Zusammenfassung
Altersabhängig auftretende Veränderungen des Schluckaktes werden unter dem Begriff der Presbyphagie zusammengefasst. Die primäre Presbyphagie bezeichnet dabei Modifikationen des Schluckaktes, die auf nichtkrankhaften altersphysiologischen Prozessen beruhen. Der primären Presbyphagie kommt kein Krankheitswert zu, sie vermindert allerdings die Kompensationsreserven des Schluckaktes. Unter der sekundären Presbyphagie werden Schluckstörungen verstanden, die sich im höheren Alter krankheitsbedingt, z. B. in Folge eines Schlaganfalls oder einer neurodegenerativen Erkrankung, manifestieren. Altersphysiologische Prozesse haben Auswirkungen auf sämtliche Phasen des Schluckaktes. In der oralen Vorbereitungsphase sind vor allem eine verminderte Geruchs- und Geschmackswahrnehmung sowie die im Alter häufig multifaktoriell verursachte Mundtrockenheit zu nennen. Die altersabhängige Abnahme von Skelettmuskelmasse, -qualität und -stärke, die als Sarkopenie bezeichnet wird, führt insbesondere zu Alterationen der oralen und pharyngealen Phase. Eine verminderte Sensibilität im Mund-Rachen-Raum hat Auswirkungen auf alle Schluckphasen, manifestiert sich aber vor allem mit einer verzögerten Triggerung des Schluckreflexes. Veränderungen des Achsenskeletts und des Bindegewebes führen ebenfalls zu vielfältigen Modifikationen des Bewegungsablaufs.
Summary
The term presbyphagia refers to all changes of swallowing physiology that are manifested with increasing age. Alterations in the pattern of deglutition that are part of healthy aging are called primary presbyphagia. Primary presbyphagia is not an illness in itself but contributes to a more pervasive naturally diminished functional reserve, making older adults more susceptible to dysphagia. If disorders in swallowing occur in the elderly as a comorbidity of a specific disease, for example stroke or neurodegenerative disorders, this is called secondary presbyphagia. Increasing age has an impact on each stage of deglutition. In the oral preparatory phase a diminished input for smell and taste as well as a usually multifactorial cause of dry mouth are the most important influencing factors. Sarcopenia, the degenerative loss of skeletal muscle mass, strength and quality associated with aging, interferes in particular with the oropharyngeal phase. A decreased sensory feedback from the oropharyngeal mucosa leads to a delayed triggering of the swallowing reflex. Finally, a reduction in connective tissue elasticity and changes of the axial skeleton lead to various modifications of the swallowing pattern with advanced age.
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Im Alter steigt das Risiko, eine Schluckstörung zu entwickeln, drastisch an. So findet sich eine Dysphagie bei annähernd 14 % aller älteren Menschen, die ein unabhängiges Leben führen [1], während mehr als 50 % der Pflegeheimbewohner und ca. 70 % aller im Krankenhaus behandelten geriatrischen Patienten von diesem Störungsbild betroffen sind [2]. Diese altersabhängige Prävalenz spiegelt sich auch in den Ursachen für Krankenhauseinweisungen wider. So entfielen in einer prospektiven Studie 70 % der Zuweisungen wegen Dysphagie auf das Patientengut der über 60-Jährigen. Zudem hatten sich die Zuweisungen im Zeitraum zwischen 2000 und 2007 für die Patienten zwischen 80 und 89 Jahren verdoppelt und für die Patientengruppe über 90 Jahre verdreifacht [3].
Trotz dieser hohen Prävalenz werden Schluckstörungen nur von einem kleinen Teil der Patienten aktiv berichtet. Grund hierfür ist zum einen, dass die Betroffenen die Schluckstörungen nicht bemerken. So fanden Butler und Mitarbeiter bei bis zu 30 % aller älteren Menschen ohne subjektiv empfundene Dysphagie Penetrationen und Aspirationen von Bolusanteilen als Ausdruck eines schwer gestörten Schluckaktes [4]. Zum anderen wird eine sich im höheren Lebensalter manifestierende Schluckstörung von den Betroffenen häufig nicht als Erkrankung verstanden, sondern als normale und unvermeidliche Begleiterscheinung des Alterns begriffen. Aus diesem Grund bemüht sich auch nur ein kleiner Teil der Patienten um Behandlungsmöglichkeiten dieser Störung [1].
