Hintergrund

Die Schulter-Nacken-Kopf-Region ist von vielfältigen, höchst unterschiedlichen Beschwerdebildern betroffen. Daher ist grundsätzlich eine differenzialdiagnostische Abgrenzung von Nöten, um solche Erkrankungen abzugrenzen, die primär extravertebragenen Ursprungs sind. Die Schwierigkeit dieser interdisziplinären Abklärung liegt insbesondere darin, dass auch ursächlich vertebragene Beschwerden multiple Auswirkungen zeigen, beispielsweise vestibulookulär, vasogen oder sympathomimetisch. Zudem führen chronische Störungen durch eine quasi „Überstimulierung“ der nozizeptiven Afferenzen zu einer neuropathischen Schmerzentwicklung mit veränderter Schmerzempfindlichkeit.

In den letzten Jahren hat die intensive Forschungsarbeit zu Schmerzentstehung und -verarbeitung viele neue Aspekte zu unserem biopsychosozialen Schmerzverständnis beigetragen. Dies hat einerseits unidirektionale Handlungsansätze nach einem „Wenn-dann-Schema“ in die Schranken verwiesen, andererseits die Grundlage für eine multimodale Schmerztherapie gelegt, die ein kontinuierliches Beschwerdeassessment und eine entsprechende Anpassung der multimodalen Schmerztherapie erfordert.

Auf Grundlage der vielfältigen Arbeiten von Krämer [10, 11] zu den Behandlungskonzepten bei Wirbelsäulensyndromen ist zur multimodalen Schmerztherapie der OPS-Code 8–918 ausgearbeitet worden. Für die Beschreibung der Schmerzlokalisation und -ausstrahlung haben sich die Terminologie der DGOOC und die Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (2. Aufl. 2000) bewährt. Danach wird das Zervikalsyndrom wie folgt gegliedert:

  • lokales Zervikalsyndrom,

  • zervikobrachiales Syndrom,

  • zervikozephales Syndrom.

Akute Beschwerdebilder, auch akut posttraumatische nach Verletzungsausschluss oder lokale Zervikalsyndrome, sind Domäne der ambulanten Behandlung. Zervikalsyndrome mit Schmerzfortleitung nach zephal oder brachial, bei denen eine intensive, ambulante Behandlung erfolglos war, oder akute und chronische Zustände mit Ausfallerscheinungen, also vorwiegend radikulärer Symptomatik, sind die Domäne der stationären Krankenhausbehandlung. Die minimal-invasive Therapie ist dabei die Alternative zur offenen Operation.

Zugrunde liegende strukturelle Veränderungen sind v. a. degenerativer (diskogen, vertebragen) oder postoperativer Art. Bei diskogenen Veränderungen handelt es sich v. a. um intradiskale Massenverschiebungen nach dorsal bzw. dorsolateral und Bandscheibensinterungen, die den Übergang zu degenerativen vertebragenen Veränderungen mit Facettensyndromen kennzeichnen. Bei vertebragenen Alterationen stehen Rezessusstenosen durch Hypertrophie der arthrotisch veränderten Wirbelgelenke oder unkovertebrale Osteophyten im Vordergrund. Auch Diskusprotrusionen mit Bulging-Phänomen können eine zusätzliche Einengung bedingen. Postoperativ finden sich zervikal v. a. Instabilitätssyndrome, Reprolapse und Verwachsungen, durch die die Wurzeln narbig eingemauert sind und der Zugreiz bei jeder Bewegung die ödematöse Schwellung der Wurzeln unterhält.

Auch bei vordergründig somatischen Veränderungen ist stets die differenzialdiagnostische Abklärung der Schmerzsymptomatik und -ausprägung erforderlich. Eine eingehende Darstellung findet sich in dem Lehrbuch von Krämer u. Nentwig [11]. Entsprechend der allgemeinen Grundsätze der Schmerztherapie wird mit dem Patienten die Zielsetzung der Behandlung besprochen und der persönliche Aufgabenbereich des Patienten bei den aktivierenden Therapien festgelegt.

