Die klinische und myohistologische Entität einer sporadischen Nemalin-Myopathie mit spätem Manifestationsbeginn („sporadic late onset nemaline myopathy“, SLONM) wurde erstmalig zeitgleich von A.G. Engel [9] als auch W.K. Engel und J.R. Resnick [10] 1966 beschrieben. Wenig später wurde der 1. Patientenbericht einer SLONM mit monoklonaler Gammopathie publiziert [12]. In der vorliegenden Arbeit wird exemplarisch der Fall eines Patienten mit SLOMN und monoklonaler Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) vorgestellt, bei dem ein Therapieversuch mit i.v.-Immunglobulin(IVIG)-Gabe erfolgte. Diagnose und Therapie dieser seltenen Erkrankung werden behandelt.

Fallbericht

Der zum Manifestationsbeginn der Erkrankung 49-jährige Mann und gelernte Maler berichtete über anfängliche Rückenschmerzen und Schwäche im Lendenwirbelsäulenbereich mit Ausbildung eines Hohlkreuzes sowie zunehmenden Schwierigkeiten beim Treppensteigen. Elf Monate nach Erkrankungsbeginn traten Probleme bei Überkopfarbeiten auf; nach 19 Monaten fiel es ihm schwer, sich im Bett zu drehen. Außerdem wurde ein Korsett zur Stabilisierung der zervikothorakalen Muskulatur bei ausgeprägter Kopfhalteschwäche erforderlich (Abb. 1). Im Verlauf nahmen Schwäche und Atrophien im Gliedergürtelbereich stetig zu. Die Funktion der bulbären Muskeln (kauen, schlucken, sprechen) war, abgesehen von einer leichten mimischen Schwäche, normal. Ab dem 3. Erkrankungsjahr war der Patient rollstuhlpflichtig. Das Aufstehen aus liegender und sitzender Position war ab diesem Zeitpunkt nur mit Fremdhilfe möglich. Stehen gelang nur wenige Minuten (Abb. 2). Schon frühzeitig beklagte der Patient eine Belastungsdyspnoe. Im Sitzen trat keine Atemnot auf. Nächtliche Hypoxiezeichen ließen sich nicht eruieren; die Blutgase waren normwertig. Das Elektrokardiogramm (EKG) in Ruhe zeigte im Verlauf einen atrioventrikulären (AV)-Block 1. Grades. Anamnestisch war lediglich eine Lungenembolie aufgrund einer Beinvenenthrombose im linken Oberschenkel im 49. Lebensjahr, d. h. wenige Monate vor Beginn der Skelettmuskelschwäche, erwähnenswert.

Abb. 1
figure 1

Der 51-jährige Patient nach 13-monatigem Krankheitsverlauf mit Kopfhalteschwäche sowie Schwäche und Atrophie im Schultergürtel

Abb. 2
figure 2

Zeitstrahl mit Entwicklung klinisch-funktioneller Parameter. MRC Medical Research Counsil, VC Vitalkapazität

Das Elektromyogramm (EMG) zeigte in Verlaufsuntersuchungen eine pathologische Spontanaktivität mit Fibrillationen in allen untersuchen Muskeln sowie ein Mischbild aus myopathischen und neurogen konfigurierten Aktionspotenzialen motorischer Einheiten bzw. Rekrutierungsmustern. Im Rahmen einer Biopsie des M. deltoideus, die im 11. Krankheitsmonat erfolgte, wurde eine neurogene Atrophie mit Zeichen der Reinnervation sowie gruppiert gelegenen atrophischen Muskelfasern und Kernsäcken nachgewiesen (Abb. 3 a). Aufgrund des klinischen Verlaufs sowie der Befundkonstellationen in EMG und Muskelbiopsie wurde eine Motoneuronerkrankung mit Beteiligung des 2. Motoneurons vermutet und daher eine Therapie mit Riluzol begonnen.