Grundsätzlich stellt die Dysphagie im höheren Lebensalter einen unabhängigen Prädiktor für schwerwiegende Komplikationen dar und geht mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko der Patienten einher. Zum einen erhöhen Schluckstörungen in dieser Klientel das Risiko, eine Pneumonie zu entwickeln. So fanden Serra-Prat und Mitarbeiter in einer prospektiven Studie in einem Kollektiv selbständig lebender Menschen mit einem Lebensalter von über 70 Jahre, dass das Pneumonierisiko durch das Vorhandensein einer Dysphagie verdoppelt wurde (40 % gegenüber 21,8 %). Auch weist die Mehrheit der wegen einer Pneumonie hospitalisierten geriatrischen Patienten eine Dysphagie auf, die wiederum den Schweregrad und den Verlauf der Infektion mitbestimmt [5]. Zum anderen sind ältere Menschen mit Schluckstörungen häufig unterernährt mit den kritischen Konsequenzen einer reduzierten körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit und letztlich einer Zunahme ihrer Gebrechlichkeit. Auch wenn die Mangelernährung in dieser Klientel ein mehrdimensionales Problem ist, zeigte sich in der schon erwähnten prospektiven Studie, dass die Dysphagie das Risiko für diese Komplikation im Verlauf eines Jahres um den Faktor 2,7 erhöht. Dieses Ergebnis stimmt erstaunlich gut mit einer Querschnittsstudie an Heimbewohnern überein, in der bei schluckgestörten Menschen dreimal häufiger eine Mangelernährung festgestellt wurde als bei der nicht dysphagischen Gruppe [6].
Schluckstörungen reduzieren die Teilhabe an sozialen Aktivitäten
Neben diesen medizinischen Komplikationen sind zudem auch psychosoziale Folgen der Dysphagie des älteren Menschen zu berücksichtigen. So stellen Essen und Trinken integrale Bestandteile sozialer Interaktion dar und sind insbesondere relevant für das Knüpfen und Aufrechterhalten von Freundschaften und für die Freizeitgestaltung. Schluckstörungen reduzieren die Teilhabe an diesen Aktivitäten und sind daher mit die Lebensqualität erheblich beeinträchtigenden Reaktionen wie Scham, Angst, Depression und sozialer Isolation verknüpft [7].
In diesem Artikel sollen die sich mit zunehmendem Lebensalter einstellenden Veränderungen des Schluckaktes beschrieben und der Zusammenhang mit im Alter prävalenten Erkrankungen erläutert werden.
Primäre und sekundäre Presbyphagie
Mit zunehmendem Lebensalter ergeben sich vielfältige anatomische und neurophysiologische Veränderungen, die zu einer Modifikation des Schluckvorgangs führen. So beeinträchtigt der im Alter zu beobachtende Muskelabbau, die Sarkopenie, generell die motorische Komponente des Schluckens [8]. Zudem wird der Schluckakt durch Veränderungen des Bindegewebes, das im Alter an Elastizität verliert, modifiziert [9]. Auch bewirken Veränderungen des Achsenskeletts nicht nur eine Änderung der Körperhaltung, sondern beeinflussen auch den Schluckakt [10]. Darüber hinaus sind mit zunehmendem Lebensalter, u. a. in Folge einer Abnahme der Nervenfaserdichte, Veränderungen von Sensorik und Sensibilität zu beobachten, die sich ebenfalls in komplexer Weise auf das Schlucken auswirken. Schließlich unterliegt auch die zentrale Steuerung des Schluckaktes altersabhängigen Modifikationen. Die Gesamtheit dieser altersphysiologischen Veränderungen wird als primäre Presbyphagie bezeichnet [11].
