Zusammenfassung
Hintergrund
Mit der Einführung von neuen Knochenzementen mit beigemischten Antibiotika ist es notwendig festzustellen, welche Produkte eine optimale Freisetzungscharakteristik besitzen. Aus diesem Grund wurde eine In-vitro-Studie durchgeführt, die die Eigenschaften eines neueren Knochenzements (SmartSet) mit denen eines etablierten Zements (Palacos) vergleicht.
Material und Methoden
Zementproben wurden aus Zementmischungen mit 1 g Gentamicin, 1 g Vancomycin oder 1 g Gentamicin plus 1 g Vancomycin angefertigt. Die Antibiotikafreisetzung wurde mittels eines Fluoreszenz-Polarisations-Immunoassays (FPIA) bestimmt. Um festzustellen, ob der Antibiotikazusatz zu einer Verminderung der Festigkeit des Zements führt, wurden mechanische Prüfungen durchgeführt.
Ergebnisse
Während der Versuchsperiode wurden aus Palacos R signifikant höhere Mengen an Gentamicin freigesetzt als aus SmartSet (p<0,001). Beide Zemente zeigten eine verbesserte Freisetzungscharakteristik von Gentamicin, wenn 2 Antibiotika zugemischt wurden. In Bezug auf die Vancomycinfreisetzung ergaben die Untersuchungen keinen signifikanten Unterschied. Palacos R war im 4-Punkt-Biegetest signifikant stabiler als SmartSet, wenn Gentamicin und Vancomycin gemeinsam beigemischt wurden (p=0,01). Palacos R zeigte außerdem ein höheres Elastizitätsmodul, wenn Gentamicin oder Gentamicin+Vancomycin beigemischt wurden (p=0,03, p=0,005).
Schlussfolgerung
Gentamicin zeigt die bessere Freisetzungscharakteristik aus Palacos R. Die Kombination von Antibiotika zeigt bei beiden Zementen eine synergistische Antibiotikafreisetzung.
Abstract
Background
The continuing emergence of new bone cements with additional antibiotics makes it important to establish which one will provide the most favourable antibiotic elution. An in vitro antibiotic elution and mechanical study was therefore carried out to compare a newer bone cement, SmartSet, with the established Palacos R cement.
Methods
Samples were prepared with each cement adding 1 g gentamicin, 1 g of vancomycin, or 1 g of gentamicin and vancomycin. The samples were analysed using fluorescence polarisation immunoassay. Mechanical tests were performed to determine whether any significant degradation in the cement strength occurred following addition of the antibiotic.
Results
With regards to gentamicin release Palacos R eluted significantly more antibiotic over the study period than SmartSet (p<0.001). Both cements eluted significantly more gentamicin when two antibiotics were added. With respect to vancomycin release there was no significant difference. Palacos R was significantly stronger than SmartSet in the 4-point bending test when the gentamicin + vancomycin antibiotic groups were compared (p=0.01). Palacos R also demonstrated a higher elastic modulus than SmartSet when the gentamicin and gentamicin + vancomycin groups were compared (p=0.03, p=0.005).
Conclusions
Gentamcin shows better release characteristics from Palacos R. Both cements exhibited synergistic release of combined antibiotics.
Avoid common mistakes on your manuscript.
Die Verwendung von Polymethylmethacrylat-Knochenzement als Antibiotikaträger ist in vielen Kombinationen von Knochenzementen und verschiedenen Antibiotika beschrieben worden. In-vitro- und In-vivo-Studien berichten über teilweise widersprüchliche Ergebnisse und zeigen eine große Variabilität der Resultate. In Europa ist Gentamicin das meistverwendete Antibiotikum in Knochenzement [6, 9]. Diverse Zemente mit Gentamicin sind ausgiebigen Analysen über die Antibiotikafreisetzung [3, 5, 16] und über die mechanischen Eigenschaften [2, 8, 10] unterzogen worden.
Gentamicin hat ein breites Spektrum gegen die meisten pathogenen Keime, die eine Infektion in Zusammenhang mit einer Endoprothesenimplantation auslösen können. Für die Therapie der Infektion mit Methicillin-resistentem Staphylococcus aureus (MRSA), welcher in vielen Krankenhäusern zu einem Problemkeim geworden ist, ist es jedoch nicht geeignet. MRSA-Infektionen werden üblicherweise mit einer systemischen Therapie mit Vancomycin behandelt. Dieses Antibiotikum hat ein enges therapeutisches Fenster, da in zu hohen Konzentrationen die Gefahr für toxische Nebenwirkungen besteht. Aus diesem Grund weckt die Anwendung dieses Antibiotikums in Knochenzementen mit hohen lokalen Konzentrationen unter Vermeidung der systemischen Nebenwirkungen zunehmend das Interesse vieler Untersuchungen [7, 13].
