Sehnen und Bänder vermitteln mechanische Interaktionen zwischen Skelettelementen und Muskeln. Sie verdanken ihre mechanischen Eigenschaften v. a. der extrazellulären Matrix, welche im Wesentlichen aus einem hochkomplexen Proteoglykan- und Kollagengerüst besteht. Sehnen übertragen die Kraft von einem sich aktiv kontrahierenden Muskel, während Bänder passiv das Auseinanderweichen von Skelettelementen limitieren; im Hinblick auf ihren strukturellen Aufbau sind sie jedoch sehr ähnlich. Im Folgenden soll v. a. auf die Eigenschaften von Zugsehnen eingegangen werden. Die in Sehnen und Bändern sehr häufig anzutreffenden Faserknorpelzonen werden in anderen Übersichtsarbeiten beleuchtet [5, 6].

Tenozyten

Der Tenozyt ist die charakteristische Zelle dieser speziellen Form des faserreichen Bindegewebes, welche auch für die Sekretion der Matrix zuständig ist. Diese Zellen werden als spezialisierte Gruppe von Fibroblasten angesehen und sind typischerweise in longitudinalen Reihen zwischen den Kollagenfaserbündeln angeordnet (Abb. 1 c). Während der Entwicklung der Sehne bzw. des Bandes bilden die Tenozyten hierarchisch gegliederte extrazelluläre Kompartimente, welche eng mit der Bildung von Fibrillen, Fasern und Faserbündeln verknüpft sind [8]. Mit zunehmendem Entwicklungsalter ändert sich die Zellmorphologie, die Zellen werden flacher und ihre Zahl nimmt ab. Die dünnen, weit verzweigten zytoplasmatischen Fortsätze werden kürzer und ihre Anzahl wird reduziert [71]. Die Sehnenzellen des Erwachsenen weisen jedoch noch immer ein komplexes System teils flächiger teils tubulärer Zellfortsätze auf, welches über „gap junctions“ die interzelluläre Kommunikation ermöglicht. In dieser Hinsicht ähnelt das System der Informationsübertragung der Sehnen dem der Osteozyten des lamellären Knochens [45]. Darüber hinaus findet sich eine weitere morphologisch und funktionell abzugrenzende Zellpopulation in Endotenon und Epitenon von Sehnen und Bändern. Diese Zellen werden in der Literatur als „internal fibroblasts“ bezeichnet [3].

Obwohl es bisher keinen sehnenzellspezifischen Marker gibt, der alle Stadien der Entwicklung unterscheiden kann, so wurden doch verschiedene Moleküle identifiziert, welche bevorzugt auf Tenozyten oder deren frühen Vorstufen exprimiert werden. Zu dieser Gruppe von Molekülen gehört der Transkriptionsfaktor Scleraxis, welcher charakteristisch für Sehnen oder Bandzellen unterschiedlicher Entwicklungsstadien ist [68] und dessen Aktivierung in der frühen Sehnenentwicklung über TGF-β erfolgt [57]. Allerdings wird Scleraxis auch bei der Entwicklung anderer mesodermaler Gewebe exprimiert [11].

Ein weiteres potentielles Markermolekül ist Tenomodulin. Dessen Expression wird durch Scleraxis induziert [50, 70]. Tenomodulin reguliert die Proliferation der Tenozyten und spielt eine Rolle bei der Maturation der Kollagenfibrillen [17].

Tenascin C wird von Tenozyten als Reaktion auf mechanische Reize gebildet, kommt jedoch nicht nur in Sehnen oder Bändern vor sondern auch in Knochen, glatter Muskulatur und Fibroblasten bei Wundheilung [13].

Extrazelluläre Matrix

Sehnen und Bänder bestehen zum größten Teil aus Proteoglykanen und Kollagenen. Neben dem mengenmäßig dominierenden Kollagen vom Typ I (Abb. 1 a) kommt eine ganze Reihe anderer Kollagentypen (z. B. Kollagen III, V, VI, IX, XI) ebenfalls vor [25, 29, 51]. Proteoglykane sind v. a. für die viskoelastischen Eigenschaften der Sehnen verantwortlich, tragen aber nur sehr wenig zur Zugfestigkeit bei [59, 63].