Maßnahmenkatalog

Im Zentrum der minimal-invasiven Therapie stehen gezielte Injektionen, um eine Wirkung am Ort der Schmerzentstehung zu entfalten und damit den Circulus vitiosus von Schmerz – Fehlhaltung – Verspannung – Schmerz zu durchbrechen. Auf Einzelheiten wird im Nachfolgenden ausführlich eingegangen.

Zu den adjuvanten Maßnahmen gehören neben den aktivierenden Verfahren Verhaltenstherapie/Psychotherapie, Entspannungsverfahren, medizinische Trainingstherapie, gezielte Physiotherapie auch passive wie Extensionsbehandlung und myotonolytische Maßnahmen bzw. Wärmeanwendung und Elektrotherapie. Bei den aktivierenden Therapien erlernt der Patient ein Übungs- und Entspannungsprogramm, das er auch nach der 10-tägigen stationären Behandlung zur weiteren Muskelkräftigung und Wirbelsäulenstabilisierung fortführen muss.

Die Wirksamkeitsbewertung der verschiedenen Verfahren im Rahmen der „evidence based medicine“ ist ein guter Ansatz für klare Studienkonzepte, lässt aber derzeit noch keine zuverlässige Aussage zu, da für die zahlreichen Untersuchungen in der Vergangenheit die heutigen Erkenntnisse der differenzialdiagnostischen Abklärung der Beschwerdebilder fehlten, wie wir diese erst in den letzten Jahren im Zuge der Fortschritte der Schmerzforschung analysiert haben. So können uns die Arbeiten von van Tulder et al. [16], Goldie u. Landquist [5], Saal et al. [14], Hayden et al. [7] und Heymans et al. [8] nur orientierende Anhaltspunkte liefern. Außerdem sind Untersuchungen zur Wirksamkeit der adjuvanten Therapien bei Zervikalsyndromen vergleichsweise selten. Es kann allenfalls allgemein festgestellt werden, dass sich ein Erfolg eines gezielten, zusätzlichen krankengymnastischen Aktivierungsprogramms bei zervikalen Radikulopathien annehmen lässt, wobei kurzzeitige, mittelfristige und langfristige Effekte der Schmerz- und Funktionsbesserung nicht klar zu quantifizieren sind.

Für die Patientenunterweisung und Maßnahmen der Rückenschule finden sich unter den adjuvanten Therapien die deutlichsten Wirksamkeitsbelege. Insgesamt darf als positiv bewertet werden, dass bei den in der Regel kombinierten Verfahrensweisen bei der weit überwiegenden Zahl von Patienten eine operative Intervention vermieden werden konnte.

Indikation und spezifische Komplikationen

Die Indikation zur minimal-invasiven Injektionstherapie (MIT) als Kernstück der multimodalen Schmerztherapie stellt sich bei ambulant therapieresistenten fortgeleitenden Zervikalsyndromen, vorzugsweise mit radikulärer Symptomatik, bei denen keine absolute Operationsindikation besteht. Sie ist somit als Alternative zum operativen Vorgehen zu sehen, vermindert also die Anzahl der HWS-Operationen und damit auch die Zahl der unbefriedigenden postoperativen Ergebnisse. Ganz grundsätzlich gilt, dass im Zweifelsfall nicht operiert werden sollte. Es dürfen keine Verlegenheitsoperationen durchgeführt werden!

Die Indikation findet ihre Bestätigung, wenn ein „Ansprechen“ auf die Therapie in den ersten 5 Tagen durch entsprechende Schmerzreduktion im Schmerztagebuch und ein Funktionsgewinn deutlich werden. Eine Indikation zur MIT ist auch bei Risikofaktoren der Chronifizierung (yellow flags) gegeben. Analgetika werden, soweit möglich, abgesetzt, um die Schmerzausprägung klar zu identifizieren, den Effekt der einzelnen Injektionen abschätzen zu können und den Patienten ohne zusätzlichen Analgetikabedarf zu entlassen.

