Seit den frühen 1970ern wird die unikondyläre Schlittenprothese als Alternative bei unikondylärer Gonarthrose oder Morbus Ahlbäck statt der hohen tibialen Umstellungsosteotomie (HTO) oder der Totalendoprothese (TEP) verwendet [3, 23]. Die meisten Autoren bevorzugen die Umstellungsosteotomie beim jüngeren, aktiveren Patienten und setzen den unikondylären Schlitten nur bei Patienten >60 Jahre ein [3, 11].

Einige Studien konnten zeigen, dass der unikondyläre Schlitten der HTO überlegen ist, und ein Umstieg auf einen bikondylären Schlitten zu jedem späteren Zeitpunkt ohne technische Schwierigkeiten möglich ist [4, 18, 30]. Neben einem intakten vorderen Kreuzband, einem Streckdefizit von <10° und der Ausgleichbarkeit einer möglichen Achsfehlstellung wird die Intaktheit des lateralen sowie des femoropatellaren Kompartimentes gefordert [12, 14, 15, 17, 19].

Das „Oxford Unicompartmental Knee System“ wurde von Goodfellow u. O‘Connor 1978 eingeführt [10]. Das Oxford-III-System mit einem völlig kongruenten echten Mobile-bearing-Konzept kann minimal-invasiv implantiert werden. Das Weichteiltrauma ist damit kleiner, die Quadrizepssehne und die präpatellare Bursa bleiben vollständig erhalten, die Patella muss nicht evertiert werden, der Blutverlust und die perioperative Morbidität sind geringer und somit die Rehabilitationszeit kürzer [22, 24]. Die Kinematik und der postoperative Bewegungsumfang sind dem bikondylären Oberflächenersatz überlegen [7, 21]. Aktuelle Studien zeigen, dass die 10-Jahres-Überlebensraten des Oxford-Schlittens denen modernster bikondylärer Schlitten gleichzusetzen sind [2, 10, 20, 27].

Ein Vergleich zwischen offener Implantationstechnik und minimal-invasiver Implantation hat gezeigt, dass die funktionellen Ergebnisse bei minimal-invasiver Implantation auch nach 1 Jahr signifikant besser sind als bei konventioneller Operationstechnik ohne negative Einflüsse auf die Implantatposition [19].

Die Beurteilung der Retropatellararthrose ist bei minimal-invasiver Implantationstechnik besonders schwierig, da die Patella nicht evertiert wird und somit der retropatellare Knorpelschaden nur anhand der präoperativen Röntgenbilder eingeschätzt werden kann. In der Regel wird deshalb bei radiologischen Retropatellararthrosezeichen auch bei einem intakten lateralen Kompartiment ein bikondylärer Schlitten mit einem schlechteren funktionellen Outcome implantiert [7, 8, 9, 12, 15]. In der vorliegenden Studie wird der Einfluss der Retropatellararthrose auf das funktionelle Outcome bei Oxford-III-Schlitten untersucht.

Material und Methoden

Von Oktober 1998 bis November 2004 wurden 75 Oxford-III-Schlitten minimal-invasiv implantiert. Hierbei wurde im Verlauf zunehmend die Indikation zum unikondylären Schlitten auch bei radiologischen Retropatellararthrosezeichen, aber gleichzeitiger klinischer retropatellarer Beschwerdefreiheit, gestellt. Durchschnittlich erfolgte die Nachuntersuchung 34,8 (5–71) Monate postoperativ mit dem „Hospital for special surgery-“ (HSS-)Score (0 bis maximal 100 Punkte). Zur Erfassung einer retropatellaren Beschwerdesymptomatik wurde außerdem jeweils der Patellascore nach Turba (subjektiver Teil 0–12, objektiver Teil 0–16 Punkte) erstellt, wobei sich hier das Ergebnis mit steigender Punktzahl verschlechtert [28]. Von jedem Knie wurde eine a.-p.-, laterale sowie eine Patellatangentialröntgenaufnahme angefertigt. Der Retropatellararthrosegrad wurde anhand der präoperativen und der Follow-up-Röntgenbilder von 2 unabhängigen Untersuchern nach Sperner et al. [25] eingeteilt, was retropatellar der Kellgren-Lawrence-Skala entspricht [16].

Nachuntersuchtes Patientenkollektiv

44 von 75 Patienten konnten klinisch und radiologisch nachuntersucht werden; 4 weitere Patienten konnten zwar erreicht werden, jedoch aufgrund schlechten Allgemeinzustandes nicht an der Nachuntersuchung teilnehmen (Tabelle 1, Abb. 1).

Tabelle 1 Epidemiologische Daten der nachuntersuchten Patienten
Abb. 1
figure 1

Ursachen der Ausfallrate bei implantierten Oxford-III-Schlitten 10/98 bis 11/2004

Das durchschnittliche Alter der nachuntersuchten Patienten zum Implantationszeitpunkt lag bei 67,5 (44–85) Jahren. Bei 5 Patienten war zwischenzeitlich ein Wechsel auf einen bikondylären Schlitten erfolgt, jedoch in keinem Fall aufgrund eines retropatellaren Problems (Tabelle 2).

