Zusammenfassung
Komplexe proximale Humerusfrakturen stellen noch immer eine große Herausforderung dar. Nicht alle können rekonstruiert werden. Indikationen für den primären Gelenkersatz ergeben sich beim älteren Patienten (>60 Jahre) aus „kritischen Frakturtypen“ und dem Vorliegen von definierten Ischämieprädiktoren.
Voraussetzungen für ein gutes funktionelles Ergebnis sind neben einer weichteilschonenden Operationstechnik, eine sichere Tubercularefixation, eine gute Weichteilbalancierung der Rotatorenmanschette und eine korrekte Wiederherstellung von humeraler Länge, Retroversion und Offset sowie eine adäquate Physiotherapie. Multicenterstudien nach primärer Hemiarthroplastik ergaben durchschnittliche Ergebnisse im Constant-Murlay-Score von 56,0–73,5 Punkten. 79% der Patienten äußerten im Follow-up keine oder nur geringe Schmerzen, das Bewegungsausmaß war akzeptabel (41,9% Anteversion >90°, 34,7% Abduktion >90°). Generell lag die subjektive Bewertung über den objektiven Ergebnissen.
Die beschriebenen Komplikationsraten der primären Frakturprothetik am proximalen Humerus sind noch relativ hoch, eine aktuelle Studie beschrieb eine 10-Jahres-Überlebensrate von 100%.
Abstract
The surgical treatment of complex proximal humerus fractures is still a great challenge. Not all fracture types can be successfully reconstructed. Indications for a primary joint replacement arise from critical fracture patterns and defined predictors of ischemia in the elderly (age >60 years).
If good functional results are to be achieved a soft-tissue-preserving surgical technique, secure tuberosity attachment and accurate soft tissue balancing of the rotator cuff, correct restoration of height, retrotorsion and offset, and appropriate physiotherapy afterwards are essential. In multicentre studies in patients who had undergone primary hemoarthroplasty average Constant-Murlay Scores of 56.0–73.5 point were recorded. At follow-up, 79% of the patients reported only mild pain or none at all, and the ROM was acceptable (41.9% anteversion >90°, 34.7% abduction >90°). Generally, subjective evaluations were much better than the objective results.
The incidence of complications after humeral head replacement is still relatively high, whereas the 10-year survival rate of shoulder hemiarthroplasties has been found in a recent study to be 100%.
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Die operative Therapie der proximalen Humerusfraktur stellt mehr denn je eine Herausforderung dar, die sich aus zunehmend komplexen Frakturmustern mit hohem Dislokationspotential durch den Zug der inserierenden Rotatorenmanschette bei osteoporotischer Knochenstruktur des immer häufiger betroffenen älteren und alten Patienten ergibt. Bereits jetzt sind 75% der Patienten mit Humeruskopffraktur >60 Jahre alt [19], demographische Prognosen gehen von einer deutlich steigenden Inzidenz aus.
In den letzten Jahren lässt sich im Zuge der Entwicklung anatomischer und winkelstabiler Implantate sowie durch den steigenden Anspruch der Patienten an eine frühfunktionelle Nachbehandlung und schnelle Reintegration in den Alltag ein deutlicher Trend von der konservativen zur operativen Therapie proximaler Humerusfrakturen erkennen. Ziel der operativen Behandlung ist eine möglichst anatomische Reposition und stabile Retention bis zur Frakturheilung. Jedoch können, bedingt durch Besonderheiten der Humeruskopfperfusion, Fragmentzahl, -größe und -dislokationsgrad, nicht alle Frakturformen erfolgreich rekonstruiert werden.