Erreichen der Zugfestigkeit durch unterschiedliche Anordnung der verschiedenen Kollagenfibrillen

Die Zugfestigkeit wird v. a. durch die unterschiedliche Anordnung der verschiedenen Kollagenfibrillen erreicht, wobei die spezielle Textur der extrazellulären Matrix auch einen gewissen Grad von Dehnung erlaubt.

Abb. 1
figure 1

a Lange Bizepssehne, Longitudinalschnitt, Immunmarkierung für Kollagen I: Die kräftige braune Markierung lässt erkennen, dass alle Faserbündel der Sehne das für die Zugfestigkeit wichtige Kollagen I enthalten. b Lange Bizepssehne, Longitudinalschnitt, Hämatoxylinfärbung: Zwischen den linienförmig angeordneten Tenozyten weisen die Faserbündel die charakteristische wellenförmige Undulation („crimp“) auf, welche auf eine entspannte Sehne hinweist (Pfeile). c Sehne des M. flexor carpi ulnaris, Longitudinalschnitt, Toluidinblaufärbung: Zwischen den von rechts nach links verlaufenden Faserbündeln der Sehne befindet sich eine Zone mit lockerem Bindegewebe. Darin lassen sich längs und quer angeschnittene Gefäße (Pfeile) erkennen. d Sehne des M. flexor carpi ulnaris, Querschnitt, Toluidinblaufärbung: Man erkennt die Gliederung der Sehne in verschiedenen Faszikel welche sich zu größeren Bündeln ordnen. Dazwischen sind schräg angeschnittene Faserzüge zu erkennen. Dies deutet darauf hin, dass die Sehne eine komplexere dreidimensionale Architektur aufweist

Kollagenmoleküle bestehen aus Polypeptidketten, welche großen Mengen an Glycin, Prolin und Hydroxyprolin enthalten. Drei dieser Polypeptidketten bilden ein dicht gepacktes, spiralförmig angeordnetes Tropokollagenmolekül, jeweils 5 solcher Tropokollagene bilden eine Mikrofibrille. Diese Mikrofibrillen wiederum bilden Fibrillen, welche sich zu Fasern, Faserbündeln und schließlich sog. Faszikeln gruppieren. Während der frühen Entwicklungsphasen weisen die Fibrillen einheitlich geringe Durchmesser auf. Ab der Adoleszenz nehmen die Fibrillendurchmesser zu, wobei auch die beobachtete Variabilität steigt [71]. In höherem Lebensalter nehmen die Fibrillendurchmesser dann wieder ab, was möglicherweise durch Kollagen V beeinflusst wird. Die Abnahme der Fibrillendurchmesser wird auch mit der Abnahme der mechanischen Stabilität bei den Sehnen älterer Menschen in Verbindung gebracht [18]. Die größten mittleren Fibrillendurchmesser finden sich beim Menschen zwischen dem 20. und dem 29. Lebensjahr [66]. Bei Verletzung der Achillessehne finden sich geringere mittlere Kollagenfibrillendurchmesser im Gewebe neben der Rupturzone [42].

Schraubenförmige Architektur als universelles Bauprinzip bei verschiedenen Organisationsebenen des Gewebes

Eine schraubenförmige Architektur findet sich als universelles Bauprinzip bei verschiedenen Organisationsebenen des Gewebes, beginnend bei der makroskopisch erkennbaren Sehne, bei Faszikeln bis zur Ebene der einzelnen Fibrillen. Darüber hinaus ist eine deutliche wellenförmige Undulation („crimp“) des Gewebes im Schnittbild zu erkennen (Abb. 1 b, [64, 83]). Die schraubenförmige Organisation der Sehnenbestandteile ähnelt dabei frappierend der von Seilen [9]. Eine solche Anordnung soll bei triplanaren Fußbewegungen die Notwendigkeit für longitudinale Relativbewegungen zwischen den einzelnen Faszikeln in der Sehne des M. tibialis posterior verringern [64]. Bei solchen Anordnungen können die Überschneidungswinkel der im Inneren der Sehnen gelegenen Faszikel geringer sein als die der außen gelegenen Faszikel, was eine weitere Modulation der lokalen Gewebeeigenschaften erlaubt [83]. Zusätzlich zeigen viele Sehnen in Richtung knöcherner Anheftungsstelle eine Konvergenz der einzelnen Faszikel [22]. Dadurch kann die Wirkung verschiedener Muskelfasern auf eine relativ schmale Insertionszone konzentriert werden.

