Hintergrund und Fragestellung

Botulinumtoxin A (BTX-A) ist ein Neurotoxin, das von dem Bakterium Clostridium botulinum, einem geraden, peritrich begeißelten Stäbchenbakterium mit ovalen mittel- bis endständigen Sporen produziert wird. Es ist das derzeit potenteste bekannte Neurotoxin. Zirka 0,1 µg wirken bei oraler Einnahme für den Menschen tödlich.

Es existieren 7 verschiedene Serotypen (A–G), welche ähnliche Eigenschaften aufweisen [2]. Für den Menschen toxisch sind hiervon die Typen A, B, E, F, G. Für den klinischen Einsatz zugelassen sind Serotyp A und B. BTX-A hemmt an der motorischen Endplatte die Ausschüttung von Acetylcholin und unterbindet die Reizüberleitung von der Endigung des präsynaptischen Axons auf die Muskel- oder Drüsenzelle. BTX-A besteht aus zwei Untereinheiten, einer leichten und einer schweren Kette, die als L- und H-Kette bezeichnet werden. Mit Hilfe der H-Kette dockt das BTX-A gezielt am präsynaptischen Teil der neuromuskulären Endplatte an. Durch Endozytose wird das Toxin in die synaptische Endigung aufgenommen. Hier spaltet sich die L-Kette ab [5]. Diese Untereinheit wirkt als Zinkendopeptidase und ist in der Lage, verschiedene Proteine des Vesikelfusionsapparats zu spalten und damit die Exozytose der Vesikel zu verhindern. Letztlich resultiert hieraus eine schlaffe Muskellähmung. Der Effekt hält so lange an, bis es zu einem Abbau des Toxins, einer Neubildung cholinerger Synapsen (nerve sprouting) oder einer erneuten Synthese der Proteinkomplexe an der präsynaptischen Membran gekommen ist [2]. Zusätzlich werden im Bereich der glatten Muskulatur und speziell des Urothels auch sensible Mechanismen, z. B. eine Modulation an den afferenten Nervenfasern, diskutiert [4].

BTX-A wird seit 1989 gezielt zur neurologischen Therapie bei Dystonien, Schielen oder Lidkrämpfen eingesetzt. Darüber hinaus besteht eine Zulassung für die Behandlung des Blepharospasmus, des Spasmus hemifacialis sowie bei bestimmten spastischen Syndromen (z. B. spastischer Spitzfuß). Im Jahr 1999 wurde durch Stöhrer et al. [18] die neurogene Detrusorüberaktivität erstmals durch eine BTX-A-Injektion in den Detrusormuskel therapiert. Der Begriff überaktive Blase (OAB) wird nach der Klassifikation der „International Continence Society“ als Symptomenkomplex aus Pollakisurie, Nykturie und imperativem Harndrang bis hin zur Dranginkontinenz definiert. Urodynamisch kann die nichtneurogene OAB mit einer idiopathischen Detrusorüberaktivität assoziiert sein. In Deutschland sind, bei steigender Prävalenz mit zunehmendem Alter, etwa 6,5 Mio. Erwachsene betroffen [6, 8].

Die nichtneurogene OAB wird primär mit einer oralen anticholinergen Medikation in Kombination mit einem Biofeedback-assistierten Beckenbodentraining therapiert. Bei diesbezüglichem Therapieversagen konnten lange Zeit nur invasivere Maßnahmen wie die sakrale Neuromodulation sowie Blasenaugmentation oder Zystektomie mit anschließender Harnableitung angeboten werden. Somit stellt die intravesikale Therapie mit BTX-A eine alternative Methode dar, mit welcher die Lücke zwischen nebenwirkungsreicher, wenig invasiver und maximal invasiver, operativer Therapie geschlossen werden kann.

Obwohl das Medikament für diese Indikationen noch nicht zugelassen ist, hat die BTX-A-Therapie der neurogenen oder nichtneurogenen OAB mittlerweile eine bedeutende Rolle eingenommen. BTX-A kann unter zystoskopischer Kontrolle gezielt in den M. detrusor vesicae injiziert werden und führt als lokale Injektionstherapie zu nahezu keinen systemischen Nebenwirkungen [11].

