Forschungen der letzten Jahre legen nahe, dass nicht nur neuronale und gliale, sondern auch vaskuläre Prozesse bei der Pathogenese der sporadischen Alzheimer-Erkrankung eine Rolle spielen. Dies geschieht bereits in präklinischen Stadien und abseits der häufig konkomitanten, jedoch wesentlich später auftretenden zerebralen Amyloidangiopathie. Ein tieferes Verständnis dieser hier sog. vaskulär-neuronalen Achse der Krankheitsentstehung ermöglicht neue Einsichten in zukünftige therapeutische und insbesondere präventive Strategien.

Neben der persönlichen Belastung von Betroffenen und Angehörigen stellt die Alzheimer-Krankheit (AK) als häufigste Demenzerkrankung angesichts der zunehmenden Lebenserwartung in westlichen und Schwellenländern eine wachsende gesellschaftliche und ökonomische Herausforderung dar. Auf globaler Ebene besteht ein dringender Bedarf nach effektiven Strategien für Prävention, Diagnostik und Therapie. Die bedeutsamste pathophysiologische Grundlage für deren Erforschung ist weltweit seit langem die sog. Amyloidhypothese. Danach werden die neurodegenerativen Prozesse v. a. in Gang gesetzt durch das gehäufte Auftreten bestimmter nichtlöslicher β-Amyloid-Peptide (Aβ) und konsekutive Prozesse, die schließlich in eine Aggregation dieses Peptids in Oligomere, Fibrillen und später Plaques münden. Trotz intensiver Forschungen konnten jedoch bisher aus dieser Hypothese noch keine wirksamen therapeutischen Strategien abgeleitet werden. Es erscheint daher naheliegend, Kofaktoren anzunehmen, die additiv oder womöglich synergistisch zur Pathogenese beitragen. Vaskuläre Faktoren werden in dieser Hinsicht seit langem diskutiert, und mittlerweile gilt ihr Einfluss auf Entstehung und Verlauf der AK aufgrund einer Vielzahl klinischer, pathologischer und tierexperimenteller Befunde als gesichert [31, 36]. Zumindest für die sporadische AK kann daher ein synergistisches pathogenes Wechselspiel aus vaskulärer und neuronaler Amyloidpathologie angenommen werden, das in seinen wichtigsten Aspekten hier zusammengefasst werden soll. Für eine solche Amyloid-Gefäß-Interaktion, zu der mittlerweile eine umfangreiche Literatur vorliegt, spricht der belegte Einfluss vaskulärer Risikofaktoren (VRF) und auch entsprechender präventiver Maßnahmen auf Inzidenz und Verlauf der AK [17] sowie eine typische frühe, z. T. präklinische vaskuläre Pathologie im Rahmen der Erkrankung.

Gefäße, Neurone und Gliazellen können im Säugetierhirn funktionell kaum separat betrachtet werden, sie sind vielmehr zu sog. neurovaskulären Einheiten (NVE) verbunden. Die NVE steuert den regionalen zerebralen Blutfluss (CBF) über bedarfsorientierte neuronale metabolische Aktivität, ein Mechanismus, der als neurovaskuläre Kopplung für eine „funktionelle Hyperämie“ sorgt. Die NVE enthält die Blut-Hirn-Schranke (BHS) und versieht weitere Schlüsselaufgaben im ZNS (Abb. 1). Zwischen den verschiedenen Zelltypen der NVE herrschen zur Aufrechterhaltung der Hirnfunktion vielfältige dynamische Interaktionen. Wie in der vorliegenden Übersicht dargestellt, legen Forschungen der vergangenen Jahre nahe, dass Aβ toxische Einflüsse nicht nur isoliert auf Neurone oder Gliazellen, sondern auf alle Komponenten der NVE, insbesondere und bereits in frühen Stadien der AK auf vaskuläre Bestandteile, ausübt.