SmartSet HV (Fa. DePuy, Blackpool, England) ist ein neuer hochvisköser Knochenzement [11, 12], der auch mit 1 g Gentamicinzusatz auf dem Markt angeboten wird. Es gibt bisher keine unabhängigen Studien [11], welche die Freisetzungscharakteristik und die mechanischen Eigenschaften nach Zusatz von Antibiotika in diesem Zement untersuchen.
Die vorliegende Studie untersucht die Freisetzung von Gentamicin und Vancomycin aus SmartSet HV und den Effekt der Antibiotikabeimischung auf die mechanischen Eigenschaften des Knochenzements. Palacos R hat in vielen früheren Freisetzungsstudien positive Ergebnisse, insbesondere in der Kombination mit Gentamicin, gezeigt [10, 15, 17] und dient aus diesem Grund als Standard, mit dem SmartSet HV verglichen wird.
Material und Methode
Präparation des antibiotischen Knochenzements
Als Zemente wurden Palacos R (Fa. Heraeus Kulzer, Wehrheim) und SmartSet HV (Fa. DePuy CMW) verwendet. Diesen wurde Gentamicinsulfat (Fa. Fujian Fukang Pharmaceutical Co, Fuzhou, China) und Vancomycinhydrochlorid (Fa. Mayne Pharma plc, Warwickshire, England) in Pulverform zugemischt. Folgende Kombinationen wurden untersucht:
-
Gruppe 1: 40 g Palacos R mit 1 g Gentamicin,
-
Gruppe 2: 40 g Palacos R mit 1 g Vancomycin,
-
Gruppe 3: 40 g Palacos R mit 1 g Vancomycin und 1 g Gentamicin,
-
Gruppe 4: 40 g SmartSet HV mit 1 g Gentamicin,
-
Gruppe 5: 40 g SmartSet HV mit 1 g Vancomycin,
-
Gruppe 6: 40 g SmartSet HV mit 1 g Vancomycin und 1 g Gentamicin.
Es wurden jeweils 2 Packungen Zement angerührt und mit jeweils 2 g des Antibiotikums vermischt, um die gleichzeitige Präparation von 5 Zementscheiben für die Freisetzungsuntersuchungen, 5 Testkörper für die ISO-5833-4-Punkt-Biegetests sowie die Bestimmung des Elastizitätsmoduls und 5 Zylinder für die ISO-5833-Druckfestigkeitsprüfung zu gewährleisten. Alle Proben wurden mit dem Optivac-System (Fa. Biomet Merck, Berlin) bei 23°C Raumtemperatur (±0,1°C) und 54% Luftfeuchtigkeit (±0,5%) vakuumgemischt. Es wurden für alle Kombinationen mehr Proben angefertigt als für die Testung notwendig waren. Dies erlaubte für jeden Test die makroskopische Auswahl von gleichmäßigen Proben ohne Lufteinschlüsse.
Mechanische Testung
Für den ISO-5833-4-Punkt-Biegetest und die Bestimmung des Elastizitätsmoduls wurde eine 60×75×3,3 mm messende Zementplatte angefertigt. Der Zement wurde in eine Form gegeben und diese wurde während der Aushärtung für 30 min komprimiert. Anschließend wurde die Platte in 6 standardisierte Streifen geschnitten (10×75×3,3 mm) und vor der Testung für 24 h bei 23°C in Luft gelagert. Die mechanische Testung wurde in einer Zug-Druck-Maschine durchgeführt. Die Probenaufnahme bestand aus einer 4-Punkt-Vorrichtung und einer flexiblen Traverse, die für die Biegeprüfung mit einer konstanten Geschwindigkeit von 5 mm/min abwärts bewegt wurde, bis es zu einem Bruch der Probe kam. Der Elastizitätsmodul wurde aus der gemessenen Bruchfestigkeit und aus der Deformationskurve errechnet.