Mit den gezielten Injektionen können auch bei indikationsgerechter Anwendung und technisch korrektem Vorgehen spezielle Komplikationen verbunden sein. Es liegt in der Natur der minimal-invasiven Therapie mit der gezielten Applikation und Wirkung der Substanz vor Ort, dass radikuläre Beschwerdesyndrome am besten angegangen werden können und zwar auch bei Patienten, die >50 Jahre sind, also degenerative Veränderungen aufweisen, während primär myofasziale Schmerzsyndrome und motorische Schwächen ungünstiger zu behandeln sind [3]. Ergänzend zu der grundsätzlichen Darstellung der spezifischen Komplikationen der minimal-invasiven Therapie im Beitrag von Linhardt (s. Beitrag in diesem Heft) sollen die Besonderheiten für den HWS-Bereich im Einzelnen angesprochen werden:

Mit dem Vorteil der Wirkung vor Ort ist an der HWS wegen der sehr komplexen und komplizierten anatomischen Strukturgeflechte zugleich die Gefahr einer ungünstigen Wirkung oder bedrohlicher Reaktionen verbunden, deren man sich bewusst sein muss. Neben orthostatischen Reaktionen ist insbesondere gegen ernste Zwischenfälle Vorsorge zu treffen. Bei Lokalanästhetikaapplikation im Bereich vaskularisierter Gewebe oder ZNS-nah müssen alle Voraussetzungen für eine kardiopulmonale Reanimation gegeben sein. Insbesondere bei schnellem Serumspiegelanstieg kommt es zu zentralnervösen Symptomen:

  • Unruhe,

  • Erbrechen,

  • Rededrang,

  • Schwindel,

  • akustische und visuelle Störungen,

  • Verlust der Orientierung,

  • Kribbeln perioral,

  • verwaschene Sprache.

Zentrale Wirkungen mit Muskelzuckungen und Krämpfen können bis zu einem Krampfanfall, Koma und zentraler Atemlähmung führen.

Am Herzen zeigen Lokalanästhetika chinidinartige Wirkung:

  • Arrhythmien,

  • Frequenzabnahme bis zum Herzstillstand,

  • verminderte Erregbarkeit,

  • verminderte Kontraktionskraft.

Bei zervikalen Injektionen muss die Gefahr eines Pneumothorax aufgeklärt werden, auch wenn in vielen Fällen keine weiteren Maßnahmen erforderlich sind und nur extrem selten ein behandlungsbedürftiger Spannungspneumothorax auftritt.

Die in dem Beitrag von Linhardt et al. (in diesem Heft) beschriebenen Auswirkungen der intrathekalen Lokalanästhetikaapplikation mit zentraler Ausbreitung haben im Bereich zervikaler Injektionen noch größere Bedeutung als lumbal. Während eine Infiltration im Bereich der Wurzeltaschen an der Lendenwirbelsäule (LWS) lediglich zeitweise Ausfallserscheinungen der peripheren Wurzeln hervorrufen, hat die Wurzeltascheninfiltration im zervikalen Bereich durch den hohen Wirkort vitale Bedeutung [6]. Ebenso ist bei epiduralen Injektionen das postpunktionelle Syndrom zu bedenken, wobei die Gefahr unter Bildwandler und Kontrastmittel minimiert wird. Zu den generellen, aber gravierenden Komplikationen gehören Infektionen, weswegen mit peinlicher Sorgfalt vorzugehen ist.

Der Patient ist eingehend über Chancen und Risiken sowie mögliche Komplikationen aufzuklären. Am günstigsten erfolgt dies mit einer ausführlichen Darstellung des Behandlungskonzepts und entsprechender Dokumentation des Einverständnisses der Patienten.

Technisches Vorgehen

Neben den oben genannten Maßnahmen zum Komplikationsmanagement sind die Vorgaben des Arbeitskreises „Krankenhaus und Praxishygiene“ der AWMF zu intraartikulären Punktionen und Injektionen zu berücksichtigen.

