Zusammenfassung
Hintergrund
Für eine Vitamin-D-Substitution werden zahlreiche Einsatzgebiete diskutiert. Dazu zählen Osteoporose, Autoimmunerkrankungen, Krebs, aber auch psychiatrische Erkrankungen. Außerdem wird diskutiert, dass ein Großteil der Bevölkerung in Deutschland an einem Vitamin-D-Mangel leide.
Ziel der Arbeit
Überprüfung der Studienlage zu den einzelnen Krankheitsbildern und eine kritische Auseinandersetzung mit den bisher gültigen Referenzbereichen, die einen Vitamin-D-Mangel definieren.
Material und Methoden
Literaturrecherche in den Stellungnahmen der deutschen Gesellschaft für Ernährung, wissenschaftlichen Publikationen und Fachzeitschriften.
Ergebnisse
Die Studienlage zur Prävention und Therapie verschiedener Krankheiten mit Vitamin D liefert gegensätzliche Ergebnisse. Etablierte Einsatzgebiete stellen die Rachitisprophylaxe bei Säuglingen und die unterstützende Behandlung der Osteoporose dar. Der bisher verwendete Referenzbereich zur Definition eines Vitamin-D-Mangels wurde aus Studien entnommen, die einen Mangel an Vitamin D mit einem Parathormonanstieg korrelieren. In unterschiedlichen Laboren kommen verschiedene Messmethoden zur Vitamin-D-Bestimmung zum Einsatz.
Schlussfolgerung
Zur besseren Beurteilung der Rolle von Vitamin D bei der Entstehung und Therapie chronischer Krankheiten sind weitere Studien nötig. Ein zusätzliches Problem stellen die unterschiedlichen Messmethoden, die in den Laboren zur Bestimmung angewandt werden, dar, da sie stark schwankende, nicht untereinander vergleichbare Werte liefern. Hier wäre eine Vereinheitlichung der Vitamin-D-Bestimmung wünschenswert.
Abstract
Background
Many indications are discussed for vitamin D substitution, such as osteoporosis, autoimmune diseases, cancer and psychiatric diseases. Also discussed is the fact that the majority of the German population suffer from a vitamin D deficiency.
Objective
Review of the study results for these individual diseases and a critical analysis of the currently established therapeutic reference range, which defines a vitamin D deficiency.
Material and methods
A literature search was carried out in the statements of the German Society for Nutrition, in scientific publications and journals.
Results
The study results on prevention and therapy of various diseases with vitamin D show inconsistent results. Well-established indications are the prevention of rickets in babies and the supportive therapy for osteoporosis. The currently established reference range for the definition of a vitamin D deficiency came from studies where vitamin D deficiency was correlated to an increase in parathyroid hormone. Different laboratories use different methods for measurement of vitamin D levels.
Conclusion
More studies are needed to clarify the role of vitamin D in the prevention and treatment of various diseases. Another problem is that different laboratories do not use the same measurement methods to determine vitamin D and the use of different methods leads to widely varying results which cannot be compared. Therefore, a standardization of the methods would be desirable.
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Sowohl in Fachzeitschriften [1] als auch in der Laienpresse [2] finden sich zahlreiche Artikel zum Thema Vitamin D. Gerade in den Herbst- und Wintermonaten wird dort vor einem Vitamin-D-Mangel gewarnt. Doch wann ist eine Substitution wirklich sinnvoll? Grundsätzlich sollte ein Vitamin-D-Mangel kritisch betrachtet werden, da Vitamin D möglicherweise bei der Prävention verschiedener chronischer Krankheiten eine Rolle spielen kann. Diskutiert werden derzeit Zusammenhänge mit Krebs, Autoimmunerkrankungen und psychiatrischen Erkrankungen, beispielsweise Schizophrenie oder Depression.
