Die meisten vertebragenen Frakturen bei Osteoporose lassen sich heutzutage frühfunktionell oder mit einer einfachen dorsalen Zementaugmentation behandeln. Jedoch kommen mit der Zunahme von alten und osteoporotischen Patienten auch komplexere Operationen bei diesen Patienten häufiger vor. So häufen sich mittlerweile die Fälle, bei denen ein Wirbelkörperersatz auch bei älteren Menschen mit schlechter Knochenqualität notwendig wird – sei es aufgrund einer kyphotischen Fehlstellungen, eines Tumors oder einer primären Fraktur.

In der Literatur finden sich diese Fälle noch kaum, da die meisten Berichte über Wirbelkörperersatzsysteme aus unfallchirurgischen Zentren mit meist jüngeren Verletzten stammen [7, 8, 11, 14, 15]. Obwohl in diesen Berichten Cagesinterungen kaum eine Rolle spielen, ist dieses Problem jedem Wirbelsäulenchirurgen, der auch ältere und osteoporotische Patienten behandelt, wohlbekannt. Eine gängige Methode bei schlechter Knochenqualität ist, die dorsale Instrumentationsstrecke zu verlängern, wodurch auch gesunde Segmente in die Versteifung mit einbezogen werden [13]. Diese Methode zieht in der Regel Folgeoperationen nach sich, da Pedikelschrauben, wenn nicht ventral zusätzlich abgestützt wird, brechen können oder geplant entfernt werden müssen. In jedem Fall verbleibt eine Schädigung eines ansonsten gesunden Bewegungssegments.

Eine andere Möglichkeit ist, die Schrauben mittels Knochenzement zu augmentieren (wie an anderer Stelle in diesem Heft beschrieben). Nachdem mit der Behandlung von osteoporotischen Frakturen mittels Vertebroplastie und der Einführung der zementaugmentierten Schrauben gute Erfahrungen bei der Prophylaxe von Schraubenlockerungen gemacht wurden, haben wir diese Erfahrungen auf den Wirbelkörperersatz übertragen. Hierfür war es wichtig, dass sich der Zement möglichst endplattennah im Bereich der Auflagefläche des Cages verteilt (Abb. 1).

Abb. 1
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Unterschied der Zementverteilung nach dorsaler Vertebroplastie durch die Schrauben und nach ventraler Vertebroplastie: Der durch die Schrauben applizierte Zement erreicht nicht die Grundplatte. Nach ventraler Zementaugmentation kommt der Zement in beiden Ebenen direkt an der Auflagefläche des Cages zu liegen

Chirurgische Technik

Standardmäßig wurde ein distrahierbarer Titancage (Obelisc ®, Fa. Ullrich; [14]) verwendet, der sich durch ansteckbare gewinkelte Endplatten verschiedenen Durchmessers sehr gut an die anatomischen Verhältnisse anpassen lässt. Zunächst erfolgt die dorsale Stabilisierung und Dekompression, sofern eine Spinalkanalstenose dies notwendig macht. In der Regel werden nur die direkt angrenzenden Wirbelkörper in die Spondylodese einbezogen und, um eine frühzeitige Lockerung zu verhindern, die Schrauben zementaugmentiert (Abb. 1). Wenn möglich, werden zusätzlich Schrauben in die Pedikel des frakturierten Wirbels gesetzt, diese aber so kurz gewählt, dass sie einen ventralen Wirbelkörperersatz nicht behindern [1]. Sie sollen die Rotationsstabilität des Konstrukts erhöhen. Bei einem linksseitigen Zugang ist es auch möglich, rechtsseitig eine längere Schraube mit wenig Konvergenz zu verwenden und dennoch einen ventralen Cage mittig zu platzieren (Abb. 1).

