Auf dem Gebiet der natürlichen Methoden der Familienplanung gibt es immer wieder Weiter- und Neuentwicklungen. Damit einher geht derzeit eine gewisse Unübersichtlichkeit bezüglich Qualität, Indikation und Anwenderprofil der verschiedenen Methoden, die sich vor allem in ihrer kontrazeptiven Sicherheit und Praktikabilität unterscheiden. Zur besseren Abgrenzung und Unterscheidung werden einzelne Methoden nicht mehr nur unter dem Sammelbegriff natürliche Familienplanung gefasst, sondern zunehmend auch mit Eigennamen versehen.

Alle Methoden der natürlichen Familienplanung (NFP) basieren auf der Feststellung des fertilen Fensters entweder durch die Anwenderin selbst oder durch einen Zykluscomputer. Sie werden deshalb seit einigen Jahren international und von der WHO als „fertility awareness based methods“ (FAM) bezeichnet. Mögliche Indikationen für ihren Einsatz sind der Wunsch nach Kontrazeption oder Konzeption sowie die Verlaufsbeobachtung (Zyklusmonitoring) bei Zyklus- und Hormonstörungen [13, 17].

Im Folgenden werden die bekanntesten natürlichen Methoden sowie die neueren Varianten hinsichtlich Funktionsweise, kontrazeptiver Sicherheit und möglicher Anwenderkreise dargestellt. Dies ist aus ärztlicher Sicht wichtig, da in der wissenschaftlichen Literatur und von überstaatlichen Organisationen wie der Weltgesundheitsorganisation bisweilen Bestrebungen bestehen, die Anwendung weniger sicherer, weniger praktikabler oder primär für andere Kontexte (z. B. Entwicklungsländer) entwickelter Methoden in europäischen Ländern zu propagieren.

Um in Europa als sehr sicher und diesbezüglich mit Ovulationshemmern vergleichbar zu gelten, muss die Rate unbeabsichtigter Schwangerschaften pro Jahr bei korrekter Benutzung unter 1% liegen (Methodensicherheit). Außerdem darf keine zu große Differenz zur Gebrauchssicherheit (Methoden- und Anwenderfehler: „typical use“) bestehen. Die seit über 20 Jahren von der deutschen Arbeitsgruppe NFP entwickelte Methode, die jetzt unter dem Namen Sensiplan® firmiert, erfüllt diese Anforderungen (Tab. 1).

Tab. 1 Natürliche Methoden der Familienplanung

Renaissance von Kalendermethoden in Entwicklungsländern

Die moderne NFP hat sich in den vergangenen 20 Jahren deutlich von den überholten, auf Wahrscheinlichkeitsrechnung basierenden Kalendermethoden, die mit den Namen Knaus und Ogino verbunden sind, distanziert. Die WHO selbst definiert die moderne NFP als Familienplanungsmethoden basierend auf der „Beobachtung der natürlicherweise in Erscheinung tretenden Zeichen und Symptome der fruchtbaren und unfruchtbaren Phase des weiblichen Menstruationszyklus“ und schließt damit die Rechenmethoden als veraltet aus [17]. Trotzdem gibt es in den letzten Jahren vereinzelt Tendenzen, auf diese überholten Formen zurück zu greifen.

Standard Days Method

Die Standard Days Method, eine vereinfachte Kalendermethode, wurde jüngst vom Institute of Reproductive Health an der Georgetown Universität entwickelt. Die Intention war, eine simple Methode für Entwicklungsländer zu entwickeln, die ohne großen Aufwand durch Health Care Provider verbreitet werden kann. Das Prinzip der Standard Days Method ist bestechend einfach: Es werden 12 fruchtbare Tage festgelegt, und zwar immer vom 8. bis zum 19. Zyklustag. Die Frauen erhalten eine dem Zyklus nachempfundene Kette mit verschieden farbigen Gliedern für die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage (CycleBeads®). Eine Studie in drei Entwicklungsländern ergab eine für den kulturellen Kontext relativ akzeptable Methodensicherheit von 4,8 und eine Gesamtsicherheit von 12 (Schwangerschaftsrate nach einem Jahr; [3]). Die Tatsache aber, dass primär nur Frauen mit anamnestisch regelmäßigen Zyklen zugelassen waren und dennoch nachträglich 28% wegen zu langer/zu kurzer Zyklen ausgeschlossen wurden, lässt vermuten, dass diese Vorgangsweise im Alltag deutlich unsicherer sein dürfte.