Vitamin-D-Synthese im Körper
Cholecalciferol (Vitamin D3), ein fettlösliches Secosteroid (Steroid mit geöffnetem B‑Ring), wird als D‑Vitamin vom Körper mit der Nahrung oder in Form von Vitamin-D-Präparaten (es stehen Präparate mit Vitamin D3 [Cholecalciferol] aus tierischen Quellen, oder Vitamin D2 [Ergocalciferol] aus pflanzlichen Quellen zur Verfügung) aufgenommen. Es wird aber auch unter Einwirken von UVB-Strahlen in den Keratinozyten der Haut aus 7‑Dehydrocholesterol gebildet.
Vitamin D3 stellt ein Prohormon dar. Es wird im Körper an sein Transportprotein, das Vitamin-D-bindende Protein (DBP), gebunden transportiert und in einem mehrstufigen Prozess bioaktiviert: Zuerst wird es in der Leber über CYP2R1 (Zytochrom P450 2R1) zu Calcidiol (25-Hydroxy-Cholecalciferol, 25-OH-D3) hydroxyliert. Calcidiol stellt die Speicherform von Vitamin D im Körper dar und dient als Marker für den Vitamin-D-Status. Mit einer Halbwertszeit von etwa 20 Tagen wird Calcidiol dann in der Niere über CYP27B1 in die biologisch aktive Wirkform Calcitriol (1,25-Dihydroxy-Cholecalciferol, 2‑OH-D3) umgewandelt und ins Blut abgegeben. Da Calcitriol nicht nur an seinem Bildungsort Niere wirkt, sondern über das Blut auch an seine vom Bildungsort Niere entfernten Wirkorte Darm und Knochen transportiert wird, sollte es heute als „Hormon“ und nicht mehr als „Vitaminderivat“ bezeichnet werden [3]. Calcitriol wird vom Körper bedarfsgerecht gebildet und induziert seinen eigenen Abbau über CYP24A1 [4]. Eine Übersicht zur Nomenklatur der verschiedenen Vitamin-D-Formen ist in Tab. 1 zu finden.
Physiologische Funktion
Die Stellgröße für die physiologische Wirkung von Calcitriol ist die Kalziumionenkonzentration (Ca2+) im Blut. Calcitriol erhöht synergistisch mit Parathormon (PTH) die Ca2+-Konzentration durch
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Stimulation der Ca2+-Aufnahme im Dünndarm,
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Stimulation der Ca2+-Mobilisation in den Knochen (Stimulation der Osteoklastenaktivität),
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Hemmung der Ca2+-Retention in den Knochen (Hemmung der Osteoblastenaktivität),
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Hemmung der Ca2+-Elimination über die Nieren (Stimulation der Ca2+-Reabsorption aus dem Primärharn).
Calcitriol übt seine vielfältigen Effekte über eine Veränderung der Gentranskription aus. Hierzu bindet es an den Vitamin-D-Rezeptor (VDR), welcher einen ligandgesteuerten Transkriptionsfaktor darstellt. Dieser Komplex dimerisiert in einem nächsten Schritt mit dem Retinoid-X-Rezeptor (RXR) und wandert vom Zytoplasma in den Zellkern. Dort findet eine Bindung an das Vitamin-D-Response-Element und dadurch die Beeinflussung der Gentranskription statt.
Neuere Untersuchungen zeigten außerdem, dass Calcitriol für die normale Proliferation und Differenzierung der Hautzellen von Bedeutung ist. Zusätzlich wird die Aktivität von T‑Lymphozyten gehemmt, die der Makrophagen aber gefördert, was den immunmodulierenden Effekt erklärt [3].
Sonneneinstrahlung und Vitamin-D3-Bildung
Die körpereigene Produktion von Vitamin D in den Keratinozyten der Haut hängt sowohl von der Jahres- und Tageszeit, dem geographischen Breitengrad, der Witterung, der Kleidung, der Aufenthaltsdauer im Freien als auch vom Hauttyp ab. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) reicht in Deutschland die Stärke der Sonnenbestrahlung nur ca. 6 Monate im Jahr aus, um eine ausreichende Vitamin-D-Bildung zu gewährleisten [5]. Hinzu kommt, dass durch die konsequente Anwendung von Sonnenschutzmitteln die Syntheseleistung im Körper beeinträchtigt wird, da weniger UVB-Strahlen zu den Keratinozyten vordringen können [6]. Bei älteren Menschen nimmt der 7‑Dehydrocholesterol-Gehalt in der Haut stetig ab, wodurch die Fähigkeit zur endogen Vitamin-D-Bildung herabgesetzt wird [7].
