Zusammenfassung
Hintergrund
Patienten mit osteoporosebedingten Frakturen von Wirbelkörpern (WK) leiden häufig unter massiven Schmerzen und Funktionseinschränkungen bis zur Bettlägerigkeit. Ihre Mortalität ist im Vergleich zur altersentsprechenden Gesamtbevölkerung bis zu 25% erhöht. Bettruhe, Korsettbehandlung oder osteosynthetische Versorgung erbringen nur unbefriedigende Ergebnisse. Mit 2 minimal-invasiven Verfahren, Vertebroplastie und Ballonkyphoplastie, ist eine interne Stabilisierung osteoporotischer WK-Frakturen möglich.
Methodik
Wir führten bei allen Patienten eine Kyphoplastie durch. Hierbei wird primär über einen transpedikulär im WK platzierten Ballonkatheter der WK aufgerichtet, ein Hohlraum geschaffen und unter geringem Druck mit Knochenzement aufgefüllt. Vorteile gegenüber der Vertebroplastie sind die Wiederaufrichtung und somit Verbesserung der Wirbelsäulenstatik und die deutlich verminderte Zementaustrittsrate aus dem WK, da mit geringerem Fülldruck und mit höher viskösem Zement gearbeitet werden kann. In einer prospektiven, interdisziplinären Studie (Osteologie, Unfallchirurgie, Radiodiagnostik) wurde mit einem Nachuntersuchungsintervall von 12 Monaten an 192 osteoporotischen, frakturierten WK bei 102 Patienten eine Kyphoplastie durchgeführt. Zur Augmentation wurde bei 138 WK Polymethylmethacrylat und bei 54 WK ein neuartiger injizierbarer Kalziumphosphat-Zement verwendet. Die Bewertung der Behandlung erfolgte mit 2 validierten Wirbelsäulenscores und Radiomorphometrie.
Ergebnisse
Bei 89% der Patienten zeigte sich eine deutliche Beschwerdebesserung. Eine Wiederaufrichtung der frakturierten WK war um durchschnittlich 17% möglich. Die Zementaustrittsrate lag bei 7% und somit deutlich unter den publizierten Werten der Vertebroplastie (20–70%). Als weitere Komplikationen sind eine Nachblutung und eine Fehlpunktion aufgetreten.
Schlussfolgerung
Die Kyphoplastie ist ein zuverlässiges und sicheres minimal-invasives Verfahren zur Stabilisierung frakturierter WK bei Osteoporose, wobei eine gute Schmerzreduktion, Funktionsverbesserung und Aufrichtung der behandelten WK zu erreichen ist.
Abstract
Background data
Patients with osteoporotic vertebral compression fractures frequently complain of pain and a loss of function and mobility. Such fractures are associated with an increased mortality. The common treatment with bed rest, bracing or osteosynthesis does not lead to satisfying results. With two new surgical techniques, vertebroplasty and kyphoplasty, an internal stabilisation of osteoporotic vertebral fractures is possible.
Methods
All patients were treated by kyphoplasty. With a minimal invasive dorsal approach, an inflatable bone tamp is placed in the fractured vertebral body. This tamp can restore the vertebral body height and create a cavity, which is filled with bone cement under low pressure. The advantage of kyphoplasty compared to vertebroplasty is the restoration of the vertebral height and a decreased cement leakage rate. We performed a prospective, interdisciplinary study with a follow-up of 12 months. We treated 192 vertebral fractures in 102 patients. Augmentation was performed with polymethylmethacrylate in 138 cases and with a new injectable calcium phosphate-cement in 54 vertebral bodies. Outcome data were obtained with two different spine-scores and by the radiomorphometric evaluation of x-rays before and after treatment.
Results
We noticed a significant improvement in pain and function in 89% of the patients. All patients showed a regain of vertebral height of on average 17%. In 7% of all treated vertebral bodies, we noticed cement leakage, which was, however, far below the rates published for vertebroplasty (20–70%). There were two complications, bleeding due to an unknown coagulopathy and a violation of the myelon by malpunction.
Conclusion
Kyphoplasty is a reliable and minimally invasive method for stabilizing fractured osteoporotic vertebral bodies. Improvement of pain and function and a regain in height of the treated vertebral body can be accomplished.
