Traumatische Wirbelkörperfrakturen treten in Deutschland derzeit mit einer Frequenz von rund 10.000 Fällen pro Jahr auf. In den USA werden jährlich etwa 50.000 Frakturen registriert. 75% dieser Verletzungen sind isolierte Frakturen an der Wirbelsäule, in 25% der Fälle liegen Polytraumata zugrunde. Die häufigste Lokalisation der traumatischen Frakturen liegt im thorakolumbalen Übergang Th10 bis LWK2, wobei die LWK-1-Fraktur vom Typ A3 und die Deckplattenimpression am häufigsten sind [11]. Regelhaft liegt auf dem Boden eines Traumaereignisses eine anguläre Form der Kyphose vor, die differenzialdiagnostisch ebenso bei Tumoren, Infekten oder aber bei angeborenen Fehlbildungen vorkommt. Hiervon sind die arkuären Kyphosen abzugrenzen, welche zumeist auf dem Boden von stoffwechselbedingten oder rheumatischen Erkrankungen auftreten.

Die Ursachen für dieses Punctum maximum sind vielfältig. So ist der Übergang der flexiblen Lendenwirbelsäule gegenüber der starren Brustwirbelsäule, die nach Denis noch durch die vierte Säule, den Rippenkorb, gestützt wird, ein Grund für diese Tatsache. Weiterhin wechseln die Facettengelenke ihre sagittale Ausrichtung in die frontale Position, wodurch die Aufnahme und Weiterleitung der Kräfte unter anderen Vorzeichen stattfindet [31]. Des Weiteren läuft die Schwerpunktlinie im thorakolumbalen Übergang sehr nahe der Wirbelkörpervorderkante, wodurch axiale Kräfte den größten direkten Einfluss auf diese Region haben [39]. Die häufigsten Komplikationen einer posttraumatischen Kyphose sind bei nichtoperativen Fällen vorzufinden. Gründe bei operativ versorgten Patienten sind Pseudarthrosen, Implantatversagen, der M. Kümmel sowie technische Fehler [1, 38].

Biomechanische Grundlagen, Pathogenese der Fraktur und Folgen

Die physiologische Kyphose im Bereich der Wirbelsäule liegt zwischen 20° und 50°. Der thorakolumbale Übergang hat weitgehend 0° [3]. Normalerweise liegt der Schwerpunkt beim Sitzen, Gehen und Stehen vor der Wirbelsäule, wodurch die anterioren Strukturen (Wirbelkörper, Bandscheiben) auf Druck und die posterioren Anteile (Bänder, Rückenmuskulatur) auf Zug beansprucht werden. Eine Insuffizienz ventral wie auch dorsal führt zu einer Zunahme der Kyphose. Hierdurch kommt es zu einer weiteren Überlastung der dorsalen ligamentären Anteile, die nicht selten mit einer Metaplasie im Sinne der Ossifikation im Bereich der Ligg. flava und der Ligg. interspinosi reagieren [26]. Die segmentale Muskulatur ist nicht in der Lage, die unphysiologische Flexion zu kompensieren, und der gesamte M. erector trunci hat für eine ständige Stabilisierung einen zu hohen Energieverbrauch, was zu einer vorzeitigen Ermüdung und somit zum schmerzhaften Versagen führt [30].

Keilwirbel entstehen auf dem Boden unterschiedlichster Entitäten. Kommen sie isoliert in einem oder zwei benachbarten Wirbelkörpern vor, typischwerweise bei der tuberkulösen Spondylitis, entsteht eine anguläre Kyphose, die auch als Gibbus beschrieben wird. Demgegenüber stehen die arkuären Kyphosen. Sie resultieren typischerweise aus Veränderungen, die mehr als zwei Wirbelkörper betreffen. Typische Beispiele sind der Morbus Scheuermann, M. Bechterew, die Rachitis oder durch Osteoporose bedingte Wirbelkörperfrakturen. Sie entstehen meist schleichend, sodass der Körper sich auf die Fehlform einstellen kann.