Abb. 3
figure 3

Histologische Ergebnisse der Muskelbiopsate. a M. deltoideus mit gruppiert liegenden atrophischen Muskelfasern und Kernsäcken (11. Krankheitsmonat; HE-Färbung, Vergr. 20:1). bf Serienschnitte des linksseitigen M. tibialis anterior nach 44-monatigem Krankheitsverlauf und vor i.v.-Immunglobulin-Therapie: b lobulierte Fasern (LF; NADH-Färbung; Vergr. 20:1). Typisch sind die fast den gesamten Muskelfaserquerschnitt ausfüllenden Aggregate in überwiegend atrophischen, oft angulär konfigurierten Typ-I-Muskelfasern. c HE-Färbung, Vergr. 20:1, d Trichrom-Gomori-Färbung,, Vergr. 20:1, e NADH-Färbung, Vergr. 20:1, f α-Aktinin-Färbung, Vergr. 20:1. g,h Elektronenmikroskopische Darstellung (Biopsat des linksseitigen M. tibialis anterior) von dichten Nemalinkörpern, die ihren Ursprung in den Z-Streifen haben und von denen in Längsrichtung parallel angeordnete Aktinfilamente abgehen (g). Ausgedehnte subsarkolemmale und perinukleäre Areale sind vollständig von Nemalinkörpern und amorphem Material ausgefüllt (h)

Die Proteinelektrophorese ergab reproduzierbar ein monoklonales λ-Bandenmuster vom Immunglobulin(Ig)G-Typ. Der Proteingehalt im Liquor lag mit 640 mg/l leicht über dem Normwert (< 500 mg/l). Myelinassoziierte Proteinantikörper (MAG) waren negativ. Im Knochenmarkbiopsat wurde mithilfe zytologischer, durchflusszytometrischer und histologischer Untersuchungen ein multiples Myelom ausgeschlossen. Das Beckenkammpunktat zeigte Cyclin-D1-koexprimierende und wahrscheinlich λ-restringierte Plasmazellpopulationen mit einem Gehalt an ≤ 5 % Plasmazellen. Bence-Jones-Proteine waren im Urin nicht nachweisbar. Eine Skelettszintigraphie konnte keine Osteolysen nachweisen. Es wurde die Diagnose einer MGUS mit Paraproteinämie vom Typ IgG Lambda gestellt.

Im 42. Monat kam es zur respiratorischen Insuffizienz im Rahmen einer Haemophilus-influenzae-positiven Bronchopneumonie, gefolgt von einem septischen Krankheitsverlauf („systemic inflammatory response syndrome“, SIRS) mit anschließender Anlage eines Tracheostomas und einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie(PEG)-Sonde. Anhand eines Muskelbiopsats aus dem M. tibialis anterior wurde nun die Diagnose einer Nemalin-Myopathie gestellt (Abb. 3 bh). Der Prozentsatz α-Aktinin-positiver Muskelfasern betrug zu diesem Zeitpunkt 9,6 %. α-Aktinin akkumulierte überwiegend in hochatrophischen Muskelfasern und füllte den Querschnitt dieser Fasern oft vollständig aus. In den atrophischen Typ-1-Fasern waren häufig lobulierte Fasern nachweisbar (19 % der Gesamtmuskelfaserzahl). α-Aktinin-Akkumulationen waren häufig in lobulierten Fasern nachweisbar.

Unter Berücksichtigung des schlechten Allgemeinzustands des Patienten und der Datenlage einzelner positiver Fallberichte (s. Abschn. „Therapie“) wurde ein Therapieversuch mit IVIG in einer Dosis von 0,4 g/kgKG über 5 Tage alle 6 Wochen beschlossen; diese wurde im 48. Krankheitsmonat initiiert und vom Patienten komplikationslos toleriert. Aufgrund des hohen Risikos durch bronchopulmonale Infektionen wurden keine autologe Stammzelltransplantation und Melphalanchemotherapie als Initialmaßnahme durchgeführt.

Unter der Therapie gelang das Weaning von der Beatmung, sodass der Patient ab der 4. IVIG-Gabe (54. Monat) 24 h ohne Aspirationszeichen, aber mit noch reduziertem Hustenstoß, bei ungeblockter Kanüle mit Blindstopfen atmen und sprechen konnte. Ein Kostaufbau wurde bei ausreichenden reflektorischen Reinigungsmechanismen ebenfalls möglich. Laryngoskopisch war bei Flüssigkeiten gelegentlich eine laryngeale Penetration erkennbar.