Auch wenn der primären Presbyphagie selbst kein Krankheitswert zukommt, vermindert sie nachhaltig die Kompensationsreserve des Schluckaktes, sodass zusätzliche krankheitsbedingte Störungen rascher zu einer schwereren Dysphagie führen können als bei vergleichsweise jüngeren Menschen (Abb. 1). Diese sog. sekundäre Presbyphagie gewinnt in Anbetracht der zunehmenden Alterung unserer Gesellschaft bei gleichzeitig mit dem Lebensalter ansteigender Prävalenz von mit Dysphagien assoziierten Erkrankungen erheblich an Bedeutung. So findet sich eine Schluckstörung bei mindestens 50 % aller Patienten mit ischämischem oder hämorrhagischem Schlaganfall [12]. Betroffene Patienten haben ein um mehr als das dreifach erhöhte Risiko für die frühzeitige Entwicklung einer Aspirationspneumonie und weisen zudem eine signifikant erhöhte Mortalität auf [12]. Bei allen Parkinson-Syndromen ist die neurogene Dysphagie mit einer Häufigkeit von über 50 % ebenfalls ein klinisches Kardinalsymptom und ein wesentlicher Risikofaktor für die Entwicklung einer Pneumonie, die in dieser Patientengruppe auch die häufigste Todesursache darstellt [13]. Auch leiden 20–30 % der an einer Demenz erkrankten Patienten an einer schwersten, von den Betroffenen selbst nicht wahrgenommene Dysphagie mit stillen Aspirationen [14]. Zudem ist die Dysphagie ein dominantes klinisches Merkmal bei verschiedenen neuromuskulären Erkrankungen. So finden sich bei bis zu 30 % der Patienten mit amyotropher Lateralsklerose bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung Beeinträchtigungen des Schluckaktes [15], während im weiteren Krankheitsverlauf nahezu alle Patienten eine Dysphagie entwickeln. Auch Patienten mit entzündlichen Muskelerkrankungen leiden häufig unter Schluckstörungen. Für die Dermatomyositis liegen die Häufigkeitsangaben bei ca. 20 %, für die Polymyositis bei 30–60 % und für die Einschlusskörperchenmyositis zwischen 65 und 86 % [16]. Neben neurologischen Erkrankungen spielen in diesem Kontext insbesondere auch Erkrankungen aus den Fachgebieten der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, der Gastroenterologie und der Zahnheilkunde eine große Rolle.
Altersbedingte Veränderungen des Schluckaktes
Der Schluckakt dient dem Transport von Speichel und Nahrung von der Mundhöhle in den Magen unter gleichzeitigem Schutz der Atemwege (Abb. 2). Obwohl der Schluckakt willentlich eingeleitet werden kann, läuft er meist unbewusst ab. Im Wachzustand schluckt der gesunde Mensch außerhalb der Mahlzeiten in Abhängigkeit von der Speichelproduktion etwa einmal pro Minute, im Tiefschlaf sistieren Speichelfluss und Schlucken nahezu vollständig.
Insgesamt erfordert der stereotyp erscheinende, aber hoch komplexe Schluckakt die bilaterale, koordinierte Aktivierung und Inhibition von mehr als 25 Muskelpaaren in Mundhöhle, Rachen, Kehlkopf und Speiseröhre. Hieran sind fünf Hirnnerven ebenso wie die Ansa cervicalis (C1–C3) beteiligt [17]. Der Schluckakt wird üblicherweise in vier Abschnitte unterteilt.
Im Folgenden wird zunächst das physiologische Bewegungsprogramm der einzelnen Schluckphasen beschrieben, bevor im Anschluss die im Rahmen der primären und sekundären Presbyphagie zu beobachtenden Veränderungen phasenspezifisch erläutert werden.
Orale Vorbereitungsphase
In der oralen Vorbereitungsphase wird die Nahrung zerkaut und mit Speichel gemischt. Das Gaumensegel ist gesenkt und schließt gemeinsam mit der Zunge ab, um zu verhindern, dass Speisematerial vorzeitig in den Oropharynx gelangt. Der Luftweg ist offen, Pharynx und Larynx befinden sich in Ruhestellung. Gegen Ende dieser Phase formt die Zunge einen Speisebolus und hält ihn im vorderen bis mittleren Gaumenbereich rundherum umschlossen. Dazu legt sich die Zunge hinter den oberen Schneidezähnen an den harten Gaumen an. Die Dauer der oralen Vorbereitungsphase hängt von Bolusgröße und -konsistenz ab und ist interindividuell verschieden [18].