Bei Injektionen ist grundsätzlich darauf zu achten, dass der Patient sicher und entspannt sitzt oder liegt. Bei den nachfolgenden Injektionen, die keine Bildwandlerdarstellung verlangen, sitzt der Patient auf einem Stuhl mit Rückenlehne bequem nach hinten angelehnt und hat die Arme entspannt auf den Armlehnen abgelegt. Alternativ ist die sitzende Positionierung im „Kutschersitz“ mit entspannt im Schoß liegenden Unterarmen bei leicht nach vorne gebeugtem Oberkörper auf einer Behandlungsliege möglich. Vorteil der Durchführung auf der Liege ist die erleichterte Schocklagerung des Patienten bei Auftreten von Komplikationen, insbesondere auch orthostatischer Reaktion. Aufgrund der fehlenden Armstützen beim Sitzen auf der Liege empfiehlt sich vor und während der Injektion die zusätzliche Sicherung des Patienten durch das neben dessen Gesäß positionierte Knie des Arztes, um dem Patienten eine zusätzliche Stütze zu bieten. Der Kopf des Patienten ist leicht nach vorne geneigt, dadurch ist die Nackenregion entspannt und ohne störende muskuläre Anspannung.

Die gesamte Umgebung des Patienten sollte beruhigend wirken. Auf keinen Fall sollte der Patient erschrecken oder gar bei Platzierung der Nadel vertieft atmen, was bei Injektionen im unteren Zervikalbereich die Gefahr eines Pneumothorax vergrößern würde. Der Arzt sollte versuchen, dem Patienten die Angst zu nehmen. In der Regel ist es hilfreich, wenn der Arzt dem Patienten das Vorgehen erklärt.

Da insbesondere der Einstich der Injektion schmerzauslösend ist, sollte die Haut selbst schnell penetriert werden. Sodann kann die Nadel, ggf. unter stetem weiteren Vorspritzen, in die Zielregion vorgeführt werden. Während der gesamten Injektion stützt die freie Hand des Arztes die Injektionshand an der Nacken-Schulter-Region des Patienten ab, um bei plötzlichen Bewegungen des Patienten, z. B. beim Auftreten von Schmerzen, eine unkontrollierte tiefe Penetration der Injektionskanüle zu vermeiden.

Injektionstechniken

Zervikale Spinalnervenanalgesie (CSPA)

Insbesondere bei radikulären Beschwerdebildern wird mit der gezielten Lokalanästhetikaapplikation in die foraminoartikuläre Region der selektive Effekt des Lokalanästhetikums für die Blockierung der Kalium-Natrium-Pumpe zur Repolarisation und Stabilisierung der Membran der Wurzel genutzt. Die Injektion erfolgt bei Orientierung am a.-p.-Röntgenbild unter palpatorischer Kontrolle, gemessen von der Vertebra prominens (C7) nach kranial. Entsprechend der betreffenden Wurzel liegt die Zielregion jeweils unter der Bogenwurzel des numerisch vorangehenden Wirbelkörpers, also bei C5 unter dem Abgangsbereich des Processus transversus C4. Eine erhöhte Gefahr des Pneumothorax besteht bei Infiltrationen der Wurzel C8 unter dem Abgang des Querfortsatzes C7.

Entsprechend der oben genannten Orientierung erfolgt die satte Benetzung der Haut mit dem Desinfektionsmittel, sodass auch nach der Mindesteinwirkzeit von 1 min noch ein Flüssigkeitsfilm verbleibt. Der Einstich wird 3,5 cm, bei kräftigen Männern 4 cm, paramedian gewählt und die Kanülenspitze (0,6×80 mm/23 G) senkrecht zur Haut vorgeschoben. Nach ca. 3 cm erfolgt der knöcherne Kontakt mit der Facettenregion (Abb. 1). Erst dieser Kontakt ermöglicht die sichere Platzierung der Nadel, da sich die foraminoartikuläre Region ca. 1 cm ventral der Facettengelenke befindet.