Zur Unterstützung der Bronchialtoilette erfolgte die Versorgung mit einem Hustenassistenten (Cough Assist®). Die polygraphische Untersuchung ergab keine nächtlichen Sauerstoffentsättigungen, sodass keine Heimbeatmung erforderlich war.

Zum Zeitpunkt der 6. IVIG-Gabe (56. Monat) bestanden eine leichte mimische Schwäche, eine symmetrische Tetraparese bei proximal betontem Gliedergürtelsyndrom [Medical Research Counsil (MRC) Scores: proximaler Arm 2 von 5 (Abduktion im Schultergelenk 15°), distaler Arm 4 von 5, proximales Bein 3 von 5, distales Bein 4 + von 5]. Die Stimme erschien deutlich artikuliert. Stabiles Sitzen war über mehrere Stunden möglich; bei gestütztem Arm konnten die Hand zum Mund geführt oder eine Tastatur bedient werden. Stehen war nicht möglich. Auch 6 Monate nach Beginn der IVIG-Therapie war der Patient in fast allen Belangen des täglichen Lebens pflegebedürftig. Das zu diesem Zeitpunkt durchgeführte Magnetresonanztomogramm (MRT) beider Beine ergab einen nahezu vollständigen fettigen Umbau aller Muskelgruppen (Abb. 4). Ein erneutes Muskelbiopsat des kontralateralen M. tibialis anterior zeigte einen unveränderten lichtmikroskopischen und elektronenmikroskopischen Befund. Auch der monoklonale λ-Protein-Gradient war unverändert in der Immunfixation im Serum nachweisbar.

Abb. 4
figure 4

Magnetresonanztomographiebilder (Durchführung ohne Kontrastmittel) in T1-Wichtung nach 57 Krankheitsmonaten: nahezu kompletter fettiger Umbau der Oberschenkelmuskulatur (a), an den Unterschenkeln fettige Atrophie, die proximal und im posterioren Kompartiment betont ist (b)

Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass die IVIG-Therapie bei diesem Patienten keinen Einfluss auf die Muskelkraft, das Vorkommen der Nemalinkörper im Muskelbiopsat und den M-Protein-Spiegel im Serum hatte. Die registrierte klinische Stabilisierung ist dementsprechend nicht als Folge der IVIG-Behandlung, sondern im Sinne einer regelhaften Restitution nach erfolgreicher Antibiose, durch Beatmung sowie PEG-Ernährung nach Sepsis einzuschätzen.

Vorkommen und Verlauf

Nemalin-Myopathien haben insgesamt eine Prävalenz von 2:100.000. Dabei überwiegen die hereditären Formen, die meist kongenital oder juvenil auftreten und für die neben der häufigsten Mutation im ACTA1-Gen noch Mutationen auf den folgenden 5 bekannten Genen verantwortlich sind CFL2, NEB, TPM3, TPM2, TNNT1 (Tab. 1). In einer Untersuchung von 143 Patienten mit sogenannter primärer Nemalin-Myopathie hatten 6 Betroffene (4,2 %) einen adulten Beginn; dieser lag aber immer vor dem 40. Lebensjahr [24, 26]. Die Erkrankung wurde jedoch nur in 18 % der Fälle genetisch gesichert.

Tab. 1 Unterschiede der Nemalin-Myopathie-Formen

Die SLONM beginnt in über 90 % der Fälle jedoch erst jenseits des 40. Lebensjahrs (Alterspanne des Manifestationsbeginns: 37 bis 79 Jahre). Von 71 zwischen 1966 und 2005 untersuchten Patienten mit SLONM waren bei 17 % eine monoklonale Gammopathie und bei 15 % eine HIV-Infektion nachweisbar [4, 5, 11, 26]. Andere mögliche assoziierte Erkrankungen sind in Tab. 1 zusammengefasst.