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Nachdem die operative Therapie osteoporosebedingter Wirbelkörper- (WK-)Frakturen über viele Jahre sowohl in der wissenschaftlichen Literatur als auch in der Laienpresse ein Schattendasein führte, hat sich dies durch die Einführung neuer minimal-invasiver operativer Methoden, der Vertebroplastie und der Kyphoplastie, schlagartig geändert.
Epidemiologie
Epidemiologisch betrachtet stellen Patienten mit osteoporotischen WK-Frakturen ein zunehmendes sozioökonomisches Problem dar. Große epidemiologische Studien [4, 30] aus den USA belegen dies eindrucksvoll. Demnach ereignen sich etwa 700.000 WK-Frakturen pro Jahr in den USA, wovon etwa 35% der Betroffenen [4] wegen starker Rückenschmerzen ärztlich behandelt und radiologisch diagnostiziert werden. Ausgehend von diesen Daten und epidemiologischen Untersuchungen von Silverman [28] ergibt sich eine Hospitalisationsrate nach osteoporotischer WK-Fraktur von 16% in den USA, wodurch enorme finanzielle Probleme entstehen. Diese Zahlen sind auf Europa übertragbar, wobei hier die osteoporosebedingte WK-Fraktur in der Altersgruppe von 50–80 Jahren eine Prävalenz von 12% der Gesamtbevölkerung aufweist [24].
Sowohl in USA als auch in Europa entsprechen die Kosten für die stationären Behandlungen osteoporosebedingter WK-Frakturen denen der Schenkelhalsfrakturen [28, 16]. Die Lebensqualität der betroffenen Patienten ist deutlich eingeschränkt [13, 28]. Die Betroffenen leiden unter starken Schmerzen, eingeschränkter Mobilität bis hin zur Bettlägerigkeit und häufig daraus resultierend unter verminderter Lungen- und Herzfunktion [27]. Es zeigt sich eine um bis zu 23% erhöhte Mortalität bei Patienten mit osteoporotischen WK-Frakturen im Vergleich zu einem Kontrollkollektiv [9, 17].
Systemische Therapie
Große, prospektive randomisierte Studien [2, 21] bezüglich einer adäquaten systemischen Therapie zeigen, dass die Zahl drohender Frakturen weiterer Wirbelkörper deutlich um 30–70% reduziert werden kann, aber die massiven Rückenschmerzen durch lokale Instabilität und biomechanisch ungünstige kyphotische Fehlstellung der Wirbelsäule bei bereits bestehenden Frakturen nicht vermindert werden. Die bisherige Therapie mit Bettruhe und Analgesie und anschließender Korsettbehandlung führt zu einem beschleunigten, inaktivitätsbedingten Knochenabbau [29], der wiederum zu weiteren WK-Frakturen führt. Die osteosynthetische Versorgung erbringt ebenfalls schlechte Ergebnisse, da eine stabile Implantatverankerung im osteoporotischen Knochen nur bedingt gewährleistet ist [19].
Minimal-invasive Op.-Verfahren
In der Literatur werden 2 minimal-invasive Verfahren beschrieben, die über eine interne Stabilisierung frakturierter Wirbelkörper zu einer deutlichen Schmerzreduktion führen. 1987 wird erstmals die Vertebroplastie in der Behandlung eines Wirbelkörperhämangioms als Alternative zum offenen operativen Vorgehen beschrieben [11]. Bei diesem Verfahren wird minimal-invasiv unter hohem Druck PMMA-Zement in den Wirbelkörper injiziert. Die neue Technik fand vor allem in Frankreich Verbreitung und wird seit etwa 10 Jahren zunehmend auch bei osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen angewandt [8, 12, 14].
Ihre Gefahr besteht bei hohem Injektionsdruck im Austritt des Zements aus dem Wirbelkörper. Diese Komplikation ist bei 20–70% der operierten Patienten beschrieben worden [5, 14]. Besonders gefährlich sind Austritte des Zements nach dorsal in den Spinalkanal mit möglicher Kompression des Myelons [26] oder venöse Embolisationen des PMMA-Zements, wobei bereits über Todesfälle berichtet wurde [25]. Wir favorisieren deshalb die Ballonkyphoplastie, die seit 1998 in den USA von der FDA („Food and Drug Administration“) zugelassen ist.
