In den vergangenen 10 Jahren wurden zahlreiche neue Autoantikörper bei neurologischen und neuromuskulären Autoimmunerkrankungen identifiziert (Tab. 1). Als Indikatoren für das Risiko und die Art eines möglicherweise assoziierten Tumors spielen die Antikörper eine Schlüsselrolle in der Aufdeckung paraneoplastischer Syndrome [16]. Eine rasche, präzise Antikörperdiagnostik ermöglicht eine frühzeitige Therapie und ist daher oft entscheidend für die Prognose.

Tab. 1 Neurologische und neuromuskuläre Syndrome, assoziierte Autoantikörper und Tumoren. (Nach [1, 3, 5, 11, 13, 16, 17])

Das diagnostische Potenzial von Autoantikörpern bei neuromuskulären Erkrankungen wurde bereits in den 1970er Jahren erkannt, als pathogene Antikörper gegen Acetylcholinrezeptoren (AChR) beschrieben wurden, die mit Myasthenia gravis assoziiert sind [14]. Später entdeckte man Antikörper gegen intrazelluläre (nukleäre und zytoplasmatische) onkoneuronale Antigene (Hu, Yo, Ri, CV2, Ma1, Ma2, Amphiphysin, Recoverin) bei Patienten mit klassischen paraneoplastischen neurologischen Syndromen [19]. Diese Antikörper gelten als sichere Tumormarker [7, 16]. Die allgemein schlechte Prognose steht im Zusammenhang mit irreversiblen neurodegenerativen Prozessen, die zytotoxischen T-Zell-Mechanismen zugeschrieben werden [2].

Mehr und mehr sind verschiedene Syndrome mit Autoantikörpern gegen neurale Oberflächenantigene (Rezeptoren, Kanalproteine und assoziierte Proteine) in den Vordergrund gerückt, die erst im Verlauf der vergangenen 10 Jahre als Zielantigene der Autoimmunität identifiziert wurden. Sie können mit oder ohne Tumor in Erscheinung treten. Darunter finden sich Formen von Autoimmunenzephalitis mit Antikörpern gegen Glutamatrezeptoren (Typen NMDA und AMPA, [4, 10]), γ-Aminobuttersäure-Rezeptoren Typ B (GABABR, [12]) und Kaliumkanal-(VGKC)-assoziierte Proteine (LGI1, CASPR2, [8]). Die Antikörper sind teilweise an den pathophysiologischen Prozessen direkt beteiligt, ihre Konzentration verringert sich in der Regel bei adäquater immunsuppressiver Therapie, wobei die Symptome häufig weitgehend bis vollständig abklingen [2, 4, 11].

Der Titerverlauf der Autoantikörper korreliert mit der Krankheitsaktivität

Antikörper gegen die Oberfläche von Neuronen sollten bei der Erstuntersuchung idealerweise parallel in Serum und Liquor bestimmt werden. Beschränkt sich die Analyse zunächst auf das Serum, so ist bei negativem Ergebnis eine zusätzliche Untersuchung des Liquors anzuraten, weil dieser in Einzelfällen isoliert positiv reagieren kann [15]. Insbesondere bei bereits begonnener Therapie (z. B. Plasmapherese) kann die Serumreaktivität unter die Nachweisgrenze absinken, während die Reaktion im Liquor weiterhin positiv ausfällt [6]. In einer eigenen Befundrecherche war bei 13 von 69 initialen Serum-Liquor-Paaren von Patienten mit Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis der Autoantikörper ausschließlich im Liquor nachweisbar.

Es hat sich auch gezeigt, dass viele Autoantikörper gegen neurale Oberflächenantigene im Titerverlauf mit der Krankheitsaktivität korrelieren. Die Bestimmung der Antikörperkonzentration ist daher ein wichtiges Mittel, den Therapieeffekt zu kontrollieren [4, 18] und möglicherweise auch ein Rezidiv frühzeitig zu erkennen.

