FormalPara Weiterführende Informationen

Auf der Website der DGPPN finden Sie eine vergleichende Übersicht der PsychKG der jeweiligen Bundesländer sowie

eine Linksammlung der PsychKG im Internet (Zugriff zuletzt am 06.04.2018).

www.dgppn.de/schwerpunkte/menschenrechte/uebersicht-psychKGs.html

In Ausnahmefällen können psychische Erkrankungen dazu führen, dass der betroffene Mensch sich selbst oder andere gefährdet. Ist diese Gefahr erheblich und akut, kann auf Basis der Unterbringungsgesetze bzw. Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetze der Länder eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gegen den Willen der betroffenen Person angeordnet werden. Diese Landesgesetze wurden in den letzten Jahren in den meisten Bundesländern überarbeitet. Der vorliegende Beitrag stellt den aktuellen Stand und die Ergebnisse der Novellierungsprozesse in den Bundesländern dar. Für die rechtlich und medizinisch besonders relevanten Bereiche werden die Landesgesetze analysiert und verglichen. Handlungsbedarf zur Reduzierung von Unterbringungen und Zwangsmaßnahmen sowie zur Garantie gleicher Rechte von Menschen mit psychischen Erkrankungen unabhängig vom Wohnort wird herausgearbeitet und Lösungsansätze werden präsentiert.

Hintergrund

Unterbringung in psychiatrischen Kliniken

In Deutschland erfüllen 27,8 % der Bevölkerung im Laufe eines Jahres die Kriterien für eine psychische Erkrankung [6, 7] – das entspricht etwa der Bevölkerung von Nordrhein-Westfalen mit 17,8 Mio. Menschen. Davon nimmt allerdings nur etwa jeder Fünfte medizinische Leistungen in Anspruch [9]. 2016 wurden ca. 823.000 Patienten in psychiatrischen Kliniken behandelt [13]. Im Rahmen psychischer Erkrankungen kann es zu einer Eigengefährdung oder, vergleichsweise selten, zu einer Gefährdung Dritter kommen. Ist diese Gefahr schwerwiegend und akut, kann ein Gericht auf Basis der Unterbringungsgesetze bzw. Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetze der Länder (PsychKG) oder bei Selbstgefährdung auf Basis des Betreuungsrechts (Bürgerliches Gesetzbuch, BGB) eine unfreiwillige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und ggf. eine Zwangsbehandlung anordnen. Dass die Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetze im Kompetenzbereich der Bundesländer liegen, ist dem Scheitern einer bundeseinheitlichen Regelung in der Nachkriegszeit zu verdanken [2]. Seit 1992 existiert mit dem Betreuungsgesetz eine bundeseinheitliche Regelung für Personen, die unter gesetzlicher Betreuung stehen und zur Abwendung einer Selbstgefährdung in psychiatrischen Krankenhäusern untergebracht werden sollen.

Die Zahl öffentlich-rechtlicher Unterbringungsverfahren ist, ähnlich wie die betreuungsrechtlicher Verfahren, in den letzten Jahren stark angestiegen. 2016 war mit 75.929 anhängigen Verfahren im Vergleich zu 58.420 im Jahr 2002 ein Anstieg von etwa 30 % zu verzeichnen [4].Footnote 1 Gleichzeitig stiegen die Fallzahlen in den psychiatrischen Fachabteilungen und -kliniken seit 2002 ebenfalls um 19 % an [13]. Der Anteil der öffentlich-rechtlichen Unterbringungsverfahren an allen Fallzahlen in psychiatrischen Einrichtungen nahm dadurch lediglich von 8,4 % im Jahr 2002 auf 9,2 % im Jahr 2016 zu (eigene Berechnungen). Sowohl absolut als auch relativ bestehen hinsichtlich der Zahl der Unterbringungsverfahren große Unterschiede zwischen den Bundesländern: Die Bandbreite reichte 2015 von 803 Unterbringungsverfahren in Brandenburg bis zu 23.059 Unterbringungsverfahren in Nordrhein-Westfalen [4] und von 2 Unterbringungen pro 10.000 Einwohner in Sachsen bis zu 26 Unterbringungen pro 10.000 Einwohnern in Schleswig-Holstein. Demnach unterscheiden sich die Unterbringungsraten bis um den Faktor 13 zwischen den Bundesländern (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Unterschiede in den Unterbringungsverfahren nach PsychKG pro 10.000 Einwohner im Jahr 2015 [4]

Da auch innerhalb der Bundesländer unterschiedlich hohe Unterbringungszahlen bestehen [15], wird davon ausgegangen, dass dies multifaktoriell bedingt ist. Diskutiert werden unter anderem Unterschiede in soziodemographischen Faktoren (Stadt – Land), Klinikkulturen, Versorgungsaufträgen, baulichen Voraussetzungen sowie patientenabhängigen Faktoren und regionalen Rechtspraktiken [8]. Auch die heterogene Ausgestaltung und Anwendung des Unterbringungsrechts in den Bundesländern wird als wichtiger Faktor diskutiert [3].

Novellierung der Landesgesetze

Seit 2011 befinden sich die PsychKG der Bundesländer in umfangreichen Novellierungsprozessen. Notwendig war dies geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 2011 die Regelungen im Maßregelvollzugsgesetz (MRVG) von Rheinland-Pfalz bzw. im Unterbringungsgesetz (UBG) von Baden-Württemberg zur ärztlichen Zwangsbehandlung für unvereinbar mit dem deutschen Grundgesetz (GG) erklärt hatte (2 BvR 882/09 vom 23.03.2011 und 2 BvR 633/11 2 vom 12.10.2011). Später hat das BVerfG auch das PsychKG von Sachsen für verfassungswidrig befunden (2 BvR 228/12 vom 20.02.2013). Tab. 1 zeigt die wichtigsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtmäßigkeit einzelner Landesgesetze.