Abb. 1
figure 1

Zervikale Spinalnervenanalyse: Bei Orientierung an den Dornfortsätzen in leichter Inklination des Kopfes, Eingang 3,5–4,0 cm paramedian

Nach Aspiration und Applikation von ca. 2 ml Lokalanästhetikum zur Betäubung des Periostschmerzes infolge des Nadelkontaktes und zur Behandlung des Facettengelenks erfolgt daher zunächst das Zurückziehen der Nadel. Der Flüssigkeitsfilm des Desinfektionsmittels hinterlässt dabei auf der Kanüle einen gut sichtbaren „Ring“. Dieser dient beim erneuten Vorschieben der Kanüle mit Stichrichtung leicht nach kranial und lateral am Knochen vorbei als Tiefenmarkierung. Zirka 1 cm nach Verschwinden des „Ringes“ in der Haut wird die Zielregion erreicht und der Rest der insgesamt 10 ml Lokalanästhetikum langsam appliziert. Bei der vorausgehenden Aspiration ist zu beachten, dass bei Verbiegung der Kanüle, z. B. infolge der Verdrängung durch knöchernen Kontakt, die Kanülenspitze bei der 360°-Aspiration einen mehr oder minder großen Kreisbogen beschreibt, der zur Verletzung von Strukturen führen kann.

Während der Injektion empfiehlt es sich, den Patienten nach seinem Gefühl der Ausbreitung des Mittels nach peripher oder zum Kopf hin zu fragen, ebenso wie nach einer Veränderung des Geschmacks im Mund, wobei insbesondere „metallisch“ oder „bitter“ Alarmzeichen sind. Aufgrund der Applikation von 10 ml Lokalanästhetikum wird mitunter, insbesondere bei den unteren 2 Wurzeln, auch eine Auswirkung auf das Ganglion stellatum erreicht.

Wir sehen keine Indikation zur Verwendung von Steroiden bei dieser Infiltration. Hier steht ganz die Blockade der Natrium-Kalium-Kanäle zwecks Repolarisation der Nervenmembran im Vordergrund, während die Kompression der Wurzel im Spinalkanal nicht erreicht wird. Man muss sich dessen bewusst sein, dass auch vom transforaminalen Zugang aus eine intravasale Applikation auftreten kann. Baker et al. [2] berichten über einen Fall der zervikalen transforaminalen Injektion zur Kortikosteroidapplikation, bei dem das Kontrastmittel eine radikuläre Arterie füllte, die zum Rückenmark verlief. Bei einer ähnlichen Technik der zervikalen transforaminalen Injektion wie bei uns praktiziert geben Rathmehl et al. [12] eine Besserungsrate im Vergleich verschiedener Studien zwischen 53% und 90% an.

Slipman et al. [15] berichten über die selektive zervikale Nervenwurzelblockade bei radikulärer Symptomatik aufgrund spondylophytärer Kompression. Diese retrospektiven Studie mit unabhängigen Reviewern zeigte bei 20 Patienten, die seit einem halben Jahr behandlungsbedürftige Symptome hatten, nach durchschnittlich 2,2 Injektionen bei einem Follow-up nach 21,2 Monaten eine signifikante Schmerzreduktion. Die Ergebnisse wurden in 60% als sehr gut und gut bewertet. Vor allem jüngere Patienten profitierten. 6 Patienten mussten operativ versorgt werden.

Zervikal-epidurale Injektion

Die zervikale Applikation ist völlig different von der lumbalen. Während lumbal ein breites epidurales Lumen vorhanden ist und auch eine Penetration der Dura – mit Ausnahme der Gefahr eines Postpunktionssyndroms – unproblematisch ist, wird der Spinalkanal zervikal bis auf einen hauchdünnen Epiduralraum vom Rückenmark ausgefüllt. Lumbal ist die Loss-off-resistance-Technik wegen der großen Druckminderung bei Passage des dicken Lig. flavums einfach durchzuführen, während zervikal die seitliche Bildwandlerkontrolle der Nadelspitze die Übereinstimmung mit dem Widerstandsverlust beim Vorschieben der Kanüle zeigen muss.