Sehnen sind bei gesunden Menschen nicht mineralisiert, weshalb Mineralisation der extrazellulären Matrix als pathologisches Merkmal angesehen wird. Davon abzugrenzen sind knöcherne Sesambeine, welche im ganzen Körper (v. a. aber in den Sehnen des Fußes) vorkommen [16]. Eine Ausnahme stellen die Sehnen verschiedener Vogelarten dar, welche auch physiologischerweise ausgeprägte flächige Mineralisierungen aufweisen können [36]. Beim Menschen finden sich physiologische Mineralisierungen nur im Bereich der verkalkten Faserknorpel an den Ansatzstellen [6]. Die Mineralisierung von Sehnen und Bändern wird normalerweise durch die Tenozyten verhindert, welche einen speziellen Transkriptionsfaktor (Msx2) sezernieren, der bei ektoper Ossifikation nur vermindert ausgeschüttet wird [85].

Relativbewegungen zwischen Sehnenbestandteilen

Eine der besonderen Eigenschaften von Sehnen besteht in der unabhängigen Verschieblichkeit der Faszikel zueinander. Dadurch lassen sich Längendifferenzen innerhalb der Sehne und zwischen dem muskulärem Ursprung und knöchernem Ansatz kompensieren [22]. Um diese Relativbewegungen zu ermöglichen und um Räume für den Zutritt von Gefäßen zu schaffen, erstreckt sich eine dünne Schicht lockeren Bindegewebes (Endotenon) zwischen Faszikel und Faserbündel [22, 28]. Dieses Endotenon geht unmittelbar in eine weitere Schicht aus lockerem Bindegewebe (Epitenon) über, welche die gesamte Sehne umhüllt. Einzelne Sehnen weisen zudem ein sog. Paratenon auf, welches als getrennte Gewebeschicht die Sehne umhüllt und mitunter auch als „falsche Sehnenscheide“ bezeichnet wird. Ein prominentes Beispiel findet sich in der Umgebung der Achillessehne. Grundsätzlich existiert eine Vielzahl von verschiedenen Bezeichnungen, welche in der Literatur sehr uneinheitlich verwendet werden.

Relativbewegungen finden nicht nur zwischen einzelnen Faszikeln statt (Abb. 1 d), sondern laufen auch auf fibrillärer Ebene ab und ermöglichen bis zu 50% der jeweiligen longitudinalen Deformation (Elongation) der Sehne [69]. Diese Relativbewegungen finden v. a. in den nicht faserknorpelig angelegten Teilen einer Sehne (d. h. den reinen Zugsehnenanteilen) statt, wobei das Ausmaß der Scherengitteranordnung der Kollagenfasern im Faserknorpel als Anhaltspunkt dient, ob auch hier eine Deformation stattfinden kann.

Jede Relativbewegung der Fibrillen erfolgt grundsätzlich in einer proteoglykanreichen Matrix [59].

In diesem Zusammenhang ist es besonders bemerkenswert, dass Lubricin, ein Molekül, welches normalerweise mit Reibungsreduktion in Gelenken assoziiert wird, auch zwischen den Faszikeln verschiedener Sehnen gefunden wird [72].

Dehnungsverhalten

Je nach einwirkender Kraft zeigen Sehnen und Bänder die Fähigkeit zur elastischen Längenveränderung, d. h. sie lassen sich dehnen und retrahieren sich beim Nachlassen der Kraft. Dieses Verhalten ist in struktureller Hinsicht mit sog. Falten („crimp“) oder auch Knäueln („knots“) der Kollagenfibrillen assoziiert [24]. Wird eine Sehne im physiologischen Rahmen gedehnt, so nimmt die Zahl dieser Falten in vivo um etwa 50% ab [24]. Der Grad der Undulation der einzelnen Fibrillen wird so wesentlich geringer. Dieses Dehnungsverhalten der extrazellulären Matrix der Sehnen hat besondere Aufmerksamkeit von Sportphysiologen und Biomechanikern erfahren und wird in den Reviews von Maganaris [41] und Reeves [62] eingehend beleuchtet. Überraschenderweise zeigt sich, dass Sehnenmineralisation die elastischen Eigenschaften solcher Sehnen nicht notwendigerweise reduzieren muss, sondern bei verschiedenen Tieren sogar dazu beitragen kann, Dehnungsenergie noch effizienter zu speichern [1].