Problematik
Bei beiden Verfahren wird über sehr gute Ergebnisse berichtet—mit einer Erfolgsquote von bis zu 90% bezüglich der Schmerzreduktion. Leider fehlen prospektive Daten mit längerem Follow-up. Bezüglich der Vertebroplastie und Kyphoplastie gibt es einige Publikationen, welche Kasuistiken, operative Technik und die historische Entwicklung beschreiben [3, 8, 11, 14, 31], jedoch nur sehr wenige Arbeiten mit einem prospektiven Ansatz mit kleinen Fallzahlen und kurzem Nachuntersuchungszeitraum [5, 12, 22].
Fragestellung
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1.
Kann durch die Kyphoplastie in Kombination mit einer systemischen Osteoporosetherapie bei Patienten mit osteoporotischen WK-Frakturen die Schmerzsymptomatik und Mobilität deutlich und dauerhaft gebessert werden?
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2.
Sind im Outcome bezüglich klinischer Verbesserung und Höhenwiederherstellung Unterschiede bei Verwendung von PMMA- oder Kalziumphosphat-Zement festzustellen?
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3.
Kann bei frühzeitiger Kyphoplastie (Zeitraum innerhalb von 4 Wochen nach Trauma) ein besseres Ergebnis erzielt werden?
Patienten und Methodik
Operatives Vorgehen
Als operative Technik wird ausschließlich die Ballonkyphoplastie angewandt [15]. In Bauchlagerung des Patienten unter Bildwandlerkontrolle erfolgt bei WK-Frakturen eine Wiederaufrichtung des betroffenen Wirbelkörpers mittels eines aufblasbaren Ballonsystems, das minimal-invasiv über Stichinzisionen transpedikulär platziert wird. Die Befüllung des Ballons geschieht mit wasserlöslichem Röntgenkontrastmittel druck- und volumenkontrolliert, wobei Drücke bis zu 40 bar vom Ballon toleriert werden. Der geschaffene Hohlraum wird nach Entfernung der Ballons unter geringem Druck mit Polymethylmethacrylat (PMMA) oder Kalziumphosphat (Calcibon) aufgefüllt und somit der WK von innen augmentiert. Im Vergleich zur Vertebroplastie liegt bei der Kyphoplastie die Zementaustrittsrate deutlich niedriger (zwischen 5 und 10% der behandelten Wirbelkörper; [22, 26]).
Als Füllmaterial wurde niedrig visköser PMMA-Zement (Kyphex: Fa. Kyphon, Deutschland) oder ein neu entwickelter injizierbarer Kalziumphosphat-Zement (Calcibon: Fa. Biomet Biomaterials, 64271 Darmstadt) verwendet (Abb. 8).
Studiendesign
Als Studiendesign wählten wir eine offene, prospektive, unkontrollierte, nicht randomisierte Studie zur Überprüfung des Verfahrens der Kyphoplastie mit PMMA-Zement und Kalziumphosphat-Zement bei osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen. Die Studie wird in 2 Kliniken simultan (Universitätsklinikum Heidelberg, St.-Vincenz-Krankenhaus Limburg) interdisziplinär (Unfallchirurgie, Osteologie, Radiodiagnostik) durchgeführt.
Diagnostik
Jeder Fall wird osteologisch-endokrinologisch mittels Densitometrie, Laboranalyse und Knochenbiopsie abgeklärt. Zusätzlich wird ein neurologischer Status des Patienten erhoben. Bei radikulärer Symptomatik wird eine Magnetresonanztomographie durchgeführt, und bei Verdacht auf ein Bandscheibenleiden wird der Patient von der Studie ausgeschlossen.
Radiologisch erfolgen Nativröntgenaufnahmen der gesamten Wirbelsäule in 2 Ebenen und eine Computertomographie der betroffenen Region. Von 3 Fachärzten (Endokrinologe, Unfallchirurg und Radiologe) wird gemeinsam anhand der Röntgenbefunde, der klinischen Beschwerden des einzelnen Patienten und der osteologischen Daten festgelegt, ob eine Kyphoplastie sinnvoll erscheint und wenn ja, welche WK aussichtsreich zu therapieren sind.
Nachuntersuchungszeitraum
Ausschlusskriterien für diese Osteoporosestudie waren Malignome, WK-Metastasen, traumatische WK-Frakturen und chronische Bandscheibenleiden, wobei diese Patienten außerhalb der Studie mittels Kyphoplastie behandelt wurden. Im Rahmen dieser Arbeit wird ausschließlich über Patienten mit osteoporotischen WK-Frakturen mit einem Nachuntersuchungszeitraum von mindestens 6 Monaten berichtet. Aufgrund der strengen Eingangskriterien wurden nur 102 der über 800 interdisziplinär begutachteten Patienten zur Studie zugelassen.
