Die Entstehung der bakteriellen Osteitis wird wesentlich durch 2 Faktoren beeinflusst: Zum einen durch die Virulenz des Erregers, zum anderen durch die systemische und lokale Immunkompetenz des Patienten. Während bei der exogenen Osteomyelitis die lokale Situation, insbesondere die Quantität und Qualität der Keimbesiedelung sowie die lokale Durchblutungssituation (traumatische Devaskularisation, Revaskularisationsstörungen durch Noxen, Ödem, Druckschädigung) von besonderer Bedeutung sind [35], steht bei der endogenen Osteomyelitis die systemische Abwehrlage im Vordergrund.

Mit zunehmender Lebenserwartung der Bevölkerung steigt auch die Zahl älterer, häufig multimorbider Patienten. Zwar wurde in den letzten 20 Jahren wegen der stetig steigenden medizinischen Kompetenz der Anteil kranker Menschen an der Gesamtbevölkerung auch in den höheren Altersgruppen stetig kleiner. Aufgrund der überproportional gestiegenen Lebenserwartung nimmt die Gesamtzahl sowohl der an chronischen, die Infektabwehr beeinflussenden Erkrankungen wie z. B. Diabetes mellitus oder Tumorleiden als auch iatrogen immundefizienter Patienten, z. B. nach Transplantation oder bei Dauergabe von Kortikosteroiden, insgesamt zu [90]. Eine Störung des Immunsystems führt zu einem allgemein erhöhten Infektionsrisiko, auch für die bakterielle Osteitis.

Seit Beginn des Jahrhunderts ist die Inzidenz der endogenen Osteitis durch die verbesserten hygienischen Verhältnisse rückläufig, die Therapiemöglichkeiten sind deutlich verbessert. Mit steigender Zahl chronisch immunkompromittierter Patienten besteht jedoch die Gefahr, dass sowohl Inzidenz als auch Schwere der Osteitis (bis hin zu lebensbedrohlichen Störungen) zunehmen wird.

Immunkompromittierte Patienten haben ein allgemein erhöhtes Risiko für Infekte und eine erhöhte Mortalitätsrate [22]. Sie sind für die Entstehung sowohl der endogenen als auch der exogenen Osteitis sowie der septischen Arthritis und des periprothetischen Infekts vermehrt gefährdet und bedürfen daher sowohl bei der Diagnosestellung als auch der Therapie der bakteriellen Osteitis besonderer Beachtung.

Physiologische Entzündungsreaktion

Ziel der körpereigenen Abwehr gegen eindringende Mikroorganismen ist deren Elimination und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Ausmaß und Dauer der Immunantwort hängen nicht nur von der Antigenität des Erregers, sondern auch von der individuellen immunologischen Reaktion des Organismus ab.

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen einem unspezifischen angeborenen und einem spezifischen erworbenen System. Diese sind zusätzlich unterteilt in ein humorales und zelluläres System [57], (Tabelle 1).

Tabelle 1 Humorales und zelluläres System der Immunantwort

Die Abwehr von Mikroorganismen erfolgt über vier Systeme: physikalische und chemische Barrieren, unspezifische Entzündungsantwort, retikuloendotheliales System und spezifische Immunantwort.

Die physikalischen und chemischen Barrieren umfassen u. a. Haut und Schleimhäute, das Vorhandensein einer adäquaten Sekretion von Magensäure, Pankreasenzymen oder auch Lysozymen im Unterhautfettgewebe oder die adäquate Besiedelung mit wenig virulenter Keimflora im Darm. Jedwede Störung eines dieser Mechanismen, z. B. durch Tumoren, operative Eingriffe, Implantate, Immunsupression, Drogen, Chemotherapie oder Myokardinfarkte können die Anfälligkeit eines Organismus für Infekte erhöhen. Fast jeder operative oder therapeutische Eingriff führt zu einer leichteren Überwindbarkeit dieser Barrieren durch Mikroorganismen. So erleichtern i.v.-Zugänge das Überwinden der Hautbarriere, Antacida beeinflussen die gastralen Schutzvorrichtungen oder Chemotherapie sowie Cortison-Gabe stören Haut- und Schleimhautschranken.

Nach Eindringen des Mikroorganismus in den Körper kommt primär die unspezifische Entzündungsantwort zum Zuge: Zirkulierende Phagozyten induzieren eine Entzündungsreaktion unter Mitwirkung humoraler Mediatoren wie z. B. der Komplimentkaskade, der Arachidonsäurekaskade oder Faktoren wie Interleukin 1 und Tumornekrosefaktor. Zusätzlich findet eine direkte Phagozytose statt.