Klassifikation, radiologische Techniken und Messmethoden

Eine exakte Verletzungsklassifikation unter Einbeziehung des Frakturmechanismus ist von großer Bedeutung [34]. Klassifiziert werden die traumatischen Frakturen im deutschsprachigen Raum vorwiegend durch die AO-Klassifikation. Die Trennlinie zwischen Stabilität und Instabilität liegt im Bereich der A3.2 bzw. A3.3-Frakturen [21]. Es handelt sich hierbei um inkomplette Berstungsfrakturen, die als Übergangsformen angesehen werden können. Zentrales Element in dieser Beurteilung sind immer die Hinterkante des Wirbelkörpers und der Frakturmechanismus mit entsprechenden Begleitverletzungen. So sind Verletzungsformen mit ausgeprägter Beteiligung der hinteren Säule (Ligamente, Kapseln und ossäre Strukturen) prinzipiell als instabil einzustufen [29].

Die AO-Klassifikation beinhaltet leider nicht die Mitbeurteilung des Bandscheibenzustands in den angrenzenden Segmenten des frakturierten Wirbelkörpers. Dies ist jedoch dringend geboten, um eine sich später entwickelnde Kyphose besser einschätzen zu können. Die Arbeit von Resch et al. zeigt hierzu, dass ein späterer Korrekturverlust nur in 25% auf die Kyphose des Wirbelkörpers und zu 75% auf den Korrekturverlust durch die defekte Bandscheibe zurückzuführen ist [29]. Aus diesem Grund ist es wichtig, den so genannten „sagittalen Index“ zu bestimmen. Liegt dieser über 15°, ist eine operative Vorgehensweise zu empfehlen [13]. Die globale Wirbelsäulenkyphose wird in der Methode nach Cobb gemessen. Bei dieser Methode wird von der Bodenplatte des kaudalen zur Deckplatte des kranialen Kyphoseendes gemessen [9].

Zur Einschätzung einer statischen oder dynamischen Kyphose im Sinne einer Instabilität sind Funktionsaufnahmen und Wirbelsäulenganzaufnahmen hilfreich, die im seitlichen Profil die Differenzierung in Typ I oder Typ II der WS-Imbalance erlauben. Typ I sind kompensierte Kyphosen, die durch kompensatorische Krümmungen der Nachbarregionen korrigiert werden können. Der Typ II der WS-Imbalance weist eine nicht kompensierbare Kyphose auf. Hier fällt das Lot von C7 mindestens 5 cm vor das Bandscheibenfach L5/S1 [5]. Radiologische Zeichen der Instabilität sind insbesondere in Funktionsaufnahmen im seitlichen Strahlengang erkennbar. Winkeldifferenzen von mehr als 5°, Translationen >3 mm oder Vakuumzeichen sind eindeutige bildgebende Indizien für die Dysfunktion des Segments. Ist die Funktionsaufnahme schmerzbedingt nicht ausführbar, lässt sich die Differenz auch zwischen einer seitlichen Röntgenaufnahme im Stehen und im Liegen über ein Hypomochlion im Gibbusbereich herausarbeiten.

MRT und CT sind unerlässlich für Differenzialindikation und Planung des operativen Vorgehens.

Eine sagittale Rekonstruktion des CT, ggf. in Dünnschichttechnik, zeigt mögliche Konsolidierungen oder Pseudarthrosen im kyphotischen Segment, die für die Operationsoptionen von entscheidender Bedeutung sind. Narbenbildungen im Kyphosescheitel bei Zustand nach Voroperationen sind hier im Sinne eines postoperativen „Tethered-Cord“-Syndroms von großer Bedeutung.

Verhinderung der posttraumatischen Kyphose

Bis zum heutigen Tage gibt es keine allgemeingültigen Therapieempfehlungen, um eine posttraumatische Kyphose zu verhindern. Selbige sind von Land zu Land und von der Schule der behandelnden Klinik abhängig. Im deutschsprachigen Raum ist allerdings der Trend zu operativen Maßnahmen (Abb. 1, Abb. 2, Abb. 3, Abb. 4) zu erkennen. Ursachen hierfür sind weniger neurologische Folgeprobleme als vielmehr die Verhinderung der segmentalen Kyphose mit den noch zu diskutierenden Folgen. Konservative Vorgehensweisen können die Kyphose trotz initialer Erfolge nur selten langfristig korrigieren. So zeigten Karjalainen et al., dass eine Korsettverwendung bei stabilen Frakturen im thorakolumbalen Übergang im Vergleich zu einer Kontrollgruppe zu keinen signifikant besseren Ergebnissen führte [18]. In aller Regel wird heute bei einer Kyphose über 10° und einem Höhenverlust über 50% zu einem operativen Vorgehen geraten. Weitere Indizien, die für das operative Vorgehen sprechen, sind Progressionen der Kyphosewinkel um 10° bis 20°, je nach Frakturtyp [14].