Serologische Testsysteme

Für die Bestimmung antineuraler Antikörper wurde eine Vielzahl von Immunoassay-Typen beschrieben. Das am häufigsten verwendete Testprinzip beruht auf der Bindung der Antikörper an das korrespondierende Antigen eines Testsubstrates und der nachfolgenden Darstellung des Antigen-Antikörper-Komplexes mittels Fluoreszenz, Radionukliden oder Kolorimetrie (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Testsysteme zum Nachweis antineuronaler Antikörper (Auswahl). EGFP „enhanced green fluorescent protein“, ELISA „enzyme linked immunosorbent assay“, FIPA Fluoreszenzimmunoprezipitationsassay, IIFT indirekter Immunfluoreszenztest, RIA Radioimmunassay

Antikörpernachweis: intrazelluläre Antigene

Als Suchtest wird der indirekte Immunfluoreszenztest (IIFT) mit Gefrierschnitten verschiedener Primatengewebe (Hippokampus, Kleinhirn, Großhirn, periphere Nerven, Darm, Pankreas) eingesetzt. Diese Substrate repräsentieren das gesamte relevante Spektrum nativer Antigene und gewährleisten maximale Authentizität im Hinblick auf Antigenstruktur und -präsentation. Die Erfassung charakteristischer Antikörperbindungsmuster (Abb. 2) ist deshalb mit einer hohen Sensitivität verbunden.

Abb. 2
figure 2

Nachweis von Autoantikörpern gegen intrazelluläre Antigene (Auswahl). Links: charakteristische Bindungsmuster im indirekten Immunfluoreszenztest. Rechts: Linienblot mit rekombinanten Antigenen. KH Kleinhirn, A Auge, QM quergestreifte Muskulatur

Die spezifische Verifizierung positiver histochemischer Reaktionen erfolgt mittels Immunblot. Westernblots auf der Basis elektrophoretisch aufgetrennter Vollextrakte aus Primatenkleinhirn (Abb. 3) umfassen das gesamte zerebelläre Antigenspektrum, sodass nicht nur der Nachweis bekannter Reaktivitäten, sondern auch die Darstellung von Antikörpern bislang unbekannter Spezifität möglich ist. Alternativ können Linienblots verwendet werden, bei denen rekombinante Antigene an definierten Stellen auf Membranstreifen aufgetragen sind (Abb. 2). Aufgrund der leichteren Auswertbarkeit werden Linienblots in der Laborpraxis im Vergleich zu Westernblots bevorzugt.

Abb. 3
figure 3

Antikörpernachweis mittels Westernblot. Antigenvollextrakt aus Primatenkleinhirn wurde elektrophoretisch aufgetrennt, auf eine Nitrozellulosemembran transferiert und mit Patientenseren inkubiert. Die Pfeile kennzeichnen die jeweilige definierte Antigenposition

Eine Beschränkung der Diagnostik auf nur eine Methode (indirekte Immunfluoreszenz oder Immunblot) wird nicht empfohlen [7]: Einerseits können bestimmte Reaktivitäten (z. B. Anti-Ma1/Ma2) immunhistochemisch leicht übersehen werden, und die Interpretation der Fluoreszenzmuster kann sich als diffizil erweisen, wenn zusätzlich Autoantikörper gegen Zellkerne oder Mitochondrien vorliegen. Andererseits erfassen Linienblots nur Reaktionen gegen die begrenzte Anzahl eingesetzter Antigene.

