Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags…

  • wissen Sie, wie ADHS im Erwachsenenalter diagnostiziert wird,

  • kennen Sie wichtige differenzialdiagnostische Aspekte,

  • sind Sie in der Lage, eine medikamentöse Therapie einzuleiten,

  • haben Sie einen Überblick über psychotherapeutische Behandlungsmethoden.

Hintergrund

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) galt lange Zeit als eine Störung des Kindes- und Jugendalters. Mittlerweile konnte gezeigt werden, dass die Symptome bei bis zu 60 % aller Betroffenen in das Erwachsenenalter hinein persistieren [1] und in Deutschland zwischen 3,1 und 4,7 % aller Erwachsenen von einer ADHS betroffen sind [2, 3].

Die persistierenden Symptome einer ADHS können verschiedene Folgen haben:

Bis zu 80 % aller Erwachsenen mit ADHS weisen komorbide Störungen auf. Zu den häufigsten komorbiden psychischen Störungen zählen Depressionen, Ängste, Missbrauchs- und Abhängigkeitserkrankungen sowie Persönlichkeitsstörungen [1, 2, 3, 4].

Daneben ergeben sich aus der Symptomatik Funktionsstörungen in verschiedenen Lebensbereichen (z. B. Probleme in der Schule, Arbeit, Beziehungen; [2, 3, 4]).

Diagnostik der ADHS im Erwachsenenalter

Bis heute gibt es kein einfaches Testverfahren, mit dessen Hilfe es möglich ist, eine ADHS im Erwachsenenalter zuverlässig nachzuweisen. Vielmehr ist die Diagnose der ADHS eine klinische Diagnose, bei welcher neben der aktuellen Symptomatik auch das Vorliegen der Störung in der Kindheit nachgewiesen sein sollte und mögliche andere Erkrankungen, die eine ähnliche Symptomatik hervorrufen können, differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden müssen.

Bezüglich des Vorgehens bei der Diagnostik der ADHS im Erwachsenenalter gibt es die 2003 erstellten deutschsprachigen Leitlinien [5]. S3-Leitlinien für das Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter befinden sich gegenwärtig in Entwicklung. Daneben werden international häufig die NICE-Leitlinien [6] herangezogen, welche in wesentlichen Bereichen mit den Forderungen der deutschsprachigen Leitlinien übereinstimmen. Innerhalb dieser Leitlinien wird ein multimodales Vorgehen bei der Diagnostik der ADHS gefordert.

Nachweis einer ADHS im Erwachsenenalter

Im ersten Schritt sollte die aktuelle Symptomatik erfasst und gemäß einem Diagnosesystem (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems [ICD]-10, Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders [DSM]-5) oder nach den Wender-Utah-Kriterien klassifiziert werden. Die deutschsprachigen Leitlinien präferieren hierbei keines der genannten Systeme, fordern jedoch eine Angabe, welches Diagnosesystem verwendet wurde. Es sei jedoch anzumerken, dass beinahe alle wissenschaftlichen Untersuchungen zur ADHS unter der Verwendung von DSM-IV/5 durchgeführt wurden. Allerdings ist bei der Diagnostik zu beachten, dass die ICD-10 sehr viel strengere Kriterien zur Diagnosestellung fordert als das DSM-5. Im Gegensatz zum DSM-5 müssen alle Kernsymptome (Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität) vorliegen und die Symptomatik muss bereits vor dem 7. Lebensjahr bestanden haben. Eine reine Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (ADS) kann lediglich als „Sonstige näher bezeichnete Verhaltens- und emotionale Störung mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ unter F98.8 kodiert werden. Daneben dürfen nach ICD-10 die Kriterien einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung, einer manischen oder depressiven Episode oder einer Angststörung nicht gleichzeitig erfüllt sein [7]. Nach DSM werden hingegen verschiedene Subtypen (Erscheinungsbilder) unterteilt, bei denen nicht alle Kernsymptome vorliegen müssen. Die Symptome sollten vor dem 12. Lebensjahr auftreten und Komorbiditäten dürfen diagnostiziert werden, wenn die ADHS-Symptomatik nicht ausschließlich im Verlauf der komorbiden Störung auftritt oder besser durch diese erklärt werden kann. Während das Vorliegen tiefgreifender Entwicklungsstörungen im DSM-IV noch zum Ausschluss der ADHS-Diagnose führte, geht das DSM-5 von einem möglichen komorbiden Auftreten beider Störungsbilder aus. Zudem wurde die Anzahl der Kriterien, die für die Diagnosestellung der ADHS im Erwachsenenalter notwendig sind, reduziert [8]. Bei beiden Diagnosesystemen bleibt anzumerken, dass die für die ADHS zugrunde gelegten Kriterien ursprünglich für das Kindes- und Jugendalter formuliert wurden, obwohl es im Verlauf der Störung häufig zu einem Symptomwandel kommt (z. B. zeigen Erwachsene oft keine offenkundige Hyperaktivität mehr, leiden aber unter einer gefühlten inneren Unruhe), und dass mit der im Alter zunehmenden Introspektionsfähigkeit weitere wichtige Symptome der ADHS erfragt werden können [9].

