Viele Patienten mit einer degenerativen lumbalen Spinalkanalstenose beklagen einen heftigen Rückenschmerz, der genauso relevant ist wie die unter Belastung auftretenden Beinschmerzen. Zur Therapie dieses arthrotischen Gelenkschmerzes wird das dynamisch wirkende interspinöse U-Implantat an der Ostseeklink Damp schon seit 2002 eingesetzt.

Das Coflex™-Implantat ist ein dynamisches interlaminäres Implantat. Haupteinsatzbereich ist die Stabilisierung nach Dekompression bei lumbaler Spinalkanalstenose. Das Konzept des „interspinösen U“ wurde 1994 in Frankreich von Dr. Samani in Zusammenarbeit mit Fixano SAS (Péronnas, France) entwickelt und hat sich seit 1995 in 15 Jahren klinischer Erfahrung bewährt. Das Implantat wurde mittlerweile in mehr als 50.000 Implantationen weltweit eingesetzt. Es wurde nach Akquisition der Technologie durch Paradigm Spine im Jahre 2005 um weitere Größen ergänzt sowie die Einsetzinstrumente verbessert und unter dem Produktnamen Coflex™ („controlled flexibility“) vermarktet.

Die lumbale Spinalkanalstenose ist eine Erkrankung der Wirbelgelenke. Durch die Facettengelenkarthrose kommt es einerseits zu Arthroseschmerzen, die sich als Lumbalgien äußern. Diese können durch Facettengelenkdenervationen behandelt werden. Andererseits kann es durch die Vergrößerung der Facettengelenke, sowie der begleitenden Vorwölbung der Ligg. flava auch zu einer Verkleinerung des Spinalkanaldurchmessers kommen. Klinisch tritt eine Claudicatio spinalis auf, zusätzlich kann es zu neurologischen Defiziten in Form von Paresen und Sensibilitätsstörungen, in seltenen Fällen sogar zu Blasen-Mastdarm-Störungen kommen. In diesem Fall ist eine Dekompression die Therapie der Wahl.

Ist aufgrund einer zentralen Stenose eine beidseitige Dekompression erforderlich oder liegt bei nur einseitig erforderlicher Dekompression ein geringer Versatz in diesem Segment vor, ist eine zusätzliche Implantation eines Coflex™-Implantats sinnvoll.

Durch einen Dekompressionseingriff werden die Nervenfasern mittels Knochenstanze oder Fräse, in einem minimal-invasiven Eingriff von dem starken Druck befreit, um diese Bereiche der Lendenwirbelsäule (LWS) zu entlasten und zu stabilisieren. Vor Implantation des Coflex™-Platzhalters werden Probeimplantate eingesetzt, die der Festlegung der passenden Größe, sowie der Ermittlung der optimalen Einschlagtiefe dienen. Das Coflex™-Implantat ist in den Größen 8, 10, 12, 14 und 16 mm verfügbar. Zum gleichmäßigen Anpressen der Flügel des Implantats an die Dornfortsätze werden spezielle Auf-/Zubiegezangen verwendet, die eine Überbeanspruchung des Materials verhindern.

Stabilisierung des Segments und gleichzeitig Kontrolle der Bewegung

Das Implantat wird interlaminar zwischen den Dornfortsätzen in einem Abstand von 2–3 mm über der Duraoberfläche eingesetzt, um die Gelenke dieses Bewegungssegments zu entlasten, die foraminale Höhe zu erhalten und die Bewegungsausschläge in Extension einzuschränken. Die dynamische Wirkungsweise (Kompression in Reklination) ist auf Funktionsaufnahmen gut erkennbar (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Coflex™-Implantat in Extension (links) und Flexion (rechts)

Durch die Implantation des Coflex™-Implantats wird das Segment stabilisiert und gleichzeitig die Bewegung kontrolliert (Extensionskontrolle, erhöhte Rotationsstabilität, Drehpunkt nahe dem Spinalkanal). Durch die tiefe Insertion in die Facettengelenkebene wirkt das Coflex™-Implantat den auf die posteriore Säule wirkenden Kräften entgegen (interlaminäre Abstützung). Dieser Argumentation/Philosophie folgend wurde das Design des Implantats weiter optimiert (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Graphische Darstellung: bisegmentale Versorgung mit Coflex™ (modifizierte Flügel)