Besonderheiten der Humeruskopfperfusion
Die Humeruskopfperfusion stellt ein entscheidendes Kriterium bei der Indikationsstellung des rekonstruktiven vs. prothetischen Verfahrens dar. Hertel et al. [17] konnten an Untersuchungen des Rückflusses nach Anbohren des zentralen Fragments sowie durch intraossäre Laser-Doppler-Flussmessungen signifikante Prädiktoren der frakturinduzierten Humeruskopfischämie definieren, die in speziellen Frakturtypen mit der Collum-anatomicum-Komponente (Typ 2, 9, 10, 11, 12 des „binary description system“ nach Hertel, Abb. 1) und aus sog. akzessorischen Kriterien wie der Länge des „medialen Spickels“ (<8 mm) und der Integrität der posteromedialen Periostverbindung (>2 mm Dislokation) bestehen. Diesen Kriterien ist gemeinsam, dass sie den A.-circumflexa-posterior-Komplex direkt beeinflussen, welcher die entscheidende Restperfusion des frakturierten Humeruskopfes darstellt [17]. Das A.-circumflexa-anterior-System und die A. arcuata dominieren bei der Perfusion der intakten Kalotte [12, 27], scheinen jedoch für die Durchblutung des frakturierten Kopfes untergeordnet zu sein, da sie nachweislich auch bereits bei den meisten „einfachen Frakturen“ geschädigt sind [17].
Bildgebende Diagnostik
Die Basisdiagnostik der proximalen Humerusfraktur besteht in der radiologischen Traumaserie (True-a.-p.-, axiale-, Y-Aufnahme). Eine zusätzliche Computertomographie (CT) zur Entscheidungsfindung Rekonstruktion vs. Prothese ist indiziert, wenn die konventionelle Röntgenserie die von Hertel et al. [17] für die exakte Interpretation der proximalen Humerusfraktur definierten folgenden 12 Fragen nicht klar beantworten kann (s. Infobox 1).
Indikationen zur primären Frakturprothese
Die Indikation zur primären Frakturprothese bei proximaler Humerusfraktur ergibt sich aus den zuvor beschriebenen „kritischen Frakturtypen“ (Typ 2, 9, 10, 11, 12 des „binary description system“, Abb. 1) und dem Vorliegen der von Hertel et al. [17] definierten Ischämieprädiktoren.
Geeignete Indikationen sind [14, 34, 37]:
-
1.
Proximale Humerusfrakturen mit beeinträchtigter Kalottenperfusion:
-
Collum-anatomicum-Komponente (Typ 2, 9, 10, 11, 12 des „binary description system“, Abb. 1),
-
laterale Dislokation des Kopffragments gegenüber dem Schaft mit Unterbrechung der posteromedialen Periostverbindung,
-
metaphysärer Knochendefekt,
-
Humeruskopfluxationsfraktur.
-
2.
Destruktion des Kopffragments:
-
nicht rekonstruierbare Head-split-Fraktur,
-
isoliertes kleines, schalenförmiges Kalottenfragment,
-
Kalottenimpression (>40%) beim älteren Patienten (>60 Jahre),
-
verhakte Schulterluxation.
Sollten diese Kriterien zutreffen, ist ein kopferhaltendes, rekonstruktives Verfahren nur bei zu erwartender Kalottenrevaskularisation, stabiler Retention in anatomischer Stellung bei ausreichend guter Knochenqualität oder bei einem geplanten 2-zeitigen Vorgehen (sekundärer Gelenkersatz bei nicht tolerierter avaskulärer Nekrose) gerechtfertigt [17].
Bei jüngeren Patienten (<60 Jahre) sollte ein Kopferhalt angestrebt werden, da eine avaskuläre Nekrose in anatomischer Stellung relativ gut toleriert wird [11]. Nicht rekonstruierbare Frakturen, wie z. B. eine Mehrfachfragmentierung der Kalotte, können jedoch auch schon bei jüngeren den primären Gelenkersatz unumgänglich machen. Kontraindikationen für die Implantation einer primären Frakturprothese bestehen in Infekten und irreversiblen N.-axillaris- oder Plexus-brachialis-Paresen [14].
Operationstechnik
Präoperative Planung
Die korrekte Prothesengröße und -höhe werden durch das präoperative „Templating“ (seitenverkehrtes Übereinanderlegen) der Röntgenaufnahmen ermittelt. Dazu ist eine lange True-a.-p.-Aufnahme der Gegenseite mit Messlatte erforderlich. Die Implantathersteller stellen Schablonen verschiedener Größen zur Verfügung. Die Kalottengröße wird anhand der True-a.-p.-Aufnahme der gesunden Seite, die Größe der Schaftkomponente anhand der True-a.-p.- und axialen Aufnahmen der frakturierten Seite bestimmt.