Es finden sich zahlreiche mit zunehmendem Lebensalter auftretende Beeinträchtigungen der oralen Vorbereitungsphase (Abb. 3). So konnte sowohl für die Geschmackswahrnehmung als auch für die Geruchswahrnehmung nachgewiesen werden, dass diese im Alter weniger intensiv sind [19, 20]. Hieraus resultiert infolge einer geringeren Freude am Essen nicht nur eine Abnahme der Lebensqualität, sondern auch eine reduzierte Nahrungsaufnahme. Die Anregung der zum Essen nötigen Speichelproduktion kann hierdurch darüber hinaus ebenfalls vermindert sein [21]. Zudem kommt es infolge von Sarkopenie (s. „Orale Phase“), Xerostomie (s. u.), mangelnder oraler Hygiene und unzureichendem Zahnstatus [22] zu einer Abnahme der Kauleistung.
Xerostomie
Die Angaben zum Auftreten von Xerostomie im Alter variieren in der Literatur stark. So finden sich Angaben von 6 % dauernd empfundener Mundtrockenheit [23] bis hin zu 63 % in einer Untersuchung von Heimbewohnern, die sich aufgrund einer akuten gesundheitlichen Verschlechterung in klinischer Behandlung befanden [24]. Die Frage, ob mit zunehmendem Alter auch eine relevante Störung der Speichelproduktion durch eine krankheitsunabhängige Veränderung der Speicheldrüsen auftritt, wird kontrovers diskutiert und konnte bisher nicht sicher beantwortet werden [25].
In jedem Fall sind aber unerwünschte Arzneimittelwirkungen in diesem Kontext zu berücksichtigen.
So beschrieben Sreebny und Schwartz mehr als 400 Medikamente, die zu einer Reduktion der Speichelproduktion führen können [26]. Besonders hervorzuheben sind beispielsweise Diuretika und die sehr häufig eingesetzte Acetylsalicylsäure. Darüber hinaus können aber u. a. auch die Einnahme von Antidepressiva, Antihypertensiva und eine Reihe zytotoxisch wirkender Medikamente für Mundtrockenheit verantwortlich sein. Eine große Zahl systemischer Erkrankungen, wie beispielsweise das Sjögren-Syndrom und der insbesondere im Alter vermehrt auftretenden Diabetes mellitus, können ebenfalls zu einer Hyposalivation führen. Auch chronischer Alkoholabusus und stattgehabte Radiotherapie im Kopf- und Halsbereich können zu Xerostomie führen, die sich von einer milden Ausprägung bis zur völligen Abwesenheit von Speichelproduktion und einer einhergehender Atrophie der Mukosa im Mund erstrecken kann [25].
Orale Phase
In der oralen Phase befördert die Zunge den Bolus durch sequenzielle Wellenbewegungen am harten Gaumen entlang in den Oropharynx. Die Lippen sind dabei geschlossen, die Wangen tonisiert, sodass ein leichter Unterdruck in der Mundhöhle den Transport erleichtert. Das Ende dieser ebenfalls willkürlich ablaufenden Phase markiert die Triggerung des dann hauptsächlich unwillkürlich ablaufenden Schluckreflexes (s. „Pharyngeale Phase“). Die orale Phase dauert weniger als eine Sekunde [18].
Sarkopenie
Ein zentraler Aspekt des Schluckens im Alter und im Besonderen in der oralen Phase ist die Sarkopenie. Dieser Begriff wird definiert als ungewollter Verlust von Skelettmuskelmasse und daraus resultierend auch der Muskelstärke [27]. Grundsätzlich scheinen Patienten mit einer Sarkopenie häufiger eine Beeinträchtigung des Schluckaktes aufzuweisen [8]. Es finden sich Hinweise darauf, dass die Schluckmuskulatur bei diesen Patienten von der Sarkopenie mit erfasst wird und so zu einer Verschlechterung der Schluckfunktion beiträgt. Die Arbeitsgruppe um Buehring zeigte bei der Untersuchung von Älteren mit und ohne Sarkopenie, dass der maximale Zungendruck positiv mit der Griffstärke, der Sprunghöhe und dem Ergebnis eines standardisierten Krafttests korreliert [28]. Bemerkenswerter Weise wiesen zwei Arbeitsgruppen unabhängig voneinander nach, dass die von der Zunge während des Schluckens ausgeübten Drücke sich nicht signifikant zwischen Jungen und Älteren unterschieden. Allerdings zeigten die älteren Probanden niedrigere unabhängig vom Schluckakt gemessenen Maximaldrücke (Abb. 4, [29, 30]). Diese Befunde unterstützen das oben erwähnte Konzept einer Verminderung der Kompensationsreserve der Schluckfunktion mit zunehmendem Lebensalter bei auch im höheren Alter erhaltener Funktionalität des Schluckens.
