Staging

Die Stadieneinteilung erfolgt nach der UICC-Klassifikation, die allen klinischen Studien zugrunde liegt und die analog von anderen, internationalen Prostatakarzinomleitlinien angewandt wird. Im Sinne der deutschen S3-Leitlinie gilt folgende Einteilung:

  • lokal begrenztes Prostatakarzinom: Stadien T1–2 N0M0,

  • lokal fortgeschrittenes Prostatakarzinom: Stadien T3–4 N0M0,

  • fortgeschrittenes Prostatakarzinom: Stadien N1–3,

  • metastasiertes Prostatakarzinom: Stadium M1.

Kritisch anzumerken ist hier, dass in der Leitliniengruppe ausgiebig diskutiert wurde, dass der Übergang zwischen einem lokal begrenzten Prostatakarzinom der Hochrisikogruppe (s. unten) zum lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinom derzeit unscharf ist. Im Umkehrschluss wurde ebenfalls überlegt, dass eine Betrachtung der Tumorkategorie cT3 als lokal begrenztes Prostatakarzinom sinnvoll sein könnte.

Nach D’Amico [6] wird das lokal begrenzte Prostatakarzinom nach Risikofaktoren in 3 prognostisch unterschiedliche Gruppen eingeteilt.

  1. 1.

    niedriges Rezidivrisiko: PSA<10 ng/ml und T1c-T2a und Gleason-Score <7,

  2. 2.

    mittleres Rezidivrisiko: PSA>10 und <20 ng/ml oder T2b oder Gleason-Score =7,

  3. 3.

    hohes Rezidivrisiko: PSA>20 ng/ml oder >T2b oder Gleason-Score >7.

Patienten mit einem Gleason-Score von ≥8 oder einer Kategorie cT3/4 sollten vor der Entscheidung über eine therapeutische Maßnahme eine kernspintomographische Untersuchung der Beckenorgane erhalten [11], welches auch zur besseren Abgrenzbarkeit der Prostata in der Strahlentherapieplanung eingesetzt werden kann.

Bei einem PSA<10 ng/ml sind nur in 2,3% der Patienten Knochenmetastasen zu erwarten, bei PSA>20 ng/ml steigt die Prävalenz auf ca. 16%, bei einem Gleason-Score >7 auf 28% und bei cT3/4 auf 47% [1]. Daher sollte zum Ausschluss einer Metastasierung bei Patienten mit PSA≥10 ng/ml oder einem Gleason-Score ≥8 oder einer Kategorie cT3/4 oder bestehenden Knochenschmerzen eine Skelettszintigraphie durchgeführt werde, ggf. gefolgt von weitergehenden radiologischen und/oder neurologischen Untersuchungen.

Mit schlechteren Risikofaktoren steigt auch das Risiko für einen Lymphknotenbefall. Hierbei ist zu bedenken, dass bei einem Gleason-Score >7 oder cT3/4 bereits bei ca. einem Viertel der Patienten befallene Lymphknoten (N+) nachgewiesen werden können [1]. Die bildgebende Diagnostik mit unterschiedlichen Modalitäten (US, CT, MRT, PET) erreichten in dieser Fragestellung bisher nur limitierte Sensitivitäten und Spezifitäten. Inwieweit neue, lymphknotenspezifische MRT-Kontrastmittel die diagnostische Aussagekraft verbessern werden, muss noch in zukünftigen Studien geprüft werden.

Nach Abschluss der Primärdiagnostik mittels Biopsie, DRU, PSA-Bestimmung und evtl. TRUS oder MRT, können zur Abschätzung des Risikos einer lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Erkrankung sowie der Prognose der Erkrankung Nomogramme eingesetzt werden. Hierbei sollen extern validierte Nomogramme Anwendung finden.

Wahl der primären Therapie

Beim lokal begrenzten Prostatakarzinom ist die perkutane Strahlentherapie (evtl. kombiniert mit einer zeitlich begrenzten hormonablativen Therapie) eine primäre Therapieoption. Als gleichwertige Therapieoption in dieser Patientengruppe gilt die alleinige Brachytherapie mit radioaktiven Seeds.

Vergleichende Phase-III-Studien aller verschiedenen Therapieoptionen des Prostatakarzinoms mit relevanten Endpunkten (z. B. Gesamtüberleben) liegen zzt. nicht vor. In retrospektiven Analysen konnte gezeigt werden, dass die ausreichend hoch dosierte perkutane Strahlentherapie, die Brachytherapie und die radikale Prostatektomie bezüglich der PSA-Rezidivfreiheit vergleichbare Ergebnisse zeigen [19].