Für die ISO-5833-Druckfestigkeitsprüfung wurden 12×6 mm große Testzylinder in einer Metallform hergestellt, die während der Aushärtung wiederum für 30 min komprimiert wurden. Die Proben wurden dann erneut bei Raumluft (23°C) für 24 h gelagert bevor der Versuch durchgeführt wurde. Zur Testung wurde eine gleichmäßige Kompression bei einer Geschwindigkeit von 20 mm/min appliziert, bis eine plötzliche Abnahme der Kraft registriert werden konnte. Aus den Werten vor der plötzlichen Kraftabnahme wurde die Druckfestigkeit berechnet.
Antibiotikafreisetzung
Mit standardisierten Formen wurden jeweils 5 Scheiben mit 25 mm Durchmesser und 10 mm Höhe hergestellt. Jede Scheibe wurde in 20 ml gepufferter Phosphatlösung (1,65 g KH2PO4 und 9,71 g Na2PO4 in 1 l H20; pH=7,4) eingelegt und in einen Inkubator mit 37°C Temperatur transferiert. Die Lösung wurde während der Lagerung nicht umgerührt. Nach 1, 6, 12, 24, 48 und 72 h wurden die Scheiben aus der Lösung entfernt, getrocknet und dann in 20 ml frische Phosphatpufferlösung gelegt. Die Proben wurden dann erneut inkubiert. In 1 ml der ursprünglichen Pufferlösung wurde die Antibiotikakonzentration mittels eines Fluoreszenz-Polarisations-Immunoassay (FPIA) für den jeweiligen Untersuchungszeitpunkt bestimmt (Abbott TDx System, Fa. Abbott Park, IL, USA).
Statistische Analyse
Mechanische Testung
Die Vergleiche erfolgten mit dem Students t-Test. Die Vergleichspaarungen von Interesse waren:
-
SmartSet HV 1 g Vancomycin vs. Palacos R 1 g Vancomycin,
-
SmartSet HV 1 g Gentamicin vs. Palacos R 1 g Gentamicin,
-
SmartSet HV 1 g Vancomycin + 1 g Gentamicin vs. Palacos R 1 g Vancomycin + 1 g Gentamicin,
-
SmartSet HV 1 g Vancomycin vs. SmartSet HV 1 g Vancomycin +1 g Gentamicin,
-
SmartSet HV 1 g Gentamicin vs. SmartSet HV 1 g Vancomycin +1 g Gentamicin,
-
Palacos R 1 g Vancomycin vs. Palacos R 1 g Vancomycin +1 g Gentamicin,
-
Palacos R 1 g Gentamicin vs. Palacos R 1 g Vancomycin +1 g Gentamicin.
Antibiotikafreisetzung
Die Freisetzung von Vancomycin und Gentamicin aus SmartSet HV und Palacos R wurde nach 1, 6, 12, 24, 48 und 72 h gemessen. Um einen Vergleich mit anderen Studien zu ermöglichen, wurde die freigesetzte Antibiotikamenge pro Intervall als Anteil der Oberfläche in μg/cm2 angegeben. Jede Versuchskombination wurde 5-mal wiederholt.
Um festzustellen, ob Unterschiede zwischen den Zementen existieren und ob das Hinzufügen eines zweiten Antibiotikums die Zementcharakteristik ändert, wurde eine Summenmessung der Ergebnisse durchgeführt. Aus diesem Grund wurde die Fläche unter der Kurve (area under the curve, AUC, [1]) für jede Probe berechnet. Nach Berechnung des Mittelwertes wurde ein Students t-Test durchgeführt, um herauszufinden, ob ein signifikanter Unterschied in den AUC-Messungen existiert. Die Vergleichspaarungen von Interesse waren dieselben wie bei der mechanischen Testung.
Ergebnisse
Mechanische Testung — ISO-5833-Druckfestigkeit
Tabelle 1 zeigt die mittlere Druckfestigkeit (DF) und das 95%-Konfidenzintervall (95%-KI). Der Vergleich der Ergebnisse des SmartSet HV mit dem Palacos R ergab keine signifikanten Unterschiede der Druckfestigkeit nach Zusatz von 1 g Vancomycin [p=0,803, 95%-KI (−6,30; 7,74)], 1 g Gentamicin [p=0,661, 95%-KI (−2,80; 4,04)] oder von 1 g Vancomycin + 1 g Gentamicin [p=0,725, 95%-KI (−6,10; 8,26)]. Wenn man die Ergebnisse von SmartSet HV oder Palacos R mit Vancomycin oder Gentamicin als Einzelantibiotikum mit den Kombinationspräparationen vergleicht, konnte ebenfalls kein signifikanter Unterschied in Bezug auf die Druckfestigkeit festgestellt werden [p=0,140, 95%-KI (−11,80; 2,12), p=0,310, 95%-KI (−2,22; 5,70), p=0,174, 95%-KI (−11,74; 2,78), p=0,472, 95%-KI (−5,07; 9,47)].