Antikörpernachweis: Oberflächenantigene

Bei der Bestimmung von Antikörpern gegen neuronale Oberflächenantigene stellt die indirekte Immunfluoreszenz die Referenztechnik dar. Zum monospezifischen Nachweis werden bei einigen Parametern auch Radioimmuntests (RIA), Fluoreszenzimmunpräzipitationstests (FIPA) oder enzymgekoppelte Immunadsorptionstests (ELISA) eingesetzt (Abb. 1). Allerdings ist die für die ELISA-Herstellung erforderliche Aufreinigung der membranassoziierten Autoantigene mühselig und ihre Kopplung an die Festphase ist schwierig oder unmöglich. Häufig werden bei solchen Präparationen die tertiär- oder quartär-strukturierten Epitope zerstört oder abgeschwächt.

Aus diesen Gründen sind rekombinante Zellsubstrate zum Nonplusultra für die Untersuchung von Oberflächenparametern geworden. Im Immunfluoreszenztest werden spezifisch transfizierte humane Zellen, die jeweils ein definiertes Antigen exprimieren, direkt als Substrat eingesetzt. Dadurch vermeidet man die aufwendige Proteinreinigung und erhält Antigene mit authentischer Konformation sowie posttranslationaler Modifikation.

Zellbasierter indirekter Immunfluoreszenztest

Die Verwendung rekombinanter Zellsubstrate war anfangs nur spezialisierten Forschungslaboratorien vorbehalten, die für ihre Testreihen jeweils frisch transfizierte Zellen verwendeten [4, 8]. Dieses Vorgehen ist jedoch sehr zeit- und arbeitsaufwendig (Zellkultivierung, molekularbiologische Techniken), und es ist schwierig, ein großes Spektrum verschiedener frischer Substrate ständig parallel bereit zu halten. Durch die Entwicklung standardisierter, Biochip-basierter Testsysteme ist die Immunfluoreszenz inzwischen jedem Labor zugänglich [9].

Für ihre Herstellung werden bei einer der möglichen Vorgehensweisen auf Deckgläsern ausgesäte HEK293-Zellen mit Plasmiden transfiziert, welche die für das jeweilige Antigen kodierende cDNA-Sequenz enthalten. In einem parallelen Ansatz wird eine Kontrolltransfektion vorgenommen (Abb. 4 a). Anschließend werden die Zellen 24–72 h lang kultiviert. Nach der Zellfixierung und Trocknung werden die bewachsenen Deckgläser maschinell zu millimetergroßen Biochips fragmentiert und einzeln oder als Mosaiken auf die Reaktionsfelder von Objektträgern geklebt (Abb. 4 b). Diese sind gekühlt lager- und transportfähig. Im Immunfluoreszenztest binden sich die Autoantikörper der Patientenprobe an die korrespondierenden Antigene und werden dann mit einem fluoreszenzmarkierten sekundären Antikörper sichtbar gemacht. Bei einer positiven Reaktion ist eine Fluoreszenz der transfizierten, antigenhaltigen Zellen einfach ablesbar, während nichttransfizierte Zellen keine spezifische Fluoreszenz aufweisen (Abb. 4 c).

Abb. 4
figure 4

Zellbasierter indirekter Immunfluoreszenztest: Molekularbiologie und Biochip-Technologie. a Herstellung CASPR2-transfizierter und Kontroll-transfizierter HEK293-Zellen (Transfektionsrate 20–50 %). b Objektträger mit 10 Reaktionsfeldern, auf denen je 4 Biochips mit unterschiedlichen Gewebe- und Zellsubstraten zu einem Mosaik zusammengesetzt sind. c CASPR2-IIFT-Mosaik nach Inkubation mit einem anti-CASPR2-positiven Serum

Biochip-Mosaiken

Die Differenzialdiagnostik verschiedener Krankheitsbilder erfordert die Berücksichtigung eines ganzen Spektrums antineuronaler Antikörper, zumal sich die assoziierten neuroimmunologischen Syndrome teilweise gleichen. Zudem können bei Syndromüberlappungen Antikörper gegen mehrere intrazelluläre oder Oberflächenantigene vorliegen, was für Diagnose und Therapie von Belang ist. Da eine schnelle, aber dennoch zuverlässige Diagnose in vielen Fällen prognostisch entscheidend ist, sind multiparametrische Analysen der sukzessiven Bestimmung einzelner Parameter vorzuziehen.

