Die Neuromyelitis optica (NMO) ist eine immunvermittelte, chronisch entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems [33, 62, 83]. Das klinische Bild ist durch Optikusneuritiden und Myelitiden gekennzeichnet, die sich häufig durch eine schlechte bzw. fehlende Rückbildungstendenz auszeichnen. Aufgrund der systematischen Beschreibung der Assoziation einer Optikusneuritis mit einer Myelitis durch Eugène Devic 1894 wird die NMO häufig auch Devic-Syndrom genannt. Die Erstbeschreibung geht allerdings auf Clifford Albutt im Jahre 1870 zurück. Bildmorphologisch zeigen sich charakteristischerweise langstreckige Myelonläsionen, die sich über 3 oder mehr Rückenmarkssegmente erstrecken. Histopathologisch finden sich neben Demyelinisierung auch ausgeprägte Nekrosen und eine neuronale und astrozytäre Schädigung [41, 47, 50].

Historisch ist die NMO lange Zeit als Subtyp der Multiplen Sklerose (MS) klassifiziert worden. