Die Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen der in Deutschland tätigen urologischen Assistenzärzte haben sich im Zuge weitreichender Veränderungen im Gesundheitssystem in den letzten 15 Jahren stetig verändert. Durch die zunehmende Emanzipation der jungen Ärztegeneration entstand ein Selbstbewusstsein, offen Systemkritik zu äußern. Bislang existieren jedoch im nationalen Kontext mit dem Fokus auf die Teilaspekte Ökonomisierung und psychosoziale Arbeitsbelastung wenig publizierte Daten, die diese Kritik quantitativ und qualitativ beschreiben.

Hintergrund

Das deutsche Gesundheitswesen befindet sich in einem fortwährenden Wandel. Einige dieser Entwicklungen prägten dabei die Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen junger Ärzte in der Urologie über die letzten beiden Jahrzehnte besonders: Mit fortschreitendem demographischen Wandel steigt die Zahl älterer Menschen, welche folglich häufiger stationäre medizinische Leistungen in Anspruch nehmen. Daraus resultiert eine Zunahme von komplexen Krankheitsfällen. Eine Aufgabe, deren Bewältigung auch die Urologie zu leisten hat. Die Umstrukturierung der stationären Vergütung 2003 durch Einführung des DRG-Systems [15] und die zunehmende Fokussierung auf wirtschaftliche Aspekte [10, 16] führten aus Gründen einer notwendigen Kostenkontrolle, aber auch aus profitorientiertem Interesse (bei z. B. steigendem Anteil privater Dienstleister im Gesundheitswesen [8, 17]) zu einem Anstieg der Fallzahlen bei Reduktion der Verweildauer, der Anzahl von Krankenhäusern und Krankenhausbetten [17]. Dies resultiert in der Arbeitsverdichtung für alle Mitarbeiter im Bereich der stationären Patientenversorgung [34].

Die Bundesärztekammer hat sich bereits bemüht, eine flächendeckende Evaluation von Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen zu etablieren [7], jedoch wurden nicht alle Facetten assistenzärztlichen Arbeitens gleichermaßen gut analysiert. Insbesondere der zunehmende ökonomische Druck und dessen Auswirkungen in der stationären Patientenversorgung bedürfen hierbei einer näheren Untersuchung. Ein weiterer Schwerpunkt dieser Umfrage liegt auf der Evaluation der psychosozialen Arbeitsbelastung junger Urologen.

Ziel dieser Befragung ist es, mit aktuellen Daten und neuen Aspekten einen kritischen Diskurs zu Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen urologischer Assistenzärzte in Deutschland anzustoßen und zu fördern.

Methoden

Studienpopulation

Zielpopulation der Umfrage waren urologische Assistenzärzte in Deutschland. Die Einladung zur Teilnahme an der komplett anonymisierten Befragung wurde im Februar 2015 über den E‑Mail-Verteiler der GeSRU verschickt. Nach 4 Wochen folgte eine Erinnerung an die Befragung. In diesem Zeitraum wurde auf der GeSRU-Facebookseite und in diversen Fachzeitschriften für die Teilnahme an der Umfrage geworben. Der Link zur Umfrage war von Februar bis Mai 2015 geöffnet. Die Umfrage wurde über SurveyMonkey® realisiert.

Fragebogen

Der Fragebogen wurde durch die Autoren (bis auf das Modell beruflicher Gratifikationskrisen) nach den CHERRIES- („checklist for reporting results of internet-e-surveys“-)Standards entwickelt [13]. Die Befragung wurde nach dem Vorbild der internistischen Arbeit aufgebaut [29] und umfasste maximal 66 Fragen zu 8 Themenfeldern. Diese waren im Einzelnen:

  1. 1.

    Arbeitsbedingungen im Berufsalltag (5–6 Fragen),

  2. 2.

    ärztliche Fort- und Weiterbildung (8 Fragen),

  3. 3.

    operative Ausbildung (13 Fragen),

  4. 4.

    Vereinbarkeit von Beruf und Familie (8 Fragen),

  5. 5.

    Einfluss ökonomischer Erwägungen auf ärztliches Handeln (7 Fragen),

  6. 6.

    Vereinbarkeit von klinischem Arbeitsalltag mit Forschung und Wissenschaft (3–7 Fragen),

  7. 7.

    Basisdaten (16–17 Fragen).