Abb. 1
figure 1

a,b Konventionelle Röntgenaufnahmen einer alten, in Fehlstellung fixierten Th12-Fraktur (B1). c Sagittale Rekonstruktion im CT. d,e Frakturversorgung nach dorsoventrodorsaler Aufrichtung mit Korporektomie Th12

Abb. 2
figure 2

a,b Zustand nach osteoporotischer TH12- und LWK1-Fraktur mit angulärer Kyphose; Geh- und Stehunfähigkeit bei unauffälliger Sensomotorik. a Seitliche konventionelle Röntgenaufnahme; b a.-p. Röntgenaufnahme; c MRT in frontaler Ebene; c,d postoperative Reposition mit zementaugmentierten Schrauben (VAS-System und WK-Ersatz)

Abb. 3
figure 3

a,b Posttraumatische Kyphose nach infizierter Spondylodese mit Pseudarthrose und Schraubenlockerung. c,d Zustand nach dorsoventraler Reposition mit autologer Fibulainterposition Th9–L2

Abb. 4
figure 4

a,b Konventionelle Röntgenaufnahme einer posttraumatischen Kyphose nach inkompletter Metallentfernung und Pseudarthrose bei Zustand nach dorsoventraler Spondylodese TH12–LWK2. c,d Konventionelle Röntgenaufnahme in 2 Ebenen: Zustand nach dorsoventrodorsaler Repositionsspondylodese mit trikortikalem Beckenkammspaninterponat (TH12–LWK2)

In den vergangenen zehn Jahren hat sich gezeigt, dass die Abstützung der ventralen Säule von großer Bedeutung für die Langlebigkeit und Beständigkeit der intraoperativ erzielten Korrektur ist. Großes Augenmerk wird daher auf die Vitalität der mitbetroffenen Bandscheibe gelegt, die wie oben ausgeführt zu einem nicht unerheblichen Teil an der späteren Kyphoseentwicklung ihren Anteil hat und somit in das Gesamtkonzept einbezogen werden muss. Rein dorsale Repositionstechniken haben in vielen Fällen zum Versagen mit Pseudarthrosen, Schraubenbrüchen oder Cutting-out der Schrauben geführt [19]. Sinnvoll ist es daher, die vordere Säule mitabzustützen. Hier gilt es zu beachten, dass die Pseudarthroserate beim trikortikalen Beckenkammspan nicht unerheblich ist [22]. Auch die additive ventrale winkelstabile Verplattung des betroffenen Bewegungssegments verhindert dieses Phänomen nicht sicher. Denkbar ist, dass die zu stabile Konstruktion zum „stress-shielding“ führt und ein knöchernes Einheilen verhindert. Hinzu kommen möglicherweise die nicht ausreichenden Präparationen, hervorgerufen durch die Grenzen der minimal-invasiven Vorgehensweise (thorakoskopische Zugangswege), mit insuffizientem Débridement der Endplatten sowie insuffizienter Nutanlage [12]. Dem stehen die Einschränkung der Vitalkapazität sowie die Problematik des Post-Thorakotomie-Syndroms bei der offenen Vorgehensweise gegenüber.

Neben der Diskussion zur reinen Restabilisierung und suffizienten Wiederherstellung des sagittalen Profils gibt es auch in Bezug auf die Indikation zur Dekompression des Spinalkanals kein einheitliches Vorgehen. Die Mehrheit spricht sich allerdings für die Stabilisation und Dekompression zum frühestmöglichen Zeitpunkt aus, und es muss konstatiert werden, dass eine frühzeitige Stabilisation für die Verhinderung der Progredienz von Bedeutung ist. Die Chance auf Rekonvaleszenz neurologischer Ausfälle ist nicht voraussagbar. Blauth et al. haben in einer Metaanalyse neurologische Verbesserungen zwischen 0 und 37% zeigen können [4]. In der großen Spanne zeigt sich, dass die Indikation situativ gestellt werden sollte. Die Autoren dieses Artikels sehen in einem frühzeitigen Vorgehen mit suffizienter Dekompression mehr Vorteile. Die beste Behandlung der posttraumatischen Kyphose ist die Verhinderung derselben.

