Arbeit ist ein wesentlicher Aspekt der menschlichen Existenz [25]. Für Menschen mit psychischen Erkrankungen hat Arbeit häufig eine Funktion zur Gesunderhaltung. Sie wollen, wie andere Menschen auch, am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt teilhaben. Leider haben Menschen mit schwereren psychischen Erkrankungen nur begrenzt Zugang zur Arbeitswelt. Die Folge ist soziale Exklusion: Fehlende Arbeit führt zu einem Verlust von Tagesstruktur und sozialer Kontakte, zu finanziellen Schwierigkeiten, gesellschaftlicher Stigmatisierung sowie einer Verminderung des Selbstwertgefühls. Von daher kommt den psychosozialen Therapien, die die Teilhabe psychisch schwer erkrankter Menschen am Arbeitsleben fördern, große Bedeutung zu.

Beschäftigungssituation psychisch kranker Menschen

Warner [27] hat den Langzeitverlauf der Schizophrenie während des 20. Jahrhunderts analysiert und gezeigt, dass die allgemeine Arbeitsmarktsituation ein wesentlicher prognostischer Faktor der Erkrankung war: In Zeiten der Vollbeschäftigung war das soziale Outcome der Schizophrenie deutlich besser als in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit. Gemäß einer Umfrage aus den 1990er Jahren [2] waren nur 5,6% der von einer psychischen Erkrankung Betroffenen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollzeitbeschäftigt, weitere 6,5% waren in Teilzeit beschäftigt, 37% der befragten Betroffenen waren arbeitslos; 26% berentet und etwa 25% der Betroffenen verfügten über einen geschützten Arbeitsplatz oder waren in beruflicher Rehabilitation. Die Teilnahme am Arbeitsleben hat für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen aber einen hohen Stellenwert (Infobox 1).

Um Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen in Arbeit zu bringen und ihre Stelle langfristig zu erhalten, ist die Kooperation des Gesundheitssystems mit verschiedenen Bereichen der Sozialhilfe, der Arbeitsverwaltung und der betrieblichen Arbeitswelt unabdingbar. In Deutschland ist die Finanzierung entsprechender Hilfen oft eine Mischfinanzierung: Dabei kommt dem Gesundheitswesen eine eher untergeordnete Rolle zu. Die Verbindung zwischen Arbeitsverwaltung, Sozialhilfe, Rentenversicherungen sowie Krankenkassen und medizinischen Hilfen bedarf in einem besonderen Maße der Koordination und der wechselseitigen Kommunikation. Das entsprechende Hilfesystem in Deutschland (teilweise auch in Österreich und in der Schweiz) ist sehr stark gegliedert und uneinheitlich und wird dem zeitgleichen Bedarf nach Wiedereingliederung und Therapie oft nicht gerecht.

Kritisch ist zur momentanen Versorgungssituation im deutschsprachigen Raum anzumerken, dass sich mit der bisherigen Wiedereingliederungspraxis nur bei einem geringen Teil der psychisch Behinderten eine nachhaltige Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt erzielen lässt. Die Wiedereingliederung an einem Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist allzu oft die Ausnahme. Zu oft münden Rehabilitationsmaßnahmen in einen Dauerarbeitsplatz in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) [16]. Arbeitet eine psychisch kranke Person jedoch erst einmal auf dem zweiten Arbeitsmarkt, dann sind ihre Chancen gering, noch eine Anstellung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erreichen und einen Verdienst zu erzielen, mit dem zumindest ein Teil des Lebensunterhalts selbstständig bestritten werden kann [24]. Dabei muss aber auch zugestanden werden, dass nicht alle psychisch kranken Menschen das Ziel kompetitiver Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt erreichen können.

Die Unbefristetheit der Arbeitsstelle ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg

Im deutschsprachigen Raum kommen bislang fast ausschließlich berufliche Wiedereingliederungsprogramme zum Einsatz, die auf dem traditionellen „First-train-then-place“-Ansatz basieren, d. h. erst nach einem erfolgreichen Arbeitstraining im geschützten Rahmen wird eine Stelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angestrebt. Sie werden auch als „pre-vocational training“ (PVT) bezeichnet. PVT (vorbereitendes Arbeitstraining als berufliche Rehabilitation) hat das Ziel der Rückkehr auf den ersten Arbeitsmarkt. Für die Teilnehmer werden individuelle Rehabilitationsziele und Pläne erarbeitet, die in eine Maßnahme umgesetzt werden, deren grundsätzliches Ziel die Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt ist – auch wenn dies in der Mehrzahl der Fälle nicht gelingt. Dazu gehören Schulungs- und Trainingsangebote, die berufsspezifisch sind. Diese Angebote basieren auf der Konzeption, durch das Erlernen entsprechender Kompetenzen und Fähigkeiten in die Lage versetzt zu werden, wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig zu sein. Klassische Anbieter solcher Maßnahmen in Deutschland sind die RPK-Einrichtungen (Einrichtungen zur Rehabilitation psychisch kranker Menschen). Dabei haben sie im internationalen Vergleich zu anderen Einrichtungen des PVT eine Sonderstellung: Sie kombinieren medizinische und (arbeits)rehabilitative Angebote. Dadurch können auch stärker beeinträchtigte Menschen dort erfolgreich rehabilitiert werden [3].

„Supported employment“ folgt dagegen einer anderen Vorgehensweise: Anstelle des erst Trainierens und dann Platzierens wird zunächst platziert und dann in der Tätigkeit trainiert („first place then train“). Behinderte Arbeitnehmer arbeiten in einem zeitlichen Umfang von mindestens 50% unter Wettbewerbsbedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes und erhalten dafür zumindest den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn. Die Arbeitsorte sind Betriebe des allgemeinen Arbeitsmarktes, in welchen die Mehrheit der Arbeitnehmer nicht behindert ist. Arbeitsverhältnisse sind zeitlich nicht befristet. Die behinderten Arbeitnehmenden und ihre direkten Vorgesetzten werden zeitlich unbefristet durch einen Job-Coach begleitet. Die Unbefristetheit ist ein wesentlicher Faktor für den längerfristigen Erhalt der Arbeitsstelle. Bei dem herkömmlichen „First-train-then-place“-Ansatz dagegen endet die Begleitung meist mit dem Ende des Wiedereingliederungsprogramms, was oft zur Folge hat, dass die wenigen erfolgreich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt reintegrierten Personen ihre Stelle früher oder später wieder verlieren. Eine Nachhaltigkeit ist dann nicht gegeben, wie dies die Ergebnisse der Berner 5-Jahres-Outcome-Studie belegen [17]. Wichtig für den Erfolg ist auch, dass den Betrieben zugesichert werden kann, dass sie finanziell sowie arbeits- und versicherungsrechtlich keine Risiken eingehen müssen. Es braucht also entsprechende Anreize, damit Firmen bereit sind, psychisch beeinträchtigte Menschen dauerhaft bei sich zu beschäftigen.

Das in englischsprachigen Ländern in den letzten 10 bis 20 Jahren sehr favorisierte „supported employment“ gewinnt im deutschsprachigen Raum erst allmählich an Relevanz [21], dies v. a. in der Schweiz; eine flächendeckende Verbreitung hat es bislang noch nicht gefunden. Konzepte des „supported employment“ finden aber zunehmend Eingang in entsprechende Konzepte der beruflichen Rehabilitation, so gibt es beispielsweise Überlegungen zu einem Modellprojekt mit einer Finanzierung nach dem Schweizer Vorbild als virtuelle, dezentralisierte WfbM. Komplex ist die Frage, inwieweit „supported employment“ sich bisher im Rahmen des deutschen Arbeits-, Rehabilitations- und Sozialrechts umsetzen lässt: „Sozial temperierte“ Regelungen des Kündigungsschutzes, der tariflichen Entlohnung, des Rechtsanspruches auf Rehabilitation sowie auch die gute Verfügbarkeit von „First-train-then-place“-Angeboten und solchen des geschützten Arbeitsmarktes (vor allem WfbM) führen zu einer Diskussion, ob „supported employment“ in Deutschland die selben Effekte zeigen wird, wie in US-amerikanischen Arbeitswelten, die eher von einer „Hire-and-fire“-Mentalität geprägt sind.