Zwar sind die Kriterien im DSM-5 für das Erwachsenenalter umformuliert worden, es wurden jedoch keine weiteren, für das Erwachsenenalter relevanten Symptome hinzugefügt. Im Vergleich dazu finden sich in den Wender-Utah-Kriterien explizit für die adulte ADHS formulierte Kriterien, bei denen neben den Kernsymptomen (Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität) weitere ADHS-spezifische Symptome genannt werden (z. B. Affektlabilität , Stressintoleranz). Dabei ist das Vorhandensein von Unaufmerksamkeit und motorischer Hyperaktivität obligat. Zusätzlich müssen zwei weitere Symptome vorhanden sein [10]. Eine Übersicht der Wender-Utah-Kriterien findet sich in Tab. 1.

Tab. 1 Die Wender-Utah-Kriterien. (Nach [10])

Zur Erfassung der ADHS-Symptomatik liegen verschiedene strukturierte Interviews und evaluierte Fragebogenverfahren vor. Eine Übersicht ist Tab. 2 zu entnehmen. Allerdings ist eine Diagnosestellung nur anhand von Fragebogenverfahren nicht zulässig [5, 9].

Tab. 2 Deutschsprachige validierte verfügbare Fragebogenverfahren

Ebenso sollte eine Diagnose nicht alleine auf neuropsychologischen Tests basieren. Zwar konnten Studien beim Gruppenvergleich zwischen ADHS-Patienten und Gesunden neuropsychologische Defizite bei den Patienten zeigen (z. B. schlechtere Leistungen beim Continuous Performance Test), diese Defizite können aber auch bei anderen Störungen auftreten, sodass eine geringe Spezifität vorliegt [17].

Nachweis einer ADHS in der Kindheit

Da in allen Leitlinien und Diagnosesystemen das Vorliegen einer ADHS in der Kindheit als Voraussetzung für die Diagnosestellung gefordert wird, sollte dieses neben dem Erfassen der aktuellen Symptomatik geprüft werden. Sofern eine Diagnose nicht während der Kindheit nachweislich gestellt wurde, wird deshalb empfohlen im Rahmen einer ausführlichen Anamnese den körperlichen und intellektuellen Entwicklungsverlauf, frühere Symptome und daraus resultierende Beeinträchtigungen zu erfassen [5, 6, 9]. Hinweise auf das Vorliegen einer kindlichen ADHS können Geburtskomplikationen (z. B. Sauerstoffmangel) oder Entwicklungsverzögerungen (z. B. feinmotorische Schwierigkeiten, verzögerter Erwerb grundlegender Fertigkeiten wie Laufen, Sprechen) sein. Probleme in Kindergarten und Schule (z. B. sich wiederholende Konflikte mit Lehrern) sind ebenfalls mögliche Anzeichen für das Vorliegen einer kindlichen ADHS.