Eine monoklonale Gammopathie (syn. M-Protein, Paraprotein) tritt infolge eines expandierten B-Zell-Klons auf und kann mit lymphoproliferativen Erkrankungen einhergehen. Die Häufigkeit einer MGUS in der erwachsenen Bevölkerung beträgt 1 %, bei den über Siebzigjährigen 3 %. Die MGUS wird einerseits als „nichtmaligne“ monoklonale Gammopathie bezeichnet, andererseits auch als mögliche Vorstufe eines multiplen Myeloms angesehen. Sie kann im Verlauf auch in eine Leichtkettenamyloidose (AL-Amyloidose), eine Waldenströms Makroglobulinämie (Plasmozytom), oder ein Lymphom übergehen. Das jährliche Risiko dafür beträgt 1 %. Neben der SLONM kann eine MGUS auch mit anderen Erkrankungen assoziiert sein (Tab. 3). Von 7 Patienten mit SLONM und monoklonaler Gammopathie starben 5 innerhalb von 5 Jahren; der Median betrug 2 Jahre [4]. Im Gegensatz dazu waren von 5 Patienten mit SLONM und ohne Gammopathie nur 2 nach 4 bzw. 12 Jahren an anderen Erkrankungen (Karzinom, Herzinfarkt) verstorben; weitere 3 wiesen einen stabilen klinischen Zustand auf [4].

Klinisches Bild

Hauptsymptome der Erkrankung sind in Tab. 2 zusammengefasst.

Tab. 2 Diagnostische Kennzeichen

Die Augenmuskeln sind in der Regel nicht betroffen; bisher wurde nur ein Fall mit Paresen der externen Augenmuskeln beschrieben [31]. Distale Paresen bei Manifestationsbeginn sind eher selten [19, 23], das „dropped head syndrome“ [4, 19] hingegen häufig.

Eine dilatative Kardiomyopathie ist nicht typisch für die SLOMN und weist eher auf eine kongenitale Nemalin-Myopathie hin; hier kann sie häufig und sogar das einzige und vorherrschende Symptom bei jungen Erwachsenen sein [20, 22]. Charakteristika der sporadischen im Vergleich zur hereditären Verlaufsform sind in Tab. 1 aufgeführt.

Die SLONM kann leicht aufgrund des Verteilungsmusters, des raschen Verlaufs und der Hinweise auf neurogene Veränderungen in EMG und Muskelbiopsat mit einer Motoneuronerkrankung verwechselt werden („ALS mimic“, [3, 31]). Faszikulationen (klinisch und elektrophysiologisch) oder ein gesteigertes Reflexniveau finden sich jedoch nicht. Myalgien können vorkommen [4].

Diagnose

Im histologischen Präparat lassen sich Nemalinkörper („nemaline rods“) mithilfe der Trichrom-Gomori-Färbung oft fuchsinophil (Abb. 3 d, auch violett oder auberginenfarbig) im Sarkoplasma und bevorzugt in atrophischen Muskelfasern darstellen. Immunhistochemisch gelingt der Nachweis mit Antikörpern gegen α-Aktinin (aus denen die Nemalinkörperchen überwiegend bestehen; Abb. 3 f) sowie in der Elektronenmikroskopie (Abb. 3 g,h). Die 1–7 μm langen Nemalinkörperchen haben ihren Ursprung im Z-Streifen. Parallel angeordnete dünne Filamente aus α-Aktinin gehen von den Körperchen aus [27]. Die Texturstörung des Sarkoplasmas kann in der HE-Färbung übersehen werden (Abb. 3 a,c). Intranukleäre Nemalinkörperchen kommen bei hereditären Nemalin-Myopathien, nicht jedoch bei der SLONM vor. Nemalinkörperchen treten mit variabler Häufigkeit im Krankheitsverlauf auf (2–63 %), wobei eine Korrelation zum klinischen Schweregrad nicht zu bestehen scheint [4]. Lobulierte Fasern sind häufig bei SLONM mit und ohne Gammopathie zu finden [4, 15, 29]. Zirkulierende Antikörper gegen α-Aktinin oder andere Z-Streifenproteine sind nicht nachweisbar.

In der Proteinelektrophorese können bei SLONM monoklonale Ig-Gradienten vom Typ Kappa oder Lambda nachweisbar sein [2, 4, 6, 11, 15, 17, 21, 24, 25, 31]. Meistens handelt es sich um IgG-Gradienten, in Ausnahmefällen um IgM-Gradienten [4, 15]. In der Regel liegt eine MGUS vor, d. h., in der weiterführenden Diagnostik lassen sich keine Hinweise für ein multiples Myelom oder eine systemische Amyloidose finden (Amyloidnachweis, Tumorscreening, Knochenmarkbiopsie, Bence-Jones-Protein-Bestimmung im Urin; [4]). Eine MGUS ist durch niedrigere Serumspiegel des M-Protein-Gradienten, Fehlen von M-Proteinen im Urin (d. h. Bence-Jones-Proteinen), < 10 % Plasmazellen oder Fehlen lymphoider Aggregate im Knochenmarkbiopsat und fehlendem Nachweis von systemischen Zeichen (Niereninsuffizienz, Anämie, lytische Knochenläsionen) charakterisiert.

