Die ARPKD („autosomal recessive polycystic kidney disease“), früher Potter-Sequenz Typ I, ist in der pränatalen Form lebensbedrohlich. Die betroffenen Kinder fallen schon in der Schwangerschaft durch Fruchtwasserverminderung (Oligohydramnion) und massive Nierenvergrößerung auf. Postpartal führen die Zystennieren zur abdominellen Druckerhöhung mit konsekutiver Lungenhypoplasie, pulmonalem Hypertonus und Problemen der enteralen Ernährung.

Bis zum Beginn der 21. Jahrhunderts waren alle der ARPKD Therapieansätze palliativ. Die frühe beidseitige Nephrektomie ermöglicht eine Überlebenschance bei extrem hohem Aufwand mit noch unklarem Langzeitverlauf.

Die zystische Nierenerkrankung ARPKD (Potter Typ I) hat eine Inzidenz von 1:20.000. Zirka jeder 70. Mensch trägt die Mutation, die auf dem Chromosom 6 lokalisiert ist. Man unterscheidet je nach Manifestationsalter zwischen pränataler, neonataler, infantiler und juveniler Form. Je früher das Manifestationsalter, desto schlechter die Prognose. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 6 Jahren, > 50 % der Kinder mit pränataler Form versterben im 1. Lebensjahr [1,2,3,4,5].

Die pränatale Form fällt schon während der Schwangerschaft auf und ist durch Oligo- (Fruchtwassermangel) oder Anhydramnion (kompletter Fruchtwasserverlust), massiv vergrößerte zystisch veränderte Nieren und eine Lungenhypoplasie gekennzeichnet. Oft kommen die Kinder aufgrund der verminderten Fruchtwassermenge früher zur Welt (Abb. 1).

Abb. 1
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Säugling mit ARPKD vor Nephrektomie

Die pränatale ARPKD ist eine schwere Erkrankung mit hoher Mortalität

Postpartal ist bereits in den ersten 24 h die Mortalität hoch, da die Kinder neben der Frühgeburtlichkeit mit allen konsekutiven Problemen eine terminale Niereninsuffizienz haben. Limitierend sind jedoch primär die Lungenhypoplasie (Abb. 2) und der pulmonale Hypertonus, die eine suffiziente Beatmung schwierig machen. Diese ist nur mit oszillierender Beatmung und Stickstoffzusatz möglich.

Abb. 2
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Lungenhypoplasie bei ARPKD

Sobald die Beatmung stabil ist, tritt die Frage nach der Dialyse und der enteralen Ernährung in den Vordergrund, die aufgrund der massiven Vergrößerung beider Nieren und des konsekutiven abdominellen Druckes im Bauchraum nicht möglich sind.

Bis zum Ende des 20 Jahrhunderts war die pränatale ARPKD eine tödlich verlaufende Erkrankung. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts tauchten die ersten Berichte über zunächst palliative Nephrektomien auf, die die enterale Ernährung verbessern sollten [6].

Beaunoyer et al. [7] berichteten 2007 als erste über die beidseitige Nephrektomie bei 9 Kindern mit ARPKD, die zu einer deutlichen Prognoseverbesserung nach 6 Jahren Follow-up mit 89 % Überleben der Kinder führte. Luo et al. [8] konnten 2013 in einer eigenen Serie mit 11 Kindern und einer Literaturrecherche diese guten Ergebnisse nicht reproduzieren, die Mortalität lag weiterhin bei 64 %. Die Konsensuskonferenz von 2014 zur ARPKD empfiehlt die Nephrektomie als Therapieoption [9].

In unserer Serie berichten wir über unseren Therapieansatz bei Kindern mit pränataler ARPKD.