Aufnahme über die Nahrung
In der Nationalen Verzehrsstudie (NVS II), die das Ernährungsverhalten von über 19.000 Deutschen untersucht hat, heißt es, dass in Deutschland Männer im Alter von 14 bis 80 Jahren durchschnittlich 2,9 μg und Frauen desselben Altersintervalls 2,2 μg Vitamin D pro Tag mit der Nahrung zuführen [8]. Die größte Menge wird dabei über Fisch (ca. 33 %) und Fischerzeugnisse (ca. 15 %) aufgenommen. Aus Fetten, Eiern und Milch/Käse stammen jeweils etwa 10 % der Vitamin-D-Zufuhr [9].
Die DGE empfiehlt derzeit in den D‑A-CH-Referenzwerten (Deutschland [D], Österreich [A] und Schweiz [CH]) bei fehlender endogener Synthese eine tägliche Zufuhr von Vitamin D in Höhe von 20 μg (800 IE) für Kinder, Erwachsene und Senioren. Für Säugling bis 12 Monate werden 10 μg (400 IE) pro Tag empfohlen. (Umrechnung: 1 μg = 40 IE; [10], Abb. 1).
Insgesamt kommt die DGE zu dem Ergebnis, dass 82 % der Männer und 91 % der Frauen die derzeit empfohlene tägliche Zufuhr nicht erreichen. Bei den über 65-Jährigen liegt der Anteil mit 94 % bzw. 97 % sogar noch höher [8].
Gibt es einen „therapeutischen Referenzbereich“?
Die Frage, ob Vitamin-D-Mangel vorliegt, orientiert sich derzeit an der Konzentration des 25-Hydroxy-Cholecalciferols (Calcidiol) im Serum, also an der Speicherform (s. oben). Eine direkte Bestimmung der Vitamin-D3-Konzentration (Calciol) würde nur die Aufnahme mit der Nahrung bzw. die Eigensynthese in der Haut während der letzten Stunden bis Tage widerspiegeln (t1/2[Calciol]: 19–24 h), eine Konzentrationsbestimmung der eigentlichen Wirksubstanz Calcitriol wird nicht vorgenommen, da es im Körper bedarfsgerecht gebildet wird.
Nach übereinstimmender Expertenmeinung wird eine Calcidiol-Konzentration von ≤20 ng/ml als „Mangel“ und ein Wert zwischen 21 und 29 ng/ml als „Insuffizienz“ eingestuft [11, 12]. Diese Beurteilung orientiert sich an der inversen Beziehung zwischen Calcidiol- und Parathormon(PTH)-Konzentration: Bei einem Kalziummangel im Blut und Calcidiol-Konzentrationen <30 ng/ml beginnt die PTH-Konzentration allmählich anzusteigen, zusätzlich ist die Kalziumaufnahme aus dem Darm ab Calcidiol-Serumkonzentrationen <20 ng/ml deutlich erniedrigt. Die minimal erforderliche Konzentration an Calcidiol liegt also dann vor, wenn die PTH-Konzentration im Serum gerade noch nicht anfängt zu steigen [13]. Es ist also nicht möglich, einen Vitamin-D-Mangel durch isolierte Betrachtung des Calcidiol-Wertes zu definieren, sondern der PTH-Anstieg sollte ebenfalls gemessen und berücksichtigt werden. In den meisten Laboren wird jedoch routinemäßig keine PTH-Bestimmung, sondern lediglich eine Calcidiol-Bestimmung durchgeführt.