Das Coflex™-Implantat mit neuer optimierter Flügelkonfiguration (grün) ist sowohl monosegmental als auch bisegmental einsetzbar und bietet insbesondere bei bisegmentaler Versorgung eine verbesserte (interlaminäre) Positionierung – nahe des Spinalkanals – im angrenzenden Segment (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Bisegmentale Versorgung im seitlichen Strahlengang

  • Die Implantation eines Coflex™-Implantats ist eine sinnvolle Ergänzung zur Dekompression des lumbalen Spinalkanals in einer oder zwei Etagen und eignet sich ideal zur dynamisch funktionellen Stabilisierung der Wirbelsäule nach erfolgter Dekompression des degenerativ eingeengten Spinalkanals. Darüber hinaus grenzt sich das Implantat durch die erhöhte Rotationsstabilität, Entlastung der Facettengelenke, Erhaltung der foraminalen Höhe, sowie die interlaminäre Implantatpositionierung von den am Markt erhältlichen interspinösen Implantaten ab.

Studienlage

Retrospektive Studien

Das erste Coflex™-Implantat (damals „Titan-U“ der Firma Fixano) wurde in Deutschland im Februar 2002 in der Ostseeklinik Damp implantiert. Um die Sicherheit des Eingriffs mit Coflex™, sowie dessen Wirksamkeit festzustellen, wurden die Patienten der Ostseeklinik Damp GmbH klinisch und radiologisch nachuntersucht und die Daten zusammengetragen [1]. Diese Studie war Teil einer internationalen multizentrischen Studie, die von Paradigm Spine zur IDE-Zulassung in den USA in Auftrag gegeben wurde [10].

Aus den Jahren 2002–2004 wurden 240 Patienten mit dem Coflex™-Implantat operativ versorgt, 206 Patienten konnten klinisch und radiologisch nachuntersucht werden. Bei 154 Patienten hatte die Diagnose „Spinalkanalstenose“ zur Operation geführt, diese Patienten wurden zur Nachuntersuchung eingeladen. Sie wurden befragt, klinisch untersucht und es wurden Röntgenkontrollaufnahmen a.-p. und in Funktion im seitlichen Strahlengang durchgeführt. 86% von 240 Patienten konnten in die Studie einbezogen werden, 24 waren nicht mehr auffindbar, 4 verstarben und 6 weigerten sich, an der Studie teilzunehmen.

Bei 59% der Patienten lag präoperativ ein mittlerer bis schwerer Rückenschmerz vor. Postoperativ hatte sich dieser Rückenschmerz in 71,7% verbessert, davon waren 40,2% der Patienten völlig schmerzfrei. Eine präoperative Gehstrecke <1000 m, eingeschränkt durch Rückenschmerz (im Gegensatz zur Claudicatio spinalis), war bei 89% der Patienten zu verzeichnen. Postoperativ verbesserte sich die Gehstrecke bei 87% aller Patienten auf >1000 m. Beinschmerz hatten präoperativ 68% der Patienten, bei 87% war der Beinschmerz gebessert, bei 67% davon komplett verschwunden. Eine Claudicatio spinalis lag bei 66% aller Patienten vor. Eine Besserung trat in 93% ein. Von 154 Patienten kam es in 6,5% der Fälle zu nicht implantatbezogenen Komplikationen, keine dieser Komplikationen verursachte eine dauerhafte klinische Verschlechterung des Patienten. Implantatbezogen kam es in einem Fall zu einer Dislokation des Implantats nach dorsal. Die Flügel des Implantats waren an beiden Dornfortsätzen in korrekter Position, es lag aber keine feste Verbindung von Implantat und Knochen vor. Das Implantat war um 3–4 mm nach dorsal gewandert, klinisch bestand keine Relevanz. Die Zufriedenheit mit der Operation war bei 91% der Patienten positiv, sie waren zufrieden oder sehr zufrieden. 94% der Patienten würden diese Operation nochmals durchführen lassen.

  • Zusammenfassend kann aus den Ergebnissen der eigenen retrospektiven Daten festgestellt werden, dass der Einsatz von Coflex™ nach mikrochirurgischer Dekompression für die Indikation der degenerativen Spinalkanalstenose gute kurzfristige und langfristige Ergebnisse in der Besserung des Rückenschmerzes, der Claudicatio spinalis und der Patientenzufriedenheit erbringt. Ebenfalls zeigt das Implantat ein sehr gutes Sicherheitsprofil in der retrospektiven Analyse.