Im Studienprotokoll ist ein Nachuntersuchungszeitraum von 5 Jahren vorgesehen, wobei folgende Intervalle festgesetzt wurden: Präoperativ, 1 Woche, 1 Monat, 3 Monate, 6 Monate, 12 Monate postoperativ und anschließend jährlich.
Wirbelsäulenscores
Die prä- und postoperative Evaluation erfolgt mit 2 validierten Wirbelsäulenscores, die Schmerz und Funktion bewerten.
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Modifizierter VAS-Wirbelsäulen-Score der DGU Traumastudie [20]:
validierter Score, der untersucherunabhängig sowohl Schmerz als auch funktionelle Einschränkungen mit 13 Fragen anhand visueller Analogskalen dokumentiert und in einem Punktesystem zwischen 0 und 100 quantitativ erfasst. Der Score wurde im Rahmen der Wirbelsäulen-Multicenterstudie der DGU erarbeitet und validiert.
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EVOS-Score [24]:
validierter Score der European Vertebral Osteoporosis Study, der verschiedene Kriterien der Lebensqualität der Patienten erfasst und quantifiziert.
Radiomorphometrie und Statistik
Die radiomorphometrische Auswertung erfolgt anhand der Nativröntgenbilder, wobei 6 Messpunkte festgelegt werden, mit denen folgende Parameter zu bestimmen sind:
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Kyphosewinkel: Winkel zweier Tangenten angelegt an die Grund- und Deckplatte des frakturierten Wirbelkörpers in der seitlichen Projektion.
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Prä- und postoperative Höhe der Wirbelkörpermitte in Prozentwerten, wobei als Referenzwert die mittlere Höhe nicht frakturierter angrenzender Wirbelkörper herangezogen wird.
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Resultierend ergibt sich daraus die prozentuale Wiederaufrichtung, die ebenfalls in der WK-Mitte gemessen wird.
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Computertomographische Lagekontrolle und Volumenmessung des eingebrachten Zements.
Die Auswertung erfolgt von drei unabhängigen Untersuchern.
Die statistische Auswertung erfolgte mit dem Students’-t-Test für ungepaarte Stichproben mit einem Signifikanzniveau von 5%. Die statistische Analyse der vergleichenden Untersuchung von frischen und alten Frakturen erfolgte wegen der unterschiedlichen Fallzahl mit dem ANOVA-χ2-Test—ebenfalls mit einem Signifikanzniveau von 5%. Die Korrelationsanalyse erfolgte mit der Berechnung des Korrelationskoeffizienten nach Pearson.
Ergebnisse
Vom 01.01.2002 bis 01.07.2003 wurden 192 Wirbelkörper bei 102 Patienten mit osteoporotischen WK-Frakturen mittels Kyphoplastie behandelt (m.:w. = 1:4). Die Nachuntersuchungsrate nach 6 Monaten lag bei 92% (Tabelle 1). Der Altersmedian beträgt 71 Jahre (56–88). Im Durchschnitt wurden 1,9 WK pro Patient augmentiert. Bei 82 Patienten handelte es sich um alte Frakturen, und bei 20 Patienten mit nachgewiesener Osteoporose war ein Trauma, das nicht länger als 4 Wochen zurücklag, Ursache für die WK-Fraktur.
Als Füllmaterial wurde bei 138 WK (62 Patienten) PMMA-Zement und bei 54 WK (40 Patienten) ein neuartiger Kalziumphosphat-Zement (Calcibon) verwendet. Calcibon wird synthetisch hergestellt und besteht aus verschiedenen anorganischen Kalziumphosphaten, die in ihrer Zusammensetzung der Knochenmatrix entsprechen. Der Zement härtet ohne Hitzeentwicklung durch Umkristallisation zu kalziumdefizientem Hydroxylapatit aus.
Der thorakolumbale Übergang (BWK 12–LWK 2) war von der topographischen Verteilung mit 69% der operierten Wirbelkörper am häufigsten betroffen.
Die Operationszeit pro Wirbelkörper betrug 38 min (20–75). Alle Wirbelkörper wurden von dorsal transpedikulär beidseitig operiert. Das durchschnittliche Füllvolumen betrug 7 ml (5–9).
