Hintergrund

Die intratumorale Heterogenität stellt eine pathologisch-histomorphologisch schon seit langem bekannte Eigenschaft maligner Tumoren dar. Durch Einsatz der Tiefensequenzierung („deep sequencing“) ist es mittlerweile jedoch möglich, intratumorale Heterogenität mit bisher ungekanntem Auflösungsvermögen auf der Ganzgenomebene zu analysieren. Dabei trägt die Erhöhung der Sequenziertiefe („coverage“) entscheidend dazu bei, auch selten vorkommende Mutationen zu identifizieren. Dies hat eine Reihe wichtiger translationaler Implikationen, die unten diskutiert werden sollen. An dieser Stelle sei angemerkt, dass die molekularen Mechanismen, die zur genomischen Instabilität von Tumoren beitragen, mit großer Wahrscheinlichkeit auch für die intratumorale Heterogenität verantwortlich sind (Abb. 1). Dies sind im Wesentlichen Mechanismen, die bei der Reparatur von DNA-Schäden eine Rolle spielen. DNA-Schäden können dabei intrinsisch, zum Beispiel durch sog. DNA-Replikationsstress auftreten oder durch mutagene Einflüsse, die ihren Ursprung außerhalb der Tumorzelle haben. Wie genau in diesem Zusammenspiel von DNA-Schädigung, Reparatur und Mikroenvironment Subpopulationen von z. T. genomisch hochgradig variierenden Tumorzellen entstehen, erwartet dringend der weiteren grundlagenwissenschaftlichen Klärung.

Abb. 1
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Genomische Instabilität, intratumorale Heterogenität und Therapieresistenz können nicht isoliert betrachtet werden, sondern reflektieren die Tatsache, dass Mutationsvorgänge und Selektionsprozesse zu einer permanenten Um- und Überformung von Tumorzellgenomen führen

Intratumorale Heterogenität am Beispiel des klarzelligen Nierenzellkarzinoms

Die ausgeprägte intratumorale genomische Heterogenität des Nierenzellkarzinoms wurde schlaglichtartig in einer 2012 erschienen Publikation von Gerlinger et al. [1] hervorgehoben. Hierbei konnte an einer relativ kleine Kohorte von vier Patienten durch „multiregion whole-exome sequencing“ gezeigt werden, dass die Mehrzahl (60–70 %) aller somatischen Mutationen heterogen, d. h. nicht in jeder sequenzierten Region nachweisbar sind. Exemplarisch wurden von einem Patienten mit metastasiertem klarzelligen Nierenzellkarzinom verschiedene Regionen des Primärtumors (initial n = 9, ausgeschlossen n = 2) sowie der Metastasen (n = 3) sequenziert. Es wurden insgesamt 101 Punktmutationen sowie 32 Indels („insertion or deletion of bases“) gefunden. Von den bereits bekannten rekurrent mutierten Genen des klarzelligen Nierenzellkarzinoms [2, 3] konnten Mutationen in VHL, MTOR sowie KDM5C und SETD2 bestätigt werden. Bemerkenswerterweise wurden nur etwa ein Viertel aller somatischen Genmutationen ubiquitär in Primärtumor und Metastasen nachgewiesen. Demgegenüber waren wiederum etwa ein Viertel der somatischen Mutationen und Indels ausschließlich in nur einer sequenzierten Region zu finden („private mutations“). Daneben wurden Genmutationen gefunden, die überwiegend nur innerhalb der Primärtumors oder der Metastasen vorhanden waren. Es ist darauf hinzuweisen, dass eine bestimmte Region des Primärtumors bereits Mutationen aufwies, die sich auch in den Metastasen fanden, so dass diese Region als Ursprungsort der Tumordissemination angesehen werden kann. Während eine 2bp-Deletion von VHL als sog. Stammmutation ubiquitär nachweisbar war, wurden im SETD2- und KDM5C-Gen z. T. unterschiedliche Mutationen in verschiedenen Tumorregionen nachgewiesen. Diese Ergebnisse legen nicht nur eine sich verzweigende intratumorale Evolution nahe, sondern darüber hinaus auch eine konvergierende intratumorale Evolution. Warum das gleiche Gen in verschiedenen, räumlich separierten Tumorpopulationen wiederholt ein Target für verschiedene somatische Mutationen darstellt, ist unbekannt, deutet aber auf eine herausragende Bedeutung von chromatinmodellierenden Prozessen bei der Progression des klarzelligen Nierenzellkarzinoms hin.