Ergebnisindikatoren und methodische Probleme

Die Mehrzahl der internationalen randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) hat in unterschiedlichen Operationalisierungen als primäres Erfolgskriterium „Wiedereingliederung auf dem ersten Arbeitsmarkt“ gewählt. Dies ist klar messbar und von größter Relevanz. Angesichts der Vielzahl positiver Auswirkungen von Arbeit auf psychisch kranke Menschen ist kritisch zu fragen, ob eine Beschränkung auf dieses Hauptkriterium nicht zu kurz greift. Lebensqualität oder aus klinischen Skalen abgeleitete Variablen (z. B. Depressivität oder Negativsymptomatik) zu messen, erscheint aber als primäres Outcome nur eingeschränkt tauglich: Maßnahmen der beruflichen Wiedereingliederung zielen primär auf Erfolge im Bereich der beruflichen Tätigkeit. Die Darstellung des beruflichen Rehabilitationserfolges auf einer abgestuften Skala erscheint als sinnvolle Alternative. Solche Konzepte hatte bereits in den 1970er Jahren die Arbeitsgruppe von Luc Ciompi [12] formuliert (Tab. 1). Zwischen den verschiedenen Abstufungen dieser Skala finden sich aber Schattierungen: Arbeit kann in so geringem Maße verfügbar sein, dass die wenigen Stunden des Zuverdienstes es kaum rechtfertigen, über die Kategorie arbeitslos hinauszukommen.

Tab. 1 Erfolg beruflicher Rehabilitation: Dimensionale Skala zur Abschätzung des individuellen Fortschrittesa

Evidenz für verschiedene Interventionen

„Supported employment“

Die Evidenz zur Wirksamkeit von „supported employment“ ist überzeugend. Es gibt zahlreiche randomisierte kontrollierte Studien (in zunehmendem Maße auch außerhalb der USA [9]), Reviews und auch Metaanalysen [8, 9, 15, 26], die gezeigt haben, dass „supported employment“ der gemeindebasierten Standardbehandlung und auch PVT überlegen ist. „Supported employment“ ist in allen arbeitsbezogenen Zielparametern den Programmen mit PVT überlegen. „Supported employment“ erhöht bereits nach 4 Monaten signifikant die Wahrscheinlichkeit einer Platzierung auf dem ersten Arbeitsmarkt. Auch war die durchschnittliche monatliche Arbeitszeit unter „Supported-employment“-Bedingungen höher als unter Kontrollbedingung [13].

„Supported employment“ ist dann besonders erfolgreich, wenn sie eng mit gemeindepsychiatrischen Hilfen zusammenarbeitet [14].

