Chemoprävention wird als Einnahme von Substanzen, welche die Karzinogenese verhindern, definiert [1].

Aufgrund der hohen Inzidenz des Prostatakarzinoms in der westlichen Welt ist die Chemoprävention ein Hauptziel der onkologischen Forschung [2, 3]. Aufgrund der hohen Inzidenz und des langen Zeitraums (10–20 Jahre) zwischen der Initiation der prämalignen Läsion und deren Progression zum organüberschreitenden Wachstum, ist das Prostatakarzinom ein geeigneter Chemopräventionskanditat.

Weiters ist viel über die Risikofaktoren und die Hormonabhängigkeit des Prostatakarzinoms bekannt, die Entwicklung der Krankheit aus dem Vorläuferstadium der prostatischen intraepithelialen Neoplasie (PIN) gut dokumentiert. Studien beweisen, dass Umweltfaktoren eine zentrale Rolle in der Entwicklung von Neoplasien spielen [4]. Es konnte gezeigt werden, dass Umweltfaktoren mit der Progression des Prostatakarzinoms von der latenten zur manifesten Erkrankung vergesellschaftet sind [5].

Die Inzidenz des Prostatakarzinoms ist weitgehend unabhängig, die Entwicklung eines fortgeschrittenen Karzinom jedoch sehr wohl abhängig von geographischen oder ethnischen Faktoren [5]. Obwohl bestimmte genetische Konstellationen ein erhöhtes Erkrankungsrisiko darstellen, scheinen doch auch lokale Faktoren, insbesondere die Ernährung, die Entstehung des Prostatakarzinoms zu beeinflussen.

In Asien, wo die lokale Kost reich an pflanzlichen Proteinen und arm an tierischen Fetten ist, ist die Karzinominzidenz niedrig. In der westlichen Welt, wo der Konsum an tierischen Fetten überwiegt, steigt ebenso die Inzidenz.

Die Theorie, dass die Entstehung eines Prostatakarzinoms durch die Ernährungsgewohnheiten beeinflusst wird, wird weiters durch die Beobachtung unterstützt, dass unter Männern chinesischer oder japanischer Abstammung, deren Vorfahren in die Vereinigten Staaten von Amerika oder nach Europa emigrieren, innerhalb weniger Generationen, die Karzinominzidenz die landesübliche erreicht [6, 7].

Diese Arbeit fasst die bisher veröffentlichten und derzeit laufenden Chemopräventionsstudien unter Berücksichtigung der Ernährungszusammensetzung, der Vitamine, der Spurenelemente und der Hormone zusammen, und versucht die verschiedenen Präventionsstrategien hinsichtlich ihrer Wirksamkeit aufzuschlüsseln (Tabelle 1).

Tabelle 1 Präventionsstrategien hinsichtlich ihrer Wirksamkeit

Die bisher publizierten Studien konzentrieren sich auf die Erforschung der Effektivität eines weiten Spektrums von potentiell chemoprotektiv wirkenden Stoffen. Die Effektivität dieser Stoffe, obwohl schon lange in der Komplementär- bzw. Alternativmedizin unkontrolliert eingesetzt, ist bis heute nicht in randomisierten, kontrollierten klinischen Studien bewiesen worden. Genaue Dosierungsschemata sind noch nicht entworfen, mögliche Nebenwirkungen nicht beschrieben. Obwohl die Sicherheit ihrer Anwendung aufgrund von Erfahrungswerten angenommen wird, sind randomisierte, placebokontrollierte Studien notwendig, da immerhin 1/3 aller Krebspatienten komplementäre oder alternative Heilverfahren in Anspruch nimmt [8].

Beim Design von Chemopräventionsstudien müssen einige wichtige Aspekte beachtet werden. Es mag aufgrund der hohen Prostatakarzinominzidenz verlockend erscheinen, eine Langzeitstudie mit einem statistisch repräsentativen Teil der männlichen Gesamtbevölkerung durchzuführen. Die Anzahl der benötigten Testpersonen und die Länge des Follow-ups stellen jedoch eine beträchtliche logistische Herausforderung dar. Eine Möglichkeit, die Anzahl der Studienpatienten zu reduzieren und die Studiendauer realistisch zu gestalten, ergibt sich aus der alleinigen Beobachtung von Risikogruppen—Männer mit PIN oder erhöhtem Serum-PSA-Wert [9]. Eine andere Möglichkeit stellt die alleinige Beobachtung genetisch prädisponierter Männer, z. B. Träger des HPC-1- oder HPCX-Gens dar.