Beim lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinom ist die perkutane Strahlentherapie in Kombination mit einer Hormontherapie oder kombiniert mit einer HDR-Brachytherapie (Afterloading) eine primäre Therapieoption.

Risikoadaptierte Therapie

Patienten mit niedrigem Rezidivrisiko sollen mit einer perkutanen Strahlendosis von mindestens 70–72 Gy bestrahlt werden. Bei mittlerem Risikoprofil ist die Intensivierung der Therapie angezeigt. Dies kann durch eine Erhöhung der Dosis der perkutanen Strahlentherapie und/oder einer hormonablativen Therapie erreicht werden. Auch eine Kombinationstherapie von perkutaner Strahlentherapie und Brachytherapie ist möglich.

Bei hohem Rezidivrisiko ist der Einsatz der zusätzlichen hormonablativen Therapie obligat. Diese sollte für mindestens 2 (besser 3) Jahre appliziert werden [18]. Soll beim lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinom eine perkutane Radiotherapie durchgeführt werden, so wurde in zahlreichen randomisierten Studien (EORTC 22863, RTOG 85–31, RTOG 86–10) festgestellt, dass die Kombination mit einer hormonablativen Therapie einer alleinigen Strahlentherapie hinsichtlich des Gesamtüberlebens, des metastasenfreien Überlebens sowie des klinischen und biochemischen rezidivfreien Überlebens signifikant überlegen ist [7, 10, 12, 13, 25, 27]. Die Kombinationsbehandlung ist auch einer alleinigen Langzeithormontherapie signifikant überlegen [30]. In dieser Phase-III-Studie war die prostatakarzinomspezifische Mortalität nach 10 Jahren um 16% reduziert, die PSA-Rezidivfreiheit lag bei 74,1% verglichen mit 25,3% im alleinigen Langzeithormontherapiearm. Aktuelle Ergebnisse der hormonablativen Kurzzeit- (6 Monate) vs. einer Langzeittherapie (36 Monate) bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder Hochrisikoprostatakarzinom, die eine Strahlentherapie erhielten, belegen einen Überlebensvorteil der Patienten mit Langzeithormontherapie [5]. Da sich aus den unterschiedlichen Studien keine eindeutige Zeitfestlegung ergibt, wurde eine Mindestdauer der hormonablativen Therapie von 2 (besser jedoch 3) Jahren für die Empfehlung gewählt.

Patienten im lokal fortgeschrittenen Stadium und einer geplanten lokalen Therapie sollen daher über Vor- und Nachteile, sowohl der radikalen Prostatektomie mit Lymphadenektomie als auch einer Strahlentherapie mit ggf. zusätzlicher, zeitlich befristeter Hormontherapie aufgeklärt werden [14]. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass Patienten mit einem Prostatakarzinom der klinischen Kategorie cT3, die eine radikale Prostatektomie wünschen, über das gegenüber dem lokal begrenzten Prostatakarzinom erhöhte Risiko für positive Resektionsränder (Rate positiver Schnittränder: 37–56% [28, 29]) und für ein Krankheitsrezidiv sowie die daraus häufig resultierenden zusätzlich notwendigen Maßnahmen (z. B. Strahlentherapie, Hormontherapie) aufgeklärt werden. Wie beim lokal begrenzten Prostatakarzinom sollte Patienten mit lokal fortgeschrittenen Stadien vor der Therapieentscheidung angeboten werden, sowohl von einem Urologen als auch von einem Radioonkologen über die Vor- und Nachteile der radikalen Prostatektomie bzw. Strahlentherapie aufgeklärt zu werden. Die Diskussion der Nebenwirkungen der unterschiedlichen Therapieoptionen sollten die Funktionsbereiche Miktion, intestinale Symptomatik und Sexualstörungen umfassen. Diese Empfehlung trägt der Tatsache Rechnung, dass aufgrund der eingeschränkten vorliegenden Evidenz ohne randomisierte kontrollierte Vergleiche keine Priorisierung einer lokalen Therapieoption (Operation vs. Strahlentherapie) möglich ist. Diesem Umstand wird sowohl in der AUA-Leitlinie 2007, der EAU-Leitlinie 2007 als auch der niederländischen Leitlinie Rechnung getragen.