Differenzialdiagnosen

Wichtige Differenzialdiagnosen fasst Tab. 3 zusammen.

Tab. 3 Differenzialdiagnosen

Pathogenese

Die Entstehung von Nemalinkörperchen ist unbekannt, aber es wird vermutet, dass ein gestörtes Verhältnis von funktionellem Aktin und seinen Bindungsproteinen bzw. deren veränderte Interaktion verantwortlich sind. Wie die dreidimensionale Rekonstruktion von Nemaline rods zeigte, werden benachbarte Aktinfilamente entgegengesetzter Polarität durch α-Aktinindimere vernetzt. Dies könnte somit dazu führen, dass die Endigungen der dünnen Filamente an dem Z-Streifen nicht gekappt werden. Neben α-Aktinin sind in den Nemalinkörpern noch andere Z-Streifen-Proteine enthalten: Telethonin, Filamin, Myotilin, Myozenin, Myopallidin sowie Proteine der dünnen Filamente wie Tropomyosin und Nebulin. Dementsprechend ist anzunehmen, dass bei der hereditären Nemalin-Myopathie Genmutationen der dünnen sarkomerischen Filamente α-Topomyosin (TPM3), α-Aktinin (ACTA1), Nebulin (NEB), β-Tropomyosin (TPM2) und Troponin T1 (TNNT1) ursächlich für die pathologische Interaktion sind. Dagegen ist die Entstehung der histopathologischen Veränderungen bei der SLONM bislang nicht geklärt. Das gemeinsame Auftreten mit HIV-Infektion und MGUS sowie auch der Nachweis von identischen Immunglobulintypen im Serum und auf der Oberfläche von Muskelfasern bei 2 Fällen von SLONM mit MGUS [6, 11] sprechen für eine autoimmune Genese. Ein direkter Zusammenhang zwischen MGUS und der Bildung von Nemalinkörperchen wurde aber bis dato experimentell nicht nachgestellt.

Novy et al. postulieren jedoch die abnorme Interaktion von zirkulierendem Immunglobulin mit den sarkomerischen Proteinen der Muskelfasern als möglichen Pathomechanismus [25]. Der Nachweis von sarkomergebundenem Immunglobulin war aber bislang mithilfe von immunhistochemischen und Immunfluoreszensmethoden nicht möglich [12, 17].

Interessanterweise sind Nemalinkörper in geringerer Anzahl auch als Epiphenomene in Muskelbiopsaten bei einer Reihe anderer neuromuskulärer Erkrankungen gefunden worden und zeigen sich selten selbst im gesunden Muskel [24], sodass die Nemalinkörperformation letztlich unspezifisch ist.

Therapie

Die Beurteilung einer wirksamen Therapie wird durch die Seltenheit der Erkrankung und fehlende geeignete Surrogatmarker zur Verlaufskontrolle erschwert. Die HIV-Infektion-assoziierte SLONM scheint erfolgreich auf eine immunsuppressive und immunmodulierende Therapie mit Plasmapherese, IVIG oder Prednisolon anzusprechen [7, 28].

Die Therapie der SLONM mit monokonaler Gammopathie mit immunsupprimierenden und modulierenden Medikamenten ist oft frustran (Prednisolon, Cyclophosphamid, Rituximab, Azathioprin, Plasmapherese), wenngleich Berichte über ein partielles Ansprechen vorliegen [6, 11]. Von 4 Patienten mit SLONM und MGUS, die mit Prednisolon behandelt wurden, sprachen 3 nicht auf eine Monotherapie an, einer zeigte jedoch über mehrere Jahre und unter „Add-on“-Therapie mit IVIG einen stabilen Zustand. Zwei weitere Patienten mit SLONM und MGUS wiesen eine partielle Remission sowie Verbesserungen ihres Muskel-Summenscores und ihrer funktionellen Parameter unter einer Therapie mit Immunglobulinen auf (0,4 mg/kgKG über 4 bis 5 Tage alle 4 bis 8 Wochen, [21]).