Zusätzlich verwendeten wir die Kurzfassung des validierten Fragebogens zum Modell der beruflichen Gratifikationskrisen [33] mit den 3 Subskalen „Verausgabung“, „Belohnung“ und „Verausgabungsneigung“. Es wurde ein Quotient aus „Verausgabung“ zu „Belohnung“ gebildet, um daraus eine quantitative Abschätzung des Ausmaßes beruflicher Gratifikationskrisen zu erhalten (Gratifikationskrisenquotient bzw. ER-Ratio).

Statistik

Die statistische Auswertung erfolgte mittels SPSS 23.0. Als parametrische Verfahren wurden zum Vergleich von 2 Gruppen der t‑Test für unabhängige Stichproben oder bei ≥2 Gruppen eine ANOVA mit Scheffé als Post-hoc-Test angewandt. Zusätzlich kamen der Mann‑Whitney‑U‑ und der Kruskal‑Wallis‑Test zum Einsatz.

Ergebnisse

Basisdaten (Tab. 1)

Tab. 1 Basisdaten der deutschlandweiten Befragung urologischer Assistenzärzte in Weiterbildung

Arbeitsbedingungen im Berufsalltag

Die Antworten zur Gesamtzufriedenheit mit der augenblicklichen beruflichen Situation zeigt Abb. 1. 44 % der Befragten sind zufrieden mit ihrer beruflichen Situation. Als häufigste Gründe für Unzufriedenheit (max. 3 Antworten möglich) wurden die hohe Arbeitsbelastung (39 %), hoher Zeitdruck/Arbeitsverdichtung (38 %) und der hohe Anteil arztfremder Tätigkeiten (32 %) genannt. Seltene Gründe waren ein schlechtes Arbeitsklima (7 %), steile Hierarchien (5 %) oder mangelnde Autonomie (5 %).

Abb. 1
figure 1

Gesamtzufriedenheit urologischer Assistenzärzte mit ihrer augenblicklichen beruflichen Situation

80 % der befragten Assistenzärzte sehen die Qualität der Patientenversorgung durch die vielschichtigen Veränderungen im ärztlichen Arbeitsumfeld in den letzten Jahre gefährdet. Begründet wurde dies mit dem hohen Zeitdruck/Arbeitsverdichtung (85 %), dem hohen Anteil arztfremder Tätigkeiten (83 %), unzureichender Supervision von erfahrenen Ärzten (38 %), mangelnder ärztliche Fort- und Weiterbildung (28 %) und ungenügender technischer Ausstattung (6 %). Mehrfachantworten waren möglich.

Ein Viertel der Befragten (26 %) zog eine Konsequenz aufgrund ihrer Unzufriedenheit. Fast alle denken zumindest über eine Veränderung ihrer beruflichen Situation nach. Die einzelnen Antworten zeigt Abb. 2.

Abb. 2
figure 2

Konsequenzen aus Unzufriedenheit über die Arbeitsbedingungen für Assistenzärzte

Weiterbildung

Etwas mehr als die Hälfte (52 %) der Assistenzärzte hat mit Antritt der ersten Anstellung einen Vertrag über die gesamte Weiterbildungszeit erhalten. Lediglich 30 % gaben an, dass es in ihrer Klinik eine grobe Struktur der Weiterbildung (z. B. Curriculum oder Weiterbildungsplan) gibt. Mehr als die Hälfte (53 %) denkt, dass sie zum Ende der Regelweiterbildungszeit die vorgeschriebenen Inhalte absolviert hat.

Bei 30 % der Befragten finden keine Weiterbildungsgespräche statt. Von den 70 % der Assistenzärzte, die Weiterbildungsgespräche haben, sagten 70 % aus, dass diese die Qualität Ihrer Weiterbildung nicht verbessern.

Operative Ausbildung

Die Abb. 3a zeigt die Antworten zur kumulativen Anzahl aller selbstständig durchgeführten Operationen der Assistenzärzte bis zum jeweiligen Weiterbildungsjahr. Die mediane kumulative Anzahl aller selbstständig durchgeführten Operationen betrug für Assistenzärzte im 5. Weiterbildungsjahr 113 (IQA 76–178), wobei kleine operative Eingriffe (z. B. am äußeren Genitale) 57 % und endourologische Operationen (TUR, URS) 39 % der gesamten Anzahl an Operationen ausmachen (Abb. 3a, b).