Zirkulierende Mikroorganismen werden durch ortsständige Phagozyten des retikuloendothelialen Systems beseitigt. Die zellulären Hauptkomponenten der spezifischem Immunabwehr sind T- und B-Lymphozyten. Diese interagieren in einem komplexen System untereinander sowie mit Monozyten, Makrophagen, Immunglobulin und der Komplimentkaskade. T-Lymphozyten sind hierbei die Hauptkomponente der zellvermittelten Immunantwort, B-Lymphozyten und Plasmazellen sezernieren spezifische Antikörper zur Infektabwehr. Unterstützt werden diese Zellen durch von T-Lymphozyten freigesetzte Lymphokine, v. a. durch Interferone [36, 57].

Störungen der Immunantwort

Primäre und sekundäre Immundefizienzen führen zu einer Störung der Immunantwort und damit zu einer erhöhten Infektanfälligkeit. Während primäre Immundefizienzen (z. B. DiGeorge-Syndrom, Ag Gammaglobulinämie) mit einer Gesamtinzidenz von etwa 1:10.000 relativ selten und häufig asymptomatisch sind, spielen die sekundären Immundefizienzen eine zunehmende Rolle. Mögliche Ursachen sind Malnutrition, chronische Erkrankungen (insbesondere infiltrierende hämatologische Erkrankungen wie Histiozytose, Sarkoidose oder Myelome), chronische Infekte, Zustand nach Splenektomie, immunsuppressive Therapien, Operationen und Traumata.

Bei Vorliegen primärer Immundefizienzen ist bereits bei geringem Verdacht auf eine bakterielle Infektion mit einer Breitbandantibiotikatherapie zu beginnen. Bei Immunglobulinmangel besteht präoperativ bzw. bei Infekt die Indikation zur Substitution [60]. Die Störungen des Immunsystems bei sekundären Immundefizienzen sind vielfältig und betreffen häufig mehrere Systeme. Bei Verdacht auf eine Störung des Immunsystems sollte interdisziplinär eine intensive Abklärung vorgenommen werden (Blutbild, Differentialblutbild, Ig-Spiegel, Antikörperfunktionsprüfungen, B-/T-Zellbestimmungen mit Subpopulationen, Komplementaktivität etc.), [60].

Glukokortikoide wirken antiinflammatorisch, immunsuppressiv und antiallergisch. Der antiinflammatorische Effekt, bei der rheumatoiden Arthritis, chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen oder nach Organtransplantation gezielt eingesetzt, beeinträchtigt auch die Infektabwehr: Die spezifische Immunantwort wird reduziert durch eine Minderung von Zahl und Effektivität der Lymphozyten. Die Zytokinproduktion, v. a. IL-1 und TNF-α, ist gehemmt (dies führt zum Rückgang der klinischen Entzündungszeichen und Verminderung der biochemischen Entzündungsparameter). Die unspezifische Immunreaktion ist vermindert durch eine Reduktion der Zellzahl von Monozyten, eosinophilen und basophilen Granulozyten sowie durch eine Hemmung des Arachidonsäuremetabolismus, der Cyclooxygenase und Lipooxygenase, verminderte Freisetzung vasoaktiver Substanzen und von Histamin [36].

Eine Arbeitsgruppe konnte bei chronisch posttraumatischer Osteomyelitis verschiedene Störungen der Immunantwort (CD4/CD8-Ratio, Zahl an „natural killer cells“) nachweisen [43, 73, 74]. Ob jedoch die Immunstörung Ursache oder Folge der chronisch posttraumatischen Osteomyelitis war, blieb unbeantwortet. Andere konnten Immundefizienzen bei chronischer Osteomyelitis nicht bestätigen [48].

Voraussetzung für eine adäquate Immunantwort ist eine ausreichende Durchblutung. Makro- und Mikroangiopathien z. B. bei Diabetes mellitus oder ein nicht ausreichendes Weichteildébridement nach Trauma führen zu einer Minderperfusion, im betroffenen Gebiet ist das Risiko einer bakteriellen Osteitis (sowohl endogen als auch exogen) deutlich erhöht.