Tab. 1 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Unterbringungsgesetzen und Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzen

In den Urteilsbegründungen wird ein Bezug zur UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) hergestellt, mit deren Ratifizierung am 26.03.2009 Deutschland die Prinzipien der Selbstbestimmung, Diskriminierungsfreiheit und gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit (auch psychischen und psychosozialen) Behinderungen und Beeinträchtigungen anerkannt und sich zu ihrer Umsetzung verpflichtet hatte [11].

Auf dieser Grundlage korrigierte 2012 auch der Bundesgerichtshof (BGH) in zwei Entscheidungen (Az XII ZB 99/12 und Az XII ZB 130/12 vom 20.06.2012) seine eigene Rechtsprechung. Bis zu den o. g. Entscheidungen des BVerfG hatte es nach Auffassung des BGH keiner separaten richterlichen Genehmigung einer Zwangsbehandlung im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung bedurft. Doch 2012 bewertete der BGH die Behandlung gegen den Willen der Patienten als erheblichen Grundrechtseingriff, der an enge Voraussetzungen gebunden sei und richterlich genehmigt werden müsse. Ab diesem Zeitpunkt bestand keine verlässliche rechtliche Grundlage mehr für die Behandlung von Patienten gegen ihren natürlichen Willen – unabhängig davon, ob es sich um die Behandlung psychischer oder somatischer Erkrankungen handelte. Es blieb vorübergehend nur noch der Rückgriff auf das Notstandsrecht (§ 34 Strafgesetzbuch [StGB]).

Die entstandenen Regelungslücken im Betreuungsrecht wurden am 17.01.2013 zunächst mit der Verabschiedung des „Gesetzes zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme“ geschlossen (BGB § 1906). Zeitgleich befassten sich die Landesgesetzgeber mit einer Novellierung oder gar einer kompletten Neufassung ihrer PsychKG bzw. Unterbringungsgesetze – insbesondere, aber nicht ausschließlich hinsichtlich der Regelungen zur ärztlichen Zwangsbehandlung. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 24.07.2018 (2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16), welche die geltenden Gesetze in Baden-Württemberg und Bayern hinsichtlich der Regelungen zu Sicherungsmaßnahmen während einer Unterbringung für verfassungswidrig erklärte und Fixierungen (ab eine Dauer von 30 min) unter einen Richtervorbehalt stellte, löst nun weiteren Handlungsbedarf bei den Landesgesetzgebern aus.

Nachdem annähernd alle Landesgesetze novelliert wurden und durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24.07.2018 eine weitere Novellierungsrunde bevorsteht, scheint dies ein geeigneter Zeitpunkt zu sein, um den Stand und die Ergebnisse der Novellierungen zu analysieren und weiteren Handlungsbedarf zu diskutieren. Die einzige vorliegende Studie mit dieser Zielsetzung wurde 2004 und damit weit vor den hier diskutierten höchstrichterlichen Urteilen und Novellierungen der Landesgesetze publiziert [10]. Zur Reduzierung von Unterbringungen und Zwangsmaßnahmen sowie zur Garantie gleicher Rechte von Menschen mit psychischen Erkrankungen unabhängig vom Wohnort ist die Analyse der Unterschiede im Unterbringungsrecht und daraus resultierender Handlungsbedarfe unabdingbar.

Methodik

Auf Basis der Gesetzestexte und durch Kontaktaufnahmen zu relevanten Ansprechpartnern in den Bundesländern wurden Verlauf, Diskussionsstand und Ergebnisse der Novellierungsprozesse in den Bundesländern recherchiert. In einem Konsensverfahren wurden rechtlich und medizinisch besonders relevante Bereiche identifiziert, anhand derer die Landesgesetze analysiert und verglichen wurden: Die Identifikation dieser Handlungsfelder erfolgte durch die Mitglieder der Task-Force Patientenautonomie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Diese Bereiche sind:

  • Anwendungsbereich der Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetze,

  • Regelungen zur Unterbringung,

  • Regelungen zu Sicherungsmaßnahmen und unmittelbarem Zwang,

  • Regelungen zur Anwendung einer Zwangsbehandlung,

  • Regelungen zu sozialen Aspekten,

  • Sicherstellung von Patientenrechten.

Auf Basis der vergleichenden Darstellung der landeseigenen Regelungen wird der Handlungsbedarf abgeleitet und es werden Lösungsansätze diskutiert.

Ergebnisse

Stand der Novellierungsprozesse

Als erstes Bundesland novellierte Baden-Württemberg sein Unterbringungsgesetz und passte die Vorschrift über die Behandlung in § 8 UBG, die durch Beschluss des BVerfG vom 12.10.2011 – 2 BvR 633/11 – für verfassungswidrig erklärt worden war, durch das Gesetz vom 02.07.2013, in Kraft getreten am 12.07.2013 an die Vorgaben des BVerfG in seinen Grundsatzentscheidungen zur Zwangsbehandlung an. Im weiteren Verlauf war Baden-Württemberg dann auch das erste Bundesland, dass sein Unterbringungsrecht mit umfangreicher Beteiligung von Betroffenen und Professionellen umfassend auf den Prüfstand stellte und auf der Basis eines Eckpunktepapiers ein neues Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz erarbeitete, das am 01.01.2015 in Kraft trat.

Noch 2013 novellierte auch Hamburg sein Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten; das novellierte Gesetz trat am 11.10.2013 in Kraft.

Dann folgte das PsychKG von Rheinland-Pfalz, welches am 06.06.2014 in Kraft trat. Die bestehenden Regelungen zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug waren in Rheinland-Pfalz durch die Urteile des BVerfG für verfassungswidrig erklärt worden. Dies machte eine zeitnahe Novellierung des PsychKG notwendig.