Langzeitergebnisse

Thomas Errico et al. [3, 4] legt zwei Studien mit Langzeitergebnissen vor, die sich mit dem „clinical outcome“ und implantatbezogenen Komplikationen beschäftigen. Es handelt sich hier um Patienten, die prä- und postoperativ vom operierenden Wirbelsäulenchirurgen gesehen wurden. Die mittlere Follow-up-Zeit beträgt 6,3 Jahre, die längste Follow-up-Zeit 12 Jahre. In der Studie zum Outcome befinden sich 124 Patienten, prä- und postoperativ wurden die Patienten gebeten, ihren Rückenschmerz und Beinschmerz auf einer Schmerzskala von 0–3 (0 kein Schmerz, 3 schwerer Schmerz) festzulegen, außerdem wird nach ihrer Zufriedenheit mit der Operation gefragt. Die Indikation zur Operation beinhaltet in dieser Studie die Dekompression bei Spinalkanalstenose, das Instrumentieren eines Anschlusssegments bei einer Fusionsstrecke oder eine Stabilisierungsoperation nach anderen Eingriffen wie z. B. einer Bandscheibenoperation.

Die Ergebnisse bezogen auf den Rückenschmerz und die Schmerzkurve zeigten, dass die Schwere des Rückenschmerzes nach 2 Jahren abgenommen hatte, des Weiteren nach 5 und auch nach 10 Jahren Follow-up. Die Patienten mit den längsten Follow-up-Zeiten hatten die höchsten Schmerzscores, während die mit der kürzesten Follow-up-Zeit die geringsten Rückenschmerzen aufwiesen. Dieses Ergebnis war allerdings nicht signifikant. Ähnliche Ergebnisse wurden beim Beinschmerz gesehen, der eine Besserung bei den 5- und 10-Jahres-Follow-up-Untersuchungen zeigte. Die Patientenzufriedenheit lag bei 92%, die zufrieden und sehr zufrieden waren, 7% waren mit dem Outcome nicht zufrieden.

Zusammenfassend wurde die posteriore interspinöse Stabilisierung mit dem Coflex™-Implantat als eine schmerzlindernde Maßnahme angesehen, die sowohl den Rückenschmerz als auch den Beinschmerz positiv beeinflusste. Die Untersuchungen zeigten, dass die Patienten mit der längsten Follow-up-Zeit höhere Grade an Schmerzen für Rückenschmerz und Beinschmerz angaben als im Vergleich zu Patienten mit der kürzesten Follow-up-Zeit, dennoch aber eine Verbesserung ihres Schmerzes im Laufe der Zeit erfuhren.

Zur Frage der implantatbezogenen Komplikationen konnten 99 Patienten im Mittel nach 6,3 Jahren untersucht werden. Zusätzlich wurden Röntgenaufnahmen bei der Nachuntersuchung angefertigt und in Hinblick auf Implantatauffälligkeiten ausgewertet.

Keine Auffälligkeiten zeigten 90% der Röntgenaufnahmen. Hier fanden sich weder gebrochene Implantate noch gebrochene Implantatflügel. Ebenso wurden keine Dornfortsatzbrüche oder knöcherne Veränderungen im Auflagebereich des Implantats gefunden.

Lageveränderungen mit <5 mm Distanz wurden bei 2% gesehen. Weitere 2% wiesen Lageveränderungen von >5 mm auf. Bei einem Prozent konnte die Veränderung nicht eingeordnet werden, bei 2% der Patienten wurde das U-Implantat entfernt.

Eine Verlagerung des Implantats war die gängige Komplikation und wurde als Zeichen der Instabilität des Bewegungssegments gedeutet. Die Daten zeigten, dass nur sehr wenig implantatbezogene Komplikationen auch bei Langzeituntersuchungen auftraten.

Prospektive Studien

Die Studienlage der prospektiven Untersuchungen ist noch wenig ergiebig. Bertagnoli [2] legte eine prospektive Studie mit 3-Jahres-Ergebnissen vor, die sich mit Sicherheit und Wirksamkeit der Coflex™-Versorgung beschäftigt. Es werden VAS („visual analog scale“), der „Oswestry disability index“ (ODI) sowie der SF36 einschließlich der Zufriedenheit der Patienten abgefragt. Die Ergebnisse zeigen in dieser Studie eine gute Verbesserung der klinisch relevanten Parameter einhergehend mit einem hohen Grad an Patientenzufriedenheit. Untersucht wurden 117 Patienten mit 157 Implantaten.