Ziel dieser prospektiven Untersuchung war es, Wirkungsgrad und -dauer des BTX-A im Einsatz bei der Erkrankung der nichtneurogenen OAB zu evaluieren und mögliche Nebenwirkungen und Komplikationen zu erfassen, um eine genauere Aussage über den therapeutischen Einsatz zu ermöglichen. Zusätzlich sollten die oben genannten Parameter nach mehrmaliger BTX-A-Behandlung erfasst werden.

Material und Methode

Im Zeitraum von Mai 2005 bis Dezember 2008 wurden 34 Frauen und 6 Männer mit einem Durchschnittsalter von 68 (19–85) Jahren mit BTX-A-Injektionen (Dysport®, Fa. Ipsen Pharma, Deutschland) in den M. detrusor vesicae behandelt. Einschlusskriterien waren das Syndrom der OAB nach der Definition der „International Continence Society“ mit urodynamisch nachweisbarer nichtneurogener Detrusorüberaktivität oder Überempfindlichkeit der Blase mit vorzeitiger Füllsensation. Bei allen Patienten konnte ein Versagen der konservativen Maßnahmen, einschließlich der physikalischen Therapie dokumentiert werden. Orale Anticholinergika waren nicht wirksam oder konnten aufgrund erheblicher Nebenwirkungen nicht dauerhaft in der empfohlenen Dosierung eingenommen werden. Patienten mit interstitieller Zystitis, Radiozystitis, chronischem Beckenschmerzsyndrom oder unbehandelter Prostatahyperplasie waren nicht Bestandteil des untersuchten Kollektivs.

Vor der Behandlung wurden eine Miktionsanamnese einschließlich Erfassung des Vorlagenverbrauchs, körperlicher und orientierend neurourologischer Untersuchung, Ausschluss einer Harnwegsinfektion, Zystomanometrie, einschließlich Uroflowmetrie und Sonographie der Harnwege (einschließlich Kontrolle der Blasenentleerung) durchgeführt. Zur Standardisierung der Anamnese kamen die Fragebögen „ICI Questionnaire Short Form“ (ICIQ-SF) zur Dokumentation der Harninkontinenzbeschwerden und der „Kings Health Questionnaire“ (KHQ) zur Erfassung spezifischer Lebensqualitätdaten zur Anwendung. Die urodynamische Untersuchung erfolgte, sofern vorhanden, nach zeitgerechtem Absetzen der anticholinergen Medikation mit dem Messplatz Ellipse® (Fa. Andromeda) sowie der Analysesoftware AUDACT®. Eine Injektion von BTX-A erfolgte nur bei Nachweis eines maximalen Füllungsvolumens von mindestens 200 ml; signifikanter Restharn lag bei keinem Patienten vor.

Den Patienten wurden in Vollnarkose oder Spinalanästhesie insgesamt 500 MU kommerziell erhältliches BTX-A in 20 Portionen à 0,5 ml Lösung (entsprechend 25 MU BTX-A/Injektion) in den M. detrusor vesicae injiziert. Dies erfolgte unter Videozystoskopie mittels eines 19,5-Charr-Alberran-Zystoskops über die gesamte, innere Oberfläche der Blasenwand ohne Aussparung des Trigonums (Abb. 1). Perioperativ erfolgte eine antibakterielle Prophylaxe („single shot“). Sofern noch bestehend, wurde die anticholinerge Medikation über die erste postoperative Woche vollständig abgesetzt. Die Patienten wurden in Intervallen von 4 und 12 Wochen sowie nach dem Wiederauftreten einer klinischen Symptomatik und spätestens 1 Jahr nach Behandlung mittels persönlichem Gespräch, standardisierten Evaluationsbögen zu Kontinenz, Vorlagengebrauch und QoL sowie freier Uroflowmetrie und Restharnkontrolle nachuntersucht. Es wurden Änderungen der Miktionsfrequenz, Wirkdauer, Nebenwirkungen und Häufigkeit des Urinverlusts in einem persönlichen Gespräch erfragt und dokumentiert. Insbesondere die QoL wurde ansteigend entsprechend einer Skala von 1–10 erfasst.