Darauf folgten in rascher Abfolge das Saarland (Novellierung der Regelung zur Zwangsbehandlung im Unterbringungsgesetz seit 28.05.2014 in Kraft), Brandenburg (Novellierung des PsychKG seit 10.07.2014 in Kraft), Bremen (Novellierung des PsychKG seit 29.07.2014 bis 27.07.2015 in Kraft) und Sachsen (Novellierung PsychKG seit 31.08.2014 in Kraft). Dabei handelte es sich vorwiegend um Novellierungen einzelner Teilbereiche, insbesondere der Regelungen zur ärztlichen Zwangsbehandlung, die aus den höchstrichterlichen Urteilen resultierten.

Weitere Novellierungen folgten: Schleswig-Holstein (29.05.2015), Berlin (29.06.2016), Mecklenburg-Vorpommern (14.07.2016), Nordrhein-Westfalen (14.12.2016), Hessen (01.08.2017) und Niedersachsen (29.09.2017). Erst kürzlich (11.07.2018) wurde das neue Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz in Bayern vom Landtag verabschiedet. In Schleswig-Holstein und in Brandenburg ist aktuell schon eine weitere, umfangreichere Überarbeitung im Gange. In Mecklenburg-Vorpommern befindet sich aktuell ein weiteres Änderungsgesetz in der parlamentarischen Abstimmung. In Sachsen-Anhalt wird ein beschlussfähiger Entwurf für das 4. Quartal 2018 und in ThüringenFootnote 2 eine Novellierung des PsychKG für 2018 ohne festen Termin geplant.

Tab. 2 zeigt für alle Bundesländer den Stand der Novellierungsprozesse sowie den Umfang der Novellierung (neues Gesetz versus Novellierung von Teilbereichen des bestehenden Gesetzes) und den Zusammenhang mit bestehenden Maßregelvollzugsgesetzen.

Tab. 2 Stand der Novellierungsprozesse in den Bundesländern

Vergleichende Analyse der PsychKG

Im Folgenden werden anhand ausgewählter, rechtlich und medizinisch besonders relevanter Bereiche die Landesgesetze verglichen.

Anwendungsbereich

Der Anwendungsbereich ist sehr heterogen definiert. Die benutzten Begrifflichkeiten unterscheiden sich stark, von psychischen Störungen/Erkrankungen über seelische Behinderungen bis hin zu Suchtkrankheiten. Antiquierte Begrifflichkeiten wie „Geisteskranke, geistesschwache, rauschgift- oder alkoholsüchtige Personen“ wurden in allen novellierten Gesetzen durch sachlichere Bezeichnungen ersetzt. Das neue PsychKHG in Baden-Württemberg beinhaltet nur eine sehr kurze Ausführung zum Anwendungsbereich („Personen, die aufgrund einer psychischen Störung krank oder behindert sind“), der sich andere Länder in ähnlicher Form angeschlossen haben. In den novellierten Gesetzen wird teilweise auf den Schweregrad und Krankheitswert abgestellt. Die Formulierung „von erheblichem Ausmaß“, welche die Schwelle für eine Unterbringung erhöhen soll, findet sich inzwischen in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen. In Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein sind Suchtkrankheiten explizit eingeschlossen. In manchen Gesetzen wird nicht nur die akute Krankheit berücksichtigt, sondern Personen fallen auch unter den Anwendungsbereich des Gesetzes, sobald Anzeichen für eine Erkrankung bestehen (Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt). Mit Ausnahme des Saarlands ist es in allen Bundesländern möglich, die Regelungen auch auf Minderjährige anzuwenden. In vielen Bundesländern wird konkretisiert, wie Kinder und Jugendliche unterzubringen sind. Dies soll in auf Minderjährige spezialisierten Fachabteilungen geschehen. Für die Behandlung Minderjähriger verweisen die Gesetze teilweise ausdrücklich auf die Einwilligung bzw. Zustimmung der Erziehungsberechtigten.

Regelungen zur Unterbringung

Zuständige Einrichtungen

In den meisten Gesetzen sind zur Durchführung einer Unterbringung nur psychiatrische Krankenhäuser und Krankenhäuser mit psychiatrischen Fachabteilungen vorgesehen. In Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg und Rheinland-Pfalz sind auch andere geeignete Einrichtungen berechtigt, eine Unterbringung zu vollziehen. Diese Einrichtungen müssen jedoch entsprechende Voraussetzungen erfüllen, d. h. sie müssen „im Hinblick auf ihre personelle und sachliche Ausstattung, Organisation sowie medizinische und persönliche Betreuung“ geeignet sein (§ 14 Abs. 2 PsychKHG BaWü). In Berlin sind dies auch „für psychisch kranke Menschen geeignete Heime“ (§ 18, Abs. 1 PsychKG Berlin).

Form und Zweck der Unterbringung

Eine öffentlich-rechtliche Unterbringung darf nur erfolgen, wenn eine Person aufgrund einer psychischen Erkrankung sich selbst gefährdet oder eine Gefahr für andere darstellt. Die öffentlich-rechtliche Unterbringung ist somit ein Instrument der Krisenintervention und der Gefahrenabwehr. Ergänzend zur Einweisung ist in allen öffentlichen Unterbringungsgesetzen der Länder auch die (freiwillige) Behandlung oder Heilbehandlung der untergebrachten Person geregelt, diese ist überwiegend als Anspruch formuliert. Im Ergebnis formulieren alle Unterbringungsgesetze, dass der Anspruch auf Behandlung der „Anlasserkrankung“, d. h. der Erkrankung, die die Unterbringung notwendig gemacht hat, eine zweckmäßige und notwendige Behandlung umfasst. Der Betroffene soll durch Heilung, Besserung und Linderung seiner Anlasserkrankung befähigt werden, so weit und so bald wie möglich wieder ein eigenverantwortliches Leben in der Gemeinschaft zu führen. In elf Landesgesetzen ist ausdrücklich geregelt, dass zur Behandlung ein Behandlungsplan erstellt werden muss, welcher der untergebrachten Person so weit wie möglich zu erläutern ist. In Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Niedersachsen und im Saarland fehlen Vorgaben bzw. Regelungen zum Behandlungsplan.