Abb. 1
figure 1

Die neurovaskuläre Einheit (NVE) als komplexe multizelluläre Funktionseinheit des ZNS bestimmt die Gehirnaktivität im Gesunden wie unter pathologischen Bedingungen. Der Großteil der abluminalen Oberfläche, die auf arteriolärer Ebene aus Myozyten, auf kapillärer Ebene aus Perizyten besteht, wird von Astrozytenfortsätzen bedeckt. Perizyten sind mit Endothelzellen, deren Hauptaufgabe die Blutflussregulation, die Barrierefunktion der Blut-Hirn-Schranke, der Stoffaustausch und die Aufrechterhaltung der hämostatischen Balance ist, durch synapsenartige Kontakte verbunden. Mikrogliazellen im Ruhezustand patrouillieren in unmittelbarer Nähe zur Sicherstellung der Immunantwort. Zerebrovaskuläre Risikofaktoren und Amyloid β führen zu strukturellen und funktionellen Veränderungen der NVE mit Störung der neurovaskulären Funktion

Bedeutung vaskulärer Risikofaktoren und Ereignisse

Die Bedeutung sämtlicher typischer VRF für die Pathogenese nicht nur der vaskulären Demenz (VaD), sondern auch der AK wurde v. a. in den vergangenen ca. 15 Jahren in einer Vielzahl von sorgfältig angelegten Untersuchungen nachgewiesen [31]. Bei den im Folgenden zitierten und vielen anderen Studien erfolgte eine diagnostisch präzise (in vielen Fällen autoptisch gesicherte) Abgrenzung beider Demenzformen untereinander und auch von „Mischdemenzen“, was für die Aussagekraft hinsichtlich dieser Fragestellung zwingend ist.

Arteriosklerose, insbesondere in Verbindung mit einem Apolipoprotein-E(ApoE)-ε4-Genotyp, führt zu einem wesentlich erhöhten Risiko für die „reine“ AK [9]. Luchsinger et al. konnten zeigen, dass das Alzheimer-Demenz-Risiko mit der Anzahl der prämorbid bereits vorhandenen VRF linear ansteigt [19]. Das Vorhandensein von VRF scheint auch den Verlauf der AK negativ zu beeinflussen [20].

Arterielle Hypertonie ist besonders stark mit dem späteren Auftreten einer AK assoziiert [15], vermutlich durch die konsekutive zerebrale Mikroangiopathie und Störungen der zerebralen Autoregulation. Es konnte gezeigt werden, dass antihypertensive Therapie das Demenzrisiko senkt und die spezifische AK-Pathologie reduziert [14]. Jedoch könnte wiederum eine chronische zu starke Blutdrucksenkung über eine zerebrale Minderperfusion (s. unten) zu einer spezifischen Risikoerhöhung führen [4].

Vorhofflimmern wurde als unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung nicht nur primär vaskulärer kognitiver Störungen, sondern auch der AK identifiziert [1].

Diabetes mellitus und AK sind epidemiologisch und pathophysiologisch sehr eng assoziiert. Einerseits besteht eine Verbindung über die Minderperfusion bei zerebraler Arteriosklerose ähnlich wie bei der Hypertonie [16]. Andererseits führt Insulinresistenz langfristig zu einer Reduktion zentraler Insulinspiegel sowie -rezeptoren, was substanziell zur Ausbildung der AK-typischen Pathologie beiträgt und sowohl die Konversion von der leichten kognitiven Störung („mild cognitive impairment“, MCI) in die Alzheimer-Demenz als auch den Schweregrad der Alzheimer-Demenz direkt beeinflusst [21]. Die AK-assoziierte zerebrale Insulinresistenz wird gelegentlich als „Typ-3-Diabetes“ bezeichnet und wird sogar als Tiermodell für die sporadische AK genutzt. In diesem Zusammenhang sei aber angemerkt, dass zentrales Insulin nicht den Glukosestoffwechsel steuert.

Rauchen führt zum Auftreten von Arteriosklerose, (oftmals stummen) Hirninfarkten sowie oxidativem Stress. Als ein Ergebnis der Honolulu Asia Aging Study erhöhte Rauchen im mittleren Lebensabschnitt das AK-Risiko und in einer Subgruppe auch dosisabhängig die Amyloidpathologie unabhängig von Alter, Bildungsniveau und ApoE-Genotyp [30].

Eine Schlaganfallanamnese erhöht das AK-Risiko signifikant und in Abhängigkeit von vorliegenden VRF um ein Mehrfaches [10]. In einer älteren Autopsiestudie war für das Erreichen der gleichen prämortalen klinischen Demenzausprägung weniger AK-spezifische Pathologie erforderlich, wenn gleichzeitig zerebrovaskuläre Läsionen vorlagen [27]. In der vielzitierten „Nonnenstudie“ zeigten Alzheimer-Demenz-Fälle mit einem oder zwei lakunären Infarkten einen steileren Abfall der kognitiven Funktion [29]. Eine synergistische Wechselwirkung von Schlaganfall und AK wird daher schon seit längerer Zeit angenommen [11].