Tabelle 2 Gründe der Wechseloperationen

Statistische Auswertung

Zu Berechnung von Korrelationen wurde der Korrelationskoeffizient nach Spearman gewählt. Für den Vergleich prä- mit postoperativer Daten wurde der Wilcoxon-Test für abhängige Stichproben verwendet. Das Signifikanzniveau wurde mit p<0,05 gewählt.

Ergebnisse

Durchschnittlich stieg der HSS-Score postoperativ signifikant (p<0,001) um 30,6 auf 92,3 (68–99) Punkte an. 98% aller nachuntersuchten Patienten erzielten im HSS-Score ein gutes oder sehr gutes Ergebnis (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Postoperative Ergebnisse im HSS-Score

Im Patellascore nach Turba schnitten die Patienten mit 1,1 (0–7) Punkten im Mittel gut ab, wobei hier der objektive Teil tendenziell bessere Werte [Mittelwert (MW)=0,4; 0–3 Punkte] als der subjektive (MW=0,7; 0–5 Punkte) zeigte (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Ergebnisse im Patellascore nach Turba

Das Bewegungsausmaß lag mit 129,1° (110–140°) Flexion signifikant höher als präoperativ (MW=113,9°; 80–145°; p<0,001). Kein Patient wies bei der Nachuntersuchung ein Streckdefizit auf.

Radiologische Ergebnisse

Beim nachuntersuchten Kollektiv wurden keine Lockerungen gefunden. In einem Fall zeigte sich tibial eine Saumbildung. In keinem der Fälle zeigten sich im lateralen Kompartiment Zeichen der Arthrose.

30 (68,2%) Patienten wiesen zum Nachuntersuchungszeitpunkt eine Retropatellararthrose Grad III oder IV auf gegenüber 27 (61,3%) präoperativ. Bei 6 von 44 (13,6%) Patienten hatte der radiologische Retropatellararthrosegrad seit Implantation zugenommen, bei den restlichen Patienten war der Retropatellararthrosegrad unverändert geblieben (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Retropatellararthrosegrad

Einfluss der Retropatellararthrose auf die funktionellen Ergebnisse

Ein Einfluss des radiologischen Retropatellararthrosegrades auf den HSS-Score konnte nicht festgestellt werden (Tabelle 3, Abb. 5; p>0,05). 26 der 30 Patienten mit Retropatellararthrosegrad III oder IV zum Nachuntersuchungszeitpunkt schnitten im HSS-Score mit sehr gut ab, der Rest dieser Patienten mit gut. Ebenso zeigte sich keine Auswirkung des radiologischen Retropatellararthrosegrades auf die retropatellare Beschwerdesymptomatik (Tabelle 3, Abb. 5; p>0,05).

Tabelle 3 Korrelation zwischen Retropatellararthrosegrad und funktionellen Scores
Abb. 5
figure 5

Einfluss des Retropatellararthrosegrades auf den HSS-Score (RPA Retropatellararthrosegrad, O Ausreißer >1,5 Boxlängen von der Box entfernt, *Extremwert über 3 Boxlängen von der Box entfernt)

Diskussion

Der unikondyläre Knieschlitten gilt bei medialer Gonarthrose oder Morbus Ahlbäck neben der Umstellungsosteotomie und TEP als Therapie der Wahl [3, 23]. Die Standzeiten entsprechen denen modernster bikondylärer Prothesen und die funktionellen Ergebnisse der neuen unikondylären Prothesengeneration sind den Doppelschlitten überlegen [2, 6, 7, 10, 20, 21, 27].

Die Oxford-III-Prothese ist minimal implantierbar und liegt damit voll im Trend der heutigen Endoprothetik. Durch die minimal-invasive Implantation ist die Rehabilitationszeit kürzer [19, 22, 24] und die funktionellen Ergebnisse sind der konventionellen Implantationstechnik überlegen [19, 29]. Auch besitzt der unikondyläre Schlitten gegenüber der HTO den Vorteil, dass das laterale Kompartiment nicht vermehrt belastet und damit auch nicht die Degeneration beschleunigt wird.

Der Anteil der unikondylären Schlitten an der Gesamtzahl der primären Knieprothesen ist trotz dieser Vorteile mit ca. 10% gering. Einige Autoren fordern deshalb dringend eine sorgfältigere Indikationsstellung, da dann bis zu 25–30% aller Knieprothesen mit einem modernen unikondylären Schlitten versorgt werden könnten [5, 6].

Ob klinische oder radiologische retropatellare Veränderungen eine Kontraindikation für die Implantation einer unikondylären Knieprothese darstellen und mit Auswirkungen auf das funktionelle Ergebnis zu rechnen ist, wird kontrovers diskutiert [1, 2, 5, 6, 7, 8, 10, 12, 14, 15, 19, 20, 22, 27]. Viele Autoren implantieren jedoch nach wie vor bei präoperativer radiologischer Retropatellararthrose und intaktem lateralen Kompartiment einen bikondylären Schlitten mit schlechterem funktionellen Outcome [5, 7, 8, 9].

