Laut Registerangaben sind Abrieb und Lockerung neben dem Fortschreiten der Arthrose nach wie vor die häufigsten Ursachen für Revisionen bei unikondylären Schlittenprothesen [4]. Dementsprechend war das Ziel dieser Studie, den Einfluss des tibialen Slope auf den In-vitro-Abrieb unikondylärer Mobile-bearing-Schlittenprothesen zu ermitteln.

Material und Methoden

Implantate

Als Implantat wurde eine mediale, herkömmliche unikondyläre Schlittenprothese mit einem Mobile-bearing-Design verwendet (Univation M, Aesculap, Tuttlingen, Deutschland, Abb. 1). Die tibiale und femorale Komponente bestanden aus einer CoCr29Mo6-Legierung und das Inlay aus einem Ultra-high-molecular-weight-Polyethylen (UHMWPE). Die femorale Seite des Implantats besitzt eine vollsphärische Oberfläche, wogegen der tibiale Anteil eine plane Oberfläche besitzt. Für die Versuche wurden die Prothesen in den intermediären Größen F3 für das Femur und T4 für die Tibia verwendet.

Abb. 1
figure 1

Mediale, unikondyläre Schlitttenprothese im Mobile-bearing-Design. Das Femur hat dabei eine Kugelform, welche vollkongruent zum Inlay ist. Die Tibia ist flach. (Mit frdl. Genehmigung der Fa. B. Braun Melsungen AG)

Lateral wurde die gleiche Prothese als Platzhalter für den Knieverschleißsimulator verwendet, da eine rein unikondyläre Testung aus technischen Gründen nicht möglich ist. Die Ausrichtung der Femurkomponente erfolgte entsprechend den Herstellerangaben in einer neutralen Position (0° tibialer Slope).

Für alle Versuche wurde ein β-sterilisiertes Inlay der Größe 7 verwendet, welches eine sphärische hochkongruente Fläche zur Femurkomponente besitzt und in der Mitte eine minimale Höhe von 3 mm aufweist.

Prothesenpositionierung

Für die 1. Gruppe (n = 3) erfolgte die tibiale Positionierung der medialen Komponente mit einem neutralen Slope von 0°. In der 2. Gruppe (n = 3) erfolgte die tibiale Positionierung der medialen Komponente mit einem Slope von 8° (Abb. 2 a, b). In beiden Gruppen wurde die laterale Komponente mit einem tibialen Slope von 0° implantiert.

Abb. 2
figure 2

Einbettung der Prothese für die Simulation von a.-p. (a) und mediolateral (b). Hier mit Slopes von 8° medial und 0° lateral

Verschleißtest

Die Implantate beider Gruppen wurden mit einem kraftgeregelten servohydraulischen 4-Stationen-Knieverschleißsimulator (EndoLab GmbH, Thansau, Deutschland) für jeweils 5 Mio. Zyklen belastet. Dieser reproduziert den menschlichen Schrittzyklus wie in der ISO 14243-1:2002(E) vorgegeben. Die Implantate wurden an jeweils 3 Stationen getestet, wobei die 4. Station als Kontrolle diente und entsprechend der ISO-Norm eine axiale Belastung erfuhr [sog. „load soak control“ nach ISO 14243-1:2002(E)]. Als Synovialersatz wurde eine Lösung aus Kälberserum (Biochrom AG, Berlin, Deutschland) mit einem Proteingehalt von 30 g/l verwendet. Zur pH-Wert-Stabilisierung wurde dem Synovialersatz EDTA (AppliChem, Darmstadt, Deutschland) und als Antifungizid Amphotericin B (Biochrom AG, Berlin, Deutschland) zugegeben.

Alle 500.000 Zyklen wurden die Prothesen standardisiert gereinigt und der gravimetrische Masseverlust mittels einer Feinmesswaage (Sartorius BP211D, Göttingen, Deutschland) bestimmt. Die Verschleißrate wurde anschließend nach ISO 14243-2 ermittelt.

Statistik

Als statistischen Test verwendeten wir den Bonferroni’s Multiple Comparison Test. Ein p-Wert von <0,05 wurde als statistisch signifikant gewertet.