Die Fähigkeit zur elastischen Dehnung ermöglicht es den Sehnen (beispielsweise beim Laufen), in ihrer extrazellulären Matrix Energie über einen gewissen Zeitraum zu speichern, was den Muskeln ermöglicht, kürzere Muskelfaszikel zu entwickeln oder langsamer kontrahierende Fasertypen zu verwenden. Dadurch generiert das gesamte System die notwendige Kraft, ökonomischer als dies bei nicht elastischen Sehnen der Fall wäre [1].

Bereitet sich ein Athlet auf einen Sprung vor, so wird zuerst die Quadrizepssehne (genauer gesagt die extrazelluläre Matrix der Quadrizepssehne) gedehnt und die so gespeicherte Energie wird erst zum eigentlichen Sprungzeitpunkt freigesetzt [35]. Während solcher Sprünge dehnt sich die Sehne 350-100 ms vor dem Abheben der Zehen vom Boden um etwa 6%. Die eigentliche Verkürzung des Muskel-Sehnen-Verbandes und damit die Freisetzung der in der Matrix gespeicherten Energie erfolgt <100 ms vor dem Abheben der Zehen [35].

Die Dehnungsfähigkeit von Sehnen variiert stark je nach Alter, Geschlecht und physischem Aktivitätsgrad.

Die Dehnungsfähigkeit der Sehne des M. vastus lateralis ist bei Kindern größer als bei jungen Männern [33] und nimmt bei Erwachsenen im Training sogar ab [32, 62]. Die weibliche Achillessehne ist dehnbarer als die Männliche, wobei v. a. bei großen Beanspruchungen bei beiden Geschlechtern ein relativ lineares Kraft-Dehnungs-Verhalten beobachtet wird [34]. Interessanterweise unterscheiden sich Steifigkeit und E-Modul der Achillessehne bei verschiedenen Individuen erheblich – die Steifigkeit reicht von 145-231 N/mm, während das E-Modul von 0,67-1,07 GPa variiert [40]. Während eines Sprunges werden durch die elastische Retraktion der Achillessehne im Mittel 38 J freigesetzt, was etwa 16% der gesamten Arbeit entspricht, welche zur Durchführung einer solchen Aktion notwendig ist. Die durchschnittliche Spitzendehnung von 8,3% unterstreicht nur die komplexe Architektur der Achillessehne [40].

Ermüdungsvorgänge in der extrazellulären Matrix verändern die elastischen Eigenschaften von Sehnengewebe bei repetitiver Beanspruchung. Nach 50 isometrischen Kontraktionen mit maximaler Anspannung reduziert sich das maximal erzeugbare Wirkmoment des M. vastus lateralis und der zugehörigen Sehne um etwa 10% [34]; auch der mittlere Fiederungswinkel der Muskelfasern nimmt um 10% zu. Es scheint daraus ableitbar, dass eine zuvor stark beanspruchte Sehne mit gleicher Kraft stärker gedehnt wird, als eine zuvor nicht stark beanspruchte Sehne.

Die Verlängerung von Gliedmaßen durch Distraktionsosteotomien hat sich als häufig angewandte Methode etabliert. Untersuchungen an Ziegen haben gezeigt, dass in diesen Fällen die zur Funktion benötigte Extralänge v. a. vom Muskel und weniger von der Sehne bereitgestellt wird. Dabei verlängert sich der Muskel um beinahe 10%, während die Sehnenlänge nur um 3-4% zunimmt [20]. Solche Längenveränderungen sind bei jüngeren (d. h. im Wachstum befindlichen) Tieren stärker ausgeprägt als bei älteren ausgewachsenen Tieren [73]. Die Längenänderung der Sehne erfolgt nicht gleichmäßig, sondern findet bevorzugt in den Regionen statt, welche auch während der normalen Entwicklung das stärkste Wachstum zeigen [73].