Die Beurteilung der Vitamin-D-Versorgung des Körpers beruht auf der Messung eines Surrogatparameters, d. h. der Beurteilung liegt keine Korrelation mit einem harten klinischen Endpunkt wie Knochenbruchrate oder Schwere einer Depression zugrunde. Ein weiteres Problem der „Vitamin-D-Bestimmung“ liegt darin, dass es keine Referenzmethode gibt, die in allen Laboren zum Einsatz kommt. Es werden sowohl Proteinbindungsassays, Radioimmunoassays (RIA), als auch HPLC-UV („high performance liquid chromatography“) und LC-MS-Bestimmungen (Liquid-Chromatographie-Massenspektometrie) durchgeführt. Aufgrund unterschiedlicher Nachweisgrenzen und Empfindlichkeiten der einzelnen Methoden ist es jedoch nicht möglich, Messwerte, die mit unterschiedlichen Methoden bestimmt wurden, miteinander zu vergleichen. Selbst wenn verschiedene Labore mit der gleichen Methode arbeiten, werden Schwankungsbreiten von ±24 % akzeptiert. Verlaufskontrollen sollten deshalb bei einem Patienten immer in demselben Labor und mit identischer Messmethode durchgeführt werden [14].
Vitamin D im höheren Lebensalter
Vitamin D spielt eine wichtige Rolle beim Knochenstoffwechsel und der Aufrechterhaltung der Knochengesundheit. Wird dieser Stoffwechsel gestört, kann es durch eine Demineralisierung des Knochens zu einer Osteomalazie kommen. Außerdem kann ein Vitamin-D-Mangel besonders im höheren Alter die Entstehung von Osteoporose begünstigen.
In den letzten Jahren wurde hierzu in verschiedenen Metaanalysen untersucht, inwieweit die Vitamin-D-Supplementation bzw. -Blutkonzentrationen das Sturzrisiko beeinflussen [15, 16]. Es zeigte sich in allen Metaanalysen, dass durch eine Vitamin-D-Supplementation das Sturzrisiko reduziert werden kann. Die Analyse von Bischoff-Ferrari et al. [15] fand heraus, dass eine Supplementation von 700–1000 IE pro Tag (p = 0,02) das Sturzrisiko unabhängig von Alter und Lebensumständen reduzieren kann und zudem die Sturzreduktion bereits nach wenigen Monaten signifikant ist. Diese Erkenntnis könnte letztlich auch die schnelle Wirkung von Vitamin D auf die Knochenbruchprävention erklären.
Rachitisprophylaxe bei Säuglingen
Ein etabliertes Einsatzgebiet von Vitamin-D-Präparaten stellt die Rachitisprophylaxe bei Säuglingen dar. Die Rachitis führt in Folge eines Vitamin-D-Mangels zu einer Erweichung und Verformung der noch im Wachstum befindlichen Knochen, da durch das Defizit an Vitamin D zu wenig Kalzium und Phosphat in das Skelett eingelagert werden. Um einer Rachitiserkrankung vorzubeugen, wird deshalb einem Säugling ab der 1. Lebenswoche bis zum Ende des 1. Lebensjahres unabhängig von der endogenen Vitamin-D-Produktion und Vitamin-D-Zufuhr durch Muttermilch bzw. Säuglingsmilchnahrung eine Vitamin-D-Tablette (500 IE) verabreicht, um die empfohlene Tagesdosis von 10 μg zu decken. Es wird empfohlen, diese Gabe im 2. Lebensjahr während der Wintermonate fortzuführen [17].
Krebserkrankungen und Autoimmunerkrankungen
Verschiedene Studien untersuchten in den letzten Jahren einen möglichen Effekt der Vitamin-D-Serumkonzentration auf unterschiedliche Krebserkrankungen [18]. Einige Studien kommen dabei zu dem Schluss, dass Vitamin D das Krebsrisiko senken kann [19], andere zeigen keinen signifikanten Effekt [20]. Lediglich für kolorektale Karzinome wurde die Evidenz einer Risikosenkung durch Vitamin-D-Supplementation als möglich eingestuft [7].