Der einzig gültige Endpunkt einer Prostatakarzinomchemopräventionsstudie, die Diagnose eines Karzinoms mittels Biopsie, ist in einer großen Studienpopulation nicht immer durchführbar. Weiters kann in der Biopsie nicht immer zwischen klinisch signifikanten und nicht signifikanten Tumoren unterschieden werden. Deswegen müssen biochemische Endpunktmarker, wie der Serum-PSA-Wert, zum Studienmonitoring und der Beurteilung der Wirksamkeit chemopräventiv agierender Therapeutika herangezogen werden. Die Modulation des biochemischen Markers soll idealerweise mit einer Inzidenzreduktion vergesellschaftet sein [10].

Obwohl einige Studien eine statistisch haltbare Methodik zur Beurteilung des präventiven Effekts von Wirkstoffen in Bezug auf das Prostatakarzinom verwenden, sind die meisten doch epidemiologische Übersichtsarbeiten oder retrospektive Analysen. Obwohl diese Studien erste Hinweise auf das chemopräventive Potenzial einzelner Substanzen geben können, müssen sie doch mit gegebener Vorsicht interpretiert werden, da unentdeckte statistisch signifikante Ko-Variablen die Ergebnisse unwissentlich entscheidend beeinflussen können.

Ergebnisse

Nahrungsbestandteile

Phytoöstrogene

Viel Aufmerksamkeit wurde den Phytoöstrogenen geschenkt, zu welchen die Isoflavionide, Flavionide und Lignane gehören. Die Familie der Liguminosae, v. a. Soja, ist eine wesentliche Quelle für Isoflavionide (Genistein und Daidzein). Der antiproliferative Effekt von Sojamehl auf zellulärem Level des Prostatakarzinoms konnte in Tiermodellen gezeigt werden [11, 12]. In einer großen epidemiologische Studie war das Risiko an einem Prostatakarzinom zu erkranken umgekehrt proportional zum geschätzten Sojakonsum [13].

Karotinoide

In Tiermodellen konnte gezeigt werden, dass β-Karotin und insbesondere die Lykopene antioxidative Wirkung haben [14]. In vitro konnte gezeigt werden, dass Lykopene das IGF-1-abhängige Wachstum von Mammakarzinomzellen signifikant reduzieren können [15]. In einer Fall-Kontroll-Studie, welche den Zusammenhang zwischen Prostatakarzinomrisiko und β-Karotin bzw. Lykopenkonsum bei 480 gesunden Probanden bzw. 317 Karzinompatienten untersuchte, konnte eine geringe aber doch statistisch signifikante Verminderung des Erkrankungsrisikos festgestellt werden. β-Karotine zeigten in dieser Studie keinen positiven Effekt [16].

Im Rahmen einer weiteren randomisierten Studie wurden bei gesunden Männern, Jahre vor Erkrankungsbeginn, Plasmaproben abgenommen und im Falle des Auftretens eines Prostatakarzinoms bezüglich ihres Gehalts an Antioxidantien reanalysiert [17]. Die Plasma-Lykopen-Spiegel waren bei Männern, die später an einem Prostatakarzinom erkrankten, im Vergleich zu gesunden Probanden signifikant niedriger. Es fehlen jedoch noch randomisierte Studien, die diese Ergebnisse und damit den chemoprotektiven Wert, insbesondere von Lykopenen bestätigen.

Eine randomiserte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie konnte den Einfluss von β-Karotin auf das Krebsrisiko zeigen. In dieser Primärpreventionsstudie erhielten 22.071 männliche Ärzte in den USA 50 mg β-Karotin als täglichen Nahrungszusatz. Männer mit geringeren β-Karotin-Serumwerten hatten ein minimal höheres, jedoch statistisch nicht signifikantes Risiko an einem Karzinom zu erkranken. Die α-Tocopherol-β-Karotin- (ATBC-)Karzinomopräventionsstudie zeigte jedoch auch, dass die zusätzliche Gabe von β-Karotin die Inzidenz einiger Neoplasien, u. a. die des Prostatakarzinoms, verglichen mit Placebogabe, signifikant erhöhte. Der Wert von β-Karotin in der Chemoprevention des Prostatakarzinoms muss somit noch umstritten bleiben.