Patienten

Zwischen 2010 und 2016 behandelten wir 7 Kinder mit pränataler ARPKD. Alle kamen bei Oligo- bzw. Anhydramnion in der 31. bis 39. Schwangerschaftswoche (SSW) mittels Sectio zur Welt, eins der Kinder in einer externen Klinik. Postpartal benötigten die Säuglinge eine spezielle oszillierende Beatmung mit Stickstoffanreicherung, um bei ausgeprägter Lungenhypoplasie, pulmonalem Hochdruck und wenig abdominellem Platz eine ausreichende Oxygenierung zu erreichen. Bei der oszillierenden Beatmung wird mit kurzen Stößen unter möglichst konstantem Mitteldruck beatmet, um bei sehr kleiner Gasaustauschfläche pulmonale Spitzendrücke in der Einatemphase und O2-Abfälle in der Ausatemphase zu vermeiden. Der Zusatz von Stickstoff bewirkt eine Senkung des pulmonalen Hypertonus. Diese Beatmung ist nur unter großem technischen und personellen Aufwand auf der neonatalen Intensivstation möglich. Ein Kind musste mehrere Stunden händisch ventiliert werden, da nur so eine suffiziente Beatmung gewährleistet werden konnte. Alle Kinder hatten eine massive Nierenhyperplasie beidseits (Länge 13–16 cm) und waren niereninsuffizient.

Die postoperative Blutdruckeinstellung bleibt ein bisher ungelöstes Problem

Nach der Stabilisierung der Beatmung wurde innerhalb von 24–72 h postpartal die Nephrektomie der ersten Seite durchgeführt. Im selben Eingriff erfolgte die Einlage eines peritonealen Dialysekatheters.

Nach Stabilisierung der Gesamtsituation und Etablierung der Peritonealdialyse erfolgte bei 6 Kindern nach 1–2 Wochen die Nephrektomie der zweiten Seite. Beim letzten Kind unserer Serie wurde bisher die 2. Niere belassen.

Operativer Ablauf

Aufgrund der schwierigen Beatmungssituation fand die Nephrektomie der ersten Seite auf der Intensivstation im Bett statt. Angestrebt war der Zugang in Seitenlage über einen Flankenschnitt, in einem Falle musste der Eingriff in Rückenlage erfolgen, da das Kind bei der Umlagerung instabil wurde. Über einen langen Flankenschnitt in Verlängerung der 12. Rippe war ein retroperitonealer Zugang ohne Eröffnung des Peritoneums angestrebt. In den meisten Fällen kam es aufgrund der Größe der Niere trotzdem zur Eröffnung des Peritoneums und dieses wurde möglichst wasserdicht verschlossen, um eine schnelle Einleitung der Dialyse zu ermöglichen (Abb. 3). In einem Fall kam es zur Pleuraverletzung, die mittels Pleuradrainage therapiert wurde.

Abb. 3
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Zustand nach Nephrektomie der 1. Seite

Alle Kinder mit ARPKD brauchen mittelfristig eine Nierentransplantation

In allen Fällen kam es direkt nach Entnahme der Niere zu einer Verbesserung der Beatmungssituation mit deutlichem Abfall der Beatmungsdrücke, wobei die Beatmungssituation aufgrund der Lungenhypoplasie schwierig blieb.

Entweder über einen separaten Zugang oder über das eröffnete Peritoneum wurde ein intraperitonealer Dialysekatheter eingelegt und die Wunde schichtweise verschlossen.

Nach ca. 24 h wurde zunächst mit kleinen Einlaufmengen die Dialyse begonnen, kein Kind wies ein peritoneales Leck auf. Alle Kinder zeigten nach Nephrektomie eine verbesserte enterale Nahrungsaufnahme und eine Stabilisierung des Flüssigkeitshaushalts.

Nach 1–2 Wochen erfolgte die Nephrektomie der Gegenseite, jetzt nach Stabilisierung der Gesamtsituation im Operationssaal. Hierbei blieb in allen Fällen das Peritoneum intakt und die Dialyse wurde postoperativ direkt wieder aufgenommen.