Der Anspruch auf Behandlung bedeutet auch, dass die untergebrachte Person über die mögliche Behandlung aufzuklären ist und sie ausdrücklich ihre Einwilligung dazu erklären muss. Diese Regelungen zur Aufklärung und Einwilligung der untergebrachten Person sind in fast allen Landesgesetzen ausdrücklich im Gesetzestext enthalten – beispielsweise in Nordrhein-Westfalen (§ 18 PsychKG), wo auf die entsprechenden BGB-Vorschriften §§ 630a bis 630g BGB verwiesen wird.

Die Unterbringung ist in der Regel zu beenden, wenn die Unterbringungsfrist abgelaufen ist und nicht vorher die Fortdauer der Unterbringung angeordnet wurde oder der Unterbringungsbeschluss aufgehoben wurde. In wenigen Bundesländern wird klargestellt, dass die untergebrachte Person auch dann zu entlassen ist, wenn der Grund für die Unterbringung weggefallen ist. In diesem Fall endet die Wirksamkeit des Gerichtsbeschlusses, der die Unterbringung angeordnet hat (vgl. PsychKHG BaWü § 28 Abs. 2). Allerdings finden sich die Grundregeln für Dauer und ggf. vorzeitige Beendigung der Unterbringung schon in §§ 329, 330, 333 FamFG.

Berechtigung zur Unterbringung

Das Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit schützt jeden Menschen vor unrechtmäßiger oder willkürlicher Freiheitsentziehung durch den Staat oder Dritte. Dazu gehört neben der Festlegung der inhaltlichen Voraussetzungen (materiell-rechtliche Vorgabe) auch, dass der Gesetzgeber ausdrücklich festlegt, welche Institutionen hierfür zuständig sind und somit das Recht haben, die persönliche Freiheit einzuschränken (formale Vorgaben). Das sind nach Art. 104 GG grundsätzlich die Gerichte. Die PsychKG und Unterbringungsgesetze können jedoch festlegen, wer zur vorläufigen Anordnung einer Unterbringung befugt ist, wenn eine gerichtliche Entscheidung im Eilfall nicht rechtzeitig zu erlangen ist, und wer befugt ist, die Unterbringung beim Gericht zu beantragen. Bedingt durch die Entstehungsgeschichte der jeweiligen Gesetze orientiert sich diese Zuständigkeit überwiegend an den Vorgaben zum Polizei- und Ordnungsrecht. Zumeist ist deshalb die zuständige örtliche Verwaltungsbehörde befugt, eine vorläufige Unterbringung anzuordnen und die gerichtliche Anordnung zu beantragen. In Brandenburg und Thüringen ist die Anordnungsbefugnis für die vorläufige Unterbringung allerdings dem örtlich zuständigen sozialpsychiatrischen Dienst und in Hessen den ärztlichen Leitungen der mit der Aufgabe der Unterbringung beliehenen Kliniken übertragen. Einige Länder, z. B. Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und Brandenburg, sehen darüber hinaus die Befugnis der Krankenhäuser vor, Patienten zurückzuhalten, wenn eine gerichtliche Unterbringungsanordnung nicht rechtzeitig zu erlangen ist. Die Antragstellung beim Gericht hat in Berlin, Brandenburg und Thüringen durch den sozialpsychiatrischen Dienst zu erfolgen. In Nordrhein-Westfalen ist die örtliche Ordnungsbehörde zuständig, die sich aber vor der Antragstellung beim Gericht mit dem sozialpsychiatrischen Dienst ins Benehmen zu setzen hat.

Regelungen zu Sicherungsmaßnahmen und unmittelbarem Zwang

Zulässige Maßnahmen

Im Zuge der Novellierungen und Neufassungen der Gesetze wurden die Maßnahmen zum Schutz Dritter im Rahmen einer Unterbringung weitgehend harmonisiert. Diese sind in 15 von 16 Bundesländern unter dem Begriff der Sicherungsmaßnahmen zu finden, im Saarland werden Sicherungsmaßnahmen nicht konkretisiert. Darunter fallen in den meisten Gesetzen die Möglichkeit der Vorenthaltung von Gegenständen, die Absonderung in einem besonders gesicherten Raum („Isolierung“), die Fixierung bzw. Fesselung oder die Beschränkung und der Entzug des Aufenthalts im Freien. Die medikamentöse Ruhigstellung sehen nur knapp die Hälfte der Gesetze, die Sicherungsmaßnahmen normiert haben, vor. Nur in Bayern, Berlin, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bedürfen Sicherungsmaßnahmen in bestimmten Fällen der Genehmigung des zuständigen Gerichts. In Niedersachsen muss diese für jede Fixierung „unverzüglich nach deren Beginn“ herbeigeführt werden. In Bayern und Nordrhein-Westfalen ist sie bei Fixierungen, in Bayern auch bei Isolierungen und bei Einschränkungen der Bewegungsfreiheit durch unmittelbaren Zwang, einzuholen, die über einen längeren Zeitraum andauern oder sich regelmäßig wiederholen. In Berlin bedürfen Isolierung und Fixierung der Genehmigung, wenn sie mehr als 18 Stunden andauern oder sich regelmäßig wiederholen.