Implantatdesign
Moderne Frakturprothesen sind höhenverstellbar und bieten die Möglichkeit zur zementfreien und zementierten Implantation. Sie erlauben eine Gelenkrekonstruktion mit stabiler, anatomischer Retention der Tubercula, eine adäquate Refixation der inserierenden Rotatorenmanschette und eine korrekte Rekonstruktion des anatomischen posterolateralen Offsets bei einer variablen Excenterposition der Kalottenkomponente [14].
Seit kurzem sind modulare Prothesensysteme verfügbar, die den Wechsel auf eine inverse Prothese ermöglichen und somit Revisionsoperationen erleichtern.
Operationszeitpunkt
Die primäre prothetische Versorgung proximaler Humerusfrakturen sollte innerhalb der 1. Woche nach Trauma erfolgen. Eine längere Verzögerung geht mit schlechteren funktionellen Ergebnissen einher [7, 30].
Operationslagerung und -zugang
Standardlagerung für die Implantation einer Frakturprothese ist die modifizierte Beach-chair-Position mit um 30° erhöhtem Oberkörper und höhenverstellbarem Beistelltisch, auf dem der Unterarm ruht. Die Autoren bevorzugen den deltoideopektoralen Zugang als anatomischen Zugang, der eine sehr gute Übersicht bietet und sowohl ein rekonstruktives als auch prothetisches Vorgehen zulässt [37]. Alternativ wird der anterosuperiore Mackenzie-Zugang beschrieben, dessen Vorteile in einer guten Übersicht über die Rotatorenmanschette sowie die Position der Tubercula im Verhältnis zur Prothese liegen. Nachteilig erweisen sich die nicht-anatomische Präparation mit Beeinträchtigung des Deltamuskels, ausgeprägte Vernarbungen und ein eingeschränkter Zugang nach distal [14].
Operationstechnik
Einige Minuten vor Operationsbeginn erfolgt die Gabe einer Single-shot-Antibiose. Die anatomischen Landmarken sowie die Hautinzision werden eingezeichnet. Es folgt der deltoideopektorale Zugang [37]. Dieser kann, wenn nötig, durch Inzision des kranialen Ansatzes des M. pectoralis major erweitert werden. Das Gelenk ist typischerweise lateral des Sulcus bicipitalis eröffnet, wobei der Sulkus am Tuberculum-minus-Fragment hängt. Nicht selten blickt man bei proximalen Humerusfrakturen mit Indikation zum primären prothetischen Ersatz direkt auf isolierte Kalottenfragmente (Abb. 2). Diese, wie auch das Frakturhämatom und Spongiosaanteile werden entfernt. In der Mehrzahl der Humeruskopffrakturen ist die Rotatorenmanschette unverletzt [32]. Habermeyer et al. [14] empfehlen eine obligate Tenodese der langen Bizepssehne, da diese durch die Implantation einer Frakturprothese in ihrem Geleitmechanismus behindert werden und die Kalottenkomponente potentiell schädigen kann.
Oberstes Gebot der Frakturprothesenimplantation und Grundlage guter Ergebnisse sind eine atraumatische Rekonstruktion von Tubercula und Rotatorenmanschette sowie eine möglichst unversehrte posteromediale Periostverbindung [14].
Im Folgenden werden die Tuberculafragmente identifiziert und angezügelt. Gelegentlich muss dazu das Rotatorenintervall vorsichtig eröffnet werden, um die Tubercula zu befreien und Teile der Kalotte zu bergen. Das Schaftfragment sollte keinesfalls nachresiziert werden, der „inverse Spickel“ ist essentiell zur Rekonstruktion des medialen Alignments (Abb. 3).