Mechanische Testung — ISO-5833-4-Punkt-Biegetest
Die Ergebnisse des 4-Punkt-Biegetests sind in Tabelle 2 dargestellt. Der Vergleich der Ergebnisse des SmartSet HV mit dem Palacos R zeigt, dass kein signifikanter Unterschied der beim 4-Punkt-Biegetest gemessenen Kraft bestand, wenn 1 g Vancomycin [p=0,740, 95%-KI (−2,65; 3,49)] oder 1 g Gentamicin [p=0,139; 95%-KI (−4,91; 0,99)] zugesetzt wurde. Ein signifikanter Unterschied konnte jedoch beobachtet werden, wenn 1 g Vancomycin und 1 g Gentamicin zugesetzt wurden. Mit Palacos R konnten signifikant höhere Werte erzielt werden [p=0,011, 95%-KI (−9,50; −1,98)].
Wenn man die SmartSet HV-Gruppen untereinander vergleicht zeigen sich signifikant höhere Werte, wenn nur ein Antibiotikum zugegeben wurde [p=0,009, 95%-KI (0,92; 4,52) und p<0,001, 95%-KI (4,72; 7,80)]. Im Gegensatz dazu konnte bei den Palacos R-Gruppen für die Mischungen mit 1 oder 2 Antibiotika kein signifikanter Unterschied festgestellt werden [Vancomycin: p=0,087, 95%-KI (−7,53; 0,65) und Gentamicin: p=0,189, 95%-KI (−1,55; 6,51)].
Mechanische Testung — ISO-5833-Elastizitätsmodul
Der Vergleich der Ergebnisse von SmartSet HV mit denen von Palacos R ergab keinen Unterschied im Elastizitätsmodul (Tabelle 3) bei der Beimischung von 1 g Vancomycin [p=0,231, 95%-KI (−48,45; 157,89)]. Bei dem Vergleich der Gruppen mit 1 g Gentamicin und mit 1 g Vancomycin + 1 g Gentamicin konnte mit Palacos R ein signifikant höheres Elastizitätsmodul festgestellt werden [p=0,029, 95%-KI (−201,96; −15,09) und p=0,005, 95%-KI (−354,68; −89,20)].
Bei SmartSet HV zeigen die Ergebnisse des Vergleichs von 1 g Vancomycin mit 1 g Vancomycin + 1 g Gentamicin und auch der Kombination 1 g Gentamicin mit 1 g Vancomycin + 1 g Gentamicin keine signifikanten Unterschiede [p=0,662, 95%-KI (−107,17; 151,05) und p=0,393, 95%-KI (−79,75; 175,71)]. Auch mit dem Palacos R konnte beim Vergleich 1 g Gentamicin mit 1 g Vancomycin + 1 g Gentamicin kein signifikanter Unterschied festgestellt werden [p=0,192, 95%-KI (−160,63; 38,75)], wohingegen der Vergleich von 1 g Vancomycin mit 1 g Vancomycin + 1 g Gentamicin einen signifikanten Unterschied ergab [p=0,001, 95%-KI (−365,80; −134,64)]. In diesem Fall resultierte die Zugabe von 2 Antibiotika in einem höheren Elastizitätsmodul als die Beimischung von nur einem Antibiotikum.
Antibiotikafreisetzung
Tabelle 4 zeigt die Ergebnisse der Messungen bezüglich der Antibiotikafreisetzung.
Gentamicinfreisetzung
Palacos R zeigte im Vergleich zu SmartSet HV eine signifikant höhere Freisetzung von Gentamicin. Palacos R hatte sowohl bei der Zumischung von einem Antibiotikum als auch bei der Zumischung von 2 Antibiotika in Kombination die größere AUC (p<0,001 in beiden Fällen).
Bei beiden Zementen war die AUC signifikant höher, wenn 2 Antibiotika in Kombination zugesetzt wurden [SmartSet HV: p=0,012, 95%-KI (−572,65; −116,53); Palacos R: p=0,018, 95%-KI (−822,81; −104,80); Abb. 1, 2)].