Blutversorgung

Generell haben Sehnen eine deutlich geringere Blutversorgung als der metabolisch wesentlich aktivere Muskel, mit welchem sie funktionell eine Einheit bilden. Dies kommt bei frischen Sehnen schon makroskopisch durch die unterschiedlich farbige Erscheinung zum Ausdruck. Sehnen weisen jedoch trotz vereinzelter gegenteiliger Berichte eine gut organisierte Blutversorgung auf, welche für die normale Funktion der Zellen sowie für eine erfolgreiche Sehnenheilung entscheidend ist. Dies wird offensichtlich, wenn man den Effekt einer Tenotomie der Achillessehne in der Ratte untersucht [27]. Der Blutfluss innerhalb der Sehne sowie im angrenzenden M. gastrocnemius ist für einen längeren Zeitraum reduziert, was die Heilung ungünstig beeinflussen kann.

Es wird auch immer wieder diskutiert, dass eine gestörte Blutversorgung zu degenerativen Sehnenveränderungen führen würde. Dies umso mehr, als es bestimmte Sehnen gibt, welche schon physiologischerweise Zonen mit geringerer Blutversorgung aufweisen. Dazu gehören beim Menschen u. a. die Achillessehne, die Sehnen des M. tibialis posterior und des M. supraspinatus. Für ein detailliertes Review wird auf [61] verwiesen. Allerdings ist diese Sichtweise nicht von allen Autoren anerkannt [56]. Dopplersonographische Untersuchungen zeigen, dass die lokale Perfusion einer Sehne starken Schwankungen unterliegt und im selben Individuum an verschiedenen Tagen sowie in Abhängigkeit vom Aktivitätsgrad variiert [15]. In diesem Zusammenhang sollte auch darauf hingewiesen werden, dass Gewebe, welche neben der eigentlichen Sehne liegen (Sehnenscheiden, Peritendineum) zumeist eine sehr ausgeprägte Blutversorgung aufweisen, in welcher der Blutfluss bei gesteigerter mechanischer Beanspruchung noch zunimmt [37].

Die Gefäße innerhalb der Sehnen sind häufig schmal und haben nur eine sehr dünne Wand. Sie finden sich im Inneren der Sehne sowie in den oberflächlichen Schichten (Epitenon). Häufig finden sich die Gefäße in feinen, makroskopisch erkennbaren Spalten, welche zwischen den longitudinal angeordneten Faszikeln zu finden sind [19]. Innerhalb der Sehne verlaufen die Gefäße in Längsrichtung (Zugrichtung) ebenfalls parallel zu den Kollagenfaserbündeln (Abb. 1 c). In den Sehnen der Finger handelt es sich dabei zumeist um Arteriolen und noch häufiger um Venulen [10]. Anastomosen zwischen benachbarten Gefäßen sind häufig zu finden [19]. An den Muskel-Sehnen-Übergängen ist die Gefäßdichte besonders hoch, einige Studien zeigen anhand von Gefäßinjektionen, dass Gefäße an bestimmten knöchernen Anheftungsstellen in die Sehne einstrahlen. Allerdings wird die Meinung vertreten, dass die an den knöchernen Anheftungsstellen beobachteten Gefäße keinen wesentlichen Beitrag zur Versorgung der Sehne leisten können [19]. Interessanterweise finden sich an diesen Stellen auf der Sehnenoberfläche häufig relativ große Lymphgefäße [19]. Im Bereich apophysärer Sehnenansätze, wie beispielsweise der Patellarsehne an der Tibia, wird eine Blutversorgung sogar gänzlich verneint [2, 26, 67]. In diesem Zusammenhang sollte man berücksichtigen, dass normale faserknorpelige Anheftungsstellen avaskulär sind [5] und dass infolge von Regenerationsprozessen, welche sich bei Individuen mit höherem Lebensalter öfter beobachten lassen, jedoch sehr wohl Gefäße auch in faserknorpeligen Bereichen finden lassen [7].