Folgen der posttraumatischen Kyphose

Die Folgen einer nicht verheilten oder in Fehlstellung verheilten Fraktur sind vielfältig. Im Einzelnen liegen die Probleme der Angulation vor allem in der hieraus resultierenden Gelenkfehlstellung, der Elongation der Ligamente, der Destruktion anatomischer Strukturen und nicht zuletzt der hieraus resultierenden ossären Stenose. Eine Anschlusssegmentdegeneration kommt in etwa 36% der Fälle vor. Diese kann durch die schon dargestellte diskogene Instabilität, eine Retrolisthese, die vorzeitige Degeneration der Facettengelenke und die kompensatorische Hyperlordose kaudal bzw. Hypokyphose kranial zu Beschwerden führen.

Zu den neurogenen Folgen zählen das posttraumatische „tethered cord“ mit extra- und intraduraler Narbenbildung, die Myelopathie und Rückenmarkatrophie bei Affektionen des Spinalkanals und die seltene Syringomyelie [34]. Zumeist liegen folgende Ursachen für ein Versagen der Stabilisation vor:

  • Schraubenlockerung und/oder Schraubenbruch,

  • Pseudarthrose des Spans,

  • Pseudarthrose des Cage.

Differenzialindikation

Die Indikationsstellung zu einer Revision nach vorangegangener Korrektur mit Progression bedarf einer sorgfältigen, individuellen Abwägung. Hier sollte nicht nur das Röntgenbild, sondern der Gesamtkomplex beurteilt werden. Insbesondere gehören die Einschätzung des operativen Risikos auf dem Boden der bestehenden Nebendiagnosen, aber auch eine exakte Planung des operativen Eingriffs zur Verbesserung der Situation dazu. Klare Indikationen sind Makroinstabilitäten mit nachgewiesenen Zunahmen von bestehenden Kyphosen (>20%), eine Progredienz der Schmerzen und das Auftreten neurologischer bzw. neuropathischer Symptome [34, 40].

Operationstechniken

Mobile Kyphosen

Bei einer Fehlstellung <10° und der möglichen lagerungsbedingten, geschlossenen Reposition kann die rein ventrale Instrumentation angestrebt werden. Diese Lösung sollte nur erwogen werden, wenn bildmorphologisch nachgewiesen ist, dass die dorsalen Strukturen intakt sind und eine ungewünschte Distraktion über das physiologische Maß hinaus nicht eintreten kann. Typischerweise werden Beckenkammspäne oder WK-Ersatz-Implantate verwendet. Zur ventralen Stabilisation sind winkelstabile Platten- oder Stabsysteme zu empfehlen.

Im Falle von einliegendem Osteosynthesematerial oder vorangegangenen Dekompressionen ist der primäre Eingriff von dorsal zu empfehlen, um einerseits das Osteosynthesematerial zu entfernen und andererseits die neuralen Strukturen von Fibrosen zu befreien. Nach Kypho-/Vertebroplastie oder alleiniger Dekompression sowie bei dorsalen Narbenbildungen ist dagegen ein rein ventrales Vorgehen nicht möglich.

Durch einen korrigierenden Effekt über eine noch vorhandene Hinterkante entsteht ventral ein Defekt, der, wann immer möglich, aufgefüllt werden sollte. Am häufigsten kommen daher kombinierte Lösungen in Frage, die je nach Pathologie dorsoventral vorgenommen werden können. Bei osteoporotischen Wirbelkörpern können diese auch von ventral mit Vertebroplastiezement augmentiert werden.

Unerlässlich ist, im Falle eines Cage, reichlich auto- oder homologen Knochen anzulagern, damit langfristig eine „Fusion“ entstehen kann.

Rigide Kyphosen

Geringe Korrekturen rigider Kyphosen erlauben die dorsale Keilresektion nach Smith-Petersen-Osteotomie (SPO), die 1945 erstmals beschrieben wurde. Ihre Indikation war ursprünglich die akylosierende Spondylitis; heute findet sie insbesondere Anwendung bei Patienten mit einer sagittalen Imbalance. Eine Modifikation dieser Methode ist die so genannte Osteotomie nach Ponte [27], die vor allem bei noch flexiblen Kyphosen gut einsetzbar ist. Durch eine langstreckige Dekompression kann eine transthorakale Instrumentation vermieden werden. Korrekturen von rund 60% sind hiermit zu erzielen. Im Apexbereich der Kyphose können etwa 9% Korrektur pro Segment erzielt werden [14]. Korrekturen in der frontalen Ebene sind mit diesen Methoden nicht möglich [32].