Vancomycinfreisetzung
Bei der AUC-Messung für die Vancomycinfreisetzung konnte kein signifikanter Unterschied zwischen SmartSet HV oder Palacos R beim Zusatz von 1 oder auch 2 Antibiotika festgestellt werden[p=0,119, 95%-KI (−303,49; 44,59) und p=0,183, 95%-KI (−172,49; 746,73)].
Der Vergleich der AUC beim Zusatz von Vancomycin allein mit dem Zusatz von Vancomycin + Gentamicin beim gleichen Zement zeigte keinen signifikanten Unterschied mit Palacos R [p=0,229, 95%-KI (−534,10; 162,54)]. Mit SmartSet HV konnte beim Zusatz von 2 Antibiotika eine signifikant höhere AUC erreicht werden als bei der alleinigen Zugabe von Vancomycin [p=0,018, 95%-KI (−1036,73; −167,98); Abb. 3, 4)].
Diskussion
Das Ziel dieser Studie war der Vergleich der Antibiotikafreisetzung aus SmartSet HV- und dem klinisch etablierten Palacos R-Knochenzement. Zusätzlich untersuchten wir, inwieweit der Zusatz von Antibiotika als Pulver die mechanischen Eigenschaften (nach ISO) dieser Knochenzemente verändert.
Unsere Ergebnisse konnten zeigen, dass Gentamicin unter Studienbedingungen aus Palacos R in größerer Menge freigesetzt wird als aus SmartSet HV. Dies war sowohl für Gentamicin als Einzelantibiotikum als auch für Gentamicin in der Kombination mit Vancomycin der Fall. Obwohl uns keine unabhängige Studie bekannt ist, die diese beiden Zemente in Hinblick auf ihre Antibiotikafreisetzung und mechanischen Eigenschaften untersucht hat, sind die Ergebnisse konform mit anderen Untersuchungen, die ebenfalls eine vermehrte Gentamicinfreisetzung aus Palacos R im Vergleich mit anderen Knochenzementen festgestellt haben [10, 11, 12, 15, 17].
Kommerziell vertriebener, vorgemischter Knochenzement enthält unterschiedliche Mengen an Gentamicin [11]. In der vorliegenden Studie wurde jeweils 1 g Gentamicin zu 40 g Polymer zugemischt. Die industriell vorgemischten SmartSet GHV (1 g Gentamicin) und Refobacin Palacos R (0,5 g Gentamicin) enthalten unterschiedliche Mengen an Antibiotikum pro 40 g Packung. Insofern enthält SmartSet GHV die doppelte Menge Gentamicin. Dies sollte bei der Auswahl der Zemente vom Operateur beachtet werden.
Hinsichtlich der Vancomycinfreisetzung aus beiden Knochenzementen konnte kein Unterschied festgestellt werden. Dies war sowohl beim Zusatz als Einzelantibiotikum als auch bei der Antibiotikakombination mit Gentamicin der Fall.
Interessanterweise zeigten beide Zemente eine synergistische Freisetzung von Gentamicin, wenn es in Kombination mit Vancomycin zugesetzt wurde. SmartSet HV zeigte zusätzlich eine erhöhte Freisetzung von Vancomycin bei dem Zusatz in Kombination mit Gentamicin. Das Phänomen der verbesserten Freisetzung bei einer Kombination von Antibiotika wurde auch in anderen Studien beschrieben [4, 7].
Die Zugabe von Materialien zu Knochenzement kann jedoch verheerende Folgen auf die mechanischen Eigenschaften nach sich ziehen. Es wird empfohlen, nicht mehr als 4,5 g Gentamicin zu 40 g Polymer zuzusetzen [14], da sonst eine deutliche Abnahme der Festigkeit resultiert und die Endoprothesenfixation gefährdet werden könnte.
In der vorliegenden Studie war die maximale Antibiotikamenge, die 40 g Zement zugesetzt wurden, 2 g, also deutlich unter der zitierten Maximalmenge. Es ist jedoch notwendig, auch den Effekt kleiner Mengen Antibiotika auf die mechanischen Eigenschaften zu untersuchen, um eine sichere Anwendung empfehlen zu können. Während der Zusatz von Antibiotikapulver keinen Unterschied hinsichtlich der Druckfestigkeit ergab, konnten mit Palacos R bessere Ergebnisse im 4-Punkt-Biegetest und bei der Untersuchung des Elastizitätsmoduls erreicht werden.