Die nun detailliert beschriebene Technik bezieht sich auf die Implantation des Typs „Univers-Frakturprothese®“ (Arthrex, Karlsfeld [24]). Dazu werden zunächst 4 Löcher in das proximale Schaftfragment gebohrt, um 2 U-förmig angelegte Vertikalnähte (z. B. Fiber wire® 5; Arthrex, Karlsfeld; Ethibond 6®, Ethicon, Norderstedt; 1,5 PDS Kordel) aufzunehmen. Der Innendurchmesser des Humerusschafts wird mit Riemern stufenweise ausgetastet, um die Prothesengröße zu ermitteln. Anschließend wird die humerale Länge mit der anhand des Röntgenbildes eingestellten Schablone geprüft, der Unterarm liegt dazu in 90° Flexion mit der Olecranonspitze auf der Schablonenbasis, das Implantat befindet sich auf der untersten Höhenposition. Die Univers-Frakturprothese® (Arthrex, Karlsfeld) erlaubt sowohl eine Press-fit-Implantation, als auch das Einzementieren bei ausgeprägt osteoporotischer Knochenstruktur. Zum Einstellen der Retroversion wird beim Einbringen der Schaftkomponente ein Orientierungsdraht am Impaktor platziert, der parallel zum 90° flektierten Unterarm auszurichten ist (Abb. 4a).
Retroversion der Prothese
Bei dislozierten 4-Fragment-Frakturen ist das Rekonstruieren der exakten Retroversion schwierig. Entgegen früherer Annahmen eignet sich der Sulcus bicipitalis wegen seiner Medialisierung im distalen Verlauf und der großen Variationsbreite der individuellen Retroversion [Median 23° (2–52°)] nur sehr eingeschränkt als Landmarke [2, 3, 16]. Hempfling et al. [16] erkannten in diesem Zusammenhang eine neue Konstante: Die mediane Distanz von der Äquatorialebene des Humeruskopfes zum Zentrum des Sulkus beträgt proximal 8,0 mm und distal 8,5 mm. Balg et al. [2] und Habermeyer et al. [14] empfehlen das Einstellen einer festen Retroversion von 20° zur humeralen Epikondylenachse, da eine zu große Retroversion (>20°) ein frühes Dislozieren des refixierten Tuberculum majus bei Innenrotation provozieren würde.
Höheneinstellung
Der „fracture jig“ (Tornier, Grenoble, Frankreich), eine Positionierhilfe, erleichtert das korrekte Einstellen der Prothesenretroversion und -höhe. Die exakte Höheneinstellung zur Rekonstruktion der humeralen Länge ist Grundlage einer ausgeglichenen Spannung von Rotatorenmanschette und M. deltoideus [25]. Moderne Frakturprothesen sind höhenvariabel. Murachovsky et al. [31] eruierte einen nahezu konstanten Abstand zwischen dem kranialen Rand der humeralen M.-pectoralis-majus-Insertion und dem höchsten Kalottepunkt (PMT) von durchschnittlich 5,6±0,5 cm als reproduzierbare Landmarke für die korrekte Rekonstruktion der humeralen Länge.
Nach Implantieren der Schaftkomponente in der geeigneten Höhe (Abb. 4b) wird eine Probekalotte in der Größe der frakturierten Kalotte (gleicher Durchmesser und gleiche Höhe, Abb. 5) in seiner anatomischen Off-center-Position (rechts/links beachten!) aufgesetzt. Die Auswahl der korrekten Kalottengröße ist essentiell, da eine zu kleine Kalottenkomponente eine Instabilität, einen reduzierten Bewegungsumfang und/oder Kraftverlust bedingen kann, wohingegen ein zu großer Kopfersatz zum „Overstuffing“ mit Rotatorenmanschettenläsion und ebenfalls verminderten Bewegungsumfang führt [36].
Positionieren und Fixieren der Tubercula
Nach Probereposition sollten beide Tubercula präzise zwischen Kopfkomponente und proximalem Schaft zu liegen kommen. Jetzt erfolgt eine nochmalige Längenkontrolle. Unter Duchleuchtung sollte die Kalotte das Tuberculum supraglenoidale leicht und die Tuberculum-majus-Oberkante um etwa 5 mm überragen [14]. Loebenberg et al. [25] beobachteten in der mittleren Gruppe mit einer Tuberculum-majus-Position 10–16 mm unter dem höchsten Kalottenpunkt den größten Bewegungsumfang. Sie interpretierten dies damit, dass eine prothetische Gelenkrekonstruktion zu einem zu geringen lateralen Offset tendiere, und eine leichte Distalverlagerung des Tuberculum majus diesen Effekt ausgleichen und die korrekte Vorspannung der Rotatorenmanschette wiederherstellen würde [25]. Die Einheilung des Tuberculum majus >2 cm distal der Kalotte gehe jedoch mit durch Overstuffing bedingten, schlechten funktionellen Ergebnissen einher [25, 28]. Frankle et al. [9] sahen eine signifikante Bewegungseinschränkung und eine bis um das 8fache erhöhte Drehkraft infolge fehlpositionierter Tubercula. Zu kranial rekonstruierte Tubercula bedingen ein subakromiales Impingement.