Da das Erinnerungsvermögen an die Kindheit jedoch häufig eingeschränkt ist, empfehlen sich eine Fremdanamnese (z. B. durch die Eltern) und/oder die Durchsicht alter Schulzeugnisse.

Zur Diagnostik von ADHS-Symptomen in der Kindheit stehen evaluierte Fragebögen zur Verfügung. So stellt beispielweise die WURS-k ein validiertes deutschsprachiges Selbstbeurteilungsinstrument dar [18]. Der Elternbeurteilungsbogen nach Wender ermöglicht zudem eine strukturierte Fremdanamnese kindlicher ADHS-Symptome [10].

Differenzialdiagnostik

Da auch im Rahmen anderer Störungen ADHS-ähnliche Symptome auftreten können, sollte eine sorgfältige Differenzialdiagnostik durchgeführt werden.

Organisch sollten in erster Linie Hyper- oder Hypothyreosen, ein Restless-legs-Syndrom, Vigilanzstörungen sowie Anfallsleiden ausgeschlossen werden. Diesbezüglich empfehlen die Leitlinien neben einem Standardlabor auch eine zusätzliche Schilddrüsendiagnostik [5].

Daneben sollte geprüft werden, ob psychische Erkrankungen vorliegen, welche ebenfalls mit Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität oder Impulsivität einhergehen können. So führen beispielweise affektive Erkrankungen zu Konzentrationsstörungen oder innerer Unruhe, können aber durch ihren in der Regel phasenhaften Verlauf gut von der ADHS abgegrenzt werden, da bei Persistenz in das Erwachsenenalter die Symptome durchgängig vorhanden sein sollten. Da die Symptome der ADHS und der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung häufig überlappen (z. B. Anspannung, Störungen der Emotionsregulation, Impulsivität) und nicht selten komorbid vergesellschaftet sind, ist häufig eine differenzierte Abwägung notwendig. Bei ADHS-Patienten werden Anspannungszustände und dysfunktionales Regulationsverhalten eher durch Langeweile und Situationen mit Unterstimulation ausgelöst, während Patienten mit einer emotional instabilen Persönlichkeit eher auf zwischenmenschliche Konflikte mit Anspannung und Unruhe reagieren. Daneben weisen Patienten mit ADHS eher kein Muster der Idealisierung und Entwertung, selbstverletzendes Verhalten oder eine chronische Suizidalität auf. Dieses sind typische Symptome der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung [9].

Nicht zuletzt sollte der Einfluss von Medikamenten sowie eines Substanzmissbrauchs oder -abhängigkeit ausgeschlossen werden.

Therapie der ADHS im Erwachsenenalter

Basis der Behandlung stellt die Psychoedukation dar, denn bereits das Wissen um die eigene Erkrankung führt bei Erwachsenen mit ADHS häufig zu einer deutlichen Entlastung [19]. Daneben stehen sowohl medikamentöse als auch psychotherapeutische Behandlungsansätze zur Verfügung, deren Wirksamkeit in randomisierten kontrollierten Studien untersucht wurde. Die Wirksamkeit alternativer Behandlungsmethoden wie Sport, Neurofeedback oder die Supplementation von Nahrungsergänzungsmitteln wird aktuell kontrovers diskutiert und bedarf noch weiterer Evaluation [20, 21, 22].

Medikamentöse Ansätze

Eine medikamentöse Behandlung sollte immer dann eingeleitet werden, wenn die Symptomatik in mindestens einem Lebensbereich deutlich oder in mindestens zwei Lebensbereichen leicht ausgeprägt ist. Für die Wahl des passenden Medikamentes sollten die Präferenzen des Patienten, Komorbiditäten, eine mögliche Missbrauchsgefahr sowie die Verträglichkeit und Nebenwirkungen berücksichtigt werden [6].