Zerebrovaskuläre Pathologie bei der sporadischen Alzheimer-Krankheit

Die vaskuläre Pathologie bei AK ist nicht beschränkt auf die Ablagerung von Aβ in Gefäßwänden, die als zerebrale Amyloidangiopathie v. a. in späten Erkrankungsstadien dominiert und dabei zu endothelialer und glattmuskulärer Degeneration, erhöhter Wandsteifigkeit und dadurch zu (Mikro-)Infarkten und Blutungen führt. Im Rahmen einer aktuellen Autopsiestudie zeigten sich in 77 % der Fälle mit AK zu Lebzeiten und signifikant häufiger als bei Kontrollen deutliche arteriosklerotische Veränderungen der basalen Hirnarterien. Deren Ausmaß korrelierte geschlechts- und altersadjustiert eng mit dem Grad der AK-spezifischen extrazellulären Amyloidpathologie sowie dem Aufkommen intraneuronaler neurofibrillärer Bündel aus phosphoryliertem Tau-Protein [33]. Zu den typischen gefäßmorphologischen Veränderungen bei der AK gehören weiterhin frühe endotheliale Atrophie und Basalmembranverdickungen bzw. -hyalinosen. Perivaskulär finden sich aktivierte Astrozyten und Mikrogliazellen sowie als Ausdruck eines lokalen Energiedefizits eine Hochregulation von hypoxieinduzierten Genen. Endothelzellen weisen einen verminderten Mitochondriengehalt, vermehrte Pinozytose und dysfunktionale „tight junctions“ mit Blut-Hirn-Schranken-Störung auf [36]. Über eine Hemmung des VEGF („vascular endothelial growth factor“) -Signalwegs ist Aβ darüber hinaus ein Induktor für endotheliale Autophagie [7] bzw. ein Angiogeneseinhibitor [26]. Die Rarefizierung des Kapillarnetzes führt zu Mikrozirkulationsstörungen [22]. Tierexperimentelle Untersuchungen weisen darauf hin, dass die genannten Veränderungen der Neurodegeneration vorausgehen und somit für die Erkrankung eine pathogenetische Bedeutung haben könnten [6].

Mechanismen der Gefäß-Amyloid-Interaktion

Störung der zerebralen Blutflussregulation

Eine globale chronische zerebrale Minderperfusion wurde bei der AK in einer Vielzahl von Studien mit unterschiedlichen Methoden nachgewiesen (transkranielle Dopplersonographie [TCD], Single-Photonen-Emissions-Computertomographie [SPECT], Positronenemissionstomographie [PET], Xenoninhalation; [11]). Eine kürzlich publizierte Metaanalyse über zwölf TCD-Studien fand signifikant erniedrigte Flussgeschwindigkeiten und erhöhte Pulsatilitätsindizes nicht nur bei VaD-, sondern auch bei Alzheimer-Demenz-Patienten [28]. In Tiermodellen führt chronische CBF-Reduktion zu vermehrter zerebraler Amyloid-Precursor-Protein (APP)-Expression, β-Sekretase-Aktivität, Aβ-Produktion, Synapsenuntergang und kognitiven Störungen [18]. Diese stellen die molekularpathologischen und klinischen Charakteristika der AK dar, und so ist zu vermuten, dass die CBF-Reduktion bei beginnender AK einen Circulus vitiosus unterhält, der wesentlich zur Pathogenese der Erkrankung beitragen könnte (Abb. 2).

Zwei weitere Faktoren verstärken wahrscheinlich diesen Mechanismus: Erstens beeinflussen bereits lösliche Aβ-Peptide direkt den zerebralen Gefäßtonus, indem sie – bei chronischer Applikation vermutlich durch Funktionsänderung der endothelspezifischen NO-Synthase (eNOS) – anhaltend vasokonstriktiv wirken [2]. In späteren Stadien der AK kommt es mit Ablagerungen von Aβ in den Gefäßwänden dann zur irreversiblen Endotheldysfunktion, Degeneration glatter Gefäßmuskelzellen und vaskulärer Complianceminderung [36]. Zweitens führt die bei AK typischerweise früh im Krankheitsverlauf auftretende Degeneration von Neuronen im Nucl. basalis Meynert zu Störungen der cholinerg vermittelten Vasodilatation an neurovaskulären Synapsen [6] und damit ebenfalls zu einem hyperkontraktilen Gefäßphänotyp (Abb. 2). Die so entstehenden zerebralen bzw. kortikalen (Mikro-)Zirkulationsstörungen sind in Tiermodellen der AK noch vor der krankheitstypischen Aβ-Akkumulation nachweisbar [36]. Passend dazu findet sich bereits bei asymyptomatischen Risikopersonen positronenemissionstomographisch eine Reduktion der von einer intakten zerebralen Perfusion abhängenden Glukoseaufnahme [8].