Therapieerfolg
Die Schmerzsymptomatik war bei 73% der Patienten deutlich und bei 16% mäßig gebessert, wobei sowohl die Schmerzreduktion als auch die Funktionsverbesserung über den ganzen bisherigen Beobachtungszeitraum (12 Monate) anhielt. Gegenüber der Ausgangssituation war eine deutlich signifikante Verbesserung sowohl bezüglich Schmerz als auch Funktion zu verzeichnen (p<0,0001; t-Test). Die klinische Verbesserung trat direkt postoperativ ein und bildete dann eine Plateau über den gesamten bisherigen Beobachtungszeitraum von 12 Monaten (Abb. 1). Bei 11% der Patienten trat keine Besserung ein.
Im Vergleich der PMMA-Gruppe und der Kalziumphosphatgruppe zeigen sich keine signifikanten Unterschiede bezüglich Schmerz und Funktion gemessen im VAS-Score in den Kontrollen nach1, 3, 6 und 12 Monaten (p>0,05; t-Test; Abb. 2). Auch im EVOS-Test, der die allgemeine Lebensqualität beurteilt, zeigte sich im einjährigen Verlauf zu keinem Zeitpunkt ein signifikanter Unterschied (p>0,05; t-Test; Abb. 3).
Aufrichtung
Bei der radiomorphometrischen Analyse zeigten sich bei den osteoporotischen Frakturen des thorakolumbalen Übergangs weniger keilförmige Kompressionsfrakturen, sondern eher zentrale Einbrüche der Deckplatten, sog. Fischwirbel (Typ A1.3 nach AO Klassifikation; Abb. 7). Der Kyphosewinkel und der WK-Index erwiesen sich zur Auswertung der alten osteoporotischen Sinterungsfrakturen im Gegensatz zu frischen traumatischen Frakturen als ungeeignet.
Wir verwenden deshalb eine Methode, die den gesinterten WK prozentual zu nichtfrakturierten Nachbarwirbelkörpern als Referenzgröße einschätzt. Hieraus lässt sich dann die primäre Ausgangshöhe und die Wiederherstellung verlorener Höhe nach der Kyphoplastie in Prozent angeben. Im angloamerikanischen Schrifttum ist diese Methode zur Evaluierung osteoporotischer Frakturen verbreitet; sie wird in einer Publikation von Lieberman [22] dargestellt.
Bei allen frakturierten Wirbelkörpern war eine durchschnittliche Aufrichtung von 17% und bei den frisch frakturierten WK von 31% zu erzielen (Tabelle 2). Bezüglich der beiden Augmentationszemente zeigte sich kein Unterschied in der Höhenwiederherstellung oder im Nachsinterungsverhalten (Abb. 4). Eine vorzeitige und unkontrollierte Resorption des Kalziumphosphat-Zements sahen wir in keinem Fall (Abb. 8).
Bei den alten Sinterungsfrakturen (n=82) gelang lediglich eine Aufrichtung um durchschnittlich 15% mittels Kyphoplastie. Im Gegensatz hierzu war bei den Patienten mit frischen WK-Frakturen bei Osteoporose (n=20) eine deutliche Wiederaufrichtung um 31% zu verzeichnen, wobei das Trauma nicht länger als 4 Wochen zurücklag. Der Unterschied beider Gruppen war deutlich signifikant (p<0,001; χ2-Test; Abb. 6).
VAS-Score
Bezüglich der klinischen Verbesserung, die im VAS-Score gemessen wurde, zeigt sich ein noch deutlicheres Ergebnis (p<0,0001; χ2-Test) zugunsten der frühen posttraumatischen Kyphoplastie über den gesamten Nachuntersuchungszeitraum (Abb. 5). Dies muss jedoch zurückhaltend interpretiert werden, da die Gruppengröße deutlich variiert und die persönliche Einschätzung der Patienten nach akutem Trauma differiert zu den Patienten mit chronischen Schmerzen bei alten osteoporotischen Frakturen. Eine positive Korrelation zwischen Aufrichtung des WK und Schmerz und Funktion, die im VAS-Score gemessen wurde, konnten wir nicht feststellen. (Der Korrelationskoeffizient nach Pearson lag zwischen 0,1 und 0,4.)
Komplikationen
Folgende Komplikationen sind aufgetreten:
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Zementaustritt aus 8 WK (7,1%) ohne jegliche klinische Symptomatik, in 2 Fällen lateral und in 3 Fällen ventral, bei 2 WK dorsal und einmal in die Bandscheibe.