Ergebnisse

Auf der medialen Seite zeigte sich bei einem erhöhten tibialen Slope von 8° eine signifikant reduzierte Abriebrate im Vergleich zur Gruppe mit 0° Slope (p < 0,01). Die Abriebrate betrug in der 0° Slope Gruppe medialseitig 3,46 ± 0,59 mg/Million Zyklen und in der 8° Slope Gruppe medialseitig 0,99 ± 0,34 mg/Million Zyklen (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Abriebrate im medialen und lateralen Kompartiment in Abhängigkeit vom tibialen Slope

Lateral war der Abrieb in der 8° Slope Gruppe ebenfalls tendenziell geringer als in der 0° Slope Gruppe, dieser Unterschied war jedoch statistisch nicht signifikant. So betrug die Abriebrate in der 0° Slope Gruppe lateralseitig 2,52 ± 0,66 mg/Million Zyklen und in der 8° Slope Gruppe lateralseitig 1,43 ± 0,64 mg/Million Zyklen (Abb. 3).

Diskussion

Eine Erhöhung des tibialen Slopes von 0 auf 8° führte in dieser In-vitro-Untersuchung bei einer medialen unikondylären Schlittenprothese mit Mobile-bearing-Design zu einer signifikanten Reduktion des Abriebs.

Die verwendete Univation-Prothese (Aesculap, Tuttlingen, Germany) ist vom Design vergleichbar mit der bisher am häufigsten implantierten und untersuchten Oxford-Schlittenprothese (Biomet, Bridgeton, Großbritannien [4]). Die in dieser Versuchsreihe ermittelte Verschleißrate von 3,5 mg/Mio. Zyklen bei 0° Slope ist etwas geringer als die aktuell publizierten Ergebnisse über die Oxford-Prothese mit 5,72 mg/Mio. Zyklen [15]. Hingegen berichtete eine andere Studie, welche allerdings ein anders verarbeitetes Polyethylen verwendete, über eine deutlich höhere Verschleißrate von 9,7 mg/Mio. Zyklen beim Oxford-Schlitten [16]. Kretzer et al. [17] berichteten mit der gleichen Prothese wie in der vorliegenden Studie (Univation) über eine höhere Abriebrate von 10,7 mg/Mio. Zyklen. Diese Differenz kann durch die unterschiedlichen Versuchsbedingungen dieser Arbeitsgruppe bedingt sein, so verwendeten sie einen anderen Simulator und die Zusammensetzung des Serums war unterschiedlich.

Ebenso sind für die Verschleißraten unikondylärer Schlittenprothesen mit einem Fixed-bearing-Design unterschiedliche Daten in der Literatur zu finden. Für die Sigma-HP-Prothese (DePuy, Warsaw, USA) wurde eine Verschleißrate von 1,99 mg/Mio. Zyklen ermittelt [15]. Dagegen wurde für eine andere Fixed-bearing-Prothese (Hersteller nicht angegeben) über einen Abrieb von 6,58 mg/Mio. Zyklen berichtet [18]. Für die Univation-Prothese mit einem Fixed-bearing-Design (Aesculap, Tuttlingen, Deutschland) wurde über Verschleißraten von 8,6 und 7,51 mg/Mio. Zyklen berichtet [17, 19].

Diese Untersuchungen wurden alle mit einem tibialen Slope von 0° durchgeführt. In unserer Studie konnten wir nachweisen, dass mit einer Erhöhung des tibialen Slopes auf 8° eine signifikante Reduzierung des Abriebs auf 0,99 mg/Mio. Zyklen erzielt werden kann. Der verwendete hohe Slope von 8° entspricht dabei ungefähr dem durchschnittlichen physiologischen Slope von 9° [6, 7]. Dies könnte darauf hinweisen, dass die Implantation einer medialen Mobile-bearing-Schlittenprothese mit einem annähernd physiologischen Slope vorteilhaft hinsichtlich des Abriebs sein könnte. Allerdings sollte beachtet werden, dass der tibiale Slope interindividuell sehr unterschiedlich ist und auch Faktoren wie beispielsweise die Bandspannung beeinflusst, welche bei der Implantation unikondylärer Schlittenprothesen gerade im Mobile-bearing-Design bzgl. der Luxationskomplikation des Inlays von großer Relevanz sind.

Die Erhöhung des tibialen Slopes führte zu einer signifikanten Reduktion des Abriebs

In einer retrospektiven Studie von 32 Versagern unikondylärer Schlitten war dies in 15 Fällen durch ein posteriores oder anteriores Einsinken der tibialen Komponente bedingt. Bei den Prothesen mit einem dorsalen Einsinken war der tibiale Slope mit durchschnittlich 12,8° relativ hoch, bei den Schlitten mit einem anterioren Einsinken der tibialen Komponente hingegen war der tibiale Slope mit 4,8° relativ niedrig. Daher empfahlen die Autoren in ihrer Schlussfolgerung einen tibialen Slope von 7°, was die Ergebnisse der vorliegenden Studie unterstützen würde. Von den 15 Schlitten, welche wegen eines tibialen Einsinkens revidiert wurden, handelte es sich interessanterweise in 90% um All-polyethylen-Inlays. Ob weitere Einflussfaktoren wie z. B. eine mangelnde Abdeckung der tibialen Kortikalis durch die tibiale Prothese hierbei eine Rolle spielten, wird in dieser Studie nicht behandelt [20].