Abb. 2
figure 2

Amyloid-β () vermittelt bereits im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit toxische Effekte sowohl auf zerebrale Gefäße (A) als auch Hirnparenchym (B). Die Störung der endothelialen Stickstoffmonoxid (NO)-Ausschüttung verursacht vasokonstriktive (hyperkontraktile) Effekte. Dadurch entstehende Minderperfusion fördert oxidativen Stress durch Radikalfreisetzung (ROS) sowie Amyloidentstehung im Hirnparenchym; beides führt schließlich zu Neurodegeneration. Abnehmende cholinerge Innervation der Gefäßwände (C) sowie additive pathologische Effekte vaskulärer Risikofaktoren auf die Endothelfunktion (D) markieren weitere Eintritte in den Circulus vitiosus. eNOS endotheliale NO-Synthase

Blut-Hirn-Schranken-Störung

Endothelzellen sind untereinander durch Tight Junctions eng verknüpft und bilden im gesamten Verlauf der Zerebralarterien und des subpialen und kapillären zerebralen Gefäßsystems unter Normalbedingungen um die Gefäße herum eine durchgehende Membran. Diese ist funktionell hochaktiv, daher ist die endotheliale Mitochondriendichte besonders hoch. Sie übt als eigentliche BHS einerseits eine Barrierefunktion aus und ist andererseits verantwortlich für einen kontrollierten Stoffaustausch zwischen dem Blutkreislauf und dem neuronalen Milieu. Für die Pathogenese der AK möglicherweise bedeutsam ist, dass auch ein spezifischer endothelialer Transport von Aβ in beide Richtungen stattfindet. Aβ wird mittels Lipoprotein-Receptor-Protein-1 (LRP-1) sowie P-Glykoprotein in den Blutkreislauf transportiert, wo es gebunden an lösliches LRP-1 dem Abbau in Leber und Niere zugeführt wird. Die Herabregulation der LRP-1-vermittelten Aβ-Clearance führt demzufolge zur Erhöhung der Aβ-Konzentration im Gehirn und zu Kognitionsstörungen im Tiermodell [12]. Entsprechend wurden u. a. erniedrigte LRP-1-Konzentrationen bzw. oxidativ geschädigtes LRP-1 in kleinen Hirngefäßen von Autopsiefällen mit Alzheimer-Demenz nachgewiesen [23]. In umgekehrter Richtung erfolgt v. a. durch „receptors of advanced glycation products“ (RAGE) ein Transport von Aβ ins ZNS. Ältere Untersuchungen an Tiermodellen der AK ergaben eine erhöhte RAGE-Expression und mithin einen gesteigerten Aβ-Influx in das Neuropil [32]. Substanzen mit Blockade des RAGE-Signalweges könnten bei der AK wirksam sein und befinden sich in der Entwicklung.

Bei der AK kommt es mit Fortschreiten der Erkrankung zu einer BHS-Dysfunktion durch Lockerung der endothelialen Zellverbindungen, ähnlich wie nach akuter ischämischer Schädigung [36]. Vermutet wird u. a. eine Abnahme von Tight-Junction- und Matrixproteinen der Basalmembran, möglicherweise als Folge einer vermehrten Aktivierung vaskulärer Matrixmetalloproteinasen, deren Substrate diese Proteine sind. Folgen sind dann ein Verlust der Barrierefunktion mit Übertritt höhermolekularer Proteine (Albumin, Immunglobuline) in das Neuropil, vasogenem Ödem mit Reduktion des kapillären Blutflusses sowie Übertritt neurotoxischer Substanzen und dann Neuronenuntergang [36].