Die Kombination mit kognitionsbezogenen Interventionen hat sich ebenfalls als effektiv gezeigt [23]. Waren bis vor wenigen Jahren die Mehrzahl der publizierten Studien in den USA oder in Großbritannien durchgeführt worden, so haben neuere Untersuchungen signifikante Effekte auch für europäische Länder gezeigt. Die EQOLISE-Studie [11] fand als randomisierte kontrollierte Studie in 6 europäischen Zentren statt (unter anderem das Zentrum Ulm/Günzburg). Teilnehmer der Interventionsgruppe erhielten eine manualisierte Form des „supported employment“ – das „Individual-placement-and-support“-Programm (IPS, [4]); Teilnehmer der Kontrollgruppe erhielten die bestmögliche alternative berufliche Rehabilitationsmaßnahme, die am Ort verfügbar und üblich war (für das Zentrum Ulm/Günzburg war dies eine RPK-Maßnahme). Die Studie bestätigte, dass ein signifikant höherer Prozentsatz der IPS-Teilnehmer eine kompetitive Beschäftigung erreichte – auch wenn im deutschen Zentrum die Kontrollgruppe (RPK) verglichen mit den anderen Zentren verhältnismäßig gut abschnitt und der Abstand zwischen Intervention („supported employment“) und Kontrollbedingung (RPK) nicht signifikant wurde.

In der Schweiz wurde im Rahmen des Job-Coach-Projektes „supported employment“ (gemäß IPS-Standard) in einer RCT-Studie mit den bestmöglich verfügbaren Wiedereingliederungsprogrammen mit PVT verglichen [18]. Nach 2 Jahren waren in der „Supported-employment“-Gruppe 45,7%, in der Kontrollgruppe 16,7% kompetitiv angestellt. Die Studie zeigt, dass auch in „sozial temperierten“ Ökonomien wie der Schweiz mit behindertenfreundlichem Arbeitsrecht Konzepte des „supported employment“ umsetzbar sind und sich auch hier, trotz guter sozialer Unterstützung für behinderte Menschen, eine deutliche Überlegenheit gegenüber „First-train-then-place“-Ansätzen zeigt. Die seit kurzen vorliegenden, aber noch nicht publizierten 5-Jahres-Ergebnisse machen die Unterscheide, v. a. bezüglich Nachhaltigkeit, noch deutlicher [19]. Die Autoren fordern deswegen einen Umbau des entsprechenden Versorgungssystems in den nächsten Jahren weg vom traditionellen „First-train-then-place“-Ansatz hin zu „supported employment“ [18].

Die S3-Leitlinie „Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Störungen“ der DGPPN [5] kommt aufgrund dieser sehr deutlichen Evidenz (aus internationalen, aber nicht deutschen Studien) zu nachfolgender Empfehlung:

Empfehlung 12 der Leitlinie

Zur beruflichen Rehabilitation von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen, die eine Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt anstreben, sollen Programme mit einer raschen Platzierung direkt auf einen Arbeitsplatz des ersten Arbeitsmarktes und unterstützendem Training („supported employment“) genutzt und ausgebaut werden (Empfehlungsgrad: B, Evidenzebene: Ia).

„Pre-vocational training”

Wiedereingliederungsmaßnahmen mit PVT haben im deutschsprachigen Raum eine lange Tradition. Sie sind gut etabliert. Es gibt ein weitgehend flächendeckendes Netz von Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation, wobei in Deutschland gerade RPK-Einrichtungen eine besonders große Bedeutung haben (http://www.bagrpk.de). Viele RPK-Einrichtungen haben sich in den letzten Jahren in Richtung einer stärker arbeitsweltbezogenen und vermehrt ambulanten Arbeitsweise weiterentwickelt. Meist werden Aspekte der beruflichen und der medizinischen Rehabilitation miteinander verbunden: Neben entsprechenden Kursen und Trainingsmaßnahmen erfolgen zeitnah Praktika in Betrieben oder in Arbeitsbereichen, die versuchen die Arbeitswelt nachzumodellieren.

Die zeitgleiche Kombination aus medizinischen und beruflich-rehabilitativen Hilfen ist dabei eine besondere Stärke.