Ein valider, direkter Vergleich zwischen den Ergebnissen für die perkutane Strahlentherapie und denen der radikalen Prostatektomie ist in Anbetracht der wenigen vorliegenden Studien nicht möglich. Indirekte Vergleiche aufgrund von Studien mit jeweils operativ oder strahlentherapeutisch behandelten Patienten ergeben ähnliche Raten bezüglich des biochemischen progressionsfreien 5-Jahres-Überlebens (bPFS) und krankheitsspezifischem 5- bzw.10-Jahres-Überleben, während 10-Jahres-bPFS und 10-Jahres-Gesamtüberleben in den Untersuchungen mit operativen Patientenkollektiven insgesamt etwas höher scheinen. Ein indirekter Vergleich ist methodisch jedoch aufgrund des Einschlusses unterschiedlicher Patientenkollektive problematisch. Operierte Patienten sind meist jünger (dies wirkt sich v. a. auf das Gesamtüberleben aus) und die Anzahl untersuchter Patienten im Vergleich zu Serien mit perkutaner Strahlentherapie ist kleiner. Darüber hinaus ist bei den operativen Studien zu berücksichtigen, dass in die Ergebnisse auch Patienten mit zusätzlicher adjuvanter oder postoperativer Strahlentherapie oder hormonablativer Behandlung eingeschlossen wurden.

Insgesamt können für beide Verfahren folgende Orientierungswerte (Range) angegeben werden:

  • biochemisches progressionsfreies 5-Jahres-Überleben: 20–85%,

  • biochemisches progressionsfreies 10-Jahres-Überleben: 20–51%,

  • krankheitsspezifisches 10-Jahres-Überleben: 57–91%,

  • 10-Jahres-Gesamtüberleben: 34–77%.

Technik und Dosierung der perkutanen Strahlentherapie

Es gilt heutzutage als Standard, dass die Radiotherapie des Prostatakarzinoms auf Basis einer dreidimensionalen Bestrahlungsplanung erfolgt [8, 23]. In einer randomisierten Studie und einer Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass durch die dreidimensionale Bestrahlungsplanung die Akut- und Spättoxizität gesenkt werden konnte [8, 22]. Nur so ist auch eine Eskalation auf Gesamtdosen über 72 Gy mit dem Ziel einer besseren Tumorkontrolle möglich [17, 23].

Ergebnisse randomisierter Dosiseskalationsstudien konnten eine Verbesserung der biochemischen Rezidivraten durch eine Erhöhung der Gesamtdosis auf 74–78 Gy zeigen. Gleichzeitig wurde eine erhöhte Rate von Spätnebenwirkungen, vorwiegend bezüglich rektaler Toxizitäten, beobachtet.

In der randomisierten Studie aus dem „MD Anderson Cancer Center“ wurde die Dosiseskalation mit 78 Gy gegenüber einer Dosis von 70 Gy untersucht [17, 26]. Es konnte eine signifikante Verbesserung der Rezidivraten gezeigt werden. Allerdings war im 78-Gy-Arm die gastrointestinale Toxizität signifikant erhöht. Kritisch anzumerken ist, dass in beiden Behandlungsarmen ein Großteil der Radiatio als konventionelle Strahlentherapie erfolgte, die heutzutage nicht mehr angewandt wird.

Eine randomisierte holländische Studie [23] verglich eine Dosis von ebenfalls 78 Gy mit einer Standarddosis von 68 Gy. Auch hier konnte eine signifikante Verbesserung der Rezidivfreiheit gezeigt werden. Gastrointestinale Spätnebenwirkungen wurden im 78-Gy-Arm häufiger beobachtet, waren insgesamt aber deutlich seltener als in der MD-Anderson-Studie, was auch auf die modernere Bestrahlungstechnik zurückzuführen sein kann. Auch die britische randomisierte Dosiseskalationsstudie (74 vs. 64 Gy) fand hinsichtlich des biochemisch progressionsfreien Überlebens einen signifikanten Vorteil für die höhere Dosis. Hinsichtlich der Spättoxizitäten traten signifikant häufiger Darmdysfunktion Grad ≥2 im 74-Gy-Arm auf. Als einzige der randomisierten Studien untersuchte die britische Arbeitsgruppe die erektile Dysfunktion sowie körperliche, mentale und soziale Einschränkungen. Es fand sich kein Unterschied bezüglich der Behandlungsarme [9].