Abb. 3
figure 3

Kumulative Anzahl der selbstständig durchgeführten Operationen. a alle Operationen, b kleine Operationen, c mittel-komplexe Operationen und d große Operationen

36 % der Assistenzärzte führten alle Eingriffe ihres Operationskatalogs selbst durch. Bei 43 % wurden einige Eingriffe bescheinigt, ohne dass sie vom betreffenden Assistenten durchgeführt wurden. 21 % erfüllten Ihren Operationskatalog nicht vollständig. 65 % der Assistenten sind mit ihrer operativen Weiterbildung nicht zufrieden.

Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Fast ein Drittel der Befragten (28 %) können/könnten an ihrem Arbeitsplatz keine Anstellung mit reduzierter Wochenarbeitszeit in Anspruch nehmen. An privaten Kliniken ist es signifikant (p < 0,05) häufiger möglich (41 %) in Teilzeit zu arbeiten als bei öffentlichen (18 %) oder freigemeinnützigen (23 %) Trägern (Insgesamt 22 %).

Obwohl 56 % der Arbeitsstätten eine betriebliche Kinderbetreuung anbieten, können nur 13 % diese aufgrund fehlender Plätze etc. nutzen.

Die subjektive Zufriedenheit zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Aufteilung der Elternzeit ist Tab. 2 zu entnehmen.

Tab. 2 Subjektive Zufriedenheit zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Aufteilung der Elternzeit

Einfluss ökonomischer Erwägungen auf ärztliches Handeln

37 % der befragten Urologen berichten, dass ökonomische Erwägungen Ihre fachlichen Entscheidungen mindestens einmal pro Woche beeinflussen und 39 %, dass der wirtschaftliche Druck sie belaste. Der wirtschaftliche Druck wirkt sich laut 55 % der Befragten negativ auf die Weiterbildung aus.

In diesem Fragenabschnitt zeigte sich bei folgenden Aussagen der Beschäftigten privater Träger ein signifikanter Unterschied (jeweils p < 0,05) zu den Antworten Beschäftigter öffentlicher/freigemeinnütziger Trägern: Der wirtschaftliche Druck in den Klinken belastet mich überhaupt nicht (2 % vs. 12 %/13 %); ich stimme voll und ganz zu, dass der wirtschaftliche Druck die Weiterbildung verschlechtert (36 % vs. 22 % (öffentlicher Träger)); Durchführung von DRG-Schulungen (61 % vs. 42 %/38 %) und signifikant seltener (23 % vs. 40 % [öffentlicher Träger]) half ein Case-Manager in privaten Kliniken bei der Stationsarbeit.

Vereinbarkeit von klinischem Arbeitsalltag mit Forschung und Wissenschaft

44 % der Teilnehmer sind promoviert und 39 % sind derzeit wissenschaftlich tätig. Forschung und wissenschaftliche Arbeit geschieht zu 48 % in der Freizeit und wird laut 41 % der Befragten personell und materiell zu wenig unterstützt.

Modell beruflicher Gratifikationskrisen

Mit 1,59 lag die signifikant (p < 0,01) höchste ER-Ratio (Verausgabungs‑/Belohnungsquotient) bei den 30 % der Befragten, die die Qualität der Patientenversorgung „ja, deutlich“ gefährdet sehen.

Die weiteren Ergebnisse der Erfassung der psychosozialen Arbeitsbelastung nach dem Modell beruflicher Gratifikationskrisen sind in Tab. 3 aufgeführt. Bei 82 % der Assistenzärzte war die Verausgabung größer als die Belohnung (ER-Ratio > 1).

Tab. 3 Psychosoziale Arbeitsbelastung nach dem Modell der beruflichen Gratifikationskrisen

Diskussion

Weiterbildungs- und Arbeitsbedingungen der Assistenzärzte in Deutschland sind ein wiederkehrender Bestandteil einer öffentlichen und berufspolitischen Diskussion. Trotz dieser Wahrnehmung sind umfassende Daten hierzu rar. In dieser Arbeit wollten wir mit den erhobenen Daten einen kritischen Diskurs um die Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen urologischer Assistenzärzte in Deutschland anstoßen.

Über die Hälfte (ca. 53 %) aller urologischen Assistenzärzte in Deutschland (n = 886, [6]) nahmen an unserer Umfrage teil. Somit ist dies die größte Befragung Ihrer Art bislang.