Iatrogene Störungen der Immunabwehr, Erkrankungen im rheumatischen Formenkreis und Organtransplantation

Bei rheumatoider Arthritis ist das Risiko für hämatogene Gelenkinfektionen und Osteitiden unabhängig von der Therapie erhöht [20, 21, 30], nach Gelenkersatz verdoppelt [66]. Sämtliche immunmodulierenden Therapeutika greifen auf unterschiedliche Weise in den Prozess der Immunantwort ein [68]. Dies führt zur Reduktion der Autoimmunreaktion, gleichzeitig jedoch zu einer gestörten Immunantwort auf Fremdpathogene.

Unter Therapie mit Methotrexat ist die allgemeine Infektionsrate erhöht [86], v. a. während der ersten Jahre. Gleiches gilt für Cortison [68], Azathioprin [93], Sirolimus, Tacrolimus [33] und Cyclophosphamid [94]. Sulfasalazin, Leflunomid und D-Penicillamin können zu hämatologischen Störungen (Leukozytopenien, Agranulozytosen) mit dann erhöhtem Infektrisiko führen [25, 40]. Unter Cyclosporin und Leflunomid treten verglichen mit anderen Therapeutika selten Infekte auf [33, 46]. Gleiches gilt für die Zytokininhibitoren (TNF-AK, IL1-RA), die allenfalls zu einer leichten Steigerung der Infektrate führen [71]. Über Kombinationstherapien liegen keine eindeutigen Ergebnisse vor, für Methotrexat/Leflunomid scheint die Inzidenz für Osteitis bzw. periprothetischen Infekt erhöht [19].

Zur Inzidenz peri- und postoperativer Osteitiden unter immunsuppressiver Therapie liegen unterschiedliche Studienergebnisse vor: Während einige Autoren keinen Anstieg der Rate an Prothesen- und Wundinfekten feststellten [64, 72], berichten andere über einen Anstieg auf bis zu 25% [8, 11]. Bei ausreichender präoperativer Planungszeit sollten daher zur Sicherheit Immunsuppressiva soweit wie möglich reduziert, am besten 14 Tage vor Operation abgesetzt werden [68].

Zusammenfassend ist das Infektionsrisiko unter immunsupprimierender Therapie—auch für die bakterielle Osteitis—erhöht. Diese Patienten bedürfen bei unspezifischen Beschwerden im Bereich des Skelettsystems—insbesondere der Wirbelsäule—einer schnellen, intensiven und zielgerichteten Diagnostik. Bei nachgewiesener Osteitis muss die Therapie forciert und unter strenger Überwachung eingeleitet werden, seltene Erreger sind zu berücksichtigen.

Nach Strahlentherapie ist das Infektionsrisiko für den Bestrahlungsort dauerhaft erhöht; septische Arthritiden finden sich häufiger als Osteitiden [22].

Nach Organtransplantation ist das allgemeine Infektionsrisiko aufgrund der Immunsuppression erhöht, die Inzidenz für Tuberkulose liegt bei fast 1% [3]; 6 Monate nach Organtransplantation lassen sich jedoch 3 Gruppen bilden: ca. 80% erhalten bei gutem Transplantationsergebnis nur eine geringe immunsuppressive Therapie, das Infektionsrisiko ist allenfalls gering erhöht. Etwa 10% leiden an einer chronischen oder progressiven Infektion mit HBV, HCV, CMV oder EBV und bedürfen intensiver Überwachung; 5–10% leiden an rekurrierenden oder chronischen Abstoßungsreaktionen. Aufgrund der erhöhten Dosis an Immunsuppressiva besteht erhöhte Infektanfälligkeit.

Neben dem üblichen Keimspektrum treten unter Immunsuppression insbesondere opportunistische Erreger wie Candida (vierthäufigster Erreger nosokomialer Infektionen in den USA! [23]), Pneumocystis carinii, L. monocytogenes, N. asteroides, Aspergillus oder Cryptococcus neoformans hervor [5, 27, 56]. Erstaunlicherweise ist die Rate septischer Komplikationen nach endoprothetischer Versorgung bei Dialysepatienten deutlich höher als bei Nierentransplantierten. Dies wird v. a. auf die häufigen arteriovenösen Punktionen mit Keimverschleppung zurückgeführt [80, 95].

Systemische Infektionen, Tuberkulose und Osteitis

Jede systemische bakterielle Infektion kann über hämatogene Streuung bei gleichzeitiger Schwächung der Immunreaktion zur bakteriellen Osteitis führen. Bei primär gestörter Abwehrlage oder chronisch verzehrenden Infektionen ist das Risiko einer bakteriellen Osteitis erhöht [22].