Die Blutversorgung der Sehnen erfolgt typischerweise segmental

An den Stellen, an denen Sehnen in Sehnenscheiden verlaufen, erfolgt die Blutversorgung über eine Struktur, welche im englischen Sprachraum „mesotendon“ genannt wird. Im Hand- und Fußgelenkbereich sind dies flächige Synovialfalten, welche im Bereich der Phalangen zu isolierten Strängen (vinculae) zurückgebildet werden [19]. Daraus ergibt sich, dass die Blutversorgung der Sehnen typischerweise segmental erfolgt [31], wobei sich gut vaskularisierte Regionen mit hypovaskularisierten Abschnitten abwechseln. Letztere finden sich v. a. in Faserknorpelarealen welche sich in der Sehne als Reaktion auf lokale Kompression über einem Hypomochlion bilden [49].

Gefäßarmut

Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die Blutversorgung einer Sehne im Bereich eines Hypomochlions häufig stark reduziert ist [52, 53, 55]. Da verschiedene Sehnen an mehr als einer Stelle umgelenkt, d. h. gegen den Knochen gepresst werden (z. B. die Sehnen des M. fibularis longus and des M. flexor hallucis longus), ergibt sich so eine Reihe von verschiedenen avaskulären Zonen. An diesen Stellen werden besonders häufig degenerative Veränderungen der Zellen sowie der extrazellulären Matrix beobachtet. Auch Rupturen der Sehne kommen hier gehäuft vor. In solchen Regionen erfolgt eine lokale Hemmung der Angiogenese, entweder, weil die faserknorpeligen Zellen inhibitorische Faktoren sezernieren, oder weil es nicht zu einer ausreichenden Sekretion angiogenesestimulierender Faktoren kommt. Dies entspricht der Beobachtung, dass VEGF (vascular endothelial growth factor), welches stark angiogenesestimulierend wirkt, in solchen Sehnenbereichen fehlt [54], dass jedoch Endostatin, ein potenter Inhibitor der Angiogenese, stark exprimiert wird [58].

Reaktion auf mechanische Beanspruchung

Sehnengewebe und damit Tenozyten können auf Veränderung der mechanischen Beanspruchung reagieren und sich entsprechend anpassen [12, 29]. Beim Menschen erhöht sich als Reaktion auf einen einzigen akuten Schub mit gesteigerter mechanischer Beanspruchung die Kollagensyntheserate der Patellarsehne um beinahe 100%, ein Effekt, der auch noch nach 3 Tagen nachweisbar ist [48]. Vergleichende Untersuchungen von Sportlern (Läufer) und weitgehend unsportlichen Individuen haben gezeigt, dass die Läufer signifikant dickere Achillessehnenquerschnitte aufweisen. Es ist dabei besonders interessant, dass es vermutlich v. a. die initiale Phase des Trainings ist, in welcher der Kollagenumbau (d. h. das Fliesgleichgewicht zwischen Synthese und Degradation) in Sehnen gesteigert ist [38, 39]. Diese von den Zellen gesteuerte Restrukturierung der extrazellulären Matrix wird als Zeichen der Anpassung an die gestiegene mechanische Beanspruchung interpretiert. Erst bei fortgesetztem Training kommt es schließlich zu einem Nettoüberschuss der Kollagensynthese.

Der mittlere Fibrillendurchmesser bei juvenilen, im Wachstum befindlichen Mäusen nimmt bei Tieren mit erhöhter Aktivitätsrate zunächst zu, kehrt jedoch trotz Aufrechterhaltung der Aktivitätsrate danach wieder zu den geringeren Werten der nicht stimulierten Kontrollgruppe zurück [46]. Bisher ließ sich durch mechanische Beanspruchung nur in der Haut ein längerfristiger Anstieg der Kollagenfaserdurchmesser erzielen [65]. Dabei erwies sich weniger Zugbeanspruchung, sondern vielmehr gesteigerte Kompression oder Scherbeanspruchung als wirksamer Reiz. Umgekehrt nimmt bei reduzierter Beanspruchung („stress shielding“) in der Patellarsehne der Maus die Anzahl der Kollagenfibrillen mit geringem Durchmesser signifikant zu [43].

Auf zellulärer Ebene scheint es bisher so, dass hinsichtlich der Reaktion auf mechanische Reize kein Unterschied zwischen Tenozyten aus unterschiedlichen Sehnen (z. B. aus antagonistisch wirkenden Muskelsehnen) besteht [21].

In ein und derselben Sehne reagieren die Zellen jedoch sehr fein abgestimmt auf Art, Dauer und Größe der lokalen Zugbeanspruchung.