Grundsätzlich fehlen randomisierten Studien zu PVT. Untersuchungen von Holzner et al. [20] aus Österreich sowie Watzke et al. [29] in Deutschland zeigten in nichtrandomisierten kontrollierten Studien, dass entsprechende Maßnahmen positive Effekte auf Teilnehmer hatten. Beide Studien nutzen eine nichtrandomisierte Kontrollgruppe. In der Studie von Holzner et al. zeigte sich, dass berufliche Rehabilitation einen positiven Effekt auf die Lebensqualität der Rehabilitanden hatte. Watzke et al. konnten darstellen, dass durch berufliche Rehabilitation nach 9 Monaten positive Effekte auf die weitere berufliche Tätigkeit (jedoch vorwiegend im geschützten Rahmen), auf das psychosoziale Funktionsniveau und auf subjektives Wohlbefinden wie auch auf einzelne Symptomscores darzustellen waren. Es gibt zudem Hinweise, dass finanzielle Anreize [6] und die Kombination mit (neuro-)psychologischen Interventionen [7, 28] die Effektivität erhöhen. Die Zahl jener, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wiedereingegliedert werden konnen – und dies ist das primäre Outcome-Kriterium der „Supported employment“-Studien – ist jedoch vergleichsweise gering. Angesichts dieser Evidenzlage wird in den S3-Leitlinien der DGPPN nachfolgende Empfehlung abgegeben:

Empfehlung 13 der Leitlinie

Zur Förderung der Teilhabe schwer psychisch kranker Menschen am Arbeitsleben sollten auch Angebote vorgehalten werden, die nach dem Prinzip „erst trainieren, dann platzieren“ vorgehen. Diese sind insbesondere für die Teilgruppe schwer psychisch Kranker unverzichtbar, für die eine Platzierung auf dem ersten Arbeitsmarkt (noch) kein realistisches Ziel darstellt. Finanzielle Anreize erhöhen die Wirksamkeit entsprechender Angebote. Die Kombination der Angebote mit Interventionen, die auf Motivationssteigerung abzielen, oder ein rasches Überleiten der Programmteilnehmer in bezahlte übergangsweise Beschäftigung erhöht ebenfalls die Wirksamkeit (Empfehlungsgrad: B, Evidenzebene: Ib).

Schlussfolgerungen für das Versorgungssystem in Deutschland

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtet die ratifizierenden Staaten, für Menschen mit Behinderung das „gleiche Recht auf Arbeit“ zu gewährleisten.

Dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird. (Artikel 27 Abs. 1)

Damit geht auch die Verpflichtung einher,

… Programme für die berufliche Rehabilitation, den Erhalt des Arbeitsplatzes und den beruflichen Wiedereinstieg von Menschen mit Behinderungen zu fördern. (Artikel 27 Abs. 1 k)

Kritisch muss in diesem Kontext die breite Versorgung durch Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) gesehen werden, da fraglich scheint, ob diese dem „Normalisierungsgebot“ der UN-Konvention genügen. Prävokationale Trainingsmaßnahmen (namentlich RPK-Angebote) scheinen im deutschsprachigen Raum wirksam zu sein. Aber sie sind, wie die EQOLISE- und die Schweizer „Supported-employment“-Studie gezeigt haben (in denen Programme mit prävokationalem Training als Kontrollgruppe dienten), dem „Supported-employment“-Ansatz nicht ebenbürtig. Deshalb ist anzustreben, dass auf politischer Ebene, gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die Realisierung von „supported employment“-Programmen, die nach dem IPS-Prinzip funktionieren, nicht nur ermöglichen, sondern gegenüber PVT begünstigen.

„Pre-vocational training“ ist dem „Supported-employment“-Ansatz nicht ebenbürtig

Angesichts des frühen Ersterkrankungsalters vieler chronisch verlaufender psychischer Störungen ist es bedeutsam, dass Ausbildungsplätze für Menschen mit psychischen Erkrankungen wohnortnah zur Verfügung stehen. Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen regelt im Artikel 24 Absatz 5, dass…

…Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt (…) Zugang zu allgemeiner Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen haben.