Während die Tuberkulose weltweit noch immer zu den am häufigsten tödlich endenden Infektionskrankheiten mit jährlich ca. 8 Mio. neuen Fällen gehört, ging in Deutschland die Zahl der gemeldeten Tuberkulosefälle seit dem 2. Weltkrieg kontinuierlich zurück. Von 1948–1999 sank die Zahl der Tuberkulosefälle von 157.352 (alte Bundesländer) auf 9974 (inklusive neue Bundesländer [77]). Auch die Zahl der behandlungsbedürftigen Tuberkuloseerkrankungen an Knochen und Gelenken sank kontinuierlich. Mit zunehmender Zahl ost-/außereuropäischer Einwanderer, die in Deutschland unter teilweise niedrigen hygienischen Umständen leben, ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Zahl der Tuberkulosefälle in den nächsten Jahren wieder ansteigen wird. Der Ausländeranteil aller an Knochentuberkulose Erkrankten betrug 1993 45,5% [91].

Der Befall des Skeletts wird durch eine hämatogene Streuung vom Primärherd ausgelöst. Bei vorhandener Immunkompetenz kommt es in etwa 3–5% aller Tuberkulosefälle zu einer skelettalen Manifestation [58]. In etwa 50% des skelettalen Befalls kommt es zu einer Spondylodiszitis. Weitere bevorzugte Lokalisationen sind die epiphysären Enden der langen Röhrenknochen sowie das Hand- und Fußskelett. Die Klinik ist meist unspezifisch, der Nachweis erfolgt nach Bildgebung (MRT) sicher über einen Keimnachweis in Kultur nach Punktion (z. B. minimal-invasiv CT-gesteuert), ggf. über PCR sowie das histologische Erscheinungsbild. Zusätzlich sind Laborkontrollen, Tine-Test sowie mehrfache Sputum-, Magensaft- und Urinanalysen durchzuführen. Bei Verdacht auf Knochentuberkulose sollte zusätzlich immer nach einer Mitbeteiligung von Lunge, Niere und Intestinaltrakt gesucht werden [92].

90–95% der Erstmanifestationen der Tuberkulose bleiben unbemerkt und können eine ruhende Infektion hinterlassen. Kommt es nachfolgend zu einer Verschlechterung der allgemeinen Körperabwehr, kann eine Reaktivierung des alten Herdes, aber auch eine Disseminierung des Befalls mit Befall des Skelettsystems folgen. Besonders gefährdet sind HIV-Infizierte, Diabetiker und medikamentös immunsupprimierte Patienten [60].

Die Therapie richtet sich nach der Klinik: Insbesondere an der Wirbelsäule ist das Ausmaß der Destruktion häufig größer als bei der unspezifischen Spondylodiszitis, es kommt häufiger zu neurologischen Ausfallerscheinungen infolge von Abszedierungen sowie Instabilitäten, die zur Hyperkyphosierung (Pott-Gibbus) führen [59]. Liegen weder neurologische Ausfallerscheinungen noch eine massive Destruktion mit Gibbusbildung vor, ist die konservative Therapie ausreichend. Diese besteht in temporärer Ruhigstellung sowie Therapie mit Antituberkulotika nach entsprechender Resistenzbestimmung. Die Standardmedikation besteht aus 3fach-Kombination mit Isoniazid, Rifampicin und Etambutol über 9 Monate, wahlweise Kurzzeittherapie mit dem 4er-Schema Isoniazid, Rifampicin, Pyracinamid und Etambutol über 6 Monate.

HIV-Infektion, i.v.-Drogenabusus und bakterielle Osteitis

Eine HIV-Infektion führt im Zeitverlauf zu einer Schwächung des Immunsystems. Als Verlaufskontrollparameter dient hierbei die absolute Zahl der zirkulierenden CD4+-T-Lymphozyten. Bei einem Abfall der CD4+-T-Lymphozyten unter 200 Zellen/mm3 ist das allgemeine Infektionsrisiko deutlich erhöht [12, 53, 67]. Dennoch ist das Risiko einer bakteriellen Osteitis bei HIV-Infektion gering. In einer US-amerikanischen longitudinalen Multicenterstudie mit >50.000 HIV-Patienten lag die kumulative Prävalenz für eine bakterielle Osteitis bei 0,6% [24, 53].

Entscheidender als die Infektion mit HIV ist die durch i.v.-Drogenabusus (mangelnder hygienischer Standard, Nadeltausch) erhöhte Infektionsrate, u. a.septische Arthritiden und bakterielle Osteitiden [6, 15, 53, 87]. Der Verlauf ist oft untypisch, ohne Schmerzen und an untypischer Lokalisation [44].