Studien konnten zeigen, dass die meisten Immunzellen den Vitamin-D-Rezeptor (VDR) exprimieren und in der Lage sind, Caclidiol über CYP27B1 zu Calcitriol zu aktivieren. Die VDR-Expression beeinflusst sowohl die Entwicklung als auch die Differenzierung von T‑Zellen. In Tierstudien konnte ein Einfluss von Vitamin D auf die Entstehung von Autoimmunerkrankungen, wie Multiple Sklerose, gezeigt werden [21].
Psychiatrische Erkrankungen
Es gibt Hinweise, dass Vitamin D eine wichtige Rolle für die Gesundheit von Gehirn und Nervensystem spielt [22]. Gründe hierfür sind das Vorkommen des Vitamin-D-Rezeptors in Rückenmark und Gehirn und die Tatsache, dass Vitamin D einen potenziellen Einfluss auf den Neurotransmitterstoffwechsel hat: Calcitriol steigert die Tyrosinhydroxylase-Expression und somit die Catecholamin-Synthese [23].
Schizophrenie
Bei der Entstehung der Schizophrenie spielen sowohl genetische als auch Umwelteinflüsse eine Rolle. In Tierstudien konnte gezeigt werden, dass ein Vitamin-D-Mangel zu strukturellen Veränderungen im Gehirn führt, die bei Schizophrenie ebenfalls auftreten [24]. Außerdem ist das Risiko, an Schizophrenie zu erkranken, bei Herbst- und Wintergeburten erhöht. Genomstudien konnten zeigen, dass Schizophrenie-Risikogene eine Vitamin-D-Rezeptor-Bindungsstelle besitzen.
In einer weiteren Arbeit wurden Abstammung und Migrationshintergrund als potenzielle Risikofaktoren für die Krankheitsentstehung untersucht. Der Review von Dealberto et al. kam zu dem Ergebnis, dass dunkelhäutige Migranten in nördlichen Ländern ein höheres Erkrankungsrisiko haben als die einheimische Bevölkerung [25]. Diese Daten lassen vermuten, dass der Vitamin-D-Status einen Einfluss auf die Krankheitsentstehung haben könnte. Eine weitere Studie konnte zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen niedrigen Vitamin-D-Serumspiegeln und dem Auftreten und Schweregrad von Positiv- und Negativsymptomen der Schizophrenie besteht [26].
In einer Studie von Abudllah et al. wurde ein möglicher positiver Einfluss einer Vitamin-D-Gabe auf psychiatrische Erkrankungen untersucht: Hierfür wurden 290 Patienten, die sich stationär in einer psychiatrischen Klinik befanden, betrachtet (Diagnosen: Schizophrenie, affektive Störungen, andere psychiatrische Erkrankungen). Bei 90 % der Patienten konnte ein Vitamin-D-Mangel festgestellt werden, es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen den Diagnosegruppen. 235 Patienten erhielten im Anschluss eine Vitamin-D-Substitution von 4000 IE/Tag. Es konnte in keiner Indikationsgruppe eine signifikante Verbesserung auf der Brief Psychiatric Rating Scale (BPRS) erzielt werden [27].
Depressionen
Mehrere Arbeiten sehen Zusammenhänge zwischen niedrigen Calcidiol-Konzentrationen und schweren Depressionserkrankungen und Symptomen einer Depression [28, 29]. Eine kürzlich veröffentlichte Arbeit von Bicikova et al. untersuchte Calcidiol-Konzentrationen von je 20 Frauen und Männern mit Symptomen einer Depression. Zusätzlich wurden 20 Frauen und 20 Männer mit einer Angststörung untersucht und die Calcidiol-Konzentrationen dieser beiden Gruppen mit denen der Kontrollgruppe (24 Frauen, 12 Männer) verglichen. Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass die Calcidiol-Konzentrationen sowohl bei der Depressions- als auch bei der Angststörungs-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant erniedrigt waren. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass affektive Störungen sowohl bei Frauen als auch Männern mit deutlich erniedrigten Calcidiol-Konzentrationen assoziiert sein können [30].