Diese grundlegenden Mechanismen der intratumoralen Evolution konnten an einem zweiten Kollektiv von zusätzlich acht klarzelligen Nierenzellkarzinomen bestätigt werden [4]. Neben der VHL-Mutation konnte in dieser Studie auch ein Verlust von Chromosom 3p als Stammereignis aus der Klasse der „somatic copy number alterations“ identifiziert werden. „Multiregion exome sequencing“ zeigte hier eine Häufigkeit heterogener somatischer Mutationen von 67 % [4]. Weiterhin wurde deutlich, dass in einer definierten Tumorregion multiple Subklone vorhanden sein können. Bona fide „driver mutations“ wurden mehrheitlich entlang der Äste des phylogenetischen Tumorstammbaums nachgewiesen. Im Zuge der verzweigten Tumorevolution können sich so Subklone mit jeweils spezifischer genomischer Ausstattung einschließlich subklonaler Driver-Mutationen ausbilden.

Bemerkenswerterweise lässt sich die intratumorale Heterogenität des klarzelligen Nierenzellkarzinoms auch anhand etablierter prognostisch relevanter transkriptioneller Signaturen abbilden. Hierbei wurde deutlich, dass sich in demselben Patienten gleichzeitig Tumorregionen mit guter Prognose (ccA) und schlechter Prognose (ccB) nachweisen lassen [1].

Durch diese Ergebnisse wird nahegelegt, dass, zum jetzigen Stand der Forschung, die Analyse einer Einzelbiopsie eines Nierenzellkarzinoms nicht nur die Anzahl potentieller Driver-Mutationen mit großer Wahrscheinlichkeit unterrepräsentiert, sondern auch mit Hinblick auf eine Prognoseabschätzung vorsichtig interpretiert werden muss [1, 4]. Allerdings ist auch zu betonen, dass eine funktionale Validierung subklonaler Driver-Mutationen und eine Abschätzung der Wertigkeit intratumoraler Heterogenität als Prognosefaktor derzeit noch ausstehen.

Malignes Wachstum – Evolution im Zeitraffer

Die beschriebenen Untersuchungen verdeutlichen, dass grundlegende Prinzipien der darwinistischen Evolution, Mutation und natürliche Selektion, auch auf das Wachstum maligner Tumoren angewendet werden können [5]. Die gleichzeitige Ausbildung von intratumoralen Subklonen mit z. T. unterschiedlichen Driver-Mutationen bei gleichzeitiger Konservierung von Stammmutationen lassen vermuten, dass letztere eine wichtige Rolle bei der Entstehung genomischer Instabilität spielen. Gleichzeitig sind vielfältige endogene und exogene Selektionsbarrieren vorstellbar. Diese können zelluläre Stressantworten, aber z. B. auch eine reduzierte Versorgung mit Wachstumsfaktoren oder eine antitumorale Immunantwort umfassen. Darüber hinaus trägt natürlich auch die nicht-operative Therapie der Tumorerkrankung zur Selektion bestimmter Subpopulationen bei. Es ist deshalb anzunehmen, dass Tumorzellgenome zwischen einer erhöhten genomischen Instabilität einerseits und Selektionsdrücken andererseits einer permanenten Umformung unterliegen, welche sich schlussendlich in der intratumoralen Heterogenität abbildet.