Das Keimspektrum ist bei HIV-Infizierten und i.v.-Drogenabhängigen nur wenig verschoben: Auch hier sind Hauptkeime Staphylococcus aureus sowie andere Staphylokokkenstämme, seltener Pseudomonas sowie Streptokokken [24, 88]. Nichtsdestotrotz müssen bei symptomatischer Abwehrschwäche auch hier unübliche Keime in Erwägung gezogen werden, insbesondere Pneumocystis carinii, Mycobakterien, Nokardia oder Cryptococcen [82]. Bei Beginn einer antiretroviralen Therapie ist das Manifestationsrisiko einer Infektion mit atypischen Keime erhöht, häufig zeigen sich hier atypische Verläufe [1, 2].

Während die Rate von an aktiver pulmonaler Tuberkulose Erkrankten unter HIV-Infizierten auf etwa 5% geschätzt wird, ist die Rate tuberkulöser Osteitiden sowohl durch Mycobacterium tuberculosis als auch durch die atypischen Mykobakterien wie Mycobacterium avium, intracellulare oder hämophilum nur gering erhöht [24, 79].

Zu beachten ist, dass bei jedem orthopädisch-chirurgischen Eingriff an HIV-Patienten mit einer Gesamtzahl an CD4+-T-Lymphozyten <200/mm3 die Infektionsrate deutlich erhöht ist [67]. Bei endoprothetischen Eingriffen ist das Risiko einer postoperativen Infektion sogar auf 25% erhöht [67]. Bei entsprechenden Patienten ist daher der geplante Eingriff hinsichtlich der Indikation besonders zu überprüfen und eine entsprechende enge postoperative Kontrolle sowie prophylaktische Antibiotikagabe angeraten.

Diabetes mellitus und bakterielle Osteitis

Diabetes mellitus ist nach den Fettstoffwechselstörungen die häufigste Stoffwechselerkrankung in den Industrieländern. Etwa 5% der Bevölkerung in Deutschland sind betroffen (hiervon 5% Typ-I-Diabetiker), die Inzidenz ist steigend. Mit verbesserten Therapiemöglichkeiten zur optimierten Blutzuckereinstellung nimmt die Lebenserwartung von Diabetikern stetig zu, damit steigt auch der Behandlungsbedarf diabetesbedingter Erkrankungen, etwa der Osteoarthropathie und der Osteitis am diabetischen Fuß.

Über eine Verschlechterung der Mikrovaskularisation bei gleichzeitiger Beeinträchtigung der Phagozytose und Chemotaxis ist das allgemeine Infektionsrisiko bei Diabetikern in Abhängigkeit von Dauer und Schwere der Erkrankung erhöht [17, 83, 89]. Die Inzidenz der septischen Arthritis sowie periprothetischer Infektionen ist ebenfalls erhöht [22, 63].

Über die Inzidenz der hämatogenen bakteriellen Osteitis bei Diabetikern liegen keine eindeutigen Zahlen vor. Bei Weichteilschädigungen am diabetischen Fuß besteht jedoch die Gefahr der fortgeleiteten exogenen bakteriellen Osteitis: Der nicht optimal eingestellte Blutzuckerspiegel führt im Bereich der unteren Extremität zu Neuropathien und Vaskulopathien, dies macht den Fuß zusammen mit diabetesbedingten Wundheilungsstörungen und der „Luxusperfusion“ (arteriovenöse Kurzschlussverbindungen ohne ausreichende Versorgung der Peripherie) vulnerabel. Die Durchblutungssituation spielt hier eine entscheidende Rolle [65]. Weichteildefekte mit nachfolgender Infektion werden bei Diabetikern oft durch Manipulationen, z. B. an eingewachsenen Zehennägeln, Warzen oder Hornhautschwielen hervorgerufen.

Pilzinfektionen begünstigen die bakterielle Superinfektion. Nicht rechtzeitig erkannte und therapierte Weichteilinfekte führen fortschreitend zur Osteitis. Der „diabetische Fuß“ ist die häufigste und schwerste Komplikation des Diabetes mellitus [10], in Deutschland sind 25% aller Insulin-pflichtigen Diabetiker betroffen und etwa 3/4 aller Amputationen der unteren Extremität auf Diabetes zurückzuführen [85].