Beurteilung:

  • einfache Methode

  • für die Anwendung in Europa zu unsicher

  • fraglich, ob für sog. Entwicklungsländer genügend sicher und akzeptabel

Temperaturmethoden

Die Temperaturmethode nutzt den progesteronbedingten periovulatorischen Anstieg der Körperkerntemperatur, sie sinkt erst am Ende des Zyklus wieder ab. Bei richtiger und konsequenter Anwendung ist die Temperaturmethode – z. B. nach dem Münchner Gynäkologen Döring – schon immer eine sehr sichere Methode der Familienplanung gewesen [18]. Trotzdem wird die klassische Temperaturmethode heute von NFP-Gruppen nicht mehr verbreitet, die Methodenregeln und Anwendungsbedingungen sind zu starr und streng, was bei einer sog. Einzelsymptommethode unvermeidbar ist. Die Temperaturmethode ist deshalb zur symptothermalen Methode erweitert worden (s. unten).

Im europäischen Raum hat sich bei der Auswertung der Temperaturkurven das Vorgehen basierend auf Holt durchgesetzt. Es ist deutlich praktikabler als die angloamerikanischen Auswertregeln der Temperaturkurve (Coverline etc.), durch die deutlich mehr monophasische, d. h. anovulatorische Zyklen als physiologisch üblich diagnostiziert werden. Die Auswertung nach der europäischen Regel „3 höher als die vorangegangenen 6“ schneidet deutlich besser ab [17].

Beurteilung:

  • als Einzelsymptommethode wenig praktikabel

  • relativ zuverlässig

Zervixschleimmethoden

Billings-Ovulationsmethode (OM)

Die Ovulationsmethode wurde vom Ärzteehepaar Billings in den 1970er-Jahren als „single indicator method“ entwickelt. Die fertile Phase wird ausschließlich durch Beobachtung der zyklischen Veränderungen des Zervixschleims am Scheideneingang bestimmt.

Umfangreiche, zum Teil etwas eigenwillige Methodenregeln, nach denen u. a. jede Blutung als potenziell fruchtbar erklärt wird (sie könnte theoretisch eine Ovulationsblutung sein) und nach denen anschließend bis zum Beginn der eigentlichen fertilen Phase der Geschlechtsverkehr auf jeden zweiten Tag eingeschränkt wird, können auch nicht weiter als zu einer Methodensicherheit lediglich im mittleren Bereich führen [21, 22, 23, 24].

Beurteilung:

  • mittlere Verhütungssicherheit, daher für einen Großteil der Frauen in europäischen Ländern nicht empfehlenswert (hier auch wenig verbreitet)

  • relativ umfangreiches Regelwerk, zu kompliziert für viele Settings in Entwicklungsländern

Creighton-Model (NaProTechnology)

Mit dieser in den 1980er-Jahren von Hilgers (USA) entwickelten Variante der Billings-Methode, Creighton Model FertilityCareSystem, soll durch eine aufwendige Kategorisierung der beobachtbaren Zervixschleimeigenschaften eine bessere Standardisierung erreicht werden [17].

Beurteilung:

  • hoher Lernaufwand

  • bisher keine suffiziente Studie zur Methoden- und Gebrauchssicherheit

  • Sicherheit nicht höher einzuschätzen als die der Billings-Methode

  • Kategorisierung nur für Studienzwecke nützlich, für Anwenderinnen überflüssig, denn jegliche Art von beobachtetem Zervixschleim zeigt die fertile Phase an

Modified Mucus Methods

In vielen Programmen in Entwicklungsländern wird heutzutage nicht mehr die orthodoxe, relativ komplizierte Billings-Methode vermittelt, sondern auf einfachere, auf den lokalen Kontext zugeschnittene Varianten zurückgegriffen, auf Modified Mucus Methods (MMM). Zielgruppen sind oft Analphabetinnen und Frauen aus ärmsten Schichten. Das Prinzip ist einfach: Die Anwenderin betrachtet sich als fruchtbar, solange sie Zervixschleim beobachtet und zwei Tage danach. Die Beobachtungen werden nicht dokumentiert [17].