Klinisch-translationale Implikationen

Ob eine Charakterisierung der intratumoralen genomischen Heterogenität für eine weitere Risikostratifizierung von Patienten mit klarzelligem Nierenzellkarzinom geeignet ist, kann aufgrund der nur geringen bisher untersuchten Fallzahlen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden. Besondere Bedeutung könnte der intratumoralen Heterogenität als Ausdruck von Mutations- und Selektionsprozessen allerdings beim Einsatz zielgerichteter Therapien zukommen (Abb. 1). Hier sei als Beispiel auf eine Studie von Rini et al. [6] verwiesen, in der gezeigt werden konnte, dass die Zweitlinienbehandlung mit Tyrosinkinaseinhibitor (TKI) v. a. dann das progressionsfreie Überleben verbessert, wenn die Erstlinienbehandlung mit Zytokinen und nicht bereits mit einem vom Wirkmechanismus her ähnlichen TKI durchgeführt wurde. Im Lichte der genomischen intratumoralen Heterogenität könnte man diese abgeschwächte klinische Effektivität durch Selektion von resistenten Subpopulationen bzw. Depletion sensitiver Tumorzellen durch die zuvor durchgeführte TKI-Therapie zumindest ansatzweise erklären.

Ein Ziel der personalisierten Tumortherapie ist das Ausnutzen von Driver-Mutation als neue therapeutische Targets. Aufgrund der heterogenen und subklonalen Expression von bona fide „driver mutations“ [4], stellt ein solcher Ansatz beim fortgeschrittenen klarzelligen Nierenzellkarzinom eine Herausforderung dar. Weiterhin muss berücksichtigt werden, dass die Heterogenität und damit Plastizität von Tumorzellgenomen zu einer Situation führen, in der im Prinzip nach jedem Therapiezyklus alternative Driver-Mutationen auftreten können. Eine intermittierende molekulare Analyse zwischen Therapiezyklen erscheint daher unerlässlich, wie eindrücklich in einer jüngsten Analyse beim Prostatakarzinom gezeigt wurde [7]. Es könnte in diesem Zusammenhang beim klarzelligen Nierenzellkarzinom vorteilhaft sein, Stammmutationen bzw. ubiquitär vorhandene Mutationen, die ja etwa ein Viertel aller Mutationen ausmachen, durch innovative Ansätze therapeutisch weiter auszunutzen. Allerdings würde ein solcher Ansatz nur dann vielversprechend sein, wenn die Tumorzellen nicht ab einem bestimmten Zeitpunkt unabhängig von der Stamm-Mutation werden sollten. Eine bemerkenswerte Entdeckung diesbezüglich ist, dass eine Vorbehandlung mit einem mTOR-Inhibitor („mammalian target of rapamycin“) mit einer besonders geringen Heterogenität bei Erhalt der Stammmutation assoziiert war [4]. Eine biologische Erklärung dieses Ergebnisses und eine Bestätigung an größeren Kohorten stehen noch aus, es könnte allerdings zukünftige Kombinations- und Sequenztherapien beim metastasierten Nierenzellkarzinom beeinflussen.

Fazit für die Praxis

Die intratumorale Heterogenität des klarzelligen Nierenzellkarzinoms stellt eine grundlagenwissenschaftliche und klinisch-translationale Herausforderung dar. Allerdings ist es aufgrund der geringen bisher untersuchten Patientenzahlen und der noch ausstehenden multizentrischen und prospektiven Validierung derzeit noch verfrüht, weitergehende Rückschlüsse auf die prognostische und therapeutische Relevanz zu ziehen. Die Tatsache, dass trotz ausgeprägter intratumoraler Heterogenität ubiquitär vorhandenen genomische Veränderungen auch beim fortgeschrittenen klarzelligen Nierenzellkarzinom nachgewiesen werden können, lässt hoffen, dass sich dadurch neue therapeutische Interventionsmöglichkeiten ergeben.