Frakturen direkt benachbarter WK sahen wir lediglich in 5 Fällen (5%) im Verlauf von einem Jahr.
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Bei einer Patientin kam es nach Kyphoplastie zu einer epiduralen Nachblutung bei einer präoperativ nicht bekannten Koagulopathie. Wegen motorischer und sensibler Ausfälle, die verzögert 12 h nach dem Primäreingriff auftraten, führten wir eine Laminektomie mit Hämatomausräumung durch. Hierunter kam es zu einer Rückbildung der neurologischen Ausfallserscheinungen, und bei Entlassung aus der stationären Behandlung war der präoperative Status wiederhergestellt.
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Als intraoperative Komplikation ist eine Fehlpunktion bei BWK 8 mit Verletzung des Myelons mit daraus resultierenden motorischen Ausfällen an einem Bein zu nennen. Die Patientin konnte mit Gehstöcken selbstständig mobilisiert werden, aber eine komplette Restitutio ad integrum war nicht eingetreten.
Die beiden schweren Komplikationen waren während der Zeit, in der wir die ersten 15 Patienten mittels Kyphoplastie behandelten, aufgetreten.
Diskussion
Da die Methode der Kyphoplastie relativ neu ist, können wir zum momentanen Zeitpunkt lediglich über mittelfristige prospektive Ergebnisse berichten, wobei festzuhalten ist, dass bisher generell nur wenige prospektive Arbeiten veröffentlicht wurden, und diese mit kleinen Fallzahlen und kurzem Nachuntersuchungsintervall.
Nach strenger interdisziplinärer Indikationsstellung ist die Kyphoplastie eine sichere, komplikationsarme und operationstechnisch elegante Methode, osteoporotische WK-Frakturen zu stabilisieren und frische Frakturen bis etwa 4 Wochen posttraumatisch auch wieder aufzurichten. Eine schnelle Schmerzreduktion und verbesserte Mobilität und somit Lebensqualität wird übereinstimmend mit der Literatur bei einem hohen Prozentsatz der Patienten erreicht [3, 12, 22].
Bezüglich einer generellen Empfehlung des Behandlungsverfahrens gerade im Hinblick auf die hohen Kosten der Kyphoplastie ist kritisch anzumerken, dass bisher keine kontrollierten Publikationen verglichen mit einer konservativen Gruppe vorliegen, die evidenzbasiert bezüglich Osteoporose und Rückenschmerz behandelt wurde. Klinische Multicenterstudien wurden in USA und Europa begonnen, wobei mit Ergebnissen frühestens in etwa einem Jahr zu rechnen sein wird.
Ursachen der klinischen Besserung
Als Ursache der Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung werden in der Literatur verschiedene Faktoren diskutiert.
Die Hitzeentwicklung bei Aushärtung des PMMA-Zements soll schmerzleitende Nervenfasern im WK zerstören. Die lokal wirksame zytotoxische Wirkung der PMMA-Monomere soll ebenfalls lokale Schmerzrezeptoren schädigen. Durch die Aufrichtung der augmentierten WK soll die gesamte Statik der Wirbelsäule günstig beeinflusst werden.
Aufgrund unserer Ergebnisse, wonach die Schmerzreduktion mit PMMA und Calcibon postoperativ gleichermaßen eintritt, ist die Hitzeentwicklung und Zytotoxizität als Ursache der klinischen Besserung auszuschließen.
Wir glauben, dass durch die interne Stabilisierung der frakturierten WK Mikrobewegungen reduziert werden, die Irritationen von Nervenfasern des Periosts des WK hervorrufen.
Nachteile des PMMA-Zements
Bisher gilt PMMA-Zement als Goldstandard zur Kyphoplastie. Dieser Zement weist aber gravierende Nachteile auf. Die Aushärtung erfolgt unter Hitzeentwicklung [8, 18]. Die Zytotoxizität der kontinuierlich freigesetzten Momomere ist experimentell eindeutig nachgewiesen [7]. Ein knöcherner Einbau oder Umbau ist nicht gewährleistet, und um den Kunststoff-Zement bildet sich immer ein bindegewebiges Interface [10]. Deswegen halten wir PMMA als Füllmaterial für problematisch und insbesondere für den jüngeren Patienten nicht geeignet.