Größere, segmentale Korrekturen können mit der Pedikel-Subtraktionsosteotomie (PSO) erreicht werden, die 1985 von Thomasen inauguriert wurde. Hierbei handelt es sich um eine Säulenkorrektur, die idealerweise in Höhe L2/L3 Anwendung findet. Es können hierdurch Korrekturen von 30 bis 40° erzielt werden. Die Methode ist allerdings im Vergleich zur SPO wesentlich komplexer und geht häufig mit ausgeprägtem Blutverlust einher. Der Drehpunkt der Korrektur liegt naturgemäß bei dieser Technik im vorderen Wirbelkörperdrittel, wohingegen bei der SPO der Drehpunkt in Höhe der Wirbelkörperhinterkante liegt [6, 16, 37].

Bei rigiden Vernarbungen der vorderen Säule ist mit erhöhten Kräften zu rechnen, die eine initiale Stabilität der Pedikelschrauben in den Nachbaretagen gefährden. In diesen Fällen findet die „vertebral column resection“ (VCR) Anwendung. Diese Methode findet nicht nur bei posttraumatischen Zuständen Ihren Einsatz, sondern vielmehr auch bei Tumoren und Infekten. Handelt es sich um eine in Fehlstellung verheilte Fraktur, führen die Autoren diesen Eingriff „dorsoventrodorsal“ durch. Zunächst wird bei Spinalkanalaffektionen von dorsal der Kanal weiträumig dekomprimiert, und durch eine temporäre Stabilisation mit Stäben lässt sich eine winkelstabile Situation herbeiführen. Der nachfolgende ventrale Eingriff dient vor allem dem Release des vorderen Längsbands, das häufig verkürzt und verdickt ist. Nach durchgeführter Dekompression und Einbringen eines Platzhalters (Span, WK-Ersatz) kann abschließend von dorsal das System nach Wiedereröffnen der Wunde simultan komprimiert werden [23]. Diese Technik ist vor allem bei jungen Patienten mit guter Knochenqualität und hochgradiger segmentaler Kyphose (>15°) sinnvoll [15]. Suk et al. konnten mit dieser Technik Korrekturen von 60° erreichen [35].

Möglich ist auch die rein dorsale Vorgehensweise, wobei je nach Höhenlokalisation die ventrale Säule über den posterioren Zugang mitversorgt werden muss. Im Thorakalbereich ist in einem solchen Fall dann eine „Kostotransversektomie“ notwendig. Wesentlich ist, dass bei rein dorsalen Zugangswegen die Dura insbesondere im BWS-Bereich nicht durch Zug retrahiert werden muss, um die anteriore Säule zu erreichen.

Soll der Zugang zur ventralen Säule aus verschiedenen Gründen limitiert werden, kommt alternativ noch die „Eggshell-Procedure“ in Frage. Ziel ist eine Subtraktion der häufig noch vorhandenen WK-Hinterwand bei ansonsten subtotal kollabiertem Wirbelkörper. Durch Resektion der dorsalen Anteile des betroffenen Wirbelkörpers inklusive Pedikel und Hinterwand lässt sich die Grund- auf die Deckplatte einstellen, was nicht selten mit ausgeprägten Blutverlusten einhergeht [20, 33, 34].

Komplikationen nach Korrekturosteotomien

Die Komplikationen nach den genannten Korrektureingriffen sind naturgemäß zahlreicher als bei Wirbelsäulenfusionen ohne Korrektur. Die Komplikationsrate steigt von der Versorgung einer dynamischen Methode (SPO) über die PSO hin zur VCR stetig an. Beschrieben werden intraspinale Hämatome und intestinale Obstruktionen bei der SPO [2, 24]. Bei der PSO werden bis zu 15% für intra- und postoperative neurologische Defizite beschrieben [7, 8]. Bei der VCR wird eine allgemeine Komplikationsrate bis 20% beschrieben [36].

Die angeführten Verfahren kommen je nach Höhe und Rigidität der Kyphose zum Einsatz: Die rein ventrale Korrektur und die SPO sind klassische Verfahren für geringere Kyphosen, die PSO und die VCR-Methoden für rigide hochgradige Typ-II-Instabilitäten.