Auf dieser Grundlage sowie unter Berücksichtigung der unkomplizierten Verfügbarkeit und des geringen Nebenwirkungsrisikos ist ein Behandlungsversuch mit IVIG durchaus gerechtfertigt. Allerdings wurde in den aufgeführten Studien nicht zum Verhalten des M-Protein-Gehalts im Serum und zu Veränderungen im Muskelbiopsat unter der IVIG-Behandlung Stellung genommen. Ebenfalls ergab sich in dem hier vorgestellten Fall kein relevanter Nutzen von IVIG.

Die bislang einzige Therapie, bei der auch ein Effekt auf pathologische Strukturen nachgewiesen werden konnte, war der Einsatz von hochdosiertem Melphalan (70 mg/m2 [31], 140 mg/m2 [2], 200 mg/m2 [25]), gefolgt von einer autologen peripheren Stammzelltransplantation. Alle 3 behandelten Patienten verbesserten sich geradezu dramatisch in ihren funktionellen Scores. Zwei vor Therapiebeginn bereits rollstuhlpflichtige und bettlägerige Patienten erlangten innerhalb eines Jahres die Gehfähigkeit und weitgehende Autonomie in Alltagsaktivitäten wieder. Der monoklonale Gammopathiegradient im Serum war nach 2 bis 6 Monaten in diesen Fällen nicht mehr nachweisbar [2, 25, 31]. In Kontrollbiopsaten waren 3 und 15 Monate nach Therapie weder in der Trichrom-Gomori-Färbung noch elektronenmikroskopisch Nemalin rods nachweisbar [2, 31].

Dem guten Therapieerfolg dieser Kombinationstherapie und der unbehandelt schlechten Prognose der SLONM muss die Mortalitätsrate unter autologer Stammzelltransplantation von 3–5 % bei multiplem Myelom bzw. 13 % bei der AL-Amyloidose gegenübergestellt werden. Allerdings ist das Mortalitätsrisiko in der Behandlung dieser Erkrankungen geringer, wenn keine kardiale oder viszerale Begleiterkrankung vorliegt, wie es in der Regel auch bei der SLONM der Fall ist.

Als Therapiealternative mit einem höheren Sicherheitsprofil und ähnlicher Wirksamkeit könnte sich die Kombination aus Melphalan und hochdosiertem Dexamethason erweisen. Ergebnisse liegen für die AL-Amyloidose aus randomisierten Studien vor [16]; diese Kombination wurde jedoch bei Patienten mit SLONM noch nicht eingesetzt.

Fazit für die Praxis

Die SLOMN ist eine sehr seltene Erkrankung, die in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezogen werden sollte, wenn eine Myopathie mit Gliedergürtelschwäche und raschem Verlauf nach dem 35. Lebensjahr beginnt. Insbesondere die Assoziation mit einer monoklonalen Gammopathie oder einer HIV-Infektion geben zusätzliche Verdachtsmomente. Die Abgrenzung gegen eine Motoneuronenerkrankung (ALS mimic) ist durch das Fehlen von Faszikulationen und Pyramidenbahnzeichen möglich. Die Sicherung der Diagnose erfordert eine Muskelbiopsie, in der sich die Nemalinkörper nachweisen lassen. Unbehandelt nimmt die Erkrankung einen progredienten Verkauf mit schlechter Prognose. Für die HIV-Infektion-assoziierte SLONM ist eine immunsuppressive und immunmodulierende Therapie mit Plasmapherese, IVIG oder Prednisolon erfolgversprechend. Die Therapie der SLONM mit MGUS gestaltet sich schwieriger: Der Einsatz von IVIG kann auf der Grundlage positiver Einzelfallberichte versucht werden, ist aber häufig frustran. Die Behandlung mit Melphalan und autologer Knochenmarktransplantation scheint die bislang einzige Therapie mit kurativem Effekt auf klinische und myopathologische Veränderungen zu sein; allerdings limitieren die Nebenwirkungen die Einsatzmöglichkeiten. Die SLONM gehört somit zu den wenigen potenziell behandelbaren Myopathien.