Nachteile des Kalziumphosphat-Zements
Nachdem biomechanische In-vitro-Kadaveruntersuchungen [1, 23] erfolgreichen verliefen, setzen wir Calcibon zunehmend als biologisches Füllmaterial frakturierter WK ein. Bezüglich der Schmerzreduktion, Funktionsverbesserung und Höhenwiederherstellung konnten wir keine signifikanten Unterschiede zu PMMA feststellen. Eine unkontrollierte und frühzeitige Resorption konnten wir bei keinem Patienten in den radiologischen Kontrollen nachweisen (Abb. 8).
Der Zement ist jedoch deutlich teurer als PMMA und das intraoperative Handling anspruchsvoll. Deswegen empfehlen wir die Augmentation mit Kalziumphosphat-Zement vorwiegend bei jüngeren Patienten. Gerade in der minimal-invasiven Frakturversorgung des jungen Patienten eröffnen sich aus unserer Sicht durch Ballonkyphoplastie mit Kalziumphosphat-Zement vielversprechende Möglichkeiten.
Indikation zur Kyphoplastie
Eine weitere entscheidende Frage ist, ob und wenn ja, zu welchem Zeitpunkt eine Kyphoplastie bei osteoporotischen Frakturen sinnvoll erscheint. Ein Großteil der Patienten mit osteoporotischen WK-Frakturen wird durch adäquate Schmerz- und Physiotherapie beschwerdefrei. Lediglich ein kleiner Rest von etwa 10–20% kommt wegen chronischer Beschwerden überhaupt in die klinische Ambulanz oder zur stationären Aufnahme. Bei diesen Patienten muss eine diagnostische Abgrenzung zu den ebenfalls häufigen degenerativen Veränderungen erfolgen. In unserem Krankengut wurden von über 800 zur Kyphoplastie vorgestellten Patienten lediglich 102 letztendlich operiert. Das teure Verfahren wird von den Kostenträgern sicherlich nur dann getragen werden, wenn neben dem persönlichen Benefit des Patienten auch ein sozioökonomischer Vorteil zu erzielen ist.
Die schwierige Frage, wann der geeignete Zeitpunkt zur Kyphoplastie gegeben ist, wird von unserer Arbeitsgruppe folgendermaßen beurteilt. Der Anteil der frischen WK-Frakturen bei Osteoporose, die zur stationären Aufnahme kommen, ist gering. Außerdem ist zu unterscheiden zwischen spontanen Sinterungsfrakturen und traumatisch bedingten Frakturen bei Osteoporose. Wir empfehlen folgendes Vorgehen:
Primär erfolgen Nativröntgenaufnahmen der Wirbelsäule. Bei einem Kyphosewinkel >15% oder einer primären Höhenminderung >20% und entsprechenden Schmerzen führen wir die Kyphoplastie durch, da mit dieser Technik im akuten Stadium eine exzellente Höhenwiederherstellung zu erreichen ist. Die anderen Patienten werden unter Analgetikagabe mobilisiert, und nach etwa einer Woche wird eine Röntgenkontrolle durchgeführt. Bei weiterem Höhenverlust erfolgt dann ebenfalls eine Kyphoplastie mit dem Ziel der Wiederherstellung der Ausgangshöhe des WK (Abb. 9).
Die Vermeidung einer posttraumatischen, kyphotischen Fehlstellung erscheint uns aus biomechanischer Sicht erstrebenswert im Hinblick auf eine verminderte Druckbelastung der vorderen Säule und zur Verhinderung einer resultierenden Hyperlordosierung der LWS. Unsere Nachuntersuchungsergebnisse scheinen diese Überlegung zu bestätigen, aber bei noch zu geringer Fallzahl der frischen Frakturen ist dies lediglich als Trend zu werten.
Vertebroplastie vs. Kyphoplastie
Auch die Vertebroplastie verzeichnet ähnlich gute Resultate bezüglich der Schmerzreduktion. Aus folgenden Gründen erscheint uns die Kyphoplastie allerdings sicherer und deshalb vorteilhaft:
Da bei der Vertebroplastie ein sehr dünnflüssiger Zement unter hohem Injektionsdruck verwendet werden muss, liegt die Zementaustrittsrate mit 20–70% [3, 5, 6, 25] im Gegensatz zu 4–10% [12, 22] bei der Kyphoplastie deutlich höher. Inwieweit dies auch mit vermehrten klinischen Problemen für die behandelten Patienten verbunden ist, lässt sich nach Durchsicht der Literatur nicht eindeutig beurteilen, da gerade zur Vertebroplastie fast nur Kasuistiken, technische Anleitungen zur operativen Durchführung und retrospektive Studien vorliegen. Bei der Vertebroplastie wurden jedoch bedingt durch den niedrig viskösen Zement und den hohen Füllungsdruck venöse Embolisationen mit PMMA-Zement sogar mit tödlichem Ausgang [25] beschrieben
Eine Wiederaufrichtung bei Kompressionsfrakturen ist mit der Vertebroplastie nicht zu erreichen. Die Vertebroplastie wurde primär zur Behandlung von Hämangiomen oder osteolytischen Metastasen entwickelt. Diese präformierten Osteolysen können gut aufgefüllt werden. Anders verhält es sich bei der osteoporotischen Fraktur, wo zur Füllung ein sehr hoher Druck aufgebracht werden muss.