Eine prospektive, randomisierte klinische Studie (n = 441, 1 Jahr Follow-up) von Jorde et al. [31] untersuchte den Einfluss einer Vitamin-D-Substitution auf Depressionen bei übergewichtigen Patienten: Es wurden Gruppen mit einer Vitamin-D-Dosis von 20.000 IE bzw. 40.000 IE pro Woche mit Placebo verglichen, bei beiden Gruppen konnte eine signifikante Verbesserung der Depression im Vergleich zu Placebo festgestellt werden. Jedoch übersteigen die in der Studie verabreichten Vitamin-D-Dosen die empfohlenen Verzehrempfehlungen um das 50- bis 100-Fache. In anderen Studien konnte die Schwere der Symptome unter einer Vitamin-D-Supplementation nicht nachweislich gemildert werden [32, 33].
Einfluss von Vitamin D auf das CYP-System
Es gibt zahlreiche Studien, die sich mit dem Einfluss von Vitamin D auf das CYP-System der Leber und daraus resultierend auf den Metabolismus von Arzneistoffen, die hepatisch eliminiert werden, befasst haben.
Lindh et al. untersuchten, ob die Serumkonzentrationen von CYP3A4-Substraten (Sirolimus, Tacrolimus und Cyclosporin) jahreszeitlichen Schwankungen unterliegen [34]. Es konnte gezeigt werden, dass die Serumkonzentrationen in den Sommermonaten, also bei der höchsten Calcidiol-Serumkonzentration, im Vergleich zu den Werten in den Wintermonaten signifikant erniedrigt waren. Dies legt nahe, dass Vitamin D einen induktiven Effekt auf CYP3A4 ausübt. Zu beachten ist hier jedoch, dass der Vitamin-D-Rezeptor im Menschen nicht in den Hepatozyten, sondern lediglich in spezialisierten Leberzellen (wie Kupffer- oder Endothelzellen) exprimiert wird, die tatsächliche Relevanz der Enzyminduktion für die Biotransformation von Arzneistoffen konnte noch nicht abschließend geklärt werden.
Die mögliche Induktion von CYP3A4 könnte für zahlreiche Psychopharmaka, die vorwiegend über diesen Stoffwechselweg abgebaut werden, wie Aripiprazol, Quetiapin oder Mirtazapin [35] eine Rolle spielen, da es hier potenziell zu erniedrigten Wirkstoffspiegeln kommen könnte.
Vitamin-D-Hypervitaminose
Die toxischen Effekte von Vitamin D werden vor allem durch seine aktivierte Form, das Calcitriol hervorgerufen, wenn dessen Regelung bei Überdosierung nicht mehr gewährleistet ist. Mit einer Hypervitaminose ist erst ab sehr hohen Tagesdosen, etwa ab 40.000 IE zu rechnen.
Eine Vitamin-D-Überdosierung führt zu einer übermäßigen Kalziumabsorption im Darm und Kalziumresorption aus den Knochen und daher zu einer Hyperkalzämie (Kalzium im Serum >2,75 mmol/l) und zu einer Hyperkalziurie (Kalziumausscheidung >10 mmol/24 h). Mögliche Folgen sind Kalkablagerungen in der Niere und folglich Nierenschäden, Kalziumeinlagerungen in Weichteilgewebe oder Osteoporose. Bei Kindern können Wachstumsstörungen auftreten.