Vor Behandlungsbeginn sollte eine kardiovaskuläre Abklärung erfolgen und im Zweifelsfall eine Elektrokardiographie und ggf. eine Echokardiographie durchgeführt werden. Des Weiteren sollten das Gewicht vermerkt und ein möglicher Drogenkonsum erfasst werden [6].

Prinzipiell stehen zur Behandlung der ADHS bei Erwachsenen verschiedene Substanzen zur Verfügung. In Deutschland zugelassene Medikamente zur Behandlung der ADHS im Erwachsenenalter sind Methylphenidat (MPH, seit 2011) sowie Atomoxetin (seit 2013). Off-label können bei nicht ausreichender Wirksamkeit von MPH oder Atomoxetin amphetaminhaltige Medikamente (Dextroamphetamin oder Lisdexamphetamin) verwendet werden. Bei einer komorbiden ausgeprägten depressiven Symptomatik sollten zunächst Antidepressiva eingesetzt werden. Sowohl für Stimulanzien wie auch für Atomoxetin konnten stabile Effekte über die Dauer von vier Jahren gezeigt werden, allerdings stellen Therapieabbrüche und eine mangelnde Compliance ein häufig auftretendes Problem bei der medikamentösen Behandlung dar [23, 24].

Weitere Substanzen wie neue Nikotinrezeptorantagonisten ergaben in ersten Pilotstudien positive Effekte, es bedarf jedoch noch weiterer randomisierter kontrollierter Studien [25].

Methylphenidat

Methylphenidat gilt aufgrund seiner hohen Wirksamkeit und guten Verträglichkeit als Mittel erster Wahl [5, 6]. Die Effektstärken liegen im mittleren bis hohen Bereich [26, 27]. Kurzfristig wirkende Präparate weisen eine Wirkdauer von 3–6 h, retardierte Präparate von ca. 8 h auf. In Deutschland zugelassen sind zwei Retardpräparate (Medikinet Adult®, Ritalin Adult®). Concerta® kann weiterverordnet werden, wenn es sich um eine kontinuierliche Weiterbehandlung aus dem Jugend- in das Erwachsenenalter handelt.

Gemäß der NICE-Leitlinien sollte mit einer möglichst geringen Dosis von z. B. 2-mal 5 mg Milligramm begonnen und wöchentlich um 10 mg aufdosiert werden. Die empfohlene Höchstdosis liegt gemäß NICE-Leitlinien bei 100 mg pro Tag. Nach dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sind in Deutschland Dosierungen von 1,0 mg/kg Körpergewicht bzw. 80 mg täglich zugelassen. In der Literatur finden sich auch höhere Dosierungen. Die Wirkung nimmt in der Regel mit Erhöhung der Tagesdosis zu, bei Überschreiten der individuellen Maximaldosis kommt es zu einem Wirkungsabfall und einer Zunahme von Nebenwirkungen [6].

Typische Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen , Unruhe, Schlafstörungen sowie ein in der Regel leichter Anstieg von Blutdruck und Puls, während Tics, Herzrhythmusstörungen oder Angst- und Anspannungszustände seltenere Nebenwirkungen darstellen. Kontraindikationen bestehen u. a. bei psychotischer Symptomatik, einem Glaukom, Hyperthyreose, Schwangerschaft, der Einnahme von Monoaminooxidase[MAO]-Hemmern, Hypertonie oder Arrhythmien. Ebenso sollte die Behandlung bei substanzabhängigen Patienten sorgfältig überdacht und ein mögliches Missbrauchsrisiko (auch das Risiko des Weiterverkaufs) gegen den Nutzen der Medikation abgewogen werden.