Abb. 1
figure 1

Transurethrale Injektion von BTX-A in den M. detrusor vesicae unter videozystoskopischer Kontrolle

Die Therapie wurde als gescheitert angesehen, wenn klinisch nach 4 Wochen keine Änderung zu dokumentieren war. Eine erneute Injektion erfolgte bei Patientenwunsch nach mehr als 4 Wochen bei Therapieversagen oder beim Nachlassen respektive Sistieren der BTX-A-Wirkung. Eine erneute Zystomanometrie erfolgte nur bei nach Erstinjektion klinisch unklarem Befund. Bei 15 Patienten erfolgte im weiteren Verlauf bei nachlassender Wirkung eine zweite, bei 4 Patienten eine dritte und bei 1 Patientin eine vierte BTX-A-Injektion in den M. detrusor vesicae.

Die statistische Datenauswertung erfolgte unter Einsatz des nichtparametrischen Mann-Whithey-U-Tests (SPSS®-Software, Version 15).

Ergebnisse

Eine BTX-A-Behandlung wurde erfolgreich bei allen 40 Patienten durchgeführt. Bei keinem der Patienten kam es zu einer Hämaturie, lokalen Schmerzen oder systemischen Begleitwirkungen. Bei insgesamt 4 Patienten (10%; 2 Männer und 2 Frauen) kam es innerhalb von 2 Wochen nach Injektion zu einer zeitlich begrenzten, chronischen Harnretention, sodass für weitere 4 bis maximal 11 Wochen ein steriler Einmalkatheterismus oder eine suprapubische Harnableitung erfolgen musste. Bei den sonographischen Nachuntersuchungen des oberen Harntraktes traten keine pathologischen Befunde auf.

Die Nachbeobachtungszeit betrug im Median 9 Monate (4 Wochen bis 45 Monate). Innerhalb der ersten 2 Wochen nach BTX-A-Injektion trat bei 33 (83%) der behandelten Patienten eine Veränderung der Miktionsverhältnisse ein. Vor der Behandlung bestand bei 30 (75%) der 40 Patienten eine Dranginkontinenz (80% Frauen und 50% Männer). Gleichzeitig lies sich bei 17 von ihnen eine Detrusorüberaktivität in der vorausgegangenen urodynamischen Untersuchung nachweisen. Drei Monate nach der Therapie mit BTX-A sistierte bei 4 (13,3%) der Patienten die Dranginkontinenz vollständig. Eine deutliche Reduktion der Dranginkontinenzereignisse konnte zusätzlich bei insgesamt 68% der betroffenen Patienten dokumentiert werden (Abb. 2). Der durchschnittliche Vorlagenverbrauch lag vor Therapie im Mittel bei 5 (1–11) Stück über 24 h. Er reduzierte sich postinterventionell im Durchschnitt auf 2 (0–7) Stück über 24 h (p=0,034), wobei viele der Patienten eine sog. Sicherheitsvorlage“ gebrauchten, welche meist nur Spuren von Harn auffing (Abb. 3). Die Häufigkeit der Miktion betrug vor BTX-A-Injektion am Tag im Mittel 18-mal (8- bis 48-mal). In 81% der Fälle konnte eine Reduktion der Diurie auf eine mittlere Frequenz von 8 (4–32) erreicht werden (p<0,001). Die durchschnittliche Miktionsfrequenz in der Nacht lag vor Therapie bei 4-mal (1-bis 10-mal). Eine Reduktion der Nykturie zeigte sich bei 68% der Patienten (p=0,009; Abb. 4). Die subjektive Kontrolle der Drangsymptomatik wurde auch bei teils fortbestehendem imperativem Harndrang in gleichem Maße als deutlich gebessert angegeben.