Diskussion
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass eine Vitamin-D-Supplementation gerade bei älteren Menschen durchaus Sinn macht, da nachweislich das Risiko für Stürze und damit einhergehende Frakturen reduziert wird. Zudem kann wahrscheinlich die Gefahr von Funktionseinbußen des Bewegungsapparates (Kraft, Mobilität, Gleichgewicht) und das Risiko für vorzeitigen Tod gesenkt werden. Diese positiven Effekte wurden bei älteren Patienten (≥65 Jahre) mit einer Vitamin-D-Supplementation in Höhe von 400–800 IE (10–20 μg) pro Tag erzielt. Die Arbeitsgruppe der DGE spricht sich deshalb bei dieser Altersgruppe für eine tägliche Zufuhr von mindestens 800 IE (20 μg) aus. Außerdem wird die Gabe von Vitamin D (500 IE) zur Rachitisprophylaxe bei Säuglingen ausdrücklich empfohlen.
Die präventive Wirkung von Vitamin D auf das Risiko für verschiedene Krebserkrankungen und kardiovaskuläre Erkrankungen konnte noch nicht überzeugend nachgewiesen werden.
Bei psychiatrischen Erkrankungen stellt sich die Studienlage derzeit ebenfalls uneinheitlich dar. Zwar gibt es Studien, die bei depressiven und schizophrenen Patienten erniedrigte Vitamin-D-Spiegel feststellten, die Frage ob der Vitamin-D-Mangel als Ursache oder als Folge der Grunderkrankung betrachtet werden muss, konnte aber nicht abschließend geklärt werden. Hierzu wären große, prospektive, klinische Vergleichsstudien nötig. Für Depressionen gibt es einige Studien, die einen positiven Effekt einer Vitamin-D-Substitution zeigen konnte, für die Schizophreniebehandlung fehlen solche Studien bisher.
Der momentan gültige Referenzbereich für die „Vitamin-D-Serumkonzentration“, d. h. der Referenzbereich für die Calcidiol-Konzentration sollte kritisch betrachtet werden: Bestimmt wird die Speicherform, nicht die Wirkform. Bei der bestimmten Calcidiol-Konzentration handelt es sich um einen Surrogatparamter, nicht jedoch um eine Serumkonzentration, die, wie beim klassischen therapeutischen Drug-Monitoring (TDM) von Arzneistoffen, mit einem klinischen Wirksamkeitsbeleg korreliert ist. Aufgrund von Schwankungen zwischen den zur Bestimmung eingesetzten Methoden sind die Werte unterschiedlicher Labore schlecht untereinander vergleichbar.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist die Vitamin-D-Versorgung der Menschen in Mitteleuropa ungenügend, unterliegt zumindest einer hohen jahreszeitlichen Schwankung. Eine unkontrollierte, schrankenlose Vitamin-D-Aufnahme ist jedoch nicht unproblematisch, oberhalb von 40.000 I.E./Tag drohen die Symptome der Vitamin-D-Hypervitaminose.
Fazit für die Praxis
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Die Vitamin-D-Supplementation ist bei älteren Menschen sinnvoll, da dadurch das Risiko für Stürze/Frakturen reduziert wird.
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Die präventive Wirkung von Vitamin D auf das Risiko für verschiedene Krebserkrankungen und kardiovaskuläre Erkrankungen konnte noch nicht überzeugend nachgewiesen werden.
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Für Depressionen gibt es einige Studien, die einen positiven Effekt einer Vitamin-D-Substitution zeigen konnten.
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Vitamin-D-Messwerte aus unterschiedlichen Laboren sind wegen verschiedener Messmethoden nicht miteinander vergleichbar.
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Danksagung
Dieser Beitrag entstand mit Unterstützung der Diskussionsbeiträge von Dr. Monika Singer (Agatharied), Prof. Dr. Christoph Hiemke (Mainz), Dr. Wolfgang Paulus (Ravensburg), Prof. Dr. Klaus Hoffmann (Reichenau), Dr. Gunther Carl (Kitzingen).
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S. Unholzer, A. Rothmund und E. Haen geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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Unholzer, S., Rothmund, A. & Haen, E. Alleskönner Vitamin D?. Nervenarzt 88, 489–494 (2017). https://doi.org/10.1007/s00115-016-0278-7
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00115-016-0278-7