Deswegen erscheint uns bei diesem Krankengut die Kyphoplastie als das geeignetere Verfahren. Allerdings birgt auch die Kyphoplastie Risiken [12, 22, 31]. Daher ist zu fordern, dass die Kyphoplastie von Operateuren durchgeführt wird, die Erfahrung in der Wirbelsäulenchirurgie besitzen und auftretende Komplikationen, wie Blutungen oder Kompression des Myelon oder von Nervenwurzeln nach ausgetretenem Zement durch offene operative Techniken beherrschen. Zudem sollte der Eingriff mit der erforderlichen Häufigkeit ausgeführt werden, um die nicht immer einfache perkutane Punktionstechnik an der bisweilen anatomisch unübersichtlichen osteoporotisch veränderten Wirbelsäule sicher anwenden zu können.
Interdisziplinarität
Der interdisziplinäre Ansatz unserer Arbeitsgruppe erscheint uns besonders wichtig.
Die WK-Fraktur ist nur ein Symptom einer fortschreitenden systemischen Knochenstoffwechselstörung, der primären Osteoporose. Die Patienten bedürfen deshalb einer lebenslangen systemischen Medikation, die von einem Osteologen kompetent festgelegt und begleitet werden muss. Zum anderen kann über eine osteologische Ambulanz ein Langzeit-Follow-up sichergestellt werden, um dringend benötigte prospektive Daten zu sammeln. Auch für die Diagnosestellung und die präoperativen Untersuchungen wie Densitometrie und spezielle Laborparameter ist eine osteologische Fachkompetenz unerlässlich. Schließlich ist das Zusammenwirken eines Kompetenzteams aus Osteologen, Unfallchirurgen oder Orthopäden und Radiologen zur Indikationsstellung im individuellen Fall gefordert.
Bei strenger Indikationsstellung ist das teure Verfahren für das Gesundheitssystem sogar kostensparend, da durch die Schmerzreduktion und Verbesserung der Mobilität, dem Patienten Gehilfen, Korsettversorgung, lebenslange Analgetikaeinnahme und Pflegebedürftigkeit erspart bleiben. Um dies gegenüber den Kostenträgern klar herauszuarbeiten, bedarf es weiterer prospektiver kontrollierter Studien mit großen Fallzahlen.
Fazit
Die Kyphoplastie ist ein zuverlässiges und sicheres minimal-invasives Verfahren zur Stabilisierung frakturierter WK bei Osteoporose, wobei eine gute Schmerzreduktion, Funktionsverbesserung und Aufrichtung der behandelten WK zu erreichen ist.
Durch Verwendung biologisch abbaubarer Kalziumphosphat-Zemente ist die Methode auch für junge Patienten mit traumatischen oder osteoporotischen WK-Frakturen geeignet. Bevor jedoch eine allgemeine Empfehlung ausgesprochen wird, sollten weitere kontrollierte Daten abgewartet werden. Bezüglich des Zeitpunktes der Versorgung erscheint es nach unseren Ergebnissen günstiger, die Kyphoplastie relativ zeitnah zum eingetretenen Frakturereignis durchzuführen.
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Hillmeier, J., Grafe, I., Da Fonseca, K. et al. Die Wertigkeit der Ballonkyphoplastie bei der osteoporotischen Wirbelkörperfraktur. Orthopäde 33, 893–904 (2004). https://doi.org/10.1007/s00132-004-0669-5
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00132-004-0669-5
Schlüsselwörter
- Kyphoplastie
- Osteoporose
- Wirbelkörperkompressionsfraktur
- Interdisziplinäres Konzept
- Kalziumphosphat-Zement