Eine stabile, spannungsfreie Refixation der Tubercula und ein breitflächiger, die Tubercula tragender proximaler Prothesenanteil sind entscheidend für eine gute Osteointegration und funktionelle Nachbehandlung. Andere Konzepte (Aequalis fracture prosthesis; Tornier, Grenoble, Frankreich) versuchen durch ein schlankes und „Open-stem-Prothesendesign“ die Einheilung zu fördern [8, 14].
Für die Tubercularefixation ist ein komplexes Fadenmanagement erforderlich (Abb. 6). Dazu bietet der Prothesenschaft Refixationsmöglichkeiten am Kalottenträger und den seitlichen Finnen, für die Horizontalcerclage geben Riefen am Prothesenhals den nötigen Halt.
Beide Tubercula werden vor Aufsetzten des definitiven Kopfersatzes durch die U-förmig am Kalottenträger vorgelegten und am tendinösen Übergang gestochenen Fäden in kranialer Richtung fixiert (Abb. 6a). Es folgt die transossäre Fixation beider Tubercula an der lateralen Finne (Abb. 6b). Nach korrektem Anlegen beider Tubercula werden alle noch frei liegenden Prothesenanteile mit Spongiosa bedeckt, die zuvor aus den frakturierten Humeruskopfanteilen entnommen wurde. Eine vorgelegte Horizontalcerclage sichert das Ergebnis additiv. Diese Horizontalcerclage vermindert die interfragmentären Bewegungen und erhöht die Stabilität signifikant [10]. Frankle et al. [9] konnten nachweisen, dass durch eine Horizontalcerclage interfragmentäre Dislokationen um den Faktor 6 reduziert wurden.
Zusätzlich werden Vertikalnähte, die initial in den Bohrlöchern des Schaftes platziert wurden, überkreuz durch den tendinösen Übergang der Tubercula gestochen und verknotet (Abb. 6c). Sie agieren als additive Cerclage und sichern die Tubercula am Schaft. Nachdem alle Fäden fixiert und das Rotatorenintervall verschlossen wurde, wird die Schulter durchbewegt, um die Suffizienz der Rekonstruktion und Nähte zu überprüfen.
Die abschließende intraoperative Durchleuchtung soll das mediale Alignment, die korrekte Prothesenzentrierung und die Tuberculapositionen mit gutem Kontakt zum Schaft kontrollieren. Sollte im Zusammenhang mit einer nicht rekonstruierbaren proximalen Humerusfraktur eine Rotatorenmanschettenläsion vorliegen (selten), ist diese durch Nähte zu rekonstruieren. Bei ausgedehnten, vorbestehenden degenerativen Läsionen muss beim alten Patienten an eine primäre inverse Prothese, beim Jüngeren an einen Sehnentransfer (Latissmus-dorsi- oder Pektoralistransfer) gedacht werden.
Postoperative Nachbehandlung
Unser Nachbehandlungskonzept umfasst die initiale postoperative Lagerung des Arms in der „Shake-hand-Position“ in einer Schulterabduktionsschiene (15°). Die initiale Kryotherapie und Lymphdrainage reduzieren Schwellung und Schmerzen. Ein unmittelbares gutes Schmerzmanagement ist unumgänglich, da starke Schmerzen bekanntermaßen mit Gelenksteifigkeit einhergehen [20].
In den ersten beiden Wochen postoperativ erhalten die Patienten ausschließlich isometrisches Muskeltraining, keine passiven/aktiv-assistiven Bewegungsübungen der Schulter. Hand- und Ellenbogengelenk werden beübt. Ab der 3. Wochen wird mit Pendelübungen begonnen. Vier Wochen postoperativ starten passive/aktiv-assistive Bewegungsübungen der Schulter. Die Dauer der Physiotherapie und das Erreichen des endgültigen Bewegungsumfanges nach primärem Humeruskopfersatz können 1 Jahr umfassen.