Insgesamt ergab sich bei einer Nachbeobachtung von 12 Wochen eine Verbesserung der Lebensqualität von im Mittel 8 auf 3 Punkte auf einer analogen Skala von 1–10 (generelle Beeinträchtigung des Alltages: 0=überhaupt nicht, 10=ein schwerwiegendes Problem; Abb. 3). Nach 4- und 12-wöchigem Follow-up ergab sich eine deutliche Verbesserung in den Kategorien des KHQ. Von den Patienten erfuhren 83% eine Verbesserung in mindestens 1 KHQ-Kategorie, einschließlich der Fähigkeit zur Mobilität, Wirkung auf den Schlaf, die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, Leistungsfähigkeit im Haushalt und die Auswirkung auf das tägliche Leben. Die Wirkdauer betrug im Median 6 (1–45) Monate. Im Anschluss kam es zu einem leichten bis moderaten Rückgang der Wirkung. Bei 4 Patienten (10%) zeigte sich eine bis heute andauernde vollständige BTX-A-Wirkung (9–38 Monate). Der positive Effekt auf die QoL ging bei einer medianen Nachbeobachtung von 9 Monaten mit nachlassender Wirkung in gleichem Maße auf sein Ausgangniveau zurück. In allen Untersuchungen wurde eine gute Verträglichkeit der BTX-A-Behandlung ohne die Wahrnehmung anderweitiger Wirkungen beschrieben.

Abb. 2
figure 2

Verbesserung des imperativen Harndrangs und der Dranginkontinenz vor und 12 Wochen nach BTX-A-Injektion in den M. detrusor vesicae

Abb. 3
figure 3

Signifikante Reduktion der Vorlagen und signifikante Verbesserung der QoL auf einer analogen Skala von 1–10 (generelle Beeinträchtigung des Alltages: 0 = überhaupt nicht, 10 = ein schwerwiegendes Problem) im Vergleich vor und 12 Wochen nach BTX-A-Injektion in den M. detrusor vesicae (präop präoperativ, postop postoperativ)

Abb. 4
figure 4

Signifikante Reduktion der Diurie und Nykturie 12 Wochen nach BTX-A-Injektion in den M. detrusor vesicae (präop präoperativ, postop postoperativ)

Bei 15 Patienten erfolgte eine wiederholte Behandlung. Auch nach wiederholter BTX-A-Applikation traten keine relevanten Komplikationen auf. Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit dieser Patientengruppe von 34 Monaten zeigte sich bis zur letztmaligen Therapie ein Rückgang der Diurie von initial 15- auf 5-mal sowie der Nykturie von initial 6- auf 3-mal. Die mediane Wirkdauer betrug 6 (2–10) Monate. Bei 4 dieser Patienten erfolgte eine dritte BTX-A-Applikation, welche in einer medianen Wirkdauer von 9 Monaten resultierte. Eine Patientin erhielt eine vierte BTX-A-Injektion und zeigte hiernach eine anhaltende Wirkung von aktuell 11 Monaten.

Diskussion

BTX-A bindet an den cholinergen Axonendkolben und hemmt die Acetylcholinausschüttung aus dem Endkolben in den synaptischen Spalt. Die verringerte Acetylcholinfreisetzung führt zu einer verminderten Muskelzellkontraktilität. Die resultierende chemische Denervierung ist reversibel, da nach 3–6 Monaten neue Axonaussprossungen auftreten und der betroffene Axonendkolben wieder funktionell aktiv wird. Neben der temporären Blockade der efferenten Blaseninnervation kommt es auch zu Veränderungen der afferenten Innervation durch BTX-A [1]. Die bisher bestehenden Erfahrungen mit der Anwendung der BTX-A-Injektionstherapie in den M. detrusor vesicae bei der nichtneurogenen OAB sind noch immer rar, meist auf eine relativ kleine Fallzahl beschränkt und werden verschiedentlich diskutiert [7, 10, 13, 16]. Auch der Applikationsmodus unterscheidet sich erheblich in der Dosierung, Verdünnung sowie Anzahl und Lokalisation der Injektionsstellen [14]. Bei der Injektionstiefe bestehen die meisten Daten aus Studien mit Injektion in den Detrusormuskel, so wie es auch in unserer Untersuchung der Fall war. Studien zur suburothelialen Injektion von BTX-A erbrachten keine besseren Resultate [9].

