Zusammenfassung
Die Endometriose ist eine sehr komplexe Erkrankung, und die Symptome sind sehr unterschiedlich. Eine definitive Diagnose kann nur über einen operativen Eingriff gestellt werden, denn bildgebende Verfahren können kleinere Läsionen nicht ausreichend sicher darstellen. Endoskopische Zusatzuntersuchungen wie z. B. die Rektosigmoidoskopie oder Zystoskopie sind nur indiziert beim Vorliegen konkreter Symptome, z. B. zyklisch rezidivierende Hämaturie. Die Endometriose ist die zweithäufigste Erkrankung der Frau im reproduktionsfähigen Alter. Trotz dieser Häufigkeit sind die vorhandenen Daten in der Literatur sehr inhomogen. Die vorhandenen Daten zeigen, dass die Endometriose viel zu selten diagnostiziert wird und vom Auftreten der ersten Symptome bis zur korrekten Diagnosestellung etwa 7 Jahre vergehen. Allein diese Tatsache belegt, dass die Symptome und die Beschwerden der Endometriose mehr in das Bewusstsein der behandelnden Ärzte rücken muss, damit die Endometriose nicht mehr als „Krankheit ohne Lobby“ bezeichnet wird.
Abstract
Endometriosis is a very complex disease with highly variable symptoms. A definitive diagnosis can only be made operatively as imaging techniques cannot clearly distinguish small lesions. Additional endoscopic examination such as rectosigmoidoscopy or cytoscopy are only indicated when concrete symptoms are present, e.g. by cyclically recurrent hematuria. Endometriosis is the second most common disease in women of reproductive age. Nevertheless, the data in the literature are very heterogeneous. These show that endometriosis is diagnosed too infrequently and that the time from the beginning of symptoms to a correct diagnosis lasts about 7 years. All of these facts show that the symptoms and complaints must move more into the consciousness of the physician so that endometriosis can no longer be referred to as the “disease without a lobby”.
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Die Endometriose ist eine benigne komplexe Erkrankung der Frau im reproduktionsfähigen Alter. Genaue Angaben zur Häufigkeit fehlen, Angaben in der Literatur divergieren stark. Sie ist die zweithäufigste Erkrankung der Frau im reproduktiven Lebensabschnitt mit einer Prävalenz in der Bevölkerung von 4–12% [1]. Bei Patientinnen mit bestehendem Kinderwunsch wird eine Prävalenz von 20–71% in der Literatur angegeben. Die Rate an Neuerkrankungen beträgt in Deutschland schätzungsweise etwa 40.000 pro Jahr. Es handelt sich um eine hormonabhängige Erkrankung, die bei Frauen zwischen dem 12. und 80. Lebensjahr beschrieben wird. Die Symptome sind vielfältig, die Beschwerden sehr unterschiedlich, und deshalb ist die Diagnosestellung oft schwierig. Dies führt dazu, dass der Beginn einer Behandlung zum Teil erst Jahre nach Auftreten der ersten Symptome erfolgt. In Deutschland beträgt das Intervall zwischen Auftreten der ersten Symptome bis zur Diagnosestellung durchschnittlich 6 Jahre (Tab. 2; [2]). Das Durchschnittsalter bei Diagnosestellung liegt bei 28 Jahren [3]. Weil sie im öffentlichen Bewusstsein kaum präsent ist, wird die Endometriose auch als „Krankheit ohne Lobby“ bezeichnet.
Definition und Ätiologie
Die derzeit älteste bekannte Beschreibung des Krankheitsbilds ist die Promotionsschrift von Daniel Shroen im Jahr 1690. In „Disputatio Inauguralis Medica de Ulceribus Ulceri“ beschreibt er Klinik und Morphologie. Im Jahr 1860 beschreibt Karl von Rokitansky im Zentralblatt der Gesellschaft der Ärzte in Wien das Krankheitsbild der Endometriose unter dem Titel: „Über Uterusdrüsenneubildung in Uterus- und Ovarialsarkomen“ [4].
Unter dem Krankheitsbild der Endometriose versteht man das Vorkommen von endometriumartigen Zellverbänden außerhalb des Cavum uteri. Dabei kann es sich um Absiedlungen und/oder Neubildung von Gewebe handeln, welches morphologisch dem Endometrium entspricht oder ähnlich ist.
Hinsichtlich der Ätiologie ist ein multimodales Konzept zu postulieren
Ätiologie und Pathogenese sind trotz intensiver Forschungen bisher nur zum Teil geklärt. Es gibt verschiedene Konzepte und Theorien zur Erklärung, u. a. die Transplantationstheorie von J.A. Sampson (1924), die Metaplasietheorie von R. Meyer, die „endometriotic disease theory“ von P.H. Koninckx und das Archimetra-Konzept von G. Leyendecker. Weiterhin versucht man, das Krankheitsbild der Endometriose mittels zell- und molekularbiologischer Konzepte zu entschlüsseln, mit immunologischen Theorien und mit dem Aromatasekonzept. Doch keine der vorliegenden Arbeiten kann das komplexe Bild der Endometriose erklären. Vielmehr muss man ein multimodales Konzept aus den bisher bekannten Theorien postulieren, in dem eine Vielzahl von verschiedenen Faktoren (u. a. genetische, hormonelle und immunologische) zusammenwirken. Trotz vielfältiger Forschungsansätze gibt es bis heute keine kausale Therapie.