Verhältnismäßigkeit

Sicherungsmaßnahmen dürfen nur angeordnet werden, soweit und solange eine konkrete Gefahr besteht. Dabei stellen elf Bundesländer (Bayern, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen) sowohl auf die Rechtsgüter des Betroffenen als auch auf die von Dritten ab. In sechs Ländern (Bayern, Baden-Württemberg, Bremen, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen) können Sicherungsmaßnahmen auch getroffen werden, wenn sie unerlässlich sind, um zu verhindern, dass die untergebrachte Person die Einrichtung unerlaubt verlässt. Im Saarland gibt es keine Angaben zur Verhältnismäßigkeit von Sicherungsmaßnahmen.

Überwachung und Dokumentation der Maßnahmen

Die Durchführung von Sicherungsmaßnahmen – insbesondere von Fixierungen und Isolierungen – ist in allen betreffenden Ländern (das Saarland macht keine Angaben zu Sicherungsmaßnahmen) zu überwachen und zu betreuen, wobei dies unterschiedlich konkret definiert wird. Während die Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen ärztlich überwacht werden müssen und die Beobachtung durch Einsatz technischer Mittel dort als einzigem Bundesland ausdrücklich untersagt ist (§ 20), legt Schleswig-Holstein nur fest, dass „der von einer Maßnahme betroffene Mensch [ist] ständig in geeigneter Weise zu betreuen“ ist (§ 16 Abs. 1). Darüber hinaus ist in allen Bundesländern mit Ausnahme des Saarlands eine Dokumentationspflicht vorgesehen. Dabei soll sowohl die Anordnung einer solchen Maßnahme als auch deren Durchführung und die Beendigung der Maßnahme festgehalten werden. Die Dokumentation der Nachbesprechung von Sicherungsmaßnahmen ist nur in Hamburg gesetzlich vorgeschrieben. Die regelmäßige Meldung der Daten an die Fachaufsicht ist nur in Bayern, Baden-Württemberg (hier Ombudsstelle), Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen rechtlich gefordert. Tab. 3 bietet einen Überblick zu den Genehmigungs‑, Dokumentations- und Meldepflichten bei Sicherungsmaßnahmen in den einzelnen Bundesländern.

Tab. 3 Regelungen zu Sicherungsmaßnahmen in den PsychKG der Länder

Unmittelbarer Zwang

Zur Sicherstellung der Sicherheit und Ordnung in der Einrichtung und zur Durchführung von Maßnahmen ist in den meisten Ländern unmittelbarer Zwang anwendbar. Nur in Hamburg finden sich keine weiteren Angaben zu unmittelbarem Zwang. In Nordrhein-Westfalen ist die Anwendung unmittelbaren Zwangs im Zusammenhang mit der Behandlung gegen den natürlichen Willen des Betroffenen und unter den dafür geltenden Voraussetzungen erlaubt. Nach dem Wortlaut des § 18 Abs. 5 NRW-PsychKG bleibt dabei unklar, ob die Möglichkeit der Zwangsbehandlung entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch bestehen soll, wenn der Patient zwar mit natürlichem Willen der Behandlung widerspricht, die Anwendung unmittelbaren Zwangs aber gleichwohl nicht erforderlich ist. In einigen anderen Gesetzen wird allgemeiner von der Durchführung einer Schutzmaßnahme gesprochen, um unmittelbaren Zwang zu rechtfertigen. In Bayern und Schleswig-Holstein wird Klinikpersonal mit dem Festhalten entwichener Patienten auch außerhalb der Einrichtung und dem Zurückbringen in die Einrichtung betraut.

Regelungen zur Anwendung einer Zwangsbehandlung

Voraussetzungen für ärztliche Zwangsmaßnahmen

Die vom Bundesverfassungsgericht eingeforderten und vom Bundesgesetzgeber in der Reform des § 1906a BGB eingesetzten Voraussetzungen für ärztliche Zwangsbehandlungen sind in den novellierten Landesgesetzen weitgehend umgesetzt. In Sachsen-Anhalt und Thüringen wurde bislang keine Anpassung an das reformierte Betreuungsrecht vorgenommen. Einen Überblick zu den Voraussetzungen ärztlicher Zwangsbehandlungen in den einzelnen Bundesländern bietet die Tab. 4.

Tab. 4 Rechtliche Voraussetzungen für eine ärztliche Zwangsbehandlung laut § 1906a BGB und ihre Umsetzung in den PsychKG der Länder

In einigen Bundesländern wurden die Hürden erhöht, indem die Zulässigkeit der Zwangsbehandlung an das Ziel der voraussichtlichen Wiederherstellung der Einsichtsfähigkeit geknüpft wurde (Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen). Unterschiede bestehen weiterhin darin, ob auch das alleinige Vorliegen einer Gefährdung Dritter Zwangsbehandlungen rechtfertigen kann; dies ist bspw. in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, und Hessen möglich. In Bayern und Baden-Württemberg dürfen Zwangsbehandlungen zur Abwehr von Gefahren für Dritte auch erfolgen, wenn der Betroffene einwilligungsfähig ist. Die Berücksichtigung von Patientenverfügungen wird nicht in allen Bundesländern ausdrücklich erwähnt. In Bayern und Baden-Württemberg wird in Fällen gegenwärtiger erheblicher Fremdgefährdung die Berücksichtigung einer Patientenverfügung nicht gefordert.

Anordnung und Dokumentation

Zwangsbehandlungen dürfen in allen novellierten Landesgesetzen nur auf Anordnung eines Arztes erfolgen und sind zu dokumentieren und zu überwachen. Bei der Dokumentation ist in der Regel genau anzugeben, was der Grund für die Zwangsbehandlung war, wie sie durchgesetzt wurde, wie sich der Behandlungsverlauf dargestellt hat und auch wie die Wirkungsweise der Zwangsbehandlung war. In Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Thüringen ist explizit die Leistung Erster Hilfe auch ohne ärztliche Anordnung möglich, falls kein Arzt erreichbar oder mit einem zeitlichen Aufschub Lebensgefahr verbunden ist.