Bertagnoli [2] sieht bei einem Dekompressionseingriff die Gefahr einer iatrogenen Instabilität des operierten Segments und sieht im Einsatz des Coflex™-Implantats eine Strategie, um eine Anschlussinstabilität zu vermeiden. Richter et al. [11] stellen die Frage, ob das Coflex™-Implantat das Outcome bei einer Dekompression im Rahmen der Spinalkanalstenose überhaupt beeinflusst. Seine prospektive Studie weist zwei Gruppen von jeweils 30 Patienten auf, die einmal nur dekomprimiert wurden und in der anderen Gruppe zusätzlich ein Coflex™-Implantat erhielten. Hier wurde ODI, der „Roland Morris Score“ (RMS) und der VAS untersucht, ebenso die schmerzfreie Gehstrecke. Die Ergebnisse zeigen, dass die präoperativ stärker schmerzbelasteten Patienten sich in der Gruppe mit Coflex™-Versorgung befanden, dies betrifft den ODI, den RMS wie auch den VAS-Score. Ebenso war bereits die präoperative Gehstrecke bei den Coflex™-Patienten nur halb so lang wie in der Kontrollgruppe. Postoperativ wiesen diese Patienten aber eine längere Gehstrecke auf. Die Ergebnisse zeigten in keiner Gruppe Signifikanz auf.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Patienten mit schlechteren präoperativen Scores in die Coflex™-Gruppe sortiert wurden, sodass neben der kleinen Patientenzahl die fehlende Randomisierung die Studie sehr angreifbar macht.

Auch Lerner et al. [12] haben eine prospektive Studie vorgelegt, die ebenfalls nicht randomisiert ist. Hier wird eine Gruppe A, bestehend aus symptomatischen Stenosepatienten, die im Undercutting-Verfahren dekomprimiert wurden, mit Patienten einer Gruppe B, die an einem überwiegenden Rückenschmerz litten und eine degenerative Spondylolisthese Grad I ohne Instabilitätszeichen oder hochgradige Facettengelenkarthrose aufwiesen, verglichen. Bei diesen Patienten wurde zusätzlich ein interspinöser Spacer implantiert. Die Gruppe A bestand aus 115, Gruppe B aus 29 Patienten. Aufgrund dieser Ergebnisse kommen die Autoren zu der Beurteilung, dass die alleinige Undercutting-Prozedur zu einer signifikanten Reduktion des Bein- und des Rückenschmerzes führt. Die zusätzliche Versorgung mit dem Coflex™-Implantat geht nicht mit einer Verbesserung des klinischen Outcomes im Vergleich zur alleinigen Dekompressionsoperation einher.

In dieser Studie werden zwei Gruppen gebildet, deren unterschiedlicher Behandlungsstrategie unterschiedliche Krankheitsbilder zugrunde lagen. Die Größe der Gruppen wies ein Verhältnis von 4:1 auf. Eine Radomisierung ist definitionsgemäß nicht erfolgt und bei einem solchen Studiendesign auch nicht möglich.

Große Erwartungen werden in eine Multicenterstudie gesetzt, die ähnlich aufgebaut ist. Auch hier besteht die aktive Gruppe in Dekompression und Stabilisierung mit Coflex™. Die Kontrollgruppe wird nur mit einer Dekompression behandelt.Footnote 1 Die Studie ist prospektiv kontrolliert angelegt. Die Randomisierung wird im Verhältnis 1:1 durchgeführt. Es werden 230 Patienten benötigt, 115 Patienten in beiden Gruppen, Follow-up-Untersuchungen werden nach 3, 12 und 24 Monaten durchgeführt. Die Studie wird in 7 Zentren abgewickelt, 4 Universitätskliniken (Frankfurt, Lübeck, Magdeburg, Rostock) und in 3 Wirbelsäulenzentren (Damp, Neustadt/Holstein, Potsdam).

Das primäre Ziel der Studie ist der Nachweis der Verbesserung des ODI nach 24 Monaten, sekundäre Zielparameter sind die Verbesserung des VAS für Rückenschmerz nach 24 Monaten ebenso wie die Veränderung des Beinschmerzes auf der VAS wie auch die Veränderung des „Zurich Claudication Questionnaire“ (ZCQ). Die Gehstrecke wird prä- und postoperativ gemessen, die beiden Gruppen dann verglichen. Außerdem wird der neurologische Status kontrolliert und die Patientenzufriedenheit abgefragt. Zum Zeitpunkt der Drucklegung ist die Hälfte der benötigten Patientenanzahl erreicht.