Stadieneinteilung und Häufigkeit
Die bisher vorliegenden verschiedenen Stadieneinteilungen zur Ausdehnung der Endometriose sind alle unzulänglich. Am weitesten verbreitet und international anerkannt ist die Klassifikation der American Society for Reproductive Medicine (ASRM) aus dem Jahr 1996 [5]. Leider wird in dieser Klassifikation die retroperitoneale und tief infiltrierende Form der Endometriose nicht berücksichtigt. Auf dieses Defizit wurde durch die ENZIAN-Klassifikation, die in Anlehnung an die TNM-Klassifikation von einer Arbeitsgruppe der Stiftung Endometrioseforschung erstellt wurde, reagiert [6].
Im klinischen Alltag wird oft nur die klassische Einteilung der Endometriose nach ihrer Lokalisation in Endomeriosis genitalis externa, interna (Adenomyosis) sowie extragenitalis vorgenommen. Zur korrekten Einordnung sollten allerdings der ASRM- und Enzian-Score genutzt werden.
Die Angaben in der Literatur zum Vorkommen der Endometriose divergieren stark. Genaue Zahlen über die Häufigkeit ihres Auftretens gibt es nicht, da die exakte Diagnose nur über einen operativen Eingriff gestellt werden kann. Viele Frauen tolerieren und akzeptieren Unterbauchbeschwerden im Rahmen der Regelblutung als normal, und eine Abklärung der Beschwerden erfolgt nicht. Dementsprechend ist die Dunkelziffer erheblich. Ein Überblick über die Prävalenz von Endometriose in verschiedenen ethnischen Gruppen findet sich in Tab. 1.
Die Inzidenz der Endometriose bei Frauen im reproduktiven Alter wird in der Literatur mit 4–12% angeben [1, 7]. Die Häufigkeit von Endometriose in der Gruppe der Frauen mit Kinderwunsch ist deutlich höher, Angaben liegen zwischen 20 und 71% [8, 9].
In Deutschland wird die Rate an Neuerkrankungen pro Jahr mit etwa 40.000 beziffert. Die Symptome der Endometriose sind vielfältig, die Beschwerden sehr unterschiedlich und deshalb ist die Diagnosestellung in der Praxis oft schwierig. Dies führt dazu, dass der Beginn einer Behandlung zum Teil erst Jahre nach Auftreten der ersten Symptome erfolgt. In Deutschland beträgt das Intervall zwischen Auftreten der ersten Symptome bis zur Diagnosestellung durchschnittlich 6 Jahre (Tab. 2; [2]). Das durchschnittliche Alter bei Diagnosestellung liegt bei 28 Jahren [3].
Die Hälfte der betroffenen Patientinnen wird wegen Beschwerden (z. B. Schmerzsymptomatik, durch eine Endometriose bedingte Sterilität) behandlungspflichtig; bei der anderen Hälfte ist der Befund der Endometriose offensichtlich ein Nebenbefund, der wegen einer fehlenden Aktivität und Proliferation der Implantate keinen Krankheitswert hat [10]. Bei etwa 50% der betroffenen Patientinnen muss von einer Progredienz ausgegangen werden. Auch wenn es unter einer entsprechend eingeleiteten Therapie zunächst zu einer Beschwerdefreiheit kommt, so erleiden etwa 24% der Betroffenen innerhalb der nächsten drei Jahre ein Rezidiv [11].
Je jünger die Patientinnen bei der Erstmanifestation sind, desto heftiger sind die Beschwerden und umso früher ist mit einem Rezidiv zu rechnen [12].
Das Kardinalsymptom der Endometriose ist der Schmerz: 63% leiden unter einer Dysmenorrhö, 27% unter einer Dyspareunie. In Tab. 3 sind verschiedene Veröffentlichungen zur Endometriose mit prozentualen Angaben zu Alter bei Diagnose, Hauptbeschwerden, Menarche u. a. aufgeführt.
Anhand dieser Ausführungen wird verständlich, dass die Endometriose eine Erkrankung ist, die viel zu selten diagnostiziert wird. Im Rahmen einer Untersuchung der National Endometriosis Society of Great Britain konnten folgende Daten und Fakten erhoben werden:
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Etwa 10% der Frauen im reproduktiven Alter leiden an Endometriose;
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etwa 60% der betroffenen Patientinnen wurde mitgeteilt, dass sie keine ernsthafte Erkrankung hätten;
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mehr als 50% der Frauen mit Endometriose suchten ihren Arzt etwa 5 mal auf, bevor sie an einen Spezialisten überwiesen wurden;
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Patientinnen mit Endometrioseproblemen gehen erst etwa 3 Jahre nach Auftreten der ersten Symptome deshalb zum Arzt;
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vom Auftreten der ersten Symptome bis zur korrekten Diagnosestellung vergehen etwa 7 Jahre;
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Patientinnen mit Endometriose verbringen durchschnittlich 45 Tage pro Jahr im Krankenstand.