Datenlage

Untersuchungen zeigen, dass bei resultierender Kyphose über 10° nach 10 Jahren die Erwerbsunfähigkeit resultiert. Somit ist insbesondere bei jüngeren Patienten, die noch im Berufsleben stehen, die Indikation zum operativen Vorgehen kritisch zu überprüfen und bei fehlenden Kontraindikationen einem solchen operativen Vorgehen zuzustimmen. Zu diesem Themenkomplex existieren jedoch nur retrospektive Studien. McLain zeigte, dass 30% der Nachuntersuchten trotz persistierender Neurologie ins Berufsleben zurückkehrten. 77% erlangten die volle Berufsfähigkeit zurück und 53% konnten den Beruf vor dem Trauma wiederaufnehmen, wohingegen 16% in eine leichtere Tätigkeit wechselten und 8% zwar physisch wieder arbeitsfähig, aus anderen Gründen jedoch arbeitslos waren. 22% nahmen nach dem Unfallereignis eine Teilzeitarbeit an oder waren aufgrund des Unfalls arbeitslos geworden [25].

In Bezug auf die Gesamtbeweglichkeit zeigte sich bei Junge et al. 2,5 Jahre nach einer operativ versorgten Fraktur mit Fixateur interne kein signifikanter Unterschied zum Normalkollektiv [17]. Andere Autoren fanden eine geringere Gesamtbeweglichkeit nach thorakolumbalen Frakturen im Vergleich zu nichtverletzten Probanden. Hier konnte allerdings kein Unterschied zwischen operierten und konservativ behandelten Patienten gefunden werden [28].

Defino und Canto haben eine prospektive Studie an 20 Patienten durchgeführt, die eine A3-Fraktur erlitten und in der Folge dorsolateral oder transpedikulär bisegmental fusioniert wurden. In einem Zweijahres-Follow-up zeigte sich keine Korrelation zwischen klinischen, radiologischen (Kyphosekorrektur) und funktionellen Ergebnissen [10].

Publizierte Studien zeigen, dass die funktionellen Ergebnisse nicht mit klinischen Ergebnissen im Sinne der Beschwerdesymptomatik und Zufriedenheit der Patienten korrelieren, sodass man bei inkompletter Restoration der Kyphose nicht zwingend von einem schlechten Ergebnis sprechen kann, wohingegen Patienten mit persistierender Schmerzsymptomatik durchaus aus o. g. Gründen von einer Korrektur der Kyphose profitieren.

Gutachterliche Aspekte

Aus gutachterlicher Sicht ergibt sich aus den dargestellten Fakten eine komplexe Situation der Einschätzung. Da die Funktion und die Zufriedenheit der Patienten nicht positiv korrelieren mit den postoperativ erzielten Korrekturwinkeln, lässt sich für diese Gruppe keine allgemeingültige Aussage treffen. Klar erscheint nur, dass Kyphosen >20° mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Veränderungen in den Nachbarregionen entwickeln werden. Weiterhin erscheint gesichert, dass Pseudarthrosen nach konservativen oder operativen Therapien sowie Patienten mit neurologischen Defiziten ein schlechteres funktionelles Outcome haben als in Fehlstellung verheilte Frakturen. Dem ist bei der gutachterlichen Bewertung Rechnung zu tragen. Bei einem erneuten operativen Eingriff ist die endgültige Einschätzung auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Siehe hierzu den Artikel zur gutachterlichen Untersuchung der Wirbelsäule in diesem Heft.

Fazit für die Praxis

Operativ wie konservativ versorgte Patienten nach Frakturen im thorakolumbalen Übergang erleiden je nach angewandter Technik unterschiedlich hohe Korrekturverluste. Liegt der Korrekturverlust im therapierten Segment <10°, kann diese segmentale Kyphose von den Nachbarregionen gut kompensiert werden. Finden sich allerdings eine Kyphose >10°, eine Pseudarthrose oder sekundär aufgetretene neurologische Symptome, sollte über eine initiale oder Korrekturoperation nachgedacht werden. Revisionsoperationen sind heutzutage in vielfältiger Weise möglich. Fixierte Kyphosen erfordern in aller Regel Lösungsoperationen und nachfolgende Span- oder Cage-Interpositionen ventralseitig. Primäre Korrekturen bei dynamischen Fehlstellungen lassen sich in unterschiedlicher Weise bewerkstelligen (SPO, PSO, Eggshell-Procedure) und führen häufig zu guten funktionellen Ergebnissen mit einer deutlichen Reduktion der Schmerzen.