Eine ähnliche Studie wird in den USA durchgeführt. Hier besteht die Kontrollgruppe aus Patienten, die dekomprimiert und anschließend dann fusioniert wurden. Pettine et al. [5] stellten erste Einzelergebnisse im April 2009 in London vor. Bisher haben die Ergebnisse mit statistischer Signifikanz ein besseres Abschneiden der Coflex™-Gruppe gezeigt und zwar in allen klinischen Belangen im Vergleich zur Fusionsgruppe.

Schlussfolgerung

Die retrospektive Studie mit Langzeitergebnissen konnte zeigen, dass der Rückenschmerz im Laufe von 12 Jahren wieder zunahm, allerdings noch deutlich unter dem präoperativen Rückenschmerz blieb. Vor dem Hintergrund, dass die Spinalkanalstenose eine Erkrankung der zweiten Lebenshälfte darstellt, ist dieser Umstand nicht weiter verwunderlich, da die Wirbelgelenksarthrose auch die nicht operierten Segmente betreffen wird, zusätzlich spielen Probleme der Kreuzdarmbeinfugenregion (ISG) eine nicht unerhebliche Rolle bei degenerativ bedingten Rückenleiden.

Ähnliche Beobachtungen wurden für den Beinschmerz gemacht, hier könnten zusätzliche Pathologien eine Rolle spielen, wie zum Beispiel zystische Raumforderungen im Bereich des Nervenwurzelabgangs (Abb. 4, Abb. 5). Hier treten sowohl Flavumzysten auf, die zu Rezidiven neigen, wenn das Flavum nicht radikal entfernt wird, als auch synoviale Zysten, die als synovitische Schleimhauthypertrophien interpretiert werden [6, 7, 8, 9]. Diese Veränderungen der Gelenkauskleidung treten gehäuft bei höheren Graden der Facettengelenksarthrose auf. Hier stellt sich die Frage, ob eine interspinöse Instrumentierung langfristig Einfluss auf den Beinschmerz nimmt. Bisher wurde eine Verbesserung des Beinschmerzes, insbesondere bei kurzen Follow-up-Zeiten ausschließlich als Dekompressionseffekt gesehen. Auch dieser Frage wird in der prospektiven multizentrischen Studie nachgegangen.

Abb. 4
figure 4

Juxtaartikuläre Zyste axial

Abb. 5
figure 5

Juxtaartikuläre Zyste sagittal

Zu diskutieren bleibt, dass nach alleiniger Dekompression auch eine Besserung des Rückenschmerzes zu beobachten ist. Hier wird eine Denervation der Gelenke durch den operativen Zugangsweg vermutet. Ist der Rückenschmerz Hauptsymptom, muss eine mögliche Instabilität abgeklärt werden, die gegebenenfalls fusioniert werden muss.

Differentialindikationen

Die empfohlene Hauptindikation für Coflex™-Implantate ist der arthrosebedingte Rückenschmerz, der naturgemäß sehr häufig bei der lumbalen Spinalkanalstenose auftritt. Hier kann es zu Grenzindikationen kommen, wenn z. B. der Patient an ausgeprägtem Rückenschmerzen leidet, zusätzlich aber auch einen Beinschmerz beklagt, der sich unter zunehmender Gehstrecke verstärkt. Dieser Beinschmerz kann, wie bereits beschrieben, durch Wurzelkompression bei lateraler Stenose verursacht werden, kann aber auch pseudoradikulären Ursprungs sein.

Hauptindikation für Coflex™-Implantate ist der arthrosebedingte Rückenschmerz

Schmerzfreiheit nach Gelenkinfiltration ist ein Hinweis auf eine pseudoradikuläre Ursache, aber noch kein Beweis, da Betäubungsmittel vom Gelenk aus an die Wurzel geflossen sein kann. Im Fall der pseudoradikulären Ursache wäre an eine Denervation der Facettengelenke zu denken, ein sehr risikoarmer Eingriff, der in Lokalanästhesie durchgeführt werden kann. In einem solchen Fall liegt (noch) keine eindeutige Operationsindikation der Spinalkanalstenose vor.

Der alleinige Rückenschmerz ohne neurologische Ausfälle und ohne Claudicatio ist keine Indikation zur Coflex™-Implantation, hier sind Maßnahmen in Lokalanästhesie, wie die Facettendenervation indiziert.