Vitamine

Vitamin E

Beträchtliches Interesse fokussierte sich auf die Rolle des Vitamin E in der Chemoprävention des Prostatakarzinoms. α-Tocopherol ist die aktivste biochemische Vitamin-E-Verbindung, die beträchtliche antioxidative und antiproliferative Wirkung zeigt. Groß angelegte kontrollierte randomierte Studien zeigen, dass Vitamin E das Risiko an einem Prostatakarzinom zu erkranken senken kann [18, 19].

In der ATBC-cancer-prevention-Studie von Heinonen et al. [20] erhielten 29.133 Männer im Alter von 58–69 Jahren und einem bekannten Lungenkarzinom 50 mg α-Tocopherol oder 20 mg β-Karotin einmal täglich für bis zu 8 Jahre. Die Prostatakarzinominzidenz, als ein Endpunkt der Studie, verringerte sich um 32% in der α-Tocopherol-Gruppe. Um den Effekt von Vitamin E und Selen allein oder in Kombination zu untersuchen wurde 2001 von Klein et al. [21] der „Selenium and Vitamin E cancer prevention trial“ initiiert. An dieser über 12 Jahre angesetzten randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studie nehmen 32.400 gesunde Männer Teil. Der primäre Endpunkt dieser Studie ist die klinische Diagnose eines Prostatakarzinoms.

Vitamin D

Es gibt Hinweise darauf, dass Vitamin D einen protektiven Effekt auf die Entwicklung eines Prostatakarzinoms ausübt. Erniedrigte Serumvitamin-D-Spiegel waren nach einer Studie von Schwarz et al. [22] mit einer erhöhten Prostatakarzinom Inzidenz vergesellschaftet. Chen et al. [23] beschrieben einen wachstumshemmenden Einfluss von Vitamin-D-Rezeptoren in der Prostatakarzinomzelle. Eine höhere Dichte dieser Rezeptoren bei japanischen Männern könnte eine Ursache für die niedrigere Inzidenz und die spätere Manifestation des Prostatakarzinoms in dieser Bevölkerungsgruppe darstellen.

Spurenelemente

Auch für Selen konnte in großangelegten randomisierten Studien ein protektiver Effekt auf die Entstehung eines Prostatakarzinoms gezeigt werden [21, 25, 26]. In der „Nutritional prevention of cancer Studie“ von Clark et al. [25] wurde das Risiko an einem Prostatakarzinom zu erkranken durch die Einnahme von mit Selen angereicherter Hefe um 50% reduziert. Unterstützung fand dieses Ergebnis durch epidemiologische Daten von der „Health care professionals follow up-Studie“, die den Zusammenhang zwischen dem Selengehalt in Zehennägeln und dem Risiko an einem Prostatakarzinom zu erkranken an >51.000 Männern untersuchte [26]. Dabei verhielt sich der Selenanteil in den Zehennägeln umgekehrt proportional zum Risiko eines fortgeschrittenen Prostatakarzinoms. Die Rolle von Vitamin E als auch von Selen in der Chemoprävention des Prostatakarzinoms wird u. a. von den Ergebnissen der SELECT-Studie abhängen [21].

Hormone

Die Androgenabhängigkeit des Prostatakarzinoms hat zur intensiven Erforschung des Androgenmetabolismus als Risikofaktor geführt. Obwohl der Nachweis einer Abhängigkeit zwischen Testosteronspiegel und der Prostatakarzinominzidenz noch aussteht, scheint eine Abhängigkeit zwischen der 5α-Reduktase-Aktivität und dem Prostatakarzinomrisiko zu bestehen [27]. Japanische Männer, mit der weltweit niedrigsten Prostatakarzinominzidenz, weisen im Vergleich zur weißen und schwarzen Bevölkerung der USA eine signifikant niedrigere 5α-Reduktase-Aktivität in der Prostata auf.

Das Enzym 5α-Reduktase liegt in 2 Isoformen vor: Typ 2 ist die vorherrschende Form in normalem Prostataepithel und bei benigner Prostatahyperplasie. Typ 1 scheint v. a. in Prostatakarzinomzellen vorzukommen [28, 29]. Finasterid, ein Inhibitor der Typ-2-5α-Reduktase, wurde eine chemopräventive Wirkung zugeschrieben, während Dutasterid, ein Inhibitor beider Isoformen, zzt. untersucht wird. Der „prostate cancer prevention trial“ (PCPT) untersucht die chemopräventive Wirkung von Finasterid vs. Placebo bei 18.882 Männern (>55 Jahre, PSA <3,0 mg, unauffällige DRU) über einen Zeitraum von 7 Jahren [30]. Thompson et al. [30, 31] konnten eine signifikante Senkung der Prostatakarzinominzidenz in der Finasterid-Gruppe gegenüber Placebo um 25% nachweisen. Interessanterweise häuften sich in der Finasterid-Gruppe Karzinome mit einem Gleason-Score von 7–10.