Arbeitsbedingungen im Berufsalltag

Knapp die Hälfte (44 %) der Assistenzärzte sind zufrieden mit ihrer augenblicklichen beruflichen Situation. Das ist etwas mehr als bei internistischen Assistenzärzten (40 %, [29]). Gründe für Unzufriedenheit sind bei Urologen, eindeutiger als bei Internisten, die langen Arbeitszeiten und der hohe (zeitliche) Druck aufgrund der Arbeitsverdichtung. Die große Mehrheit der Befragten erwog, ihre Arbeitszeiten oder das Arbeitsumfeld anzupassen.

Ein bedeutsamer Belastungsfaktor ist die hohe Arbeitsverdichtung in der stationären Patientenversorgung. Es fehlen Ressourcen für Supervision, Fort‑/Weiterbildung oder Forschung. Die Gründe hierfür sind, neben den eingangs beschriebenen strukturellen Veränderungen im Gesundheitswesen, der zeitliche Aufwand für Organisation und Dokumentation. Beunruhigend ist, dass die große Mehrheit der Befragten (81 %) die Qualität der Patientenversorgung gefährdet sieht.

Weiterbildung

Die Weiterbildung der Befragten ist weitestgehend unstrukturiert. Das führt zu Unzufriedenheit. Dies deckt sich mit den Weiterbildungsumfrageergebnissen aus anderen Fachdisziplinen [1, 23, 29].

Aktuell orientiert sich die urologische Weiterbildungsordnung und damit das Erlangen der Facharztreife sehr stark an Richtzahlen für spezifische Eingriffe und durchgeführte Prozeduren. Die Bundesärztekammer arbeitet seit dem 112. Deutschen Ärztetag 2009 daran, diesen Zahlen weniger Bedeutung beizumessen und vielmehr stärkeren Wert auf den Erwerb von fachspezifischen Kompetenzen und Fertigkeiten innerhalb der Weiterbildung zu legen. Die Veröffentlichung der neuen Musterweiterbildungsordnung (NMWBO) ist allerdings auch 8 Jahre danach noch nicht in Sicht.

Die vorgeschriebenen Lerninhalte zum Erlangen des Facharztes in Deutschland werden im Berufsalltag erworben. Somit basiert die heutige Form der Weiterbildung nicht auf einem auf das Lernen ausgerichteten System. Es sind vielmehr die Erfordernisse der Krankenversorgung bestimmend. Lerninhalte sind dabei nicht planbar und können nicht aufeinander aufbauen [18].

Außerdem gibt es in Deutschland weder eine direkte Finanzierung der Weiterbildung noch eine unabhängige Evaluierung ihrer Qualität. In anderen Ländern wird die Weiterbildung regelmäßig evaluiert [14] und es werden z. T. Modelle angewendet, die ausreichend Freiräume für eine organisierte Weiterbildung bieten. In diesen Ländern wird die ärztliche Weiterbildung als Aufgabe des Staates zur Aufrechterhaltung der Krankenversorgung verstanden und ganz oder anteilig finanziert [12, 18, 19].

Die Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen haben sich durch die Ökonomisierung der Medizin [4] einerseits und die Erwartungshaltung der neuen Ärztegeneration [31] andererseits in erheblichem Maß geändert. Ein Umdenken und eine Neuorientierung in der Strukturierung und der Finanzierung der Weiterbildung sind über die NMWBO hinaus erforderlich.

Operative Ausbildung

Deutsche urologische Assistenzärzte operieren wenig. Die mediane Anzahl der kumulativ selbstständig durchgeführten Operationen für Assistenten im 5. Ausbildungsjahr lag bei nur 113 Operationen. Große Eingriffe werden nur von einigen wenigen Assistenten durchgeführt, und dann auch nur in geringer Zahl.

Eine Erklärungsmöglichkeit wäre, dass in Deutschland das Spektrum der Urologie inklusive der kompletten urologischen Onkologie sehr breit ist. Vielleicht auch deshalb steht Deutschland im internationalen Vergleich mit 5771 Ärzten an dritter Stelle bei der Anzahl an Urologen pro Einwohner und weist folglich auch viele Urologen in Weiterbildung (n = 886) auf [6]. Diese Breite der Ausbildung im Krankheits- und Therapiespektrum führt dazu, dass der Einzelne wenig operiert.

Im Vergleich dazu operieren die Weiterbildungsassistenten in Kanada und in den USA deutlich mehr: Durchschnittlich führt ein Assistenzarzt in Kanada 398 Eingriffe in seiner Weiterbildung durch; in den USA sind es kumulativ 1594–2012 Operationen nach 6 Jahren Facharztweiterbildung [27, 34].