Die Zellproliferation wird dabei v. a. durch kurze, repetitive Zugbeanspruchung stimuliert, während länger anhaltende Phasen konstanter Zugbeanspruchung die Proliferation hemmen [4].

In-vitro-Beobachtungen weisen ebenfalls darauf hin, dass Tenozyten die Kollagensynthese als Reaktion auf Zugbeanspruchung steigern können. Die Reaktion scheint dabei von der über „gap junctions“ erfolgenden Kommunikation mit Nachbarzellen abzuhängen. Blockiert man diese Verbindungen, dann erhöhen die Zellen ihre Syntheserate bei der gleichen mechanischen Beanspruchung (Dehnung), welche zuvor noch zur Reaktion geführt hatte, nicht mehr [77]. Die Modulation der Synthese der extrazellulären Matrix hängt dabei von zwei verschiedenen Arten von „gap junctions“ ab. Die eine Art ist durch das Auftreten von Connexin 32 bestimmt, während die zweite Art durch Connexin 43 charakterisiert wird.

Reize, welche über „gap junctions“ vom Connexin-32-Typ vermittelt werden, wirken stimulatorisch auf die Kollagensynthese, während Reize, die über „gap junctions“ vom Connexin-43-Typ vermittelt werden, die Kollagensynthese inhibieren. Die in typischen longitudinalen Reihen angeordneten Tenozyten werden dabei immer durch „gap junctions“ verbunden, welche beide Connexin-Typen aufweisen.

Verbindungen zu lateral gelegenen Nachbarzellen erfolgen dagegen nur über „gap junctions“, welche Connexin 43 exprimieren. Dies bedeutet, dass die Kollagensynthese stimulierende Connexin-32-enthaltenden „junctions“ in Richtung der Zugbeanspruchung der Sehne ausgerichtet sind, während die inhibitorisch wirkenden, durch Connexin 43 gekennzeichneten „junctions“ in allen Richtungen zu finden sind. Es wird daher angenommen, dass Tenozytenverbände eine basale Kollagensyntheserate aufrechterhalten, welche über Verbindungen vom Connexin-32-Typ gesteuert und durch mechanische Beanspruchung stimuliert wird. Die über „gap junctions“ vom Connexin-43-Typ übertragenen Reize wirken dieser Steigerung der Syntheserate entgegen und dämpfen schließlich die Reaktion auf mechanische Reize ab. Eine solche antagonistisch koordinierte Steuerung erscheint sinnvoll und notwendig, da es die Funktion der Sehne beeinträchtigen würde, wenn einzelne Zellen auf denselben Reiz unterschiedlich reagieren würden und so Stellen mit geschwächter extrazellulärer Matrix entstünden. Zugleich wird die zeitliche Dauer einer Reaktion auf mechanische Stimulation begrenzt.

Zytokine

Zusätzlich zur Beeinflussung der Kollagensyntheserate bewirkt eine sehr ausgeprägte repetitive Elongation von Tenozyten in vitro die gesteigerte Produktion von proinflammatorischen Zytokinen und zumindest auch eine gesteigerte Genexpression von COX-2, PGE2 und MMP-1 [79, 84]. Der beobachtete Effekt ist bei höherer Beanspruchung und beim gleichzeitigen Vorliegen von Interleukin- (IL-)1β im Medium noch deutlicher ausgeprägt. Geringer ausgeprägte, repetitive Beanspruchung zeigt den gegenteiligen Effekt und führt zu einer geringeren Produktion von proinflammatorischen Zytokinen, sogar in Gegenwart von IL-1β.

Repetitive, geringgradige Beanspruchung scheint antiinflammatorisch zu wirken, während höhergradige Beanspruchung proinflammatorische Wirkung hat.

Mit anderen Worten, repetitive geringgradige Beanspruchung scheint antiinflammatorisch zu wirken, während höhergradige Beanspruchung proinflammatorische Wirkung hat. Es gibt offensichtlich, zumindest in vitro eine Art von Schwellenwert, bei dessen Überschreiten die mechanische Beanspruchung die entzündliche Reaktion begünstigt. Sofern sich diese Zusammenhänge auch in vivo bestätigen lassen, wäre u. U. die Anwendung von moderater Dehnungsbeanspruchung hilfreich im Hinblick auf eine Reduktion der inflammatorischen Prozesse bei entzündlichen Sehnenerkrankungen [84].