Anschließend wird der Patient in Abhängigkeit von der Versorgungshöhe, von der Bauchlage in die Seitenlage umgelagert, um den Wirbelkörper zu ersetzen. Bei Frakturen von L2–L4 erfolgt dies über eine linksseitige Lumbotomie in Mini-ALIF-Technik (Abb. 2), bei thorakalen oder thorakolumbalen Frakturen über eine linksseitige Minithorakotomie, die bei Bedarf durch einen Zwerchfellsplit ergänzt wird [2]. Bei Frakturen mit deutlicher ventraler Spinalkanaleinengung oder Tumoren wird auch die Wirbelkörperhinterkante von anterior entfernt (Abb. 3, Abb. 4). Dies wird jedoch nicht standardmäßig durchgeführt. Anschließend wird der Obelisc-Cage eingesetzt und leicht distrahiert. Nach Lagekontrolle werden nun von anterior Jamshidi-Nadeln über der Mitte der Abschlussplatten von ventral knapp unterhalb der Wirbelkörperendplatten eingeführt (Abb. 2). Da dieses Manöver unter visueller Kontrolle geschieht, ist kein seitliches Röntgenbild notwendig. Lediglich, um die Tiefe der Nadelplatzierung zu kontrollieren, sollte eine a.-p.-Röntgenkontrolle erfolgen, um sicherzustellen, dass sich die Nadelspitze über der Mitte des Cages befindet.

Abb. 2
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Einführung der Nadeln über den anterioren Zugang und Lagekontrolle vor der Zementapplikation

Abb. 3
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69-jährige Patientin mit verheilter Fraktur nach konservativer Therapie in kyphotischer Fehlstellung: Da Knochenfragmente den Spinalkanal einengten, war hier eine komplette Spondylektomie im Sinne einer „vertebral column resection“ notwendig. Die Aufrichtung erfolgte in Seitenlage. Da ein nicht unerheblicher Druck auf den Cage wirkte, wurden vor der endgültigen Distraktion die Endplatten zementaugmentiert

Abb. 4
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Zement wird appliziert und im Wirbelkörper verteilt

Während der Zementapplikation führen wir repetitive fluoroskopische Kontrollen im seitlichen Strahlengang durch (Abb. 4), da es möglich ist, dass Zement über das Venensystem in den Spinalkanal gelangt. Da der Zement aber in gesunde Wirbelkörper appliziert wird, ist die Rate an Zementaustritten nach unserer Erfahrung wesentlich geringer als bei Vertebroplastien oder Kyphoplastien frakturierter Wirbel, bei welchen Zement auch über kleine Frakturkanäle austreten kann.

Die Nadeln sollten nicht zu nah an den Deckplatten platziert werden. Dies kann ansonsten zu Zementaustritten in den Cage oder über die débridierten Endplatten in den benachbarten Hohlraum des Cages führen. Auch wenn dies kein eigentliches Problem darstellt, kann dieser Zement bei Bedarf noch während der Aushärtungsphase entfernt werden.

Eigene Ergebnisse

Die Autoren nutzen dieses Verfahren seit 2006 regelmäßig bei Patienten >60 Jahren, welche gleichzeitig pathologische Veränderungen der Knochendichte aufgrund einer Osteopenie, Osteoporose oder Osteolyse, besteht. 20 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 67 Jahren wurden über >2 Jahre nachuntersucht; 16 Patienten hatten eine traumatische Kyphose (Abb. 1). Davon waren 4 Fälle Revisionen von Vertebroplastien (Abb. 5), die nicht die gewünschte Aufrichtung und Stabilität erbracht hatten. In 4 Fällen lag ein Plasmozytom oder eine Adenokarzinommetastase vor. Von den genannten Tumorpatienten starben 2 während der folgenden 2 Jahre an ihrem Grundleiden. Der thorakolumbale Übergang (Th12–L1) war 11-mal betroffen, 7-mal die LWS und 2-mal Th10.