Vaskulärer oxidativer Stress

Unter oxidativem Stress wird eine Situation verstanden, in welcher die Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS), v. a. des Superoxidanions (O2 ) und von Wasserstoffsuperoxid (H2O2), die schützende antioxidative Gewebskapazität übersteigt und in toxischer Weise mit zellulären Redoxvorgängen im Rahmen der mitochondrialen Energiegewinnung interferiert. Das Gehirn ist gegen oxidativen Stress empfindlicher als andere Organe aufgrund seines hohen Sauerstoffverbrauchs, des erhöhten Gehalts an mehrfach ungesättigten Fettsäuren sowie eines relativen Mangels an antioxidativen Enzymen. Eine Vielzahl von Befunden an neuronalen Zellkulturen, unterschiedlichen AK-Tiermodellen, an Liquor- und Blutproben von Alzheimer-Demenz-Patienten sowie post mortem legen eine Schlüsselrolle für oxidativen Stress in der Pathogenese der AK nahe. Vermehrte Fettsäure-, Protein-, DNA- und RNA-Oxidation bei Alzheimer-Demenz-Patienten wurden gefunden [35]. Neben Neuronen sind vaskuläre Zellen, v. a. die mitochondrienreichen zerebralen Endothelzellen, besonders vulnerabel [5, 17].

Als Hauptmediator für vaskulären oxidativen Stress gilt hier die Nicotinamid-Adenindinukleotid-Phosphat (NADPH)-Oxidase, welche v. a. durch Aβ1–40 aktiviert wird [25]. Hierdurch kommt es kaskadenartig zu einer überschießenden Produktion von ROS und sekundär auch Stickstoffoxiden („nitrosativer Stress“, Abb. 3). Die so vermittelte endotheliale Schädigung führt im Tiermodell zur Beeinträchtigung der endothelabhängigen Vasodilatation [5] sowie der neurovaskulären Kopplung und möglicherweise der zerebralen Autoregulation [3, 6, 17]. Hieraus resultiert chronisch wieder eine zerebrale Minderperfusion mit erhöhtem Aβ-Anfall, womit sich wiederum ein Circulus vitiosus schließt [22]. Darüber hinaus sind Folgen von oxidativem/nitrosativem Stress im Endothel ein Anstieg der endothelialen Permeabilität und vermehrte Leukozytenadhäsion an die Gefäßwand sowie die Herabregulation endothelialer Signaltransduktionswege. Oxidativer Stress und seine Folgen in Gefäßzellen des Zerebralkreislaufs sind typischerweise lange vor solchen im Hirnparenchym nachweisbar [6, 17, 22, 24, 36]. Zumindest im Tierversuch und in Anfangsstadien sind sie auch reversibel unter dem Einfluss antioxidativer Enzyme, z. B. Superoxiddismutase (SOD) oder Catalase ([6], Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Zelluläre Reaktionswege der Synthese (rot) und Elimination (grün) freier Radikale (reaktive Sauerstoffspezies, ROS) in Hirngefäßen und Neuronen. Motor der Radikalbildung ist v. a. die NADPH-Oxidase, die durch Amyloid-β () hochreguliert wird. Ein wesentlicher Mediator vaskulärer Dysfunktion ist die Reduktion der Verfügbarkeit von Stickstoffmonoxid (NO) als Vasodilatator durch Verbrauch im Rahmen der Reaktion mit Superoxidanionen (O2 ) zu hochreaktiven Peroxinitritanionen (ONOO). Diese sowie das Wasserstoffsuperoxid (H2O2) interferieren zudem mit zellulären Redoxvorgängen und schädigen den zellulären Energiestoffwechsel. Durch die dargestellten antioxidativen Enzyme erfolgt die Radikalentgiftung, die unter physiologischen Bedingungen deren Freisetzung ausbalanciert. GSH Glutathion, GSSG Glutathiondisulfid

Die vaskulär-neuronale Achse und ihre klinische Bedeutung

Die hier präsentierten Befunde stellen lediglich einen Ausschnitt aus einer wachsenden Zahl von Erkenntnissen dar, die belegen, dass neurodegenerative und zerebrovaskuläre Läsionen keine bloßen Koinzidenzen darstellen, sondern pathogenetisch synergistisch interagieren. Wie versucht wurde zu zeigen, besteht epidemiologisch eine erhebliche Risikofaktorüberlappung auch bei Zugrundelegung strenger diagnostischer Kriterien im Hinblick auf eine „reine“ AK. Weiterhin legen unterschiedliche experimentelle Modelle nahe, dass einerseits ischämische Läsionen eine Aβ-Akkumulation bewirken und andererseits Aβ vasomotorische Wirkungen hat und ischämische Schäden aggraviert. Wie oben dargelegt, belegen neuropathologische Studien seit über 15 Jahren, dass Alzheimer-Demenz-Patienten im Altersvergleich eine höhere Last an relevanten zerebrovaskulären Läsionen haben als Nichterkrankte und dass die Kinetik der Krankheitsprogression durch sie zumindest mitbestimmt wird.