Berger et al. [2] konnten in einer Studie mit 51 unikondylären Schlitten und einem durchschnittlichen Follow-up von 7,5 Jahren keine Zunahme der Arthrose in den restlichen Kompartimenten feststellen. Sie fanden jedoch in einer anderen Studie mit 59 Patienten in einem Nachuntersuchungszeitraum von 10 Jahren bei 1,6% der Patienten eine retropatellare Beschwerdesymptomatik, welche nach 15 Jahren auf 10% stieg [1]. Squire et al. [26] berichten von einer Zunahme der Retropatellararthrose in 67% der Fälle über 11 Jahre hinweg, wobei der durchschnittliche HSS-Score nach 11 Jahren immer noch bei 82 Punkten lag. In diesen beiden Studien handelte es sich jedoch einmal um den unikondylären Miller-Galante-Schlitten, im 2. Fall um unikondyläre „Marmor“-Prothesen, beides Fixed-bearing-Systeme, sodass die Ergebnisse nur bedingt mit unseren vergleichbar sind.

Hernigou u. Deschamps [13] konnten bei 28% ihrer unikondylären Schlitten nach 14 Jahren ein radiologisches Impingment zwischen Patella und femoraler Komponente nachweisen, was in den meisten Fällen zu einer retropatellaren Beschwerdesymptomatik führte. Es ist aber auch zu bedenken, dass über diesen Zeitraum auch unabhängig von einer Schlittenprothese mit einer Zunahme der Retropatellararthrose zu rechnen ist.

Goodfellow et al. [10] fanden hingegen in einer Serie von 103 Oxford-Knien mit einer durchschnittlichen Nachuntersuchungszeit von 36 Monaten keinen Zusammenhang zwischen funktionellem Ergebnis und Zustand des femoropatellaren Kompartimentes.

Die Zunahme der Retropatellararthrose im Röntgenbild wird in einigen Fällen beschrieben [17]. Revisionen aufgrund von retropatellaren Problemen nach unikondylären Schlitten sind selten [1, 5, 6, 10, 20, 30]. Im „Swedish Knee Registry“ wurde bisher kein unikondylärer Schlitten aufgrund eines retropatellaren Problems revidiert [17]. Murray et al. [20] sind der Meinung, dass vermehrte postoperative Schmerzen unabhängig vom Zustand des femoropatellaren Kompartimentes auftreten. In ihrem Patientengut traten während eines 10-Jahres-Follow-up weder klinische Probleme im femoropatellaren Kompartiment auf noch konnte eine Zunahme der Retropatellararthrose festgestellt werden [20].

Das funktionelle Ergebnis sowie das Bewegungsausmaß hatten sich in unserer Studie postoperativ signifikant verbessert. 30 (68,2%) unserer Patienten wiesen zum Nachuntersuchungszeitpunkt eine Retropatellararthrose Grad III–IV auf. Keiner unserer Patienten war aufgrund eines retropatellaren Problems revidiert worden. Bei 6 (13,6%) Patienten hatte die Retropatellararthrose postoperativ zugenommen. 43 von 44 Patienten schnitten im HSS-Score trotzdem mit gut oder sehr gut ab. Ein Einfluss des Retropatellararthrosegrades auf den HSS-Score konnte nicht festgestellt werden. Der radiologische Retropatellararthrosegrad korrelierte nicht mit der retropatellaren Beschwerdesymptomatik.

Die — wenn auch geringe — Korrektur der Beinachse, woraus ein verminderter Druck auf die mediale Patellafacette resultiert, könnte die geringe retropatellare Symptomatik trotz radiologischer Retropatellararthrose erklären [6, 10, 17]. Weale et al. [30] vertreten die Meinung, dass deshalb auf die Korrektur der Beinachse besonders Wert gelegt werden muss, um postoperativen retropatellaren Problemen vorzubeugen. Im Gegensatz hierzu haben wir in unserem Patientengut nicht versucht, die Achse wesentlich zu korrigieren, um nicht eine Zunahme der Belastung des lateralen Kompartiments mit vermehrter Abnutzung zu verursachen. Trotzdem haben wir keinen negativen Einfluss auf die Retropatellararthrose gesehen.

Die Aussagefähigkeit unserer Ergebnisse ist aufgrund der retrospektiven Datenerhebung und der kleinen Fallzahl als eingeschränkt zu betrachten. Trotzdem kann unserer Meinung nach die Indikation zur Implantation eines Oxford-III-Schlittens trotz vorliegender radiologischer Retropatellararthrose bei retropatellarer Beschwerdefreiheit bei der klinischen Untersuchung gestellt werden. Inwieweit eine präoperativ bestehende retropatellare Beschwerdesymptomatik das Ergebnis negativ beeinflusst, bleibt offen.

Fazit für die Praxis

Bei erhaltenem lateralen Kompartiment sowie intaktem vorderen Kreuzband und einem Streckdefizit von <10° kann trotz vorliegender radiologischer Retropatellararthrose, aber klinischer retropatellarer Beschwerdefreiheit, die Indikation zum unikondylären Knieschlitten mit besserem funktionellen Ergebnis gestellt werden.