Abb. 5
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In diesem Fall kam es trotz Vertebroplastie nicht zu einer ausreichenden Aufrichtung. Diese erfolgte über den Wirbelkörperersatz. Dargestellt ist zudem die Messmethode von der Oberkante des kranialen zur Grundplatte des kaudalen Wirbels

In keinem der Fälle kam es während der Zementapplikation zu einem Austritt von Zement in den Spinalkanal oder sonstigen Komplikationen. Bei allen Patienten wurden intraoperativ, am Ende des Klinikaufenthalts nach 3 Monaten, nach 1 und 2 Jahren klinische und radiologische Nachkontrollen durchgeführt. Die Röntgenbilder wurden digitalisiert und die Kyphosewinkel von der Deckplatte des kranialen bis zur Grundplatte des kaudalen Wirbels nach Cobb gemessen (Abb. 5; [3, 11]). Eine Änderung, die jenseits des Messfehlers von 1° lag, konnte nur in einem Fall gefunden werden, bei dem es aufgrund einer septischen Schraubenlockerung zu einer postoperativen Instabilität kam. Diese Patientin wünschte jedoch trotz Anraten keine Revision, so dass kein einziger dieser Fälle revidiert wurde. In allen anderen Fällen lag die Änderung des Kyphosewinkels unterhalb von 1°, so dass effektiv keine Nachsinterung eingetreten ist.

Diskussion

Die Anzahl vertebragener Frakturen nimmt in Europa stetig zu [4]. Der Einsatz von Knochenzement hat sich bei diesen Patienten bewährt, sei es zur Stabilisierung des Wirbelkörpers mittels Vertebroplastie oder Kyphoplastie [9] oder zur Stabilisierung von Pedikelschrauben [5, 6]. Ein Problem beider Verfahren ist, dass die Nadel oder Schraube von dorsal am Spinalkanal vorbei platziert werden muss, was in der Regel nur unter Röntgenkontrolle gelingt. Zudem besteht die Gefahr, dass Zement unbemerkt nach dorsal in den Spinalkanal austritt, wo er zu Schädigungen neuraler Strukturen führen kann.

Die Platzierung der Nadeln erfolgt schnell und einfach

Bei der hier vorgestellten Technik ist dies in keinem Fall vorgekommen. Dies hat zwei Gründe: Zum einen wurden nicht die frakturierten Wirbel mit Zement aufgefüllt, sondern die gesunden Nachbarwirbel. In gesunden Wirbeln kommt es zu einer wesentlich harmonischeren Zementverteilung und weniger unkontrollierten Austritten. Zum anderen erfolgt die Punktion von anteriolateral sehr deckplattennah, so dass kein Stichkanal in Richtung Spinalkanal führt. Die Platzierung der Nadeln erfolgt sehr schnell und einfach, gerade weil sie unter visueller Kontrolle geschieht. Beachtet werden sollte, dass ein ausreichender Abstand zu der Endplatte eingehalten wird, damit eine Verletzung der selbigen nicht stattfindet. Sollte wider Erwarten ein Zementaustritt über die Endplatte erfolgen, so kann das Material problemlos entfernt werden.

Im Langzeitverlauf kam es nur in einem einzigen Fall, zu einem Korrekturverlust. Dieser war jedoch durch eine septische Schraubenlockerung bedingt. In allen anderen Fällen konnte weder eine Cagesinterung noch ein Korrekturverlust gefunden werden, obwohl die Spondylodese mit wenigen Ausnahmen bisegmental erfolgte, d. h. also keine benachbarten Segmente zum Wirbelkörperersatz in die Instrumentation einbezogen wurden. Bei den meisten Frakturen wurde zur Rotationssicherung eine zusätzliche kurze Pedikelschraube in dem frakturierten Segment verwendet (Abb. 1). Dass dies zu einer Erhöhung der Stabilität in allen Bewegungsebenen, v. a. für die Flexion/Extension und Rotation führt, wurde in Kadaverstudien bewiesen [1].