Atomoxetin

Atomoxetin, ein Noradrenalinwiederaufnahmehemmer, ist seit 2013 in Deutschland zugelassen und Mittel erster Wahl bei dem komorbiden Vorhandensein substanzbezogener Störungen. Gemäß Fachinformation wird bei einem Gewicht von über 70 kg eine Initialdosis von 40 mg empfohlen, was jedoch zu einem höheren Risiko von Nebenwirkungen führt, sodass insgesamt mit einer geringeren Dosis (18 oder 25 mg) initial begonnen werden sollte. Die empfohlene Tagesdosis liegt bei 1,2 mg/kg, die maximale Tagesdosis beträgt 100 mg [6]. Häufigere Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Appetitverlust, Übelkeit, erektile Dysfunktion sowie Stimmungsschwankungen. Zudem wurden bei Personen unter 30 Jahren zu Beginn der Behandlung Suizidgedanken berichtet und es kann zu einer mäßigen Herzfrequenzerhöhung oder einem Blutdruckanstieg kommen (zwei Rote-Hand-Briefe). Die Kontraindikationen entsprechen im Wesentlichen denen des MPHs.

Antidepressiva

Antidepressive Medikamente mit einem dopaminergen oder noradrenergen Wirkmechanismus sind ebenfalls wirksam bei der Behandlung der ADHS [26], jedoch zur alleinigen Behandlung dieser Störung in Deutschland nicht zugelassen. Allerdings stellen derartige Antidepressiva beim komorbiden Auftreten einer schweren depressiven Episode Mittel der ersten Wahl dar. Infrage kommende Präparate sind unter anderem Bupropion, Duloxetin oder Venlafaxin.

Psychotherapeutische Ansätze

Zwar gilt die medikamentöse Behandlung nach den NICE-Leitlinien als Mittel erster Wahl [6], allerdings empfehlen die deutschsprachigen Leitlinien eine Kombinationsbehandlung aus pharmako- und psychotherapeutischen Maßnahmen [5].

Kognitiv-behaviorale Konzepte

Die meisten veröffentlichten psychotherapeutischen Interventionen zur Behandlung der ADHS im Erwachsenenalter sind Konzepte, die sich an der kognitiv-behavioralen Verhaltenstherapie orientieren. Entsprechend ist die Effektivität dieser Ansätze am besten evaluiert (Evidenzgrad Ib ; [28]). Hierbei erlernen die Patienten u. a. Copingstrategien (z. B. Methoden zur Strukturierung, Umgang mit starken Gefühlen) sowie die Infragestellung ungünstiger verzerrter Grundannahmen (z. B. „egal, was ich tue, es geht schief“). Kognitiv-behaviorale Methoden zur Behandlung der ADHS bei Erwachsenen haben sich sowohl im Einzelsetting (z. B. [29]) und beim Coaching [30] als auch im Gruppensetting (z. B. [31]) als wirksam erwiesen.

Dialektisch-behaviorale Konzepte

Unter der Prämisse, dass die Symptome der Borderline-Persönlichkeitsstörung und der ADHS zum Teil überlappen (z. B. emotionale Instabilität, Impulsivität) und eine hohe Komorbidität besteht, wurde 2002 ein ADHS-Behandlungsmanual veröffentlicht, welches sich an der dialektisch-behavioralen Therapie nach M. Linehan orientiert [32]. Hierbei lernen die Patienten unter anderem Fähigkeiten im Umgang mit Anspannung und Stress, Strategien zur Emotionsregulation und achtsamkeitsbasierte Fertigkeiten. Die Wirksamkeit des Behandlungsansatzes konnte in mehreren Studien gezeigt werden (z. B. [33, 34]).

Achtsamkeitsbasierte Konzepte

Nach einem 8-wöchigen Achtsamkeitstraining mit täglichen Übungen konnte eine signifikante Reduktion der ADHS-Kernsymptomatik (Aufmerksamkeitsstörung, Hyperaktivität und Impulsivität) und eine Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit nachgewiesen werden. Zudem ging im Rahmen einer Elektroenzephalographie(EEG)-Studie eine über Aufmerksamkeitsfokussierung verstärkte Pe- und NoGo-P3-Amplitude mit einer Reduktion von Hyperaktivität und Impulsivität sowie einer verbesserten Aufmerksamkeitsfunktion bei ADHS-Patienten einher [35].