Neben der Verbesserung der Kontinenz steht bei Patienten mit dem Syndrom der nichtneurogenen OAB auch die Verbesserung der quälenden Drangsymptomatik im Vordergrund. Auch hier bildete vor Einführung der BTX-A-Therapie die Behandlung im Sinne eines Biofeedback-assistierten Beckenbodentrainings sowie mit oraler anticholinerger Medikation die nahezu alleinige Säule der Therapie. Die BTX-A-Injektion in den M. detrusor vesicae führte bei Patienten mit nichtneurogener OAB zu einer Reduktion der Diurie, der Nykturie sowie der Inkontinenzereignisse und damit verbunden zur Verbesserung der QoL [9, 12, 14, 15, 17].

In den bisher veröffentlichen Studien zeigte sich eine signifikante Verringerung der Miktionsfrequenz in 17–55% der Fälle [12]. Eine Ausnahme bilden hierzu die aktuellen vorläufigen Daten einer randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Studie von Flynn et al. [3]. Hier zeigte sich keinerlei Veränderung der Diuriefrequenz sowie der Nykturie trotz signifikanter Reduktion der Drangereignisse beziehungsweise der Dranginkontinenz. Einschränkend muss man hier anmerken, dass es sich um ein kleines Patientenkollektiv mit lediglich 22 Patienten handelt, von welchen 15 Patienten BTX-A und 7 Patienten ein Placebo erhielten. Eine andere randomisierte doppelblinde placebokontrollierte Studie zeigte noch bei einem Follow-up von 6 Monaten eine signifikante Reduktion der Miktionsfrequenz [13]. Einschränkend bleibt anzumerken, dass lediglich in der Untersuchung von Schmid et al. [16] 100 Patienten prospektiv evaluiert wurden, in der Vielzahl der bisherigen Untersuchungen wurde ein relativ kleines Patientenkollektiv eingebracht. Unsere prospektiven Daten (n=40) decken sich mit den vorhandenen Erfahrungen und zeigen sogar ein noch besseres Auskommen. Eine Reduzierung des Vorlagenverbrauchs findet sich in 25–94% der Fälle [9] einhergehend mit einer Verbesserung der Lebensqualität. Eine vollständige Kontinenz wurde in 33% bis 91% der Fälle wieder hergestellt [17]. Wir konnten nur bei 13% ein vollständiges sistieren der Dranginkontinenz beobachten; allerdings zeigte sich eine deutliche Reduktion der Dranginkontinenzereignisse und daher auch eine Reduktion des Vorlagenverbrauchs in 68% der Fälle. Das Verfahren stellt also eine wirksame Therapiealternative bei Versagen konservativer Behandlungsmaßnahmen dar.

Bei Studien, in denen Dysport® zur Anwendung kam, wurden zwischen 250 und 1000 MU (in unserer Untersuchung 500 MU) eingesetzt. Die Möglichkeit einer Harnretention sollte v. a. bei Patienten mit einer nichtneurogenen Detrusorüberaktivität berücksichtigt werden. In unserer Arbeit zeigte sich eine Rate von 10%, bei welchen eine passagere, therapierelevante Restharnbildung bzw. nicht obstruktive Blasenentleerungsstörung auftrat. Andere Untersuchungen zeigen, dass bis zu 16% der Patienten mit einer nichtneurogenen Detrusorüberaktivität für einige Wochen einen Selbstkatheterismus nach BTX-A-Therapie durchführen mussten [17]. Daher sollten Patienten explizit über das Risiko der Notwendigkeit eines postinterventionellen Einmalkatheterismus vor dem Eingriff aufgeklärt werden.