Für thorakale und thorakolumbale Frakturen wird in der Literatur weiterhin die multisegmentale dorsale Stabilisierung empfohlen [10]. Man muss allerdings berücksichtigen, dass in diese Studien vielfältige Frakturtypen einfließen und es weiterhin Länder gibt, die selten eine additive ventrale Stabilisation mittels Wirbelkörperersatz durchführen, so dass alternativ eine langstreckige dorsale Stabilisierung vorgenommen wird.

Obwohl in dieser Studie ein vergleichsweise altes Patientengut mit deutlicher kyphotischer Fehlstellung behandelt wurde, bestand keine Notwendigkeit für eine routinemäßige langstreckige Versorgung. Lediglich in Fällen, in denen eine komplette Spondylektomie notwendig war, erfolgte die Ausdehnung der Instrumentation auf die Anschlusssegmente (Abb. 3, Abb. 4), v. a. um keine Rotationsfehler bei der Umlagerung zu riskieren.

Die Gesamtstabilität des Wirbelkörpers wird durch die Zementaugmentation von Pedikelschrauben erhöht

Dass es trotz kurzstreckiger Versorgung zu keinem Materialversagen gekommen ist, liegt sicher auch an der Verwendung zementaugmentierbarer Schrauben. So konnten Tan et al. [13] zeigen, dass sich durch die Verwendung der Zementaugmentationstechnik von Pedikelschrauben die Gesamtsteifigkeit deutlich erhöht. Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass der durch die Schrauben eingebrachte Zement einen positiven Effekt auf die Stabilität des Interfaces zwischen Cage und Wirbelkörperdeckplatte hat [12]. Ähnlich wie bei der Vertebroplastie wird die Gesamtstabilität des Wirbelkörpers auch durch die Zementaugmentation von Pedikelschrauben erhöht. Um eine Sinterung effektiv zu vermindern, sollte der Zement aber deckplattennah eingebracht werden. Hier macht es einen Unterschied, ob die Deckplatte des kaudalen oder die Grundplatte des kranialen Anschlusswirbels untersucht wird. Da die Schrauben näher an der Deckplatte liegen, führt auch die Zementeinspritzung durch die Schrauben zu einer deckplattennahen Zementverteilung. Wie in Abb. 1 zu sehen ist, wird durch die zementaugmentierbaren Pedikelschrauben die Grundplatte des kranialen Wirbels kaum verstärkt. Im thorakalen Bereich kommt hinzu, dass die Schrauben nur wenig konvergent eingebracht werden und der Zement somit nicht nahe genug ans Zentrum der Grundplatte gelangt, um diesen zu verstärken.

Mit der hier vorgestellten Technik kann der Zement auf einfache Art genau dort platziert werden, wo die maximale Krafteinwirkung durch den Cage zu erwarten ist. Auf diese Weise konnten auch höhergradige Fehlstellungen ohne langstreckige Stabilisierungen suffizient korrigiert werden. Die Autoren verwenden diese Technik vornehmlich bei Patienten mit schlechter Knochenqualität, hervorgerufen durch Osteoporose oder osteolytische Metastasen. Eine Kontraindikation besteht aus Sicht der Autoren bei bakteriellen Spondylodiszitiden.

Fazit für die Praxis

Cagesinterungen stellen bei osteoporotischen Patienten und Patienten mit osteolytischen Metastasen ein zunehmendes Problem dar. Diesem kann durch die hier vorgestellte Technik effektiv entgegengewirkt werden. Die ventrale Vertebroplastie ist ohne großen Materialaufwand und schnell durchführbar. In dem hier dargestellten Patientengut konnten keine operationsspezifischen Komplikationen festgestellt werden. Obwohl die kurzsstreckige, bisegmentale Instrumentation gewählt wurde, kam es zu keinen aseptischen Lockerungen oder Korrekturverlusten.