Sowohl für die operative Weiterbildung als auch für die urologische Weiterbildung generell ist eine Strukturierung wünschenswert. Mögliche Wege hierfür wurden bereits aufgezeigt [22, 28].

Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird von den Befragten mit der Schulnote „befriedigend“ bewertet. Männer wie Frauen sind sich hierbei einig. Jedoch unterstützen 34 % der Kliniken die jungen Ärzte nicht, die Vereinbarkeit zu erleichtern oder zu verbessern, obwohl dies für die einzelne Klinik durchaus lohnenswert sein kann [9]. In einer Kosten-Nutzen-Rechnung der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Murnau wurde das jährliche Einsparpotenzial den tatsächlichen Kosten der familienfreundlichen Maßnahmen gegenübergestellt und saldiert. Es ergab sich eine positive Nutzen-Kosten-Differenz von plus 82.804 €. Auch die Investition in klar strukturierte Unterbrechungen der Weiterbildung durch Schwangerschaft und Elternzeit zahlt sich aus [11]. Die Fluktuation in der Klinik sinkt und führt damit zu einer Produktivitätssteigerung. Zahlreiche Studien [4, 9, 20, 35] belegen den positiven Effekt familienfördernder Maßnahmen für die Kliniken und auch im gesellschaftspolitischen Kontext. Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über die „Generation Y“ und die Feminisierung der Medizin sollte dies durch den Arbeitgeber berücksichtigt werden.

Einfluss ökonomischer Erwägungen auf ärztliches Handeln

Die Auswirkungen betriebswirtschaftlicher Zielsetzungen sind für junge Ärzte in der stationären Patientenversorgung spürbar. Ein Großteil der Befragten fühlt sich dadurch in medizinischen Entscheidungen beeinflusst. Als konkretes Beispiel kann die Ausrichtung der Patientenliegezeiten an den jeweiligen DRG-Fällen dienen. Der ökonomische Einfluss scheint auf Grundlage dieser Befragung an Häusern in privater Trägerschaft ausgeprägter. Fragen nach der Konsequenz für z. B. die Qualität der Patientenversorgung können die vorliegenden Ergebnisse nicht beantworten. Jedoch legen diese und weitere Untersuchungen [30] nahe, dass die Patientenversorgung unter dem zunehmenden wirtschaftlichen Druck leidet. So gaben in einer Befragung 46 % der Chefärzte an, aus ökonomischen Erwägungen nützliche Maßnahmen vorenthalten oder durch weniger effektive, aber kostengünstigere Alternativen ersetzt zu haben [30]. 70 % der Chefärzte waren generell der Ansicht, dass sich die Mittelknappheit im Krankenhaus negativ auf die Patientenversorgung auswirkt. Durch den in allen Hierarchien und Berufsgruppen spürbaren Kostendruck fehlt Zeit für Fürsorge und für Patientengespräche. Das berichten uneingeschränkt alle Beschäftigten im Krankenhaus [5, 30, 32].

Medizin ist nachhaltig erfolgreich, wenn Solidarität, Respekt und Zuwendung möglich sind. Für diese Werte gibt es jedoch wenig Raum im Krankenhausalltag. Dies muss sich ändern, damit wirtschaftliche Interessen nicht zu einem Medizinbetrieb führen, in dem man sich nicht mehr gut versorgt fühlt und Vertrauen fehlt [26, 32].

Vereinbarkeit von klinischem Arbeitsalltag mit Forschung und Wissenschaft

Dass der wissenschaftliche Nachwuchs in der Medizin keine ausreichende Förderung erhält ist eine in der forschungspolitischen Diskussion in Deutschland weit verbreitete Kritik. Bemängelt wird, dass der klinischen Forschung in der Universitätsmedizin und im Medizinstudium ein zu geringer Stellenwert eingeräumt wird [25].

Etwa 20 % der Assistenzärzte absolvieren ihre Weiterbildung an Universitätskliniken [6]. Neben der ärztlichen Weiterbildung sind Universitätskliniken auch für die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Medizin verantwortlich. Klinische Forscher bilden die Brücke zwischen grundlagen-, krankheits- und patientenorientierter Forschung und gelten daher als Schlüsselspieler translationaler Forschung. Junge Ärzte, die ihre Facharztweiterbildung an einem Universitätsklinikum absolvieren, haben Aufgaben in Forschung, Lehre und Krankenversorgung zugleich wahrzunehmen. Diese Dreifachbelastung geht häufig zulasten der Forschung.