Ergebnisse

Es wurden in unserer Serie 7 Kinder, 6 Jungen und 1 Mädchen, mit pränataler ARPKD behandelt. 5 hatten pränatal ein Oligohydramnion, 2 Kinder zeigten ein Anhydramnion. Alle Kinder wurden bei pränatal bekannter Diagnose per Sectio in der 31. bis 39. SSW geboren. Postpartal erfolgte bei 6 Kindern innerhalb von 24 h, bei einem Kind nach 72 h die Nephrektomie der ersten Seite. Bei einem Kind kann es intraoperativ zum Pneumothorax bei Pleuraverletzung, ein Kind hatte beidseits einen spontanen Pneumothorax, beide Kinder wurden mit Pleuradrainagen versorgt, die im Verlauf entfernt werden konnten. Ein Kind musste am 3. Lebenstag bei Herzversagen reanimiert werden, ein Kind hatte zusätzlich eine Kardiomyopathie.

Bei allen Kindern konnte nach der ersten Nephrektomie die Dialyse erfolgreich etabliert werden und die Kinder nach Entlassung mittels Peritonealdialyse heimdialysiert werden.

Bei 6 Kindern wurde die Nephrektomie der zweiten Seite im Verlauf durchgeführt, leider kam es danach zu massiven Blutdruckentgleisungen sowohl mit hyper- wie auch hypotonen Krisen, die schwer einstellbar waren. Daher wurde beim letzten Kind der Serie die zweite Niere belassen. Darunter war der Blutdruck besser führbar. Aufgrund der Blutdruckentgleisungen kam es bei 3 Kindern zu neurologischen Komplikationen, die zu Residuen führten.

Ein Kind verstarb nach 10 Monaten im Rahmen eines banalen Infekts im Multiorganversagen. Zwei Kinder wurden bereits im Alter von 17 bzw. 19 Monaten nierentransplantiert, beide Kinder haben stabile Kreatininwerte im Normbereich. Die restlichen 4 Kinder befinden sich in der Evaluierung und sind klinisch stabil.

Diskussion

Die pränatale ARPKD ist eine seltene Erkrankung, die bis zum Ende des 20. Jahrhunderts mit hoher Letalität verbunden war [1,2,3,4,5]. Dank verbesserter Intensivmedizin und der Peritonealdialyse ist durch Nephrektomie ein Überleben der Kinder möglich.

Zunächst wurde die Nephrektomie nur als palliatives Konzept verfolgt [6], zeigte sich dann aber als Therapieansatz zur Senkung der Mortalität [7,8,9].

Bei pränataler Diagnose sollten die Eltern zunächst interdisziplinär beraten werden. Nicht nur dass sie ein schwerkrankes Kind trotz allem Aufwands unklare Prognosen bekommen. Selbst bei gutem Verlauf sind ein langer Intensivaufenthalt, mehrere operative Eingriffe, Heimdialyse für mindestens 1–2 Jahre und eine Nierentransplantation, angestrebt als Lebendspende durch die Eltern, zu erwarten. Bei mangelnder Compliance der Eltern ist hier eine Terminierung der Schwangerschaft in Erwägung zu ziehen.

Es wird diskutiert, ob gleich beide Seiten in einer Sitzung nephrektomiert werden sollten

Postnatal sollte eine möglichst schnelle Nephrektomie zumindest der einen Seite erfolgen, um die Beatmung zu verbessern und das Flüssigkeitsmanagement zu ermöglichen.

Es gibt Diskussionen darüber, ob zunächst eine Seite oder gleich beide Seiten in einer Sitzung nephrektomiert werden sollten. Für die beidseitige Nephrektomie in einer Sitzung spricht die Wachstumstendenz der Restniere. Erfahrungen zeigen, dass die Restniere schnell in den frei gewordenen Raum hineinwächst und mittelfristig wieder zum Anstieg des abdominellen Druckes führt.