Aus schluckphysiologischer Sicht lassen sich verschiedene Veränderungen der oralen Phase beim älteren Menschen finden, die im direkten Zusammenhang mit dem altersbedingten Muskelabbau stehen, aber auch durch die reduzierte orale Sensibilität bedingt sind. So ist infolge einer verlangsamten Zungenbewegung die Dauer der oralen Phase in dieser Altersgruppe verlängert. Zudem sind aus dem gleichen Grund die Schluckvolumina tendenziell vermindert und die orale Boluskontrolle reduziert [31].
Pharyngeale Phase
Die pharyngeale Phase ist nicht mehr willentlich steuerbar und beginnt mit Auslösung des Schluckreflexes. Zu Beginn der reflektorischen Bewegungskette hebt sich das Velum, um den Nasopharynx abzuschließen (velopharyngealer Verschluss) und eine nasale Regurgitation des Speisebreis zu verhindern. Die Atmung sistiert kurzzeitig, meist in der Exspirationsphase. Eine schnelle, kolbenartige Rückwärtsbewegung der Zungenbasis drückt den Bolus in den Hypopharynx. Zeitgleich heben sich Hyoid und Larynx nach superior-anterior, was zu einer Erweiterung des Hypopharynx führt und die durch Relaxation eingeleitete Öffnung des oberen Ösophagussphinkters unterstützt. Aus der Hebung des Kehlkopfes und der Erweiterung des geöffneten Speiseröhreneingangs resultiert ein Unterdruck, der den Bolus nach unten zieht (hypopharyngealer Saugpumpenstoß). Zum Schutz der Atemwege vor Aspiration schließt sich die Glottis. Die Epiglottis legt sich, dem Druck des Zungengrundes bei der Aufwärtsbewegung nachgebend, über den Larynxeingang. Der Bolus gleitet über die Epiglottis und die Sinus piriformes, wobei er durch sequenzielle Kontraktionen der Pharynxmuskulatur schlundabwärts transportiert wird. Die pharyngeale Phase dauert etwa 0,7 s [18].
Verzögerte Schluckreflextriggerung
Auch die pharyngeale Phase unterliegt mit zunehmendem Lebensalter vielfältigen Modifikationen, die durch unterschiedlichste Ursachen bedingt werden. Eines der am besten untersuchten Charakteristika der altersphysiologischen Veränderung des Schluckaktes ist die verzögerte Auslösung des Schluckreflexes [10, 30, 32]. Die Sensibilität des Rachens ändert sich mit höherem Alter. Es konnte nachgewiesen werden, dass sich die Triggerpunkte zur Auslösung des Schluckreflexes beim Älteren nach kaudal verschieben [33]. Histologisch konnte eine Abnahme der Zahl myelinisierter Nervenfasern des N. laryngeus superior, der die Schleimhaut von den Valleculae epiglotticae und ihrer unmittelbaren Umgebung bis zur Stimmritze versorgt, als mögliche Ursache gefunden werden [34]. Als unmittelbare pathophysiologische Folge wies die Arbeitsgruppe um Yoshikawa nach, dass ältere Patienten kleinere Bolusvolumina zu sich nehmen. Zudem wurde von den Autoren ein vorzeitiges Übertreten von Flüssigkeit in den Rachenraum, eine Akkumulation oraler und pharyngealer Residuen und eine höhere Rate laryngealer Penetration beobachtet [31].
Veränderungen des Achsenskeletts
Neben der Hypästhesie könnten auch Skelettveränderungen eine Bedeutung für die verzögerte Schluckreflextriggerung haben. Die Arbeitsgruppe um Logemann konnte eine Verkürzung der Distanz zwischen den Wirbelkörpern C2–C4 bei älteren Menschen gegenüber einer jüngeren Vergleichsgruppe und dadurch bedingte Alterationen der hypopharyngealen Anatomie nachweisen [10]. Zudem finden sich im höheren Lebensalter gehäuft ventrale zervikale Spondylophyten, die bei einem kleinen Teil der Betroffenen durch eine mechanische Einengung des Hypopharynx, eine Läsion des N. laryngeus recurrens oder eine chronische Entzündung und Fibrose der pharyngoösophagealen Muskulatur die pharyngeale Phase des Schluckaktes und insbesondere die Auslösung des Schluckreflexes beeinträchtigen [35].