Ergebnisse
Viele Faktoren beeinflussen das funktionelle Ergebnis:
-
eine korrekt durchgeführte, weichteilschonende Operationstechnik,
-
die Knochenqualität,
-
das Patientenalter,
-
die Compliance,
-
die postoperative Nachbehandlung [6].
Prognostische Faktoren sind:
-
die Implantathöhe,
-
die Retroversion,
-
die Tuberculaposition,
-
die Nachbehandlung in einem Rehabilitationszentrum,
In einer Multicenterstudie untersuchten Kralinger et al. [20] 167 Patienten, die nach einer 3- oder 4-Fragment-Fraktur oder Humeruskopfluxationsfraktur eine primäre Hemiprothese erhielten. Bei einem Follow-up von mindestens 1 Jahr gaben 79% an, keine oder nur leichte Schmerzen zu haben. 41,9% zeigten eine Anteversion von >90° und 34,7% eine Abduktion von >90° [20].
37,1% wiesen eingeheilte Tubercula mit einer Dislokation von <5 mm (Abb. 7d), 16,8% mit einer Dislokation von >5 mm auf. Bei 46,1% waren die Tubercula fehlpositioniert, nicht eingeheilt oder absorbiert [20]. Die anatomische Einheilung des Tuberculum majus zeigte einen signifikanten Einfluss auf das funktionelle Resultat. 91,9% der Patienten mit <5 mm disloziertem, eingeheilten Tuberculum majus gaben an, mit dem Ergebnis (sehr) zufrieden zu sein [20]. Einen signifikanten Einfluss auf die Einheilung der Tubercula hatten das Patientenalter, der Prothesentyp und die Anzahl der in der entsprechenden Klinik implantierten Frakturprothesen, während die Methode der Tuberculafixation keinen signifikanten Einfluss aufwies [20].
Die Nizza-Multicenterstudie untersuchte 300 Patienten 2–10 Jahre nach primärer Frakturprothesenimplantation [38]. Der alters- und geschlechtsspezifische Constant-Murley-Score betrug durchschnittlich 73,5 Punkte; die aktive Elevation 103° und die aktive Außenrotation 21° [38]. 80,5% äußerten sich (sehr) zufrieden mit ihrem Ergebnis [38]. Generell können nach primärer Prothesenimplantation bessere subjektive als objektive Resultate beobachtet werden (Abb. 7 a, b, c, e). Dies könnte durch den relativ niedrigen funktionellen Anspruch des vorrangig betroffenen älteren Patientenklientels bedingt sein [8, 14].
Auch Gierer et al. [13] untersuchten aktuell prospektiv 18 Patienten 6 und 12 Monate nach primärer Hemiarthroplastik (Frakturprothese der 4. Generation: EPOCA, Fa Argomedical, Gifhorn) bei 4-Fragment- oder Head-split-Fraktur nach. Sie beobachteten einen durchschnittlichen Constant-Murley-Score von 56±18 Punkten. Ältere Patienten zeigten signifikant schlechtere funktionelle Ergebnisse als Jüngere [13]. Ein früher primärer frakturprothetischer Ersatz ging mit besseren funktionellen Ergebnissen einher als ein verzögertes Management [33].
Adams et al. [1] fanden aktuell eine 10-Jahres-Überlebensrate von 100% nach Implantation einer Hemiprothese bei akuten proximalen Humerusfrakturen (n=27), pathologischen Frakturen (n=4), Omarthrose (n=7) und rheumatoider Arthritis (n=4).
Komplikationen
Die Inzidenz der Komplikationen nach primärer Hemiarthroplastik am Humeruskopf ist relativ hoch und könnte das publizierte weite Spektrum an Ergebnisse erklären [34]. Zeitlich sind 3 Komplikationskategorien zu unterscheiden [14, 22, 34]:
-
1.
Intraoperative Komplikationen:
-
Nervenverletzungen (N. axillaris ≤5%),
-
iatrogene Frakturen,
-
Fehlpositionierung der Prothesenkomponenten (≤39%).
-
2.
Frühe postoperative Komplikationen:
-
Dislokation der Tubercula, subakromiales Impingement (≤23%),
-
Gelenksteife (≤5%),
-
Instabilität (≤15%),
-
Infektion (≤6%).