Es ist in diesem Zusammenhang interessant, dass Tenozyten selbst fähig sind, IL-1β zu produzieren, insbesondere wenn in ihrer Nachbarschaft eine Sehnenverletzung vorliegt. Die Expression ist einen Tag nach der Verletzung am höchsten und kann für mehrere Tage anhalten [30]. Dies ist umso bemerkenswerter, als IL-1β selbst wiederum die Expression einer ganzen Reihe weiterer proinflammatorischer Wirkstoffe induzieren kann. Dazu gehören u. a. COX-2, MMP1, MMP3, MMP13, ADAMTS-4 und Il-6. Zudem fördert IL-1β auch die Expression weiterer IL-1β-mRNA [76], was vermutlich Teil eines Mechanismus zur schnellen lokalen Konzentrationssteigerung ist. Außerdem reduziert IL-1β zugleich die elastischen Eigenschaften der Tenozyten durch Unterbrechung der intrazellulären Actinfilamente [60]. Es wird diskutiert, dass dies Teil eines Schutzmechanismus sein könnte, welcher die Sehnenzellen gegen Überbeanspruchung während der Heilungsphase sichert.

Antiphlogistisch wirkende Pharmaka

Sowohl Proteoglykan- als auch Kollagensynthese von Tenozyten werden in vitro durch Gabe von Glukokortikoiden unterdrückt [80, 81]. Zudem erfolgt bei Triamcinolonacetonid-Gabe eine Reduktion der Expressionslevel von MMP2, MMP8, MMP9 und MMP13 sowie eine Veränderung des Phänotyps in Richtung Fett und/oder Knorpelzelle [75]. Glukokortikoide unterdrücken zudem die Tenozytenproliferation und die zur Regeneration notwendige Rekrutierung von Progenitorzellen. Selbst in Gewebekultur, also bei Kultur von Zellverbänden mitsamt ihrer extrazellulären Matrix, lassen sich solche Effekte nachweisen [78]. Geht man davon aus, dass solche Effekte auch in vivo auftreten, dann erklärt dies, warum die strukturelle Integrität einer Sehne oder eines Bandes bei der klinisch recht häufig eingesetzten lokalen Kortikosteroidbehandlung schwerwiegend beeinträchtigt werden kann. Selbst bei einmaliger lokaler Applikation kommt es im Rattenversuch zu einer (wenngleich reversiblen) Reduzierung der mechanischen Stabilität der intakten oder verletzten Achillessehne [47]. Kürzlich publizierte Daten zeigen darüber hinaus, dass bei Ratten eine Reduktion der endogenen Östrogenproduktion die Sehnenheilung negativ beeinflusst [14]. Auch Indomethacin scheint die Proliferation primärer Sehnenzellen negativ zu beeinflussen [44].

Im Gegensatz zu Kortikosteroiden unterstützt Stickstoffoxid (NO, „nitric oxide“) die Sehnenheilung und fördert die Kollagensynthese [82]. „Nitric oxide synthetase“ ist ein Enzym, welches normalerweise nur geringe Expressionslevel aufweist. Sofern jedoch entsprechende mechanische Stimuli vorliegen, erfolgt eine deutliche Erhöhung der Expression [23, 74]. Zudem ist die Abwesenheit von NO während der Wundheilung mit einer Verlängerung der entzündlichen Phase assoziiert. Dies hat zu klinischen Versuchen mit Pharmaka geführt, welche die lokale NO-Konzentration im Gewebe von Patienten mit Tendinopathien erhöhen sollen

Fazit für die Praxis

Auf „tissue engineering“ basierende Sehnenimplantate erreichen nur dann eine Qualität, welche ihren klinischen Einsatz rechtfertigt, wenn sie hinsichtlich ihrer initialen Struktur, Funktion und v. a. hinsichtlich der langfristigen Remodelling-Eigenschaften den zu ersetzenden Geweben nahe kommen. Die detaillierte Kenntnis der biologischen Eigenschaften der Sehnenmatrix und der darin eingebetteten Zellen ist notwendig, um die funktionellen Anforderungen an solch ein „ideales“ Tissue-engineering-Konstrukt definieren und bewerten zu können.