Multiparametrische Analysen verkürzen den Zeitraum bis zur Diagnose

Mit Biochip-Mosaiken kann eine Vielzahl differenzialdiagnostisch relevanter Antikörper gleichzeitig erfasst werden (Antikörperprofile). Dazu werden je Reaktionsfeld 20 oder mehr Biochips mit unterschiedlichen Antigensubstraten nebeneinander angeordnet und mit der Patientenprobe inkubiert (Abb. 5). Die Biochip-Mosaiken beinhalten Gewebeschnitte verschiedener Organe für das Screening und zahlreiche unterschiedliche Zellsubstrate für den monospezifischen Nachweis von Reaktivitäten gegen einzelne rekombinante Antigene. Auf den Gewebeschnitten lassen sich immer wieder neue Antikörper entdecken, für die bislang noch kein Zielantigen identifiziert wurde.

Abb. 5
figure 5

Multiparametrisches Biochip-Mosaik. Auf jedem der 5 Reaktionsfelder wird eine Patientenprobe mit 12 Antigensubstraten (Gewebeschnitte, spezifisch transfizierte HEK-Zellen) gleichzeitig inkubiert. Ein Biochip mit Kontroll-transfizierten HEK-Zellen ist nicht enthalten, da die rekombinanten Substrate gegenseitig als Kontrolle dienen

Antikörperprävalenz

Unserem Lübecker Labor wurden über einen Zeitraum von 3 Monaten (01.05.2012 bis 31.07.2012) 4122 Patientenproben zur Untersuchung antineuronaler Antikörper zugeschickt. Unabhängig vom Analyseauftrag wurden alle Seren multiparametrisch mittels IIFT-Biochip-Mosaiken und Linienblot untersucht.

Insgesamt wurden in diesem Kollektiv 294 IgG-positive Antikörperbefunde erhoben (Abb. 6). Antikörper gegen Oberflächenantigene waren 3-mal so häufig (77 %) wie Antikörper gegen intrazelluläre Antigene (33 %). Bezogen auf Proben mit Anforderung eines Einzelparameters konnte dieser in 156 Fällen bestätigt werden (positiver Zielbefund). In 56 Fällen wurden hingegen andere als die angeforderten Antikörper nachgewiesen (positiver Nebenbefund). Diese Nebenbefunde sind auf den multiparametrischen Ansatz zurückzuführen, durch den die Trefferquote um 36 % erhöht und die Diagnosestellung beschleunigt werden konnte.

Abb. 6
figure 6

Häufigkeit antineuronaler Antikörper (IgG) in 4122 Proben (01.05.2012 bis 31.07.2012), inkl. Folgeproben einzelner Patienten. Bei mehreren positiven Antikörperbefunden pro Probe wurden diese in den jeweiligen Antikörpergruppen je einmal gezählt. Parameter ohne Positivbefunde sind nicht dargestellt

Fazit für die Praxis

  • Die indirekte Immunfluoreszenz mit Gefrierschnitten neuronaler Gewebe ist eine wichtige Basis bei der Diagnostik antineuraler Antikörper, weil die Substrate ein umfangreiches Antigenspektrum aufweisen.

  • Ergänzend werden monospezifische Testsysteme eingesetzt: Immunblot (intrazelluläre Antigene), Radioimmunassay und zellbasierter Immunfluoreszenztest (rekombinant exprimierte Oberflächenantigene).

  • Werden alle bekannten, differenzialdiagnostisch relevanten Parameter parallel untersucht (Multiplex-Analyse), steigt für Autoantikörper der Immunglobulinklasse IgG die serologische Trefferquote im Vergleich zur Analyse von Einzelparametern um ein Drittel, und der Zeitraum bis zur Diagnose wird reduziert.