Die Injektion wird im Operationssaal – bei Bedarf unter Stand-by der Anästhesie – mit venösem Zugang unter Kreislaufmonitoring durchgeführt. Der Patient ist auf dem Bauch gelagert mit erhöhtem Thoraxbereich und Inklination des Kopfes. In dieser Position ist mittels Palpation die Identifizierung und Markierung der Dornfortsätze von C5–C7 auch bei adipösen Patienten üblicherweise ohne Bildwandlerkontrolle möglich. Höhere Etagen müssen in der Regel nicht aufgesucht werden, da die radikulären Schmerzsyndrome sich üblicherweise auf die unteren 4 Wurzeln beschränken [11].

Nach vorgenommener Desinfektion und steriler Abdeckung erfolgt der Einstich (Spinalnadel mit Quinke-Schliff, 0,7×88 mm/22 G) entsprechend der Markierung exakt in der Mittellinie zwischen den angrenzenden Dornfortsätzen des gewählten interlaminären Fensters. Die Stichrichtung erfolgt dabei senkrecht bodenwärts, bezogen auf den inklinierten Hals des Patienten also nach kranial und somit parallel zu den Dornfortsätzen gerichtet. Die Nadel wird bis zum Erreichen des Lig. supraspinale vorgeschoben, sodass die Stichrichtung fixiert ist (bei nur subkutaner Platzierung ist sonst die Gefahr des seitlichen Abweichens nach erfolgter Röntgenkontrolle gegeben). Es erfolgt jetzt die a.-p.-Bildwandlerkontrolle der Nadellage, auf die zeitaufwändige und strahlenbelastende kraniokaudale Einstellung des Bildwandlers parallel zur HWS kann dabei verzichtet werden.

Die a.-p.-Darstellung soll nur die mittige Lage der Nadelspitze in Bezug auf die Dornfortsatzlinie dokumentieren. Bei Schrägstellung der Nadel, z. B. infolge Kopfrotation des Patienten, droht eine Fehlplatzierung z. B. zum Rezessus. Sodann erfolgt die seitliche Einrichtung des Bildwandlers und die Überprüfung der Nadellage in Bezug auf den dorsalen Epiduralraum sowie die Etagenkontrolle unter Zuhilfenahme der vorhandenen seitlichen HWS-Röntgenaufnahme. Bei korpulenteren Patienten und Wahl eines unteren interlaminären Fensters müssen durch eine Hilfskraft beide Arme an den Handgelenken, ohne Gegenspannen des Patienten, fußwärts gezogen werden, damit der untere HWS-Bereich für die Bildwandlerdarstellung frei projiziert ist. Gelegentlich ist bei stiernackigen Patienten dennoch die Platzierung der Nadel oberhalb der gewünschten Etage notwendig.

Nach Entfernung des Mandrins aus der Kanüle wird eine 10-ml-Spritze mit Luer-Lock-Ansatz, gefüllt mit NaCl 0,9%, aufgesetzt. Anschließend wird die Kanüle entsprechend des Bildwandlerbefundes in Loss-of-resistance-Technik in den dorsalsten Anteil des Epiduralraums vorgeschoben. Dabei ist auf die sichere Abstützung der Injektionshand durch die freie Hand zu achten, da bei akzidenteller Punktion des Rückmarks einschießende Schmerzen zu heftigen Bewegungen des Patienten führen können.

Sobald palpatorisch und unter Bildwandlerkontrolle die korrekte Platzierung der Kanüle erreicht ist, erfolgt der Austausch der NaCl-Spritze gegen Kontrastmittel. Bei Verwendung eines dünnflüssigen Kontrastmittels und ausreichender Expertise ist die Durchführung der Loss-of-resistance-Technik auch direkt mit der Kontrastmittelspritze möglich. Nach Gabe von 1–2 ml Kontrastmittel zeigt der Bildwandler bei korrekter Lage der Injektionskanüle in seitlicher Projektion einen dünnen Streifen, der den dorsalen Epiduralraum kennzeichnet (Abb. 2). In a.-p.-Projektion stellt sich der seitliche Abfluss dar, der oft um mehrere Bogenwurzeln zu den Wurzelabgängen fließt. Nach Bestätigung der epiduralen Verteilung erfolgt die Applikation von 8 ml NaCl 0,9% mit Kortisonzusatz (z. B. 40 mg Triamcinolon, bei Diabetikern 20 mg). Aufgrund der Flüssigkeits- und Kortisonmenge ist eine ausreichende Dosis an der betroffenen Wurzel, auch bei Zugang über eine der benachbarten Etagen, gegeben. Anschließend wird der Patient auf die schmerzhaften Seite gelagert, damit die kristallinen Kortisonanteile der Schwere nach seitlich zu den Wurzeltaschen verteilt werden.