Die andere Grenzindikation ist im Bereich der Olisthesen zu ziehen, die echte isthmische Spondylolisthese ist kontraindiziert. Im Bereich der degenerativen Spondylolisthese kann der Grad I nach Meyerding als Indikation für eine Coflex™-Implantation einbezogen werden, wenn kein Gleitweg vorhanden ist. Alle Patienten sollen LWS-Röntgenaufnahmen im seitlichen Strahlengang in Funktion erhalten, um keine Instabilitätshinweise zu übersehen.

Eine Restabilisierung eines Bewegungssegments durch Coflex™ nach Dekompression im Sinne der Vermeidung einer iatrogenen Instabilität scheint denkbar, dürfte aber durch Studien nur schwer zu beweisen sein.

Neben der Indikation im Rahmen der Spinalkanalstenose wird das Coflex™-Implantat auch zur Stabilisierung des angrenzenden Segments über einer Fusion („topping off“) verwandt. Hier liegen bisher keine Studien über die Wirksamkeit vor. Nach unserer klinischen Erfahrung ist ein stabilisierender Effekt dann zu beobachten, wenn nur magnetresonanztomographische Gewebeveränderungen (z. B. „black disc“) zu erkennen sind, ohne dass bisher Veränderungen im Alignment des zu augmentierenden Segments nachzuweisen sind. Der Nachweis ist v. a. durch Funktionsröntgenaufnahmen zu führen.

Zum Zeitpunkt der Markteinführung des Titan-U-Implantats durch die Firma Fixano wurde als Indikation für das Implantat der Bandscheibenvorfall und insbesondere der Massenvorfall angegeben. In den ersten 3 Jahren haben auch wir das Implantat für diese Indikation eingesetzt. Aufgrund unbefriedigender klinischer Ergebnisse (wie erneute Rezidivvorfälle und auch postoperative Instabilitäten) haben wir nicht mehr versucht bandscheibenbedingte Erkrankungen durch das Coflex™-Implantat zu beeinflussen. Hierzu haben folgende biomechanischen Überlegungen geführt:

Das interspinöse Implantat hat seinen anatomischen Platz im Bereich der Facettengelenke, hier können die Gelenke stabilisiert werden, die „range of motion“ wird reduziert. Einflüsse des Implantats können etwa bis zum hinteren Anulus der Bandscheibe reichen. Bandscheibenbedingte Erkrankungen sind weiter ventral lokalisiert. Um hier stabilisierenden Einfluss nehmen zu können, muss das entsprechende Implantat bis hierhin reichen – hier sind dynamische Systeme mit Pedikelschrauben, die bis zum Vorderrand des Wirbelkörpers reichen, die bessere Lösung (Abb. 6).

Abb. 6
figure 6

Aktionsradius des Coflex™-Implantats (links): Facettengelenkebene bis etwa zum dorsalen Anulus reichend. Ein dynamisches System (hier DSS) mit Pedikelschrauben (rechts) agiert bis zum ventralen Rand von Bandscheibe und Wirbelkörper

Zusammenfassend liegen retrospektive Studien vor, die sowohl von der Patientenanzahl und als auch von ihren Ergebnissen die Wirksamkeit und die Sicherheit des Implantats zeigten. Dies trifft auch für die Langzeitergebnisse bis zu 12 Jahren zu. Diesen vielversprechenden Ergebnissen stehen prospektive Studien entgegen, die keine statistisch signifikanten Vorteile des Implantateinsatzes nachweisen. Diese Studien entsprechen aber nicht wissenschaftlichen Ansprüchen, da sie nicht in kontrollierter randomisierter Form abgefasst sind. Die Ergebnisse der randomisierten kontrollierten multizentrischen Studie werden in den USA für nächstes Jahr und für Deutschland im Jahre 2012 erwartet.

Fazit für die Praxis

Der interspinöse Spacer Coflex™ wird für die Behandlung des Rückenschmerzes bei der Spinalkanalstenose eingesetzt. Die operative Maßnahme setzt sich somit aus der Dekompression neuraler Strukturen und dem Einsetzen des Implantats zusammen. Der solitäre Rückenschmerz kann besser durch schmerztherapeutische Maßnahmen perkutan wie z. B. durch Thermokoagulation im Bereich der Wirbelgelenke therapiert werden. Durch die tiefe, interlaminäre Platzierung des Coflex™-Implantats liegt das Implantat nahe am Drehpunkt des Bewegungssegments und direkt in der Facettengelenkebene – Dislokationen sind dadurch extrem selten.