Verminderte Öffnung des oberen Ösophagussphinkters
Wie in mehreren Studien nachgewiesen wurde, nehmen Dauer und Umfang der Öffnung des oberen Ösophagussphinkters (OÖS) mit zunehmendem Lebensalter ab [10, 32]. Dieser Befund ist die Endstrecke vielfältiger altersphysiologischer Veränderungen. So ist die Öffnung des OÖS im Alter zum einen sowohl aufgrund einer verminderten Elastizität als auch infolge eines erhöhten Tonus während des Schluckens [30] beeinträchtigt. Zum anderen nimmt im höheren Alter aufgrund einer verminderten pharyngealen Boluspropulsion der Bolusdruck ab, was zu einer Reduktion der passiven Aufdehnung des OÖS führt. Grund hierfür ist einerseits eine altersabhängige Abnahme der peristaltischen pharyngealen Kontraktion [32]. Andererseits sind auch der Stempeldruck der Zunge, der Zug der hyolaryngealen Muskulatur und die Geschwindigkeit der laryngealen Elevation aufgrund des Muskelabbaus im höheren Lebensalters (s. „Sarkopenie“) vermindert [10, 30]. Als unmittelbare Folge der verminderten Öffnung des OÖS ist der während des Schluckaktes kurzzeitig aufgebaute pharyngeale Unterdruck vermindert, was zusätzlich zu einer Beeinträchtigung der pharyngealen Boluspassage beiträgt [36].
Ösophageale Phase
Wenn die Kontraktionswelle den oberen Ösophagussphinkter erreicht, erlangt dieser seinen Dauertonus zurück und die ösophageale Phase beginnt. Hyoid und Larynx sind in ihre Ruheposition zurückgekehrt. Der nasopharyngeale Verschluss ist wieder geöffnet, sodass die Atmung fortgesetzt werden kann. Durch eine primäre peristaltische Welle wird der Speisebrei in den Magen befördert, was je nach Nahrungskonsistenz bis zu 10 s dauern kann. Lokale Dehnungsreize in der Speiseröhre lösen im Anschluss eine sekundäre peristaltische Reinigungswelle aus [18].
In höherem Alter finden sich sowohl strukturelle Änderungen des Ösophagus als auch Veränderungen der Peristaltik, die einen Einfluss auf das Schluckvermögen des älteren Menschen haben können. So verändert sich im Alterungsprozess die Muscularis propria des Ösophagus. Zudem nehmen sowohl die Größe der Zellen der gestreiften Muskulatur als auch das Volumen des Stratum circulare und die Zahl der Ganglienzellen des Plexus myentericus ab, das Ösophaguslumen wird größer und die Wand steifer [9].
Ösophageale Peristaltik
Veränderungen der Peristaltik werden schon ab dem 40. Lebensjahr beobachtet. Sowohl die primäre als auch die sekundäre Peristaltik nehmen mit zunehmendem Lebensalter ab, zudem treten vermehrt dysfunktionale, nichtpropulsive Kontraktionswellen auf [37]. In einer manometrischen Studie konnten neben nichtspezifischen motorischen Störungen eine ineffektive und hypotensive Peristaltik, ein achalasieartiges Muster und eine erhöhte Zahl von spastischen Bewegungsstörungen gehäuft bei älteren Probanden gefunden werden [38]. Unter pathophysiologischen Gesichtspunkten führen diese Veränderungen zu einer Verlängerung der ösophagealen Phase und erhöhen das Risiko für die Entwicklung eines gastroösophagealen Refluxes (GERD) sowie dessen Folgeerkrankungen.
Unterer Ösophagussphinkter
Die Motilität und Länge des unteren Ösophagussphinkters (UÖS) nehmen altersabhängig ab [37]. Eine reduzierte Relaxation des UÖS fand sich sowohl bei asymptomatischen Probanden als auch bei Patienten, die über eine Dysphagie klagten. Allerdings war im Gegensatz zu gesunden Älteren bei Patienten mit einer Dysphagie der basale Druck des UÖS erhöht [39].