Abb. 2
figure 2

Zervikal epidurale Injektion. a Lagerung des Patienten mit Erhöhung des oberen Thoraxbereiches, damit die HWS in Inklination erweitert ist. Sodann chirurgische Desinfektion und sterile Abdeckung. b Seitliche Bildwandleraufnahme, die die Nadellokalisation nach Überwindung des Lig.-flavum-Widerstands mit Kontrastmittelstreifen im dorsalen Epiduralraum zeigt

Die epidurale Injektion ist auch bei hartnäckigen radikulären Symptomatiken aufgrund diskogener Kompression sehr erfolgreich. Die Arbeit von Rowlingson u. Kirschenbaum [13] zeigt als eine der ersten den überragenden Effekt der anhaltenden Besserung bei Patienten, bei denen eine operative Intervention erforderlich gewesen wäre. Die oben dargestellte Injektionstechnik ist eine wesentliche Verbesserung der damaligen, unsicheren Vorgehensweise, bei der noch dazu ein Lokalanästhetikumzusatz erfolgte.

Furman et al. [4] berichten über eine prospektive klinische Studie der epiduralen Steroidinjektion über einen transforaminalen Zugang. Bei Platzierung der 25-G-Kanüle unter biplanarer Bildwandlerkontrolle fanden sie bei 504 Injektionen bei 337 Patienten in 19,4% einen intravasalen Kontrastmittelabfluss. Mit dieser Studie zeigten sie zugleich, dass eine fehlende Blutaspiration keine zuverlässige Aussage über die nicht-intravasale Nadelapplikation erlaubt. Ihre Technik der transforaminalen epiduralen Injektion muss als unsicher eingestuft werden.

Facetteninfiltration

Insbesondere bei den degenerativen Veränderungen im unteren HWS-Bereich (oft mit nicht klar radikulärer, sondern eher diffuser Ausstrahlung, Bandscheibenhöhenminderung und Reklinationsschmerz) ist die Facetteninfiltration hilfreich. Ebenso wie an der LWS ist es hierbei nicht erforderlich, den Gelenkspalt anzuspritzen. Die arthrographische Darstellung ist also hinfällig. Die Darstellung mit Bildwandler hat sich durchgesetzt, wobei es unterschiedliche Möglichkeiten der Einstellung der Facetten gibt [9]. Wegen der beidseitigen Infiltration bevorzugen wir die strenge a.-p.-Darstellung.

Der Patient ist in Bauchlage mit erhöhtem Thoraxbereich und leicht inkliniertem Kopf positioniert, um die HWS-Lordose aufzuheben. Die Richtung des Bildwandlers für die a.-p.-Projektion ist von deckenwärts leicht kranial nach kaudal eingerichtet. In dieser Position werden die Kanülen gesetzt (0,6×80 mm/23 G), deren Positionierung unter Bildwandlerkontrolle geschieht (Abb. 3). Wie im Bereich der LWS wird die Kapsel von den Ausläufern der Rr. dorsales der kranial und kaudal abgehenden Wurzeln innerviert. Die durch die Injektion erreichte Schmerzausschaltung ist zugleich als Beleg der Mitbeteiligung der Facetten an der Beschwerdesymptomatik zu werten.

Abb. 3
figure 3

Facetteninfiltration. a Unter a.-p.-Bildwandlerkontrolle, vorschieben der Kanülen zu den Facetten. b Bildwandlerdarstellung der Platzierung aller 4 Kanülen. c Applikation der Lösung

N.-suprascapularis-Blockade

Bei anhaltenden Zervikobrachialsyndromen kann während der Injektionsserie auch eine Blockade des N. suprascapularis zur Ausschaltung von dadurch bedingten Schulterbeschwerden durchgeführt werden. Die Fasern des N. suprascapularis entstammen den Wurzeln C4–C6.