Regelungen zu sozialen Aspekten

Besuchs- und Kommunikationsrechte

In allen Landesgesetzen sind Regelungen für Aspekte sozialer Teilhabe normiert. Das Recht, im Rahmen der Besuchszeiten der jeweiligen Einrichtungen Besuche zu empfangen, die Möglichkeiten der Telekommunikation in Anspruch zu nehmen und am Paket- und Schriftverkehr teilzunehmen, gilt in allen Bundesländern. Diese Rechte können zum Wohle des Patienten und zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung der Einrichtungen überall eingeschränkt oder überwacht werden. Nur in Bayern, Berlin und Brandenburg ist bislang expressis verbis auch die Nutzung elektronischer Medien und Kommunikationsmittel verbrieft.

Belastungsurlaub

Der Patient kann einen Antrag auf Urlaub stellen, wobei hiermit in der Regelung eine Belastungserprobung gemeint ist. Der Rahmen hierfür reicht zeitlich von 7 Tagen (Schleswig-Holstein) über 10 (Hamburg) bzw. 14 Tage (Niedersachsen) bis hin zu einem Monat (Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz). Die Genehmigung eines Belastungsurlaubs hängt dabei stets vom Gesundheitsstatus ab und kann mit Auflagen verbunden sein. Außerdem sehen es neun Bundesländer (Bayern, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein) ausdrücklich vor, die Unterbringung in offener, gelockerter Form durchzuführen, soweit der Zweck der Unterbringung dies zulässt.

Sicherstellung von Patientenrechten

Regelungen von Hilfen für die Patienten

Alle novellierten Gesetze, ausgenommen das des Landes Saarland, sehen Hilfen für Patienten vor. Dabei ist die Breite der Angebote unterschiedlich groß und die Zielsetzungen divergieren. Manche Gesetzgeber beschränken sich auf das Vorhalten „vorsorgender, begleitender und nachsorgender Hilfen“ (Sachsen). Anderenorts werden Hilfen schlichtweg als Leistungen definiert, „die psychisch kranke Menschen befähigen, menschenwürdig und selbstverantwortlich zu leben“ (Schleswig-Holstein). In den meisten Bundesländern werden Hilfen in betreuender oder behandelnder Form ermöglicht und zielen darauf ab, Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, aber auch Unterbringungen zu verkürzen bzw. erneuten Einweisungen vorzubeugen. Wiedereingliederung in die Gesellschaft und selbstbestimmte gesellschaftliche Teilhabe werden in zwölf Bundesländern als Ziel der Hilfen genannt.

Beschwerdemanagement

Während für Patienten oder deren Angehörige in allen Ländern, ausgenommen das Saarland und Niedersachsen, Strukturen zur Kommunikation von Beschwerden oder Anregungen verbrieft sind, sind deren Ausgestaltung und Kompetenzen sehr unterschiedlich geregelt. Die zuständigen Stellen sind Patientenfürsprecher (Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hessen, Sachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen), die ärztliche Leitung der Einrichtung (Brandenburg, Bremen), Besuchskommissionen (Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen) oder eigens eingerichtete Aufsichts- und Beschwerdestellen (Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen). Oftmals sind mehrere Ansprechpartner genannt. In Niedersachsen ist keine direkte Beschwerdemöglichkeit vorgesehen, dort sollen aber Besuchskommissionen Anregungen und Beanstandungen mit der ärztlichen Leitung der Einrichtungen besprechen.

Besuchskommissionen

Besuchskommissionen wurden inzwischen, mit Ausnahme des Saarlands, in allen Bundesländern eingerichtet. Sie sollen die Einrichtungen besuchen und überprüfen, ob die Patientenrechte in angemessenem Umfang gewährleistet werden. Die zeitlichen Abstände variieren von Bundesland zu Bundesland: Soll die Besuchskommission beispielsweise in Bremen, Brandenburg, Hamburg und Niedersachsen die Einrichtungen einmal jährlich besuchen, ist u. a. in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen ein zeitlicher Abstand von zwei bzw. drei Jahren vorgeschrieben. In fast allen Ländern ist auch die Zusammensetzung der Kommission exakt geregelt, nur Niedersachen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt machen dazu keine Angaben in ihren PsychKG.

Sind Besuchskommissionen eher die Regel als die Ausnahme, lässt sich bei Ombudsstellen und Melderegister das umgekehrte Bild feststellen. Lediglich Baden-Württemberg sieht beides vor, wobei die Ombudsstelle dafür Sorge trägt, dass Unterbringungsmaßnahmen und Zwangsmaßnahmen in den anerkannten Einrichtungen in verschlüsselter Form in einem Melderegister erfasst werden.

Diskussion

Die Ergebnisse der Novellierung sind sowohl formal bezüglich der Bezeichnung und des Umfangs der Gesetze (Tab. 2) als auch inhaltlich höchst heterogen. Dabei findet sich in den meisten Landesgesetzen eine positive Entwicklung bei der Umsetzung der höchstrichterlich geforderten Hürden für ärztliche Zwangsbehandlungen, welche typischerweise den Kernbereich der Novellierungen darstellen. In anderen grundrechtlich relevanten Bereichen besteht dahingegen länderübergreifend dringender Nachholbedarf:

  • Anwendungsbereich: Der Anwendungsbereich der Gesetze sollte weiter harmonisiert werden, um für alle Beteiligte gleichlautende materiell-rechtliche Vorgaben zu schaffen. Antiquierte Begriffe, die auf veralteten Krankheitsmodellen basieren, sollten durch Begriffe ersetzt werden, die dem aktuellen Forschungsstand entsprechen. In manchen Gesetzen fallen Personen auch dann unter den Anwendungsbereich des Gesetzes, sobald lediglich Anzeichen für eine Erkrankung bestehen. Zwar kann so den Betroffenen einerseits bei unklaren Krankheitsanzeichen bereits frühzeitig durch Diagnostik und Behandlung geholfen werden. Andererseits bedeutet es auch eine Vorverlagerung des Eingriffs in die Selbstbestimmung der Person.