Studien zeigten weiter eine Wirkungsdauer von 2–9 Monaten bei einem durchschnittlichen Wert von 5–7 Monaten [12]. Bei den Studien mit Dysport® zeigte sich in einigen Fällen eine höhere Abweichung und eine kürzere Wirkungsdauer (1–12 Monate), was allerdings auch auf die unterschiedliche verwendete Dosis zurückgeführt werden kann. In unserer prospektiven Auswertung zeigte sich eine mediane Wirkdauer von 6 Monaten bei einer Dosierung von 500 MU. Eine direkt vergleichende Studie liegt aktuell hierzu nicht vor.

Bei dem Einsatz von BTX-A in anderen Indikationsgebieten (z. B. im neurologischen Bereich) zeigte sich, dass eine Immunisierung oder eine Toleranzentwicklung auftreten kann [4]. In unserer Untersuchung sowie in anderen Studien an der Harnblase wurde auch nach wiederholter BTX-A-Applikation ein im Vergleich zur Erstapplikation gleich gutes Ansprechen ermittelt [12]. Hier sind Untersuchungen bezüglich der Induktion von BTX-A-Antikörpern, deren behandlungsunabhängigem Vorkommen sowie der Korrelation mit einer klinischen Unwirksamkeit und/oder Tachyphylaxie im Laufe einer Behandlung notwendig, um weitere fundierte Aussagen treffen zu können. Zusätzlich sollte im Rahmen zukünftiger Studien, bei individuell sehr unterschiedlicher Wirkdauer, evaluiert werden, ob Faktoren zur Vorhersage des Ansprechens und der Wirkdauer existieren.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die nichtneurogene OAB mit oder ohne Detrusorüberaktivität durch eine BTX-A-Injektion gut therapierbar ist. Die Indikation und Voraussetzung für eine solche Therapie sollte immer eine zuvor durchgeführte urodynamische und zystoskopische Untersuchung beinhalten, um andere Ursachen auszuschließen und als Ausgangs- und Vergleichswert zu dokumentieren. Vor der Behandlung einer Anticholinergika-refraktären nichtneurogenen OAB sollte eine vorangegangene mindestens 6-wöchige Therapie mit zwei verschiedenen Präparaten ohne Erfolg durchgeführt worden sein. Weitere Indikationen an der Harnblase, die allerdings zum aktuellen Zeitpunkt noch als experimentell anzusehen sind, sind die Behandlungen einer therapierefraktären interstitiellen Zystitis mit BTX-A unter der Annahme, dass es neben der Blockade von Acetylcholin auch zu einer Blockade von verschiedenen Neurotransmittern des sensorischen Nervensystems kommt [1]. Diese Vermutung wird durch eine klinische Studie unterstrichen, die eine Verbesserung der Drangsymptomatik bei primärer Abwesenheit von unwillkürlichen Detrusorkontraktionen nachweisen konnte [15].

Weitere prospektive und randomisierte Studien mit höherer Patientenzahl bleiben notwendig, um eine optimale Patientenauswahl, eine angepasste Dosierung sowie ein standardisiertes Applikationsschema zu ermitteln. Die Patienten müssen informiert sein, dass diese Form der Behandlung noch nicht offiziell zugelassen („off-label use“) und nur von einer begrenzten Wirkdauer ist. Den Patienten sollte ein realistisches Bild über die Erfolgsaussichten der Behandlung vermittelt werden, um Patientenzufriedenheit und Resultate nicht durch eine falsche Erwartungshaltung zu gefährden. Eine korrekte Indikationsstellung und Erfahrungen in der transurethralen Applikation sollten angesichts des Off-label-Status dieser Therapie in den anwendenden Kliniken gewährleistet sein.

Fazit für die Praxis

Die vorliegenden Daten zeigen, dass BTX-A eine zuverlässige und reproduzierbare Wirkung bei geringem Nebenwirkungspotential in der Therapie der nichtneurogenen OAB besitzt. Nach Versagen einer medikamentös-konservativen Therapie ist die Injektion in den M. detrusor vesicae indiziert. Die Wirkung hält 6–12 Monate an; wiederholte Injektionen sind möglich. Weitere prospektive Studien zur verbesserten Patientenselektion, Standardisierung der Applikationsdosis und -technik und Optimierung der Wirkungsdauer sind allerdings wünschenswert.