Roehrborn et al. [32] analysierten retrospektiv in einer Studie, die die Effektivität und Verträglichkeit von Dutasterid vs. Placebo in Patienten mit BPH untersuchte, die Prostatakarzinominzidenz. Das relative Risiko (hazards ratio) ein Prostatakarzinom zu diagnostizieren betrug 0,61 für Dutasterid vs. Placebo. Zur prospektiven Evaluierung dieser Ergebnisse wird eine großangelegte randomisierte Studie, die die Effektivität und Verträglichkeit von 0,5 mg Dutasterid täglich vs. Placebo in der Prävention eines Prostatakarzinoms untersucht, durchgeführt.

Diskussion

Chemopräventionsstudien haben eine ganze Reihe von Spurenelementen, Vitaminen und Hormonen identifiziert, wie z. B. Vitamin E und Selen, die einen protektiven Einfluss auf die Entstehung eines Prostatakarzinoms ausüben. Leider stehen bis dato nur wenige prospektive Studien zur Verfügung, die diese These stützen. Es besteht Hoffnung, dass groß angelegte randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudien wie z. B. die SELECT-Studie definitive Ergebnisse bringen.

Die PCPT-Studie zeigte zwar, dass 5α-Reduktase-Hemmer eine Rolle in der Chemoprävention des Prostatakarzinoms spielen könnten, jedoch ist der Stellenwert der Zunahme des Gleason Scores noch nicht geklärt. Es scheint jedoch nicht eine geringere Wirkung auf niederdifferenzierte Tumoren oder eine Transformation hin zu höheren Gleason-Graden zu bestehen. Mit Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei diesen Beobachtungen um durch Finasterid induzierte Veränderungen auf zellulärer Ebene, die histologisch einen höheren Gleason-Grad vortäuschen. Dieses Phänomen ist bereits für Patienten nach chirurgischer oder medikamentöser Kastration oder bei Patienten mit einem Prostatakarzinom, die Finasterid einnahmen, beobachtet worden [33, 34]. Dementsprechend gibt es Hinweise, dass ein in diesem Fall höherer Gleason-Score nicht mit einer höheren Aggressivität des Karzinoms einhergeht.

Diesen Ergebnissen Rechnung tragend gibt es eine Empfehlung der WHO, derzufolge ein Grading nach Androgen-Entzugstherapie unterbleiben sollte. Offen bleibt die Frage, ob Finasterid breitgefächert zum Einsatz kommen sollte. In der PCPT-Studie zeigten sich zwei deutliche Vorteile: Zunächst kommt es unter Finasterid-Therapie zu einer mindestens 25%igen Verringerung eines stanzbioptisch nachgewiesenen Prostatakarzinoms. Es ist anzunehmen, dass dieser Anteil noch steigt, da das Prostatavolumen in der Finasterid-Gruppe um ca. 25% geringer und demzufolge die Wahrscheinlichkeit ein Proatatakarzinom zu entdecken größer war als in der Placebogruppe. Der zweite Vorteil liegt in der Senkung von Symptomen des unteren Harntraktes sowie der Operations- und Komplikationsrate (TUR-P, Harnverhalte). Diese Vorteile müssen jedoch gegen sexuelle und endokrinologische unerwünschte Wirkungen sowie gegen das abschließend noch nicht geklärte Risiko einer häufigeren Entdifferenzierung des Proatatakarzinoms abgewägt werden [35].

Fazit für die Praxis

Weiterführende Forschung im Bereich der Chemoprävention wird sich zweifellos positiv auf die Volksgesundheit und die Kosten der medizinischen Versorgung auswirken. Um jedoch definitive Antworten auf die Effektivität der Chemoprävention hinsichtlich einer Reduzierung der Prostatakarzinominzidenz zu erhalten sind noch weitere Studien nötig. Noch können wir nicht sicher sagen was ein Patient, der Vorsorge betreiben möchte, am effektivsten tun kann, um sein Risiko, an einem Prostatakarzinom zu erkranken, zu minimieren.