Der Wissenschaftsrat macht die Zukunftsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems von einer leistungsfähigen Universitätsmedizin abhängig. Er betitelt die zentralen Probleme der Universitätsmedizin: die Marginalisierung der akademischen Zielsetzung, unzureichende Rahmenbedingungen und Zielpositionen für den wissenschaftlichen Nachwuchs, mangelnde Ausstattung und Infrastruktur und den geringen Aktionsradius an der Schnittstelle von Gesundheitssystem und Wissenschaftssektor [39].

In unserer Untersuchung stellt sich ganz klar heraus, dass das mit Abstand größte Manko der klinischen Forschung die fehlende Zeit ist. Zahlreiche Studien bestätigen dies [3, 6, 25, 39].

Modell beruflicher Gratifikationskrisen

Die psychosoziale Arbeitsbelastung mit einer ER-Ratio von 1,37 innerhalb der Studienpopulation ist vergleichsweise hoch (s. Tab. 3). Bei den internistischen Assistenzärzten liegt sie mit 1,9 noch höher [29].

Die Ausprägung von Gratifikationskrisen nimmt mit Erreichen höherer Positionen (Ober‑/Chefarztstatus) im Krankenhaus ab [2, 37]. In einer Untersuchung unter deutschen Chirurgen waren hierfür verbesserte Belohnungsfaktoren (insbesondere Gehalt und Wertschätzung) ausschlaggebend [37].

Die beschriebenen Belastungsfaktoren haben gesundheitspolitische Relevanz für die Ärztegesundheit. Eine hohe psychosoziale Arbeitsbelastung ist mit einem erhöhten Risiko für insbesondere psychiatrische („burn out“) Erkrankungen assoziiert [36].

Je ausgeprägter die Gratifikationskrise ist, desto stärker sehen die Teilnehmer dieser Umfrage die Qualität der Patientenversorgung gefährdet. Diese Daten stärken damit Ergebnisse zurückliegender Untersuchungen, die zeigen, dass eine hohe psychosoziale Arbeitsbelastung unter Ärzten das Potential hat, die Behandlungsqualität von Patienten zu verschlechtern [21, 24, 38].

Die Ergebnisse dieser Befragung zeigen deutlich, dass junge Ärzte bei subjektiv ungenügenden Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen persönliche Konsequenzen ziehen und z. B. die Arbeitszeit reduzieren oder den Arbeitsplatz wechseln. Eine kürzlich publizierte prospektive Analyse belegte die Korrelation hoher psychosozialer Arbeitsbelastung mit der Wahrscheinlichkeit, den Arbeitsplatz zu wechseln [21].

Bei aller Kritik an ihren Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen sind die befragten Ärzte mit ihrer Arbeit als Urologen insgesamt überwiegend zufrieden. Ursächlich hierfür könnte eine starke Identifikation mit dem Berufsbild sein, und dass sich die Kritik primär auf die Arbeitsumstände richtet. Solche scheinbaren Widersprüche (ausgeprägte Gratifikationskrise bei relativ hoher Zufriedenheit im Beruf) werden auch aus anderen Untersuchungen berichtet [2].

Limitationen

Bei Beurteilung der Studienergebnisse ist die Möglichkeit einer Stichprobenverzerrung zu berücksichtigen. Gegebenenfalls sind mehr unzufriedene Ärzte der Einladung zur Teilnahme gefolgt. Des Weiteren können wir nicht ausschließen, dass Teilnehmer die Befragung mehrfach ausfüllten. Da die Beantwortung jedoch relativ lange dauert (ca. 20 min) gehen wir von einem zu vernachlässigbarem Anteil aus.

Fazit für die Praxis

  • Urologische Assistenzärzte sind mit ihrem Beruf zufrieden, äußern aber deutliche Kritik an den bestehenden Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen.

  • Im stark verdichteten Arbeitsalltag kommen Supervision, Fort- und Weiterbildung sowie familien- und forschungsfreundliche Arbeitsbedingungen zu kurz.

  • Ökonomisches Denken setzt die Assistenzärzte unter Druck und beeinflusst subjektiv auch medizinische Entscheidungen.

  • Die psychosoziale Arbeitsbelastung unter den befragten Ärzten ist hoch.

  • Diese Belastungsfaktoren haben gesundheitspolitische Relevanz. Sie sind eine Gefahr für die Gesundheit der betroffenen Ärzte und die Qualität der Patientenversorgung. Außerdem verschärfen sie den bestehenden Ärztemangel.