Die Diagnose der bakteriellen Osteitis, insbesondere die Abgrenzung gegen die Osteoarthropathie, ist häufig schwierig. Als Faustregel gilt: Je größer und tiefer das Ulkus, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer bakteriellen Osteitis [62]. Liegt Knochen frei, liegt immer eine bakterielle Osteitis vor [62]. Im Frühstadium sind im Nativröntgenbild keine Änderungen zu erwarten, später ist die Abgrenzung gegen die Osteoarthropathie schwierig. Zur Diagnosefindung helfen MRT [29] oder Mehrphasenskelettszintigraphie, ggf. in Kombination mit der Leukozytenszintigraphie [42]. Die CT ist der MRT deutlich unterlegen.

Staphylococcus aureus ist der häufigst nachgewiesene Keim bei Infektionen am diabetischen Fuß. Abstriche aus oberflächlichem und tiefem Gewebe zeigen oft ein unterschiedliches Keimspektrum, üblicherweise liegt eine Mischflora aus aeroben, grampositiven Kokken, gramnegativen Enterobakterien und Anaerobiern, v. a. Bacteroidesarten und anaeroben grampositiven Kokken, vor.

Liegen Weichteildefekte vor, ist zur Vermeidung der bakteriellen Osteitis neben der Blutzuckereinstellung und Optimierung der Durchblutungsverhältnisse eine sofortige und adäquate Behandlung mit regelmäßigem und ausreichendem Wunddébridement, Spülungen und Ruhigstellung notwendig. Eine frühzeitige Antibiose nach Antibiogramm ist notwendig, ausreichende Wirkspiegel im bradytrophen Gewebe können meist nur durch i.v.-Gabe erreicht werden. Plastische Eingriffe zur Weichteildeckung und Durchblutungsverbesserung können den Heilungsprozess nach Infektsanierung beschleunigen. Die Durchblutungssituation ist von entscheidender Bedeutung: Parallel zur operativen Sanierung des betroffenen Gebiets muss durch gefäßchirurgische Eingriffe oder medikamentöse Therapie dessen Blutversorgung optimiert werden.

Bei manifester bakterieller Osteitis ist eine ausreichende Resektion des befallenen Knochens notwendig. Insbesondere prominente Knochenanteile müssen abgetragen werden, um eine Heilung des Ulkus zu ermöglichen. Die Therapie des diabetischen Fußes sollte interdisziplinär in Kooperation mit Internisten, Gefäßchirurgen und Plastischen Chirurgen erfolgen.

Alter, Malnutrition, Alkoholismus oder tumoröse Grundleiden und bakterielle Osteitis

Mit steigendem Alter sinkt die Regenerationsfähigkeit der Gewebe, bedingt durch eine Abnahme der Zahl mesenchymaler Stammzellen im Gewebe, der Proliferationsfähigkeit der Zielzellen sowie Matrixsyntheseproduktion [9]. Die Serumspiegel verschiedener, die Wundheilung positiv beeinflussender Hormone (z. B. Testosteron, Parathormon) ist im Alter reduziert [34, 70]. Dies führt zu einer verlängerten Heilungsdauer nach Operationen, damit steigt die Gefahr von Wundheilungsstörungen und postoperativen Infektionen, auch des Knochens.

Der Alterungsprozess per se stört die Immunantwort („Immunoseneszenz“) und führt damit zu einer erhöhten Infektanfälligkeit [28, 97]. Mit zunehmendem Alter sinkt die Proliferationsfähigkeit von T-Lymphozyten und die Reaktionsfähigkeit von B- und T-Lymphozyten. Die Funktions- und vor allem Reaktionsfähigkeit von natürlichen Killerzellen auf Zytokine ist ebenfalls reduziert [13].

Erhöht ist die Inzidenz v. a. für Pneumonien, Harnweginfekte, Divertikulitiden und Endokarditiden. Die Gefahr der hämatogenen Streuung mit Infektion von Implantaten steigt im Alter ebenfalls [78]. Die Rate septischer Arthritiden steigt ab dem 80. Lebensjahr deutlich an [22]. Für die bakterielle Osteitis liegen keine eindeutigen Zahlen vor, ein alterabhängiger Anstieg ist jedoch auch hier zu erwarten. Mit zunehmendem Alter erweitert sich das Spektrum der Keime [49].

Zusätzlich liegt bei vielen älteren Patienten eine Mangel- bzw. Fehlernährung vor, nach vorsichtigen Schätzungen sind etwa 10–40% der selbständig Lebenden >70 Jahre betroffen [18, 41, 47]. Insbesondere durch eine Proteinmangelernährung wird die funktionelle Integrität der T-Lymphozyten, polimorph-nukleärer Leukozyten und des Komplementsystems eingeschränkt [51, 96]. Die durch Malnutrition hervorgerufene Verschlechterung der Immunabwehr führt zu Infekten, die wiederum den Ernährungsstatus verschlechtern. Das Risiko einer tiefen Wundinfektion bei aseptischen Eingriffen ist bei Mangelernährung 5fach erhöht [47]. Hautatrophien führen zu einer Verschlechterung der epithelialen Integrität.