In der S3-Leiltlinie heißt es deswegen dazu:

Empfehlung 15 der Leitlinie

Das Vorhandensein einer abgeschlossenen Ausbildung ist als Grundlage für die Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen von enormer Wichtigkeit. Daher sollten reguläre betriebliche und sonstige Ausbildungsangebote wohnortnah und mit entsprechenden flankierenden Unterstützungsangeboten zur Verfügung stehen (Empfehlungsgrad: Klinischer Konsenspunkt [KKP]).

Größere Beachtung verdient das Thema „Arbeitsplatzerhalt“. Die momentane publizistische Welle zum Thema „Burn-out“ und „Arbeitswelt“ [22] hat sich dem Thema zwar teilweise angenommen – oft aber unter völlig anderen Vorzeichen. Für Menschen in Arbeit, die schwerer psychisch erkranken, wird es aber häufig darum gehen, durch entsprechende Dienste oder Hilfen den aktuellen Arbeitsplatz zu erhalten. In der Schweiz werden in den letzten Jahren in zunehmendem Maße solche arbeitsplatzerhaltenden Maßnahmen mittels eines Job-Coaches oder Case-Managers angeboten. In der S3-Leiltlinie heißt es dazu:

Empfehlung 14 der Leitlinie

Die berufliche Rehabilitation sollte noch stärker darauf ausgerichtet werden, den Arbeitsplatzverlust zu vermeiden. Dazu bedarf es beim Auftreten psychischer Erkrankungen eines frühzeitigen Einbezuges entsprechender Dienste bzw. Hilfen (Empfehlungsgrad: KKP).

Menschen mit psychischer Behinderung benötigen aufgrund der eingangs genannten Funktionen der Arbeit Angebote, die Erfolg und Sicherheit schenken, die die Möglichkeit, normale soziale Rollen zu erfüllen, gewährleisten, die sozialen Status und Kontakte befördern und die Tagesstruktur geben. Für einen großen Teil der Betroffenen sind „Supported-employment“-Maßnahmen ein passendes Angebot, dessen Erfolg evidenzbasiert belegt ist. Leider fehlen solche Angebote in Deutschland – anders als in der Schweiz – weitgehend in der „Regelversorgung“. Die Weiterentwicklung von prävokationalen Trainingsmaßnahmen (v. a. RPK) in Richtung neuropsychologischer Rehabilitation, stärkerer Gemeindeorientierung und vordringlicher Orientierung auf die Berufswelt ist anzustreben und wird vielerorts auch vorangetrieben. Schließlich bedarf es für Menschen, die es nicht schaffen, „supported employment“ oder prävokationale Trainingsmaßnahmen zu nutzen, tagesstrukturierender und Beschäftigungsmaßnahmen, die unterschiedlichen Leistungsfähigkeiten entsprechen. Dass Werkstätten (WfBM) auch für seelisch behinderte Menschen in Deutschland flächendeckend und mit hohen Kapazitäten vorhanden sind, muss teilweise kritisch gesehen werden: Rehabilitation und Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt findet dort nur ausnahmsweise statt. Die Mehrzahl der „Werkstattbesucher“ findet sich diesbezüglich in einer „exkludierenden und institutionalisierten Sackgasse“ (auch wenn solche Angebote sicherlich für einzelne Teilnehmer Schutz und Hilfe bedeuten).

Fazit

Arbeit, Beschäftigung und auch Rehabilitation sind Themen, die in einer von der Akutversorgung dominierten Sichtweise auf das psychiatrische Versorgungssystem oft nicht die Beachtung finden, die für die Betroffenen notwendig wäre. Deshalb ist es essenziell, dass die dargestellten Erkenntnisse und Empfehlungen stärker in Aus- und Weiterbildung einfließen und dass auch klinisch oder in Niederlassungen tätige Ärzte (einschließlich der Psychotherapeuten), den Bereich Arbeit als relevant erkennen und in ihre Behandlungsplanung einbeziehen, sodass entsprechende gemeindepsychiatrische Hilfen initiiert werden.