Fazit für die Praxis

  • Die ADHS ist eine Störung mit Beginn im Kindes- und Jugendalter, deren Symptome in bis zu 60 % aller Fälle über das 18. Lebensjahr hinaus persistieren.

  • Neben den Kernsymptomen Aufmerksamkeitsstörungen, Hyperaktivität und Impulsivität leiden Betroffene häufig unter Störungen der Emotionsregulation (z. B. Affektlabilität, Stressintoleranz).

  • Die Diagnosestellung basiert auf einem klinischen Interview, bei dem ADHS-Symptome in der Kindheit und Jugend, die aktuelle Symptomatik sowie mögliche Differenzialdiagnosen und Komorbiditäten erfasst werden sollen.

  • Zur Behandlung wird eine Kombination aus medikamentöser und Psychotherapie empfohlen.

CME-Fragebogen

Welche Aussage zur Persistenz der ADHS in das Erwachsenenalter stimmt?

In 10 % aller Fälle persistieren die Symptome in das Erwachsenenalter.

ADHS ist eine Erkrankung des Kindesalters, die Symptome gehen im Erwachsenenalter vollkommen zurück.

Zwar bleiben Symptome bestehen, diese sind jedoch nicht behandlungsbedürftig.

Die Symptome der ADHS bei Kindern bleiben im Erwachsenenalter in der Regel bestehen.

Die Symptome persistieren bei bis zu 60 % in das Erwachsenenalter.

In den Leitlinien zur Diagnostik der ADHS im Erwachsenenalter wird ein Nachweis von ADHS-Symptomen in der Kindheit gefordert. Ab wie viel Jahren sollten die ADHS-Symptome gemäß DSM-5 nachgewiesen werden?

Die Symptome sollten vor dem 8. Lebensjahr aufgetreten sein.

Bereits im Vorschulalter müssen die Kriterien einer kindlichen ADHS vorliegen.

Die Symptome sollten vor dem 12. Lebensjahr aufgetreten sein.

Die Symptome müssen vor dem 18. Lebensjahr auftreten.

Die Symptome sollten ab einem Alter von 16 Jahren nachgewiesen werden.

In den Diagnosesystemen ICD-10 und DSM-5 werden die ADHS-Kernsymptome Aufmerksamkeitsstörung, Hyperaktivität und Impulsivität beschrieben. Weitere Symptome, die speziell im Erwachsenenalter relevant sind, werden jedoch nicht genannt. Im Gegensatz dazu finden sich bei den Wender-Utah-Kriterien explizit für das Erwachsenenalter formulierte Kriterien. Welche Kriterien gehören nicht zu den Wender-Utah-Kriterien?

Affektlabilität

Desorganisation

Stressintoleranz

Schreckhaftigkeit

Emotionale Überreagibilität

Die Leitlinien zur Diagnostik der ADHS im Erwachsenenalter fordern ein multimodales Vorgehen bei der Untersuchung. Wie sollte gemäß dieser Leitlinien bei der Diagnostik vorgegangen werden?

Die Diagnose der ADHS im Erwachsenenalter basiert auf einem klinischen Interview, bei dem Symptome in der Kindheit, die aktuelle Symptomatik, Differenzialdiagnosen und Komorbiditäten erfasst werden sollen.

Die Diagnose der ADHS im Erwachsenenalter kann mithilfe spezifischer Fragebogendaten gestellt werden, eine weitere Untersuchung ist nicht notwendig.

Die Diagnose einer ADHS im Erwachsenenalter benötigt eine intensive Recherche zur Entwicklungsgeschichte. Wenn die ADHS in der Kindheit nachgewiesen werden kann, ist keine weitere Diagnostik erforderlich, weil dann vom Vorliegen einer ADHS im Erwachsenenalter ausgegangen werden kann.