Bei immunsupprimierten, mangelernährten Patienten ist zu beachten, dass ein infektbedingter kataboler Stoffwechsel die Ernährungslage noch deutlich verschlechtern kann. Eine adäquate Ernährung, ggf. i.v., ist daher notwendig, um weitere Komplikationen zu vermeiden [7, 45, 75]. Tumoröse Grundleiden führen ebenso zu einer katabolen Stoffwechsellage und bedürfen bei gleichzeitiger Infektsituation besonderer Berücksichtigung. Chronischer Alkoholismus erhöht das Risiko septischer Arthritiden und Protheseninfekte signifikant, von einer erhöhten Inzidenz bakterieller Osteitiden ist ebenfalls auszugehen [22].

Allergie und Osteitis

Jedes in den Körper eingebrachte Fremdmaterial ruft eine Immunantwort hervor, insbesondere wenn z. B. durch Abrieb kleine Partikel entstehen. Hier kann es zur allergischen Fremdkörperreaktion kommen, die bei Chronifizierung der Immunantwort zur aseptischen Lockerung eines Implantats führen kann [31, 84]. Die Inzidenz der bakteriellen Osteitis bei lokaler Fremdkörperreaktion scheint jedoch nicht erhöht zu sein, aus der Literatur sind lediglich Einzelfallbeschreibungen bekannt; der Zusammenhang zwischen allergischer Reaktion und bakterieller Osteitis ist auch hier nicht bewiesen [32, 37].

Auch bei systemischen Überempfindlichkeitsreaktionen der Typen I–IV kommt es nicht zwingend zur gestörten Immunreaktion. Während bei Typ-I-Reaktionen (IgE-vermittelt, atopische Krankheiten, z. B. Asthma bronchiale) die Infektanfälligkeit im hauptsächlich betroffenen Organ erhöht ist, scheint das Risiko einer bakteriellen Osteitis hier nicht erhöht. Einzelfallbeschreibungen belegen die Seltenheit der Kombination atopische Erkrankung und bakterielle Osteitis ohne erhöhte Inzidenz [39, 76]. Mit zunehmender Dauer und häufig ausgedehnter pharmakologischer Therapie der Erkrankung kann es jedoch auch hier zu einer erhöhten Anfälligkeit für systemische Infektionen, auch die bakterielle Osteitis, kommen.

Operative Eingriffe—Infekt

Jede größere chirurgische Intervention kann zum „Postaggressionssyndrom“ führen. Neben der katabolen Stoffwechselsituation kommt es auch zu einer Störung sowohl der zellulären als auch der humoralen Immunantwort [38, 50]. Das Ausmaß der Störung korreliert mit der Operationszeit, Wundgröße, Blutverlust- und -ersatz [50]. Mit steigendem Alter und steigender Zahl an Begleiterkrankungen steigt die postoperative Mortalität [69]. Verschiedene Ansätze zur Verbesserung der postoperativen Immunsituation wie die perioperative Gabe von GM-CSF [55] befinden sich in der Erprobung.

Von entscheidender Bedeutung ist der Ernährungsstatus: Ein vermindertes Serumalbumin <3,5 g/dl mit verminderter Lymphyzotenzahl <1500/mm3 als Zeichen einer Mangelernährung erhöht das postoperative Komplikationsrisiko bei der operativen Behandlung der Spondylodiszitis um das 24fache [47]!

Durch die im Alter zunehmende Atherosklerose und die verminderte Regenerationsfähigkeit des Gewebes steigt auch der Anteil bradytrophen Gewebes im Wundgebiet. Somit steigt die Gefahr des Wundinfekts.

Insgesamt gilt: Je abwehrgeschwächter der Patient, desto besser muss die Indikation zum operativen Eingriff überprüft werden, minimal-invasive Eingriffe sind vorzuziehen, OP-Zeit und Blutverlust müssen minimiert werden. Der Patient muss über das erhöhte Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko aufgeklärt werden.