Für die Injektion sitzt der Patient in der vorangehend beschriebenen Weise auf einem Stuhl oder einer Behandlungsliege. Die Spina scapulae wird vom Acromion ausgehend am oberen Rand nach medial abgetastet. Die Zielregion findet sich in der Fossa supraspinata am Übergang von der schlanken Spina scapulae zum kräftigeren Acromion. Bei Druck auf den N. suprascapularis gibt der Patient den typischen Schmerz mit Ausstrahlung hauptsächlich in den dorsalen Anteil des Schultergelenks an. Der Nervenaustrittspunkt liegt in der Incisura scapulae am Margo superior der Skapula. Die Führung der Kanüle (0,7×30 mm) ist ausgehend vom oben genannten Zielpunkt von kranial gegen die Spina scapulae gerichtet. Bei nicht adipösen Patienten ist der Knochenkontakt der Skapula bei ca. 1,5 cm Tiefe gegeben (Abb. 4). Bei diesem knöchernen Schutz wird die Hauptkomplikation eines Pneumothorax vermieden. Die Aspiration vor Gabe des Lokalanästhetikums beugt der akzidentellen intravasalen Injektion vor.

Abb. 4
figure 4

N.-suprascapularis-Blockade: Palpation der Spina scapulae an der Incisura. Einführen der Kanüle von kranial mit knöchernem Schutz

N.-occipitalis major-Infiltration

Bei zervikozephalem Syndrom mit Hinterhauptkopfschmerz kann zusätzlich zu den Injektionen im Zervikalbereich eine Infiltration des N. occipitalis major zur Schmerzreduktion beitragen. Die Beschwerdeangaben der Patienten sind recht unterschiedlich. Die besten Erfolgsaussichten bestehen bei einer Schmerzausstrahlung am Hinterhaupt bis retroaurikulär.

Nach palpatorischer Orientierung wird unterhalb des Haaransatzes eine fast rechtwinklig gebogene Kanüle (0,6×80 mm 23 G) streng oberflächlich vorgeschoben, sodass die Nadelspitze in dem druckempfindlichen Bereich oberhalb der Hinterhauptschuppe ca. 2 Querfinger paramedian der Protuberantia occipitalis externa zu liegen kommt (Abb. 5). Es genügt eine Infiltration von etwa 3 ml Lokalanästhetikum. Bei der Durchführung ist streng darauf zu achten, dass keine intravasale Applikation erfolgt, wie dies aufgrund der Nähe von A. und V. occipitalis auftreten kann. Man muss auf jeden Fall mehrfach aspirieren und auf Prodromie achten!

Abb. 5
figure 5

N.-occipitalis-major-Infiltration: entsprechend palpatorischer Orientierung Vorbringen der stark gebogenen Kanüle unterhalb des Haaransatzes

Fazit für die Praxis

Die minimal-invasive Therapie mit ihren gezielten lokalen Injektionen ist ein wesentlicher Bestandteil der multimodalen Schmerztherapie bei Zervikalsyndromen. Sie ist zum einen auf die unmittelbare Schmerzlinderung gerichtet, zum anderen auf den Langzeiteffekt der Normalisierung der Schmerzschwelle und der konsequenten Fortführung der aktivierenden Maßnahmen durch den Patienten. In der Schwierigkeit der diagnostischen Abklärung hilft der probatorische Effekt der verschiedenen Injektionen. Das Schmerzassessment zeigt die Wirksamkeit der einzelnen Injektionen. Die Unterbrechung des Circulus vitiosus ermöglicht es, die aktivierenden Maßnahmen voranzutreiben und bei einer schnellen und guten Schmerzlinderung eine frühe Rehabilitation und somit Wiedereingliederung des Patienten in das Alltagsleben mit seinen üblichen Beanspruchungen zu erreichen.