Beurteilung:

  • unterschiedliche Akzeptanz in verschiedenen Entwicklungsländern

  • für den lokalen Kontext oft relativ akzeptable Sicherheit

  • ohne Hilfsmittel einsetzbar, keine Versorgungs-/Zugangsprobleme

Two Days Method

Fast zeitgleich mit der o. g. SDM wurde die Two Days Method (TDM) vom Institute of Reproductive Health an der Georgetown Universität zum Einsatz in Entwicklungsländern entwickelt. Es handelt sich um eine noch weiter vereinfachte Zervixschleimmethode: kein Geschlechtsverkehr an Tagen mit Zervixschleim und am Tag danach. Bei einer Dreiländerstudie in Südamerika wurden erfreuliche Ergebnisse zur Methodensicherheit erzielt, die jedoch angesichts der hohen Ausfallraten noch nicht überzeugen [4].

Beurteilung:

  • sehr einfach

  • für unseren Kontext zu unsicher

  • ob für Entwicklungsländer genügend sicher und akzeptabel bleibt abzuwarten

Symptothermale Methoden

Die symptothermalen Methoden (STM) ziehen zur Bestimmung von Anfang und Ende der fertilen Phase nach dem Prinzip des „double-check“ jeweils zwei Parameter heran, die sich gegenseitig absichern: In erster Linie Basaltemperatur und Zervixschleimbeobachtung. Während ein einzelnes Symptom mit methodischem Kraftaufwand, d. h. mit strengen Regeln, eine sichere Bestimmung der fertilen Zyklusphase garantieren muss, wenn seine physiologische Aussagekraft am Ende ist, wird bei der symptothermalen Kombination die Aussagekraft beider Parameter genutzt. Daraus ergibt sich eine größere Präzision. Die Absicherung des Temperaturanstiegs durch andere Symptome hat außerdem einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die subjektive Sicherheit und Zufriedenheit der Anwenderinnen.

Double Check erhöht die subjektive Sicherheit und Zufriedenheit

Im europäischen Raum gibt es verschiedene Abwandlungen von symptothermalen Methoden, die sich hinsichtlich Sicherheit und Praktikabilität unterscheiden. Aktuelle Daten zur Sicherheit der symptothermalen Methoden der natürlichen Familienplanung stammen aus deutschen und europäischen Zyklusdatenbanken [6, 7, 19, 20].

Rötzer-Methode

Im Jahre 1965 publizierte der österreichische Arzt Rötzer die weltweit erste symptothermale Methode. Zur aktuellen Variante liegen keine Daten vor. Die Angaben zur Sicherheit stammen aus retrospektiven Untersuchungen der 1960er- und 1970er-Jahre [17].

Beurteilung:

  • unnötige Fülle von Methoden-, Ausnahme- und Zusatzregeln

  • vermutlich hohe Methodensicherheit

  • ob die Regelfülle Praktikabilität und Gebrauchssicherheit einschränken, kann nicht beurteilt werden

Symptothermale Methoden ohne Double Check

Bei einigen Varianten wird der Anfang der fertilen Phase nicht im Double Check, sondern nur mit einem Parameter, dem Zervixschleim, bestimmt (z. B. bei der französischen Methode CLER; [19, 20]).

Beurteilung:

  • mittlere Methoden- und Gebauchssicherheit

  • historisch bedingt oft komplizierte Regelwerke

Sensiplan®

Seit den 1980er-Jahren hat in Deutschland eine intensive Entwicklung stattgefunden mit dem Ziel einer standardisierten, evidenzbasierten, sicheren und praktikablen Methodik, die historisch gewachsenen Ballast auf den Prüfstand stellt [1, 2, 8]. Säulen dieser Entwicklung sind die Malteser-Arbeitsgruppe NFP, das Forschungsprojekt NFP mit der Deutschen NFP-Zyklusdatenbank (zuletzt Daten von 1645 Frauen und 38.945 Zyklen, Stand 27.01.2010) an den Universitäten Düsseldorf und Heidelberg sowie die Sektion „Natürliche Fertilität“ der DGGEF (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsmedizin). Seit Ende 2010 ist diese symptothermale Methode mit ihrem standardisierten und zertifizierten Ausbildungsprogramm unter dem Namen Sensiplan® geschützt (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Sensiplan® der Malteser-Arbeitsgruppe NFP, Bestimmung des fertilen Fensters