Sawatari et al. [21] wiesen in einer Finite-Element-Analyse nach, dass ein neutraler Slope von 0° den Knochenstress unter der Prothese reduziert. Bei dem verwendeten Modell muss jedoch vermerkt werden, dass es sich um ein rein statisches Modell handelte, was gewisse Einschränkungen in der Schlussfolgerung mit sich bringt.

Eine weitere retrospektive Studie untersuchte den Einfluss des tibialen Slopes auf die Bandspannung an 99 Fixed-bearing-Schlitten mit einem durchschnittlichen Follow-up von 16 Jahren. Die Autoren konnten nachweisen, dass ein erhöhter tibialer Slope von über 10° zu vermehrten Lockerungen und VKB-Rupturen führte. Die Gruppe der nicht gelockerten Schlitten wies hingegen einen durchschnittlichen Slope von 4,6° auf [22]. Allerdings zeigte eine Studie auch, dass bei Knien mit insuffizientem VKB ein erhöhter tibialer Slope von 8° bei Schlittenprothesen in einer besseren Stabilität resultiert als mit einem Slope von 0° [23]. Diese Aussage ist zumindest z. T. gegensätzlich zu der weiter oben erwähnten Studie von Hernigou u. Deschamps [22].

Es kann daher spekuliert werden, dass der in dieser Studie verwendetet tibiale Slope von 8° zu einer höheren Stabilität und dementsprechend einer geringeren Bewegung zwischen Inlay und tibialer Prothesenkomponente geführt haben könnte. Die erhöhte Stabilität wiederum könnte den Abrieb unter dem Inlay, den so genannten „backside wear“, reduziert haben. Dies ist von Bedeutung, da aus Untersuchungen an Knie-TEPs bekannt ist, dass der „backside wear“ einen erheblichen Anteil am Abrieb von Mobile-bearing-Prothesen ausmacht [24]. Dagegen dürften Änderungen des Slopes vermutlich weniger Einfluss auf die Kinematik und somit auch den entstehenden Abrieb zwischen Femurkomponente und Inlay haben, was auf die sphärische Oberfläche mit hoher Kongruenz zurückzuführen ist. Allerdings bedarf diese Hypothese weiterer Studien, welche insbesondere die Kinematik sowie weitere Slopeeinstellungen untersuchen.

Limitationen

Einschränkend sollte angemerkt werden, dass es sich bei dieser Studie um einen In-vitro-Versuche in einem Kniesimulator handelt. Ob ein erhöhter Slope oder ein physiologischer Slope in vivo tatsächlich zu einer geringeren Abriebrate führt und damit die Rate der Prothesenlockerungen senken kann, bedarf weiterer Untersuchungen.

Ebenso sollte beachtet werden, dass trotz der ISO-Norm die Versuchsbedingungen bei Simulatorversuchen noch immer nicht gänzlich standardisiert sind. Insbesondere die unterschiedlichen Simulatoren, welche teils wege- und teils kraftgesteuert sind, könnten für die differierenden Ergebnisse der einzelnen Arbeitsgruppen verantwortlich sein.

Fazit für die Praxis

  • Die vorliegende In-vitro-Studie hat bewiesen, dass ein tibialer Slope von 8°, welcher dem durchschnittlichen physiologischen Slope von 9° nahe kommt, bei unikondylären Schlittenprothesen mit einem Mobile-bearing-Design zu einer Reduktion des Abriebs gegenüber einer Implantation mit einem Slope von 0° führt.

  • Eine Implantation mit einem erhöhten tibialen Slope könnte sich daher vorteilhaft hinsichtlich des Abriebs und somit auch der Standzeiten auswirken.

  • Der Einfluss auf die Bandspannung, auf das laterale Kompartiment und auf das Prothesen-Knochen-Interface ist noch nicht abschließend geklärt.

  • Umfangreiche Studien sind noch notwendig, bevor ein optimaler Wert für den tibialen Slope in der unikondylären Schlittenprothetik angegeben werden kann.