  • Voraussetzungen und Zweck der Unterbringung: Eine öffentlich-rechtliche Unterbringung sollte nur erfolgen, wenn eine Person sich selbst gefährdet oder eine Gefahr für andere darstellt und dies aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht erkennen oder nicht nach dieser Erkenntnis handeln kann. Bisher findet sich in keinem Landesgesetz der explizite Hinweis, dass eine Einschränkung der Selbstbestimmungsfähigkeit Voraussetzung der Unterbringung ist. Bayern hat hier allerdings einen ganz besonderen Weg beschritten. Im neuen PsychKG Bayerns (Art. 5) ist geregelt, dass Menschen untergebracht werden dürfen, es sei denn, ihre Selbstbestimmungsfähigkeit (wörtlich: Einsichts- und Steuerungsfähigkeit) ist nicht erheblich beeinträchtigt. Diese doppelte Verneinung unterstellt in Gefährdungssituationen zunächst allen Menschen mit psychischen Erkrankungen bis zum Beweis des Gegenteils die Selbstbestimmungsunfähigkeit – eine aus fachlicher und grundrechtlicher Perspektive sehr bedenkliche Konstruktion.

  • Die Unterbringung von Menschen mit psychischen Erkrankungen, die zur Selbstbestimmung fähig sind und eine Behandlung ablehnen, zum alleinigen Schutz Dritter widerspricht – zumindest wenn sie in einem Krankenhaus erfolgt – dem ärztlichen Selbstverständnis (Stichwort Verwahrpsychiatrie) und verstößt gegen das Diskriminierungsverbot der UN-BRK [5]. Hilfen zur Wiederherstellung der Selbstbestimmung und der gesellschaftlichen Teilhabe sollten im Mittelpunkt aller PsychKG stehen. Die Unterbringung sollte entsprechend primär der Behandlung dienen und sekundär der Gefahrenabwehr, denn nach heutigem Verständnis psychischer Erkrankungen ist Fremdgefährdung in der Regel ein Ausdruck dieser Erkrankung. Deshalb sind letztlich Unterstützung, Betreuung und Behandlung die effizientesten Mittel zur Gefahrenabwehr.

  • Behandlungspläne und Behandlungsvereinbarungen: Behandlungspläne sollten flächendeckend in den Landesgesetzen eingefordert werden. Sie sind eine Voraussetzung dafür, dass die Behandlung – und nicht die Verwahrung – der Patienten im Vordergrund steht. Auch sollten Behandlungsvereinbarungen, die oftmals aus Nachbesprechungen von Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen resultieren und Zwangsmaßnahmen gerade im Rahmen von Wiederaufnahmen effektiv reduzieren können [16] sowie Patientenverfügungen gefördert werden.

  • Sicherungsmaßnahmen und unmittelbarer Zwang: Die öffentlich-rechtliche Unterbringung muss im Gegensatz zur zivilrechtlichen Unterbringung nicht nur das Wohl des Untergebrachten, sondern auch das von Dritten, sei es das unmittelbare private Umfeld, Mitpatienten, Behandlungspersonal oder auch die Gesellschaft als Ganzes, gewährleisten. Deshalb ist es in Situationen, in denen die Rechtsgüter von Mitpatienten und Personal gefährdet sind, wichtig, dass Maßnahmen zum Schutz der Gefährdeten ergriffen werden können. Da solche Maßnahmen einen schweren Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen bedeuten und den Betroffenen sowie das beteiligte Personal und die Mitpatienten stark belasten können, sollten die Regelungen klar definieren, unter welchen Bedingungen Sicherungsmaßnahmen getroffen werden können, welche Maßnahmen konkret dazu gehören und wie sie überprüft und beendet werden können.Footnote 3 Die Maßnahmen müssen persönlich und permanent überwacht werden, um Komplikationen zu verhindern und sie baldmöglichst zu beenden. Für den Fall, dass bei Isolierungen eine persönliche Überwachung im selben Raum aus Sicherheitsgründen nicht möglich ist, müssen Alternativen definiert sein. Bei Fixierungen sollten begleitende medizinische Maßnahmen vorgeschrieben werden und eine Ansprechperson soll permanent anwesend sein. Sicherheitsmaßnahmen sollten zur Qualitätssicherung so dokumentiert werden, dass sie in einem Landes- bzw. Bundesregister zur Forschung bezüglich der Reduzierung von Unterbringungen und Zwangsmaßnahmen zusammengetragen werden können. Nachbesprechungen im therapeutischen Team [12] und mit Betroffenen [14] können Zwangsmaßnahmen reduzieren und sollten in allen Ländern verpflichtend eingeführt werden. Die Durchsetzung einer Unterbringung außerhalb der Klinik durch pflegerisches oder therapeutisches Personal (Bayern, Mecklenburg-Vorpommern) ist abzulehnen. Das Gewaltmonopol sollte außerhalb der Klinik auf die Polizei beschränkt sein.