Mittlerweile gibt es Bestrebungen, europäische Standards bezüglich NFP-Methodik und NFP BeraterInnen-Ausbildung zu entwickeln (http://www.nfp-europe.org, http://www.fertilitymgt.eu). Dabei hat sich inzwischen die symptothermale Methode der deutschen Arbeitsgruppe NFP (jetzt Sensiplan®) in mehreren europäischen Ländern als Standard durchgesetzt [17].

Sensiplan® beruht darauf, dass die Anwenderin

  • den Zervixschleim beobachtet,

  • die Basaltemperatur v. a. periovulatorisch misst (nicht täglich notwendig),

  • Beobachtungen in ein spezielles Zyklusblatt einträgt und

  • nach dem Prinzip der doppelten Kontrolle auswertet (Abb. 1).

Die Methodensicherheit von Sensiplan® liegt bei 0,4 Schwangerschaften pro 100 Frauenjahre, sofern kein ungeschützter Geschlechtsverkehr in der von der Anwenderin festgestellten fertilen Phase stattfindet [5, 7, 14].

Die symptothermale Methode der Arbeitsgruppe NFP zählt zu den hoch sicheren Familienplanungsmethoden und ist auch eine Option für Risikopatientinnen.

Die Gesamtschwangerschaftsrate (Methoden- und Anwenderfehler) nach 13 Anwendungszyklen (ein Jahr) betrug in einer deutschen Studie 1,8%, sie zeugt von kompetenten und motivierten Anwenderinnen.

Beurteilung:

  • hohe Methodensicherheit (<1), geeignet auch für Risikopatientinnen

  • klar definiertes, überschaubares Regelwerk

Fazit für die Praxis

  • Sensiplan® ist die von der DGGEF empfohlene natürliche Methode der Familienplanung [16].

  • Zu den Vorteilen dieser nebenwirkungsfreien, nichtinvasiven Methode zählen geringe Kosten, individuelles Erleben des Zyklusgeschehens, Stärkung des Körperbewusstseins, Erwerb von Körper- und Zyklus-Kompetenz und eine intensivere Einbindung der Patientin.

  • Die Anwendung ist auch bei unregelmäßigen Zyklen möglich.

  • Zu den Nachteile gehören die Lernphase (bis zu drei Zyklen) und die Tatsache, dass während der fertilen Phase kein ungeschützter Verkehr möglich ist, wenn kein Kinderwunsch besteht.

  • Bei Kinderwunsch ist eine „nahtlose“ weitere Verwendung der Methode zur Optimierung der Konzeptionschance möglich.

  • Auch für Risikopatientinnen ermöglicht Sensiplan® eine sichere Verhütung.

  • Voraussetzung für eine sichere Anwendung der Methode ist eine ausführliche Anleitung! Eine laiengerechte Darstellung findet sich beispielsweise in der Publikation Arbeitsgruppe NFP (Hrsg) „Natürlich und sicher“, Trias, Stuttgart.

  • Eine Beratung ist auch in Kursen durch NFP-Beraterinnen oder speziell ausgebildete Arzthelferin möglich (drei oder vier Treffen über einen Zeitraum von drei Zyklen); Adressen von NFP-Beraterinnen können erfragt werden bei der Malteser-Arbeitsgruppe NFP, Kalker Hauptstr. 22–24, 51103 Köln, www.nfp-online.de.

  • Weiterführende Informationen finden sich unter: www.nfp-online.de, www.med.uni-heidelberg.de/NFP, www.uni-duesseldorf.de/NFP, www.nfp-forum.de und www.MeinKinderwunsch.de.

  • Die Methode ist auch unter dem Aspekt der Erweiterung des Praxisprofils von Interesse.

  • Eine Teilnahme an NFP-Intensivkursen ist auch für Ärzte möglich, auch die Kooperation mit einer NFP-Beraterin.