Die Diagnose der ADHS im Erwachsenenalter kann nur gestellt werden, wenn die Eltern bei der Befragung hinzugezogen werden können.

Die Diagnose einer ADHS im Erwachsenenalter ergibt sich per Ausschlussverfahren. Liegen keine anderen psychischen Störungen zur Erklärung von Konzentrationsstörungen vor, kann von einer adulten ADHS ausgegangen werden.

Welches Fragebogenverfahren beinhaltet eine Selbst- und eine Fremdbeurteilung?

ADHS-SB

WURS-k

ADHS-Diagnosecheckliste

Conners Skalen zu Aufmerksamkeit und Verhalten für Erwachsene

ADHS-E

Eine Patientin kommt in eine ADHS-Sprechstunde und beklagt Traurigkeit, Lustlosigkeit, innere Unruhe, Schlafstörungen und Probleme mit der Konzentration. Daneben habe sie Schwierigkeiten sich zu organisieren, schiebe Dinge häufig auf und erledige alles in letzter Minute. Wie können Sie bei der Diagnosestellung feststellen, ob es sich um die Differenzialdiagnose Depression ohne ADHS oder um das komorbide Auftreten einer Depression und ADHS handelt?

Die Patientin leidet unter einer Depression, weil alle geschilderten Symptome der Depression zugeordnet werden können. Die Diagnose ADHS schließt sich somit aus.

Ob die Patientin tatsächlich unter einer ADHS leidet, kann erst diagnostiziert werden, wenn alle Symptome der Depression remittiert sind.

Durch den Einsatz von Fragebogenverfahren. Sobald die Patientin hohe Punktwerte bei ADHS-Fragebögen und Depressionsfragebögen erreicht, kann von einem komorbiden Auftreten der beiden Störungsbilder ausgegangen werden.

Es sollte der Verlauf der Störung betrachtet werden. Treten Konzentrationsprobleme, innere Unruhe, Organisationsschwierigkeiten und Prokrastination nur im Rahmen der Depression auf, kann eine komorbide ADHS ausgeschlossen werden.

Das Auftreten von Konzentrationsstörungen und Organisationsproblemen führen klar zur Diagnose ADHS.

Welches Symptom spielt sowohl bei der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung als auch der ADHS im Erwachsenenalter eine wichtige Rolle?

Starkes Bemühen, vermutetes oder tatsächliches Verlassenwerden zu vermeiden

Störungen der Affektkontrolle

Selbstverletzendes Verhalten

Interaktionelle Schwierigkeiten mit einem Muster aus Idealisierung und Entwertung

Ein chronisches Gefühl innerer Leere

Welche Wirkstoffe sind in Deutschland zur Behandlung der adulten ADHS zugelassen?

Methylphenidat und Mirtazapin

Dextroamphetamin und Methylphenidat

Methylphenidat und Atomoxetin

Lisdexamphetaim und Methlyphenidat

Dextroamphetamin und Atomoxetin

Wie hoch ist gemäß Empfehlungen die maximale empfohlene Tagesdosis von Atomoxetin?

100 mg pro Tag

45 mg pro Tag

30 mg pro Tag

60 mg pro Tag

80 mg pro Tag

Welche Aussage zu den gegenwärtigen deutschsprachigen Leitlinien ist korrekt?

Psychotherapie hat keinen Effekt auf die ADHS-Symptomatik, es sollten lediglich Medikamente eingesetzt werden.

Die Leitlinien empfehlen entweder eine Medikation oder eine Psychotherapie.

ADHS-Patienten sind für Psychotherapie nicht geeignet, weil sie zu unruhig dafür sind und sich nicht ausreichend auf die Inhalte konzentrieren können.

Die Leitlinien empfehlen eine Kombinationsbehandlung aus medikamentöser und psychotherapeutischer Therapie.

Mit einer Psychotherapie können lediglich komorbide Störungen behandelt werden, die Symptome der ADHS bessern sich nicht.