Allen Studien gemeinsam ist, dass kein Unterschied hinsichtlich urogenitaler Nebenwirkungen gefunden werden konnte.

Seit 1996 werden neue Bestrahlungstechniken wie die intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) oder bildgestützte Radiotherapie (IGRT, image guided radiotherapy) weltweit eingesetzt. Diese bieten die Möglichkeit höhere Strahlendosen mit gleicher oder geringerer Nebenwirkungsrate zu applizieren [3, 21, 31]. Al-Mamgani et al. [2] untersuchten 78 Patienten aus der holländischen Studie, die entweder eine dreidimensionale konformale oder eine intensitätsmodulierte Radiatio mit 78 Gy erhalten hatten. Es wurde gezeigt, dass die Rate von akuten Grad ≥2 Darmnebenwirkungen durch den Einsatz der IMRT von 61% auf 20% gesenkt werden konnte. Grad-3-Spätnebenwirkungen traten bei keinem Patienten auf. In Serien mit modernen Bestrahlungstechniken werden daher Grad-3-Toxizitätsraten von 0–5% berichtet [19, 32]. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind vorsichtig zu interpretieren, da sie in nicht randomisierten Studien erhoben wurden.

Resultate randomisierter Studien (EORTC und RTOG), welche neue Bestrahlungstechniken einsetzen, werden in den nächsten Jahren erwartet.

Offene Fragen

Ob eine zusätzliche Bestrahlung der pelvinen Lymphabflusswege die Therapieresultate weiter verbessert ist derzeit noch nicht abschließend geklärt, obwohl Ergebnisse von insgesamt 4 randomisierten Studien mit >2600 Patienten vorliegen [20]. Nachdem die initiale Auswertung der prospektiv randomisierten Phase-III-Studie (RTOG 94–13) einen Vorteil der Bestrahlung der Lymphabflusswege zeigte, relativierte sich der Effekt in der Nachfolgepublikation. Unklar ist hierbei v. a. die Interaktion der Lymphabflussbestrahlung mit der Hormontherapie. Auch die Leitlinienempfehlungen anderer Länder kommen hier zu unterschiedlichen Empfehlungen. So nehmen die Niederländer hierzu überhaupt keine Stellung, die EAU bezeichnet die Lymphabflussbestrahlung als Option wohingegen die englische NICE die Therapie empfiehlt. Aufgrund der Tatsache, dass die großen Studien der EORTC und RTOG ihre guten Ergebnisse unter Einschluss der Bestrahlung pelviner Lymphknoten erzielt haben, liegt der Schluss nahe, dass die Bestrahlung der pelvinen Lymphabflusswege zu diesen Ergebnissen beigetragen haben könnte [4, 13]. Aus diesem Grund wird das Verfahren nicht ausgeschlossen, sondern mit einer „Kann-Empfehlung“ versehen. Aus radioonkologischer Sicht ist hier auch vieles im Fluss.

Die großvolumige Bestrahlung der pelvinen Lymphknotenstationen mit typischerweise moderaten Dosen von 44–50 Gy führt zu einer etwas erhöhten intestinalen Akuttoxizität, ist jedoch aufgrund der limitierten Dosis nicht in der Lage, mehr als mikroskopischen Tumorbefall zu sterilisieren. Mit Hilfe moderner Bestrahlungstechnik z. B. der IMRT könnte es möglich sein die Bestrahlungsdosis kleinvolumig an befallenen Lymphknoten zu eskalieren, ohne die Dosisbelastung am GI-Trakt relevant zu erhöhen. Diese Dosen könnten ausreichen, größere Tumorzellfoci zu sterilisieren, sofern die bildgebende Diagnostik mit ausreichender Sensitivität und Spezifität die Definition des Zielvolumens erlaubt [16]. Diesbezüglich stehen Langzeitergebnisse prospektiver Studien aus.

Fazit für die Praxis

Die Strahlentherapie bietet Patienten mit lokal begrenztem und lokal fortgeschrittenem Prostatakarzinom eine gleichwertige Alternative zur radikalen Operation. Eine lokale Dosiserhöhung und/oder die hormonablative Therapie verbessern die Therapieergebnisse signifikant bei Patienten mit intermediärem und insbesondere hohem Rezidivrisiko.