Wir haben uns für das Stufenkonzept entschieden, um einerseits die Peritonealläsion möglichst klein zu halten und damit eine schnelle Dialyse zu ermöglichen. Andererseits hatten wir bei einigen Kindern nach der Nephrektomie der zweiten Seite massive Probleme mit der Blutdruckeinstellung, die z. T. zu neurologischen Komplikationen führten. Da nicht klar ist, wie die Blutdruckregulierung bei Säuglingen in den ersten Lebensmonaten gesteuert wird, glauben wir, dass eine verzögerte Nephrektomie der zweiten Seite die Blutdruckkomplikationen reduzieren könnte. Im letzten Kind unserer Serie war dieser Ansatz bisher erfolgreich.

Insgesamt ist der Verlauf aller Kinder durch einen langen Intensivaufenthalt mit multiplen Komplikationen (Pneumothorax, Peritonitis, Reanimation) gekennzeichnet.

Nach Stabilisierung der Kinder und Etablierung der Peritonealdialyse unter häuslichen Bedingungen sind die meisten Kinder stabil. Nichtsdestotrotz sind sie weiterhin anfälliger. Das zeigt das verstorbene Kind unserer Serie, das nach banalem Infekt der oberen Luftwege eine Sepsis mit Multiorganversagen erlitt.

Im Verlauf erfolgt die Evaluierung der Eltern zur Lebendspende. In unserem Haus ist Voraussetzung für die Nierentransplantation 1 Jahr Lebensalter und 8 kg Körpergewicht. Da alle Kinder durch die Niereninsuffizienz Gedeihstörungen aufzeigen und oft über eine Magensonde ernährt werden müssen, erreichen sie das Mindestgewicht eher weit nach dem 1. Geburtstag.

In unserer Serie sind bisher 2 Kinder transplantiert worden, beide durch Fremdspender. In einem Fall kamen die Eltern nicht in Frage und im zweiten Fall kam das Fremdangebot vor kompletter Evaluierung der Eltern. Beide sind stabil und mit den Kreatininwerten im Normbereich.

Aufgrund des bisher kurzen Follow-up von maximal 6 Jahren bleibt unklar, wie sicher die Langzeitprognose dieser Kinder ist. Alle Kinder werden im Lauf ihres Lebens weitere Nierentransplantationen benötigen und die neurologische Situation ist aufgrund des jungen Alters der meisten Kinder noch nicht komplett beurteilbar.

Der Verlauf der ARPKD ist durch langen Intensivaufenthalt mit multiplen Komplikationen gekennzeichnet

Grundsätzlich bleibt zu diskutieren, ob der hohe personelle, technische und operative Aufwand die Prognoseverbesserung rechtfertigt. Andererseits ist es die einzige Möglichkeit, die Mortalität der betroffenen Kinder zu beeinflussen.

Wir haben dieses Therapiekonzept bei ausgeprägtem Therapiewunsch der Eltern entwickelt, in den ersten Fällen bei bereits geborenen Kindern. Daher muss in jedem Fall individuell in enger Absprache mit den Eltern der Therapieansatz entwickelt werden.

Fazit für die Praxis

  • Die pränatale ARPKD ist eine schwere Erkrankung mit hoher Mortalität.

  • Die frühe beidseitige Nephrektomie ist ein vielversprechender Ansatz, der eine Verbesserung der Mortalität verspricht. Allerdings ist das Konzept nur mit einem hohen personellen und intensivmedizinischen Aufwand realisierbar.

  • Alle Kinder mit ARPKD brauchen mittelfristig eine Nierentransplantation, am besten als Lebendspende von den Eltern. Bis dahin ist die Heimdialyse nötig, die eine große Compliance seitens der Eltern erfordert.

  • Die postoperative Blutdruckeinstellung bleibt ein bisher ungelöstes Problem. Eventuell bietet die möglichst späte Nephrektomie der zweiten Seite einen Lösungsansatz, dessen Verlauf aber zurzeit noch unklar ist.