Es muss darauf hingewiesen werden, dass auch eine einseitige Betonung vaskulärer Momente in der komplexen Pathogenese der AK sicher zu kurz greift. Genetische Risikokonstellationen unabhängig von Gefäßaspekten werden auch für die sporadische AK beschrieben, und ein großer Teil von Individuen mit multiplen VRF wird andererseits niemals an einer AK erkranken. Wahrscheinlicher ist wohl eher – wie bei vielen anderen neuropsychiatrischen Erkrankungen auch – ein Schwellenkonzept: Eine genetische Prädisposition trifft auf einen Komplex aus Umweltfaktoren, der von vaskulären Faktoren wesentlich mitgestaltet wird, was schließlich im Zusammenspiel ab einem gewissen Punkt den pathologischen Prozess ins Rollen bringt. Nach der sog. „Two-hit“-Hypothese [34] führen VRF kumulativ zu BHS-Dysfunktion und einer Reduktion des CBF („hit one“), was eine präklinische Schädigungskaskade anstößt, die u. a. eine Reduktion der endothelialen Aβ-Clearance und einen Anstieg der Aβ-Synthese im und -Aufnahme in das Gehirn beinhaltet sowie die Induktion von vaskulärem oxidativem Stress. Nach neueren Erkenntnissen, die nicht Gegenstand der vorliegenden Übersicht sind, spielen hier wohl auch inflammatorische Prozesse eine Rolle. Neuronale Funktionsstörungen entwickeln sich sekundär und abhängig von einer individuellen Prädisposition durch die Formierung neuro- bzw. synaptotoxischer Aβ-Spezies („hit two“) mit der Folge der Neurodegeneration. Es ist aber durchaus denkbar, dass bei Vorliegen einer noch nicht definierten konstitutiven Risikokonstellation (wie etwa manchen monogenetischen familiären AK-Formen) eine sehr geringe oder auch gar keine vaskuläre Schädigung zur Erreichung der pathogenetischen Schwelle notwendig ist.

Im Lichte der hier diskutierten vaskulär-neuronalen Störungsachse erlangt nach Meinung des Autors das traditionelle, unscharfe und in der derzeitigen Form klinisch wenig brauchbare Konzept der „Mischdemenz“ [13] mit bisher geringem heuristischem Wert eine dynamische pathogenetische Bedeutung. Die Relevanz liegt auf der Hand: Trotz erheblicher bisheriger Forschungsanstrengungen weltweit ist weiterhin kein kurativer Therapieansatz der Alzheimer-Demenz in Sicht. Umso mehr sollten – neben einer Erweiterung gängiger Paradigmen – Überlegungen zur Prävention verstärkt in den Fokus rücken. Aufgrund der hier diskutierten prinzipiell beeinflussbaren vaskulären Faktoren von Pathophysiologie und Verlauf der AK sollte die Bedeutung von „Lifestyle“-Faktoren in der Prävention noch deutlicher hervorgehoben und ihre Modifikation im protektiven Sinne umso rigoroser gefordert werden.

Fazit für die Praxis

  • Wie bei der Mehrzahl der neuropsychiatrischen Erkrankungen ist auch die sporadische AK als ein Zusammenspiel aus genetischer Prädisposition und Umweltfaktoren zu betrachten, wobei vaskuläre Faktoren bei beiden Aspekten eine wesentliche Rolle spielen.

  • Zukünftige Überlegungen zur Entwicklung geeigneter Therapien sollten nicht nur auf neuronale, sondern auch auf vaskuläre pathogenetische Prozesse, z. B. Minimierung von oxidativem Stress und Verbesserung des CBF, abzielen.

  • Es ist anzunehmen, dass die ganze Bandbreite vasoprotektiver Präventionsmaßnahmen wie vornehmlich sorgfältige Blutdruck-, Blutzucker- und Cholesterineinstellung, Rauchverzicht, moderater Alkoholkonsum, gesunde („mediterrane“) Ernährung und körperliches Training auch im Hinblick auf die AK wirksam ist.