Bei periprothetischen Infekten besteht eine direkte Korrelation zwischen fehlender Ausheilung und Begleiterkrankungen: Alter >80 Jahre, Immunsuppressiva, verzehrende Erkrankungen, Diabetes mellitus, Alkohol-/Nikotinabusus oder Malnutrition führten zu signifikant schlechteren Endergebnissen [16, 41, 54, 61, 63]. Insbesondere bei der rheumatoiden Arthritis zeigen sich häufig periprothetische Low-grade-Infekte, die schwer zu diagnostizieren sind. Zur Differentialdiagnose aseptische Lockerung/periprothetischer Infekt hat sich die FDG-PET bewährt [14].

Besondere Therapieformen

Grundziel ist—soweit möglich—die Bekämpfung der Grunderkrankung bzw. die Reduktion immunkompromittierender Substanzen. Parallel zum Keimnachweis sollte eine breite Antibiotikatherapie beginnen, Pilze und opportunistische Erreger sind zu berücksichtigen (insbesondere Anaerobier [26]), die Ernährungslage ist zu optimieren. Bei Abszedierungen sollten bei multimorbiden, abwehrgeschwächten Patienten soweit möglich minimal-invasive Verfahren (CT-gesteuerte Punktion und Drainierung etc.) bevorzugt werden, da das peri- und postoperative Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko hier deutlich erniedrigt sind.

Bei eingetretener Sepsis kann ggf. die Gabe von Immunglobulinen diskutiert werden: Nach einer Cochrane-Analyse lag das relative Mortalitätsrisiko bei bakterieller Sepsis/septischem Schock nach Gabe von intravenösen polyklonalen Immunglobulinen (IVIG) bei 0,58 (ohne Therapie RR=1). Die Therapie mit Antiendotoxin oder Antizytokinen (monoklonale IVIG) zeigte keine signifikante Besserung der Mortalitätsrate [4].

Die Gabe von Wachstumshormon (GH) ist obsolet, da sie keinen positiven Effekt zeigt [81].

Begutachtung

Kommt es nach einer harmlosen Verletzung zur Ausbildung einer Osteomyelitis, so ist die primäre Verletzung als Erstschaden und die Osteomyelitis als Folgeschaden zu erklären, der durch die immungestörte Lage des Patienten begünstigt ist. Allerdings kann z. B. ein Diabetes mellitus oder eine Immunsuppression nach Organtransplantation auch ohne Verletzung zu einer Osteomyelitis führen.

Im Falle einer Begutachtung für die Haftpflichtversicherung oder private Unfallversicherung gilt eine entsprechende Primärverletzung als adäquat kausal für die resultierende bakterielle Osteitis. Für die gesetzliche Unfallversicherung und im Sozialrecht gilt die primäre Verletzung als wesentliche Teilursache.

In der privaten Unfallversicherung wird anteilig nach Erstschaden und Vorerkrankung entschädigt, in der Haftpflichtversicherung und gesetzlichen Unfallversicherung ist der vollständige Schaden zu entschädigen [52].

Fazit für die Praxis

Bei gestörter Abwehrlage und unspezifischen Beschwerden muss eine bakterielle Osteitis differentialdiagnostisch bedacht werden!

Bei nachgewiesener bakterieller Osteitis und gestörter Abwehrlage müssen seltene Erreger, insbesondere Tb, in Erwägung gezogen werden: engmaschige klinische und laborchemische Kontrolle des Ansprechens auf gewählte Antibiotikatherapie, Antibiogramm beachten; bis zum Erhalt des Antibiogramms breit abdecken, z. B. Cephalosporin plus Aminoglykosid, ggf. Clindamycin.

Bei Immunsuppression zeigt sich häufig eine multilokuläre Streuung.

Operative Eingriffe sollten gut indiziert und ein minimal-invasives Vorgehen angestrebt werden: Aufklärung über erhöhte Komplikations- und Mortalitätsrate.

Bei operativen Eingriffen sind ausreichende Weichteildeckung und optimale Durchblutungsverhältnisse essentiell.

Optimales Arbeiten wird durch ausreichendes Débridement, Resektion bis in gut durchblutete Areale, sorgfältige Blutstillung, Nekrosenvermeidung, peinliche Sterilität und antibiotische Abdeckung erreicht.

Die Lagerung des Patienten sollte optimal sein, um Druckstellen zu vermeiden; bei langjähriger Cortison-Einahme kein Auswickeln (Gefahr der Ablederung).

Der Heilungsverlauf, auch knöchern, ist beim immunkompromittierten Patienten häufig verzögert (erhöhte Gefahr der Kallusinsuffizienz).

Bei verminderten Immunglobulinspiegeln wird humanes Serum-Immunglobulin gegeben.