Die klinische Relevanz dieser Unterschiede in Bezug auf die Antibiotikafreisetzung und auch auf die mechanischen Eigenschaften ist unklar. Wenn der Operateur jedoch die Wahl zwischen verschiedenen Produkten auf dem Markt hat, wird er sich für die Materialien mit dem besten Freisetzungsprofil und den geringsten mechanischen Einschränkungen entscheiden.
Fazit für die Praxis
Palacos R zeigte eine verbesserte Freisetzungscharakteristik für beigemischtes Gentamicin im Vergleich zu SmartSet HV. Bei beiden Zementen wurde bei der Zumischung von Gentamicin und Vancomycin eine erhöhte Antibiotikafreisetzung im Sinne der bekannten synergistischen Kinetik gemessen. Bei beiden Zementen wurde in diesem Fall Gentamicin, bei SmartSet HV auch Vancomycin vermehrt freigesetzt. Die mechanischen Veränderungen der Zemente liegen innerhalb der ISO-Normen. Der Operateur sollte die Freisetzungscharakteristik eines eingesetzten Knochenzements und seine mechanischen Eigenschaften kennen, um eine sinnvolle Auswahl treffen zu können.
Literatur
Altman D (1991) Practical statistics for medical research. Chapman & Hall, London
Armstrong MS, Spencer RF et al. (2002) Mechanical characteristics of antibiotic-laden bone cement. Acta Orthop Scand 73(6): 688–690
Bertazzoni-Minelli E, Caveiari C et al. (2002) Release of antibiotics from polymethylmethacrylate cement. J Chemother 14(5): 492–500
Cerretani D, Giorgi G et al. (2002) The in vitro elution characteristics of vancomycin combined with imipenem-cilastatin in acrylic bone-cements: a pharmacokinetic study. J Arthroplasty 17(5): 619–626
Ethell MT, Bennett RA et al. (2000) In vitro elution of gentamicin, amikacin, and ceftiofur from polymethylmethacrylate and hydroxyapatite cement. Vet Surg 29(5): 375–382
Furnes O, Havelin LI et al. (2004) The Norwegian Arthroplasty Register — Report 2004. Norwegian American Orthopaedic Society, Oslo, 14. May 2004
Gonzalez Della Valle A, Bostrom M et al. (2001) Effective bactericidal activity of tobramycin and vancomycin eluted from acrylic bone cement. Acta Orthop Scand 72(3): 237–240
Harper EJ, Bonfield W (2000) Tensile characteristics of ten commercial acrylic bone cements. J Biomed Mater Res 53(5): 605–616
Herberts P, Malchau H (2003) Annual Report 2003. Swedish National Hip Arthroplasty Register, Stockholm
Joseph TN, Chen AL et al. (2003) Use of antibiotic-impregnated cement in total joint arthroplasty. J Am Acad Orthop Surg 11(1): 38–47
Kühn KD, Ege W, Gopp U (2005) Acrylic bone cements — Composition and properties. Orthop Clin North Am 36: 17–28
Kühn KD, Ege W, Gopp U (2005) Acrylic bone cements — Mechanical and physical properties. Orthop Clin North Am 36: 29–39
Klekamp J, Dawson JM et al. (1999) The use of vancomycin and tobramycin in acrylic bone cement: biomechanical effects and elution kinetics for use in joint arthroplasty. J Arthroplasty 14(3): 339–346
Lautenschlager EP, Jacobs JJ et al. (1976) Mechanical properties of bone cements containing large doses of antibiotic powders. J Biomed Mater Res 10(6): 929–938
Penner MJ, Duncan CP et al. (1999) The in vitro elution characteristics of antibiotic-loaded CMW and Palacos-R bone cements. J Arthroplasty 14(2): 209–214
Picknell B, Mizen L et al. (1977) Antibacterial activity of antibiotics in acrylic bone cement. J Bone Joint Surg Br 59(3): 302–307
Wahlig H, Dingeldein E (1980) Antibiotics and bone cements. Experimental and clinical long-term observations. Acta Orthop Scand 51(1): 49–56
Interessenkonflikt:
Der korrespondierende Autor versichert, dass keine Verbindungen mit einer Firma, deren Produkt in dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt, bestehen.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Simpson, P.M.S., Dall, G.F., Breusch, S.J. et al. In-vitro-Freisetzung von Antibiotika aus SmartSet HV- und Palacos R-Knochenzement und deren Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften. Orthopäde 34, 1255–1262 (2005). https://doi.org/10.1007/s00132-005-0861-2
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00132-005-0861-2