Mechanismen der zentralen Kompensation
Die zentralnervöse Steuerung des Schluckaktes ist komplex und involviert neben den Schluckzentren des Hirnstamms ein ausgedehntes supramedulläres Schlucknetzwerk, das u. a. die Insel, die Stammganglien, den Gyrus cinguli sowie prämotorische Areale und den primären sensomotorischen Kortex umfasst [40]. Dieses Schlucknetzwerk stellt kein statisches Konstrukt dar, sondern reagiert plastisch und kompensatorisch auf schluckstörungenverursachende Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems oder des Muskel-Band-Apparates [18]. Bemerkenswerterweise scheint auch das alternde Gehirn auf die oben beschriebenen altersphysiologischen Veränderungen der am Schluckakt beteiligten Strukturen adaptiv zu reagieren.
Die sensomotorische kortikale Aktivierung nimmt schluckaktbezogen zu
So konnte in drei Studien in der Gruppe der älteren Probanden eine schluckaktbezogene Zunahme der sensomotorischen kortikalen Aktivierung im Vergleich zu jungen Erwachsenen nachgewiesen werden, die sich neben dem primären sensomotorischen Kortex auch auf den prämotorischen Kortex, die supplementär-motorischen Areale und das Operkulum erstreckt ([41, 42], Abb. 5). Eine altersabhängige Zunahme der kortikalen Aktivierung ist allerdings nicht spezifisch für den Schluckakt, sondern wurde auch bei anderen motorische Paradigmen nachgewiesen, wie z. B. Handbewegungen [43] oder Kauen [44], und stellt damit offenbar ein generelles Phänomen des alternden Gehirns dar. Neben der angesprochenen funktionellen Bedeutung, die altersbedingte Einschränkungen der Bewegungen zu kompensieren, kommen auch eine generell altersabhängige Zunahme der kortikalen Erregbarkeit [45] oder eine reduzierte Fähigkeit, sensible Informationen zu inhibieren [46], als Erklärungen für dieses Phänomen in Betracht.
Unabhängig von der tatsächlichen physiologischen Funktion der altersabhängigen Zunahme der tätigkeitsbezogenen Hirnaktivierung liefert dieser Befund einen weiteren Erklärungsansatz für die im Alter verminderte Kompensationsreserve des Schluckaktes. So ist zum einen davon auszugehen, dass die im Alter größere Ausdehnung des Schlucknetzwerkes den zusätzlichen Spielraum für weitere adaptive Reorganisationsprozesse mindert und so z. B. die Erholung des Patienten von einem dysphagischen Schlaganfall erschwert. Zum anderen wird ein relativ ausgedehnteres Schlucknetzwerk grundsätzlich auch eher von einer fokalen Hirnläsion, z. B. einem Schlaganfall, strategisch erfasst und kritisch in seiner Funktionsfähigkeit beeinträchtigt. Diese Kombination aus erhöhter Vulnerabilität einerseits und reduziertem plastischen Potenzial andererseits ergänzt die im letzten Abschnitt beschriebenen, den peripheren Schluckapparat betreffenden Faktoren um eine zentralnervöse Komponente und liefert einen weiteren Erklärungsansatz für die im geriatrischen Patientenkollektiv häufig anzutreffenden, weniger therapieresponsiven und langwieriger verlaufenden Dysphagien.
Fazit für die Praxis
Altersphysiologische Prozesse haben Auswirkungen auf sämtliche Phasen des Schluckaktes:
-
Verminderte Geruchs- und Geschmackswahrnehmung sowie Mundtrockenheit beeinträchtigen die orale Vorbereitungsphase.
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Sarkopenie führt zu Alterationen der oralen und pharyngealen Phase.
-
Eine verminderte Sensibilität im Mund-Rachen-Raum manifestiert sich vor allem mit einer verzögerten Triggerung des Schluckreflexes.
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Veränderungen des Achsenskeletts und des Bindegewebes führen zu vielfältigen Modifikationen des gesamten Schluckbewegungsablaufs.
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Interessenkonflikt. P. Muhle, R. Wirth, J. Glahn und R. Dziewas geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.
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Muhle, P., Wirth, R., Glahn, J. et al. Schluckstörungen im Alter. Nervenarzt 86, 440–451 (2015). https://doi.org/10.1007/s00115-014-4183-7
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