  • Regelungen zur Anwendung einer Zwangsbehandlung: Alle Länder sollten bei den Regelungen zur Anwendung einer Zwangsbehandlung diejenigen Hürden vorsehen, die auch die Novellierung des Betreuungsrechts auf Basis der höchstrichterlichen Vorgaben in § 1906 a BGB eingesetzt hat, was mit Ausnahme der Patientenverfügungen in allen novellierten Gesetzen umgesetzt wurde. Das Vorliegen von Patientenverfügungen oder anderer Hinweise auf den mutmaßlichen Patientenwillen sollte dementsprechend in allen Ländern verpflichtend geprüft werden. Weiterhin ist es in einzelnen Ländern möglich, auf Basis des PsychKG einwilligungsfähige Menschen allein aufgrund fremdgefährdenden Verhaltens gegen ihren Willen zu behandeln. Dies sollte im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG, welche sich gegen diese Möglichkeit richtet, bundeseinheitlich angepasst werden.

  • Regelungen zu sozialen Aspekten: Die Unterbringung sollte in einer Form erfolgen, die den Zweck der Unterbringung möglichst effizient fördert und gleichzeitig die Freiheitsrechte der Betroffenen möglichst wenig einschränkt. Entsprechend sollte im Sinne einer Belastungserprobung in allen Ländern die Möglichkeit gegeben werden, die Unterbringung in möglichst offener Form durchzuführen.

  • Sicherstellung von Patientenrechten: Hohe rechtliche Hürden sowie Nachbesprechung, Dokumentation und Evaluation freiheitsentziehender Maßnahmen tragen zu Transparenz und Kontrolle und somit zur Reduzierung von Zwangsmaßnahmen bei. Bislang ist es nicht gelungen, ein zentrales Register zur Überwachung und Evaluierung von Unterbringungen und Zwangsmaßnahmen einzuführen, obwohl dies maßgeblich zu deren Reduzierung beitragen könnte [1]. Auch die mündliche und schriftliche Aufklärung der Patienten über ihre Rechte und Pflichten, insbesondere über Beschwerdemöglichkeiten, spielt eine zentrale Rolle in der Sicherstellung von Patientenrechten. Dies sollte so einfach, konkret und niedrigschwellig wie möglich geregelt sein. Hier gibt es in den meisten Ländern erheblichen Nachholbedarf. Ein weiteres gesetzliches Instrument ist die Einrichtung von Besuchskommissionen und zentralen Beschwerdeinstanzen. Besuchskommissionen sollten bezüglich ihrer Zusammensetzung, Kompetenzen und der Frequenz der Besuche klar und länderübergreifend definiert werden.

Einschränkend muss betont werden, dass die hier analysierten Gesetzestexte nicht abschließend die rechtliche Wirklichkeit in den Bundesländern wiedergeben. Die genutzte Methodik erfasste primär die Gesetzestexte selbst. Normen, die sich aus den Gesetzesmaterialien (der Begründung des ursprünglichen Entwurfs), Verordnungen oder anderen Gesetzen ergeben, konnten nicht systematisch erfasst werden. Darüber hinaus sind die Prozesse in Thüringen und Sachsen-Anhalt aktuell noch nicht abgeschlossen, weshalb hier die alten Gesetzestexte herangezogen wurden. Aufgrund der iterativen Logik der Novellierungsprozesse ist es prinzipiell unmöglich, einen Zeitpunkt zu finden, an dem alle Bundesländer ihre Novellierungsprozesse abgeschlossen haben.

Schlussfolgerung

Die Analyse und der Vergleich der Ergebnisse der Novellierungen der PsychKG der Länder machen deutlich, dass auch dort, wo sie Grund- und Menschenrechte einschränken, also bei den Unterbringungsvoraussetzungen und -zielen und bei den Regelungen zu Sicherungsmaßnahmen, unmittelbaren Zwang und ärztlichen Zwangsbehandlungen, weiterhin große Unterschiede zwischen den Bundesländern bestehen. In der Praxis erscheint es oft als willkürlich oder zufällig, ob ein Schwerkranker nach Betreuungsrecht (§ 1906a BGB) oder nach PsychKG untergebracht wird. In manchen Bundesländern kann dies jedoch schwerwiegende Konsequenzen für den Schutz der Freiheitsrechte haben. Deshalb sollte gemäß dem Gleichheitserfordernis (Art. 3 Abs. 1 GG), nach dem gleiche Sachverhalte gleichbehandelt werden müssen, gewährleistet sein, dass Rechte und Hilfen für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen überall in Deutschland unabhängig vom Wohnort und unabhängig von der rechtlichen Grundlage der Unterbringung den höchsten rechtlichen Schutz genießen. Die Autoren plädieren deshalb für eine Angleichung der Landesgesetze oder die Schaffung bundeseinheitlicher Gesetze insbesondere dort, wo sie Freiheits- und Teilhaberechte von Menschen mit psychischen Erkrankungen beschneiden. Dies sollte bei den nächsten Novellierungsrunden berücksichtigt werden, welche bereits u. a. in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Brandenburg eingeleitet wurden.

Forschungsbedarf wird insbesondere hinsichtlich der Ursachen für die erheblichen Unterschiede in den Raten von Unterbringungen und Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen gesehen. Grundlage hierfür, und deshalb wichtigstes Desiderat, ist ein Bundesregister, in dem die Daten aus den einzelnen Bundesländern zusammengefasst und der Forschung zur Verfügung gestellt werden. Zukünftige Forschungsvorhaben sollten sich auch der Frage widmen, inwieweit die im Vergleich zu früher insgesamt sehr komplexen Regelungen in den Landesgesetzen zu Umsetzungsschwierigkeiten führen und inwieweit die Komplexität der Kontrollmechanismen hinsichtlich der Anwendung von Zwang in bestimmten Situation möglicherweise das Wohl der Patienten gefährden kann, weil indizierte und dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen entsprechende Maßnahmen nicht oder erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung durchgeführt werden können.