Die Endometriose wird viel zu selten diagnostiziert
Diese Daten verdeutlichen, dass die Erkrankung große volkswirtschaftliche Bedeutung hat und der medizinische Aufwand und der Arbeitsausfall, der durch diese Erkrankung bedingt ist, immens ist.
Die Endometriose tritt gehäuft bei Frauen auf mit früher Menarche, einem Zyklus <28 Tagen und längerer Blutungsperiode (≥7 Tage). Nulliparität, positive Familienanamnese und Übergewicht zählen ebenfalls zu den Risikofaktoren.
Klinik und Diagnostik
Problematisch in der Diagnostik ist die Vielfalt der Symptome und der von den Patientinnen geschilderten Beschwerden. Es gibt keine pathognomonischen Symptome. Zu den häufigsten Symptomen zählen
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zyklische und/oder chronisch rezidivierende Unterbauchbeschwerden,
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Dysmenorrhö,
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Dyspareunie,
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Zyklusstörungen,
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Rückenschmerzen,
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Sterilität,
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Darmsymptome/Dyschezie und
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Dysurie sowie Hämaturie.
Diese große Variabilität macht eine genaue und differenzierte Anamneseerhebung erforderlich. Differenzialdiagnostische Erkrankungen müssen immer in die Überlegungen einbezogen werden (z. B. M. Crohn, Colitis ulcerosa). Die Intensität der angegebenen Beschwerden korreliert nicht mit dem Schweregrad der Erkrankung, Patientinnen mit Endometriose können auch komplett beschwerdefrei sein ([7]; Tab. 3).
Neben der Anamneseerhebung ist eine entsprechend sorgfältige und systematische klinische Untersuchung erforderlich, einschließlich einer rektovaginalen Untersuchung und einer transvaginalen Sonographie. Weiterhin können bildgebende Verfahren wie z. B. die Computertomographie bzw. die Magnetresonanztomographie hilfreich sein, man sollte jedoch berücksichtigen, dass kleinere Endometrioseläsionen mit den bildgebenden Verfahren nur unzureichend erfasst werden [8]. Zusätzliche endoskopische Untersuchungen wie z. B. die Rektosigmoidoskopie oder Zystoskopie sollten nur bei Vorhandensein von konkreten Symptomen wie einer zyklischen Hämaturie oder rektalen Blutungen vorgenommen werden (häufig falsch-negativ).
Eine Diagnosestellung, die nur auf Anamnese und körperlicher Untersuchung basiert, ist unzureichend; Goldstandard ist die Visualisierung der Endometrioseläsion mit Angaben zur Ausdehnung und Aktivität durch Laparoskopie unter Weißlichtbedingungen oder Laparotomie. Weiterhin ist die histologische Sicherung durch Biopsie vorzunehmen. Biochemische Marker im Serum (z. B. CA 12–5, Ca 72, Ca 15–3, TAG 72, PP14) sowie im Douglas-Sekret oder direkt in den Endometrioseherden (Abb. 1 a, b; z. B. CA 12–5, TNFα, Ki67, Interleukine) sind nur bedingt einsetzbar.
Dass die Diagnose Endometriose heute häufiger gestellt wird, liegt nicht daran, dass die Inzidenz zugenommen hat, sondern daran, dass spezifischer danach gesucht wird und das Bewusstsein und das Verständnis für diese Erkrankung geschärft wird.
Fazit für die Praxis
Trotz des inzwischen ausgeprägteren Verständnisses für die Erkrankung wird die Endometriose nach wie vor zu selten diagnostiziert. Angesichts der großen Variabilität der Symptome, die auch ganz fehlen können und deren Intensität nicht unbedingt mit der Schwere der Erkrankung korreliert, und im Hinblick auf die enorme volkswirtschaftliche Bedeutung, nicht zuletzt aufgrund der oft viel zu späten Diagnosestellung, ist es wünschenswert, die Endometriose mehr als bisher als eine mögliche Differenzialdiagnose im Bewusstsein zu verankern. Goldstandard in der Diagnose ist noch immer die Laparoskopie unter Weißlichtbedingungen bzw. die Laparotomie, denn radiologisch-bildgebende Verfahren können insbesondere kleine Läsionen nicht ausreichend erfassen.
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Oehmke, F., Suwandinata, F., Deisting, C. et al. Datenlage zur Endometriose. Gynäkologe 40, 521–526 (2007). https://doi.org/10.1007/s00129-007-2015-6
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