-
3.
Späte Komplikationen:
-
Tubercularesorption (≤7%),
-
Pseudarthrose der Tubercula (≤17%),
-
Rotatorenmanschettendysfunktion/-läsion (≤23%),
-
Glenoiderosionen/-arthrose (≤35%),
-
Prothesenlockerung (≤3%),
-
periprothetische Frakturen (≤2%),
-
heterotope Ossifikationen (≤30%).
Eine resultierende Gelenksteife kann eine arthroskopische oder offene Arthrolyse fordern. Isolierte fehlverheilte oder pseudarthrotische Tubercula erfordern eine Revision mit Refixation. Isolierte Glenoiderosionen oder -arthrosen verlangen einen totalen endoprothetischen Gelenkersatz. Bei Patienten mit Rotatorenmanschettenläsion sollte nach Korrektur der ursächlichen Implantatfehllage die Manschettenrekonstruktion bzw. eine Sehnentransfer (Latissimus-dorsi- oder Pektoralistransfer) durchgeführt werden. Bei Glenoidarthrose, fehlverheilten Tubercula und Rotatorenmanschetteninsuffizienz stellt die inverse Prothese ein geeignetes Salvageprocedure dar [23].
Ein subakromiales Impingement kann eine arthroskopische subakromiale Dekompression notwendig machen. Bei Implantatlockerung oder dislozierter periprothetischer Fraktur sind operative Revisionen indiziert. Nicht dislozierte periprothetische Frakturen können konservativ behandelt werden. Bereits der Verdacht auf eine Infektion begründet die ein- oder zweizeitige Revision [23].
Fazit für die Praxis
Nicht rekonstruierbare proximale Humerusfrakturen des älteren und alten Menschen indizieren die primäre Hemiarthroplastik. Gute Ergebnisse resultieren aus:
-
einer weichteilschonenden Operationstechnik,
-
einer atraumatischen Rekonstruktion der häufig mehrfach frakturierten Tubercula sowie der Rotatorenmanschette,
-
der sicheren Tubercularefixation,
-
der korrekten Rekonstruktion von humeraler Länge, Retroversion und Offset,
-
einem exakten Weichteilbalancing der Rotatorenmanschette,
-
einem möglichst kurzen Zeitraum zwischen Trauma und operativer Versorgung,
-
einer adäquaten Nachbehandlung in einem Rehabilitationszentrum.
Die subjektiven Bewertungen sind beim älteren Patienten besser als die objektiven Ergebnisse. 79% der Patienten haben >1 Jahr postoperativ keine oder nur leichte Schmerzen, der erzielte Bewegungsumfang (41,9% Anteversion >90°, 34,7% Abduktion >90°) ist akzeptabel.
Bei jüngeren Patienten (<60 Jahre) sollte die Rekonstruktion der Fraktur angestrebt werden, da die Literatur keinen gesicherten Vorteil des primären Gelenkersatzes bei 3- oder 4- Fragment-Frakturen aufweist: Misra et al. [29] führten ein systematisches Review der von Januar 1966 bis August 1999 publizierten Literatur durch, um die klinischen und funktionellen Ergebnisse von 3- und 4-Fragment-Frakturen zu vergleichen. Sie konnten keinen Unterschied im Bezug auf das Schmerzrelief und den Bewegungsumfang der Patienten nach Osteosynthese oder Hemiarthroplastik verifizieren [29]. Auch Bondi et al. [6] analysierten die Literatur und resümierten, dass es momentan keinen definitiven Hinweis auf eine Überlegenheit der Hemiarthroplastik oder Osteosynthese bei höhergradigen proximalen Humerusfrakturen gäbe.
Weiterhin bleiben viele Fragen unbeantwortet. Größere, methodisch korrekte, vergleichende Studien werden notwendig sein, um die Trends und Schlussfolgerungen der vorhandenen Studien abzusichern [6].
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Danksagung
Wir danken der radiologischen Abteilung unserer Klinik für die Abb. 7a–d.
Interessenkonflikt
Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Voigt, C., Lill, H. Primäre Endoprothetik bei proximalen Humerusfrakturen. Orthopäde 36, 1002–1012 (2007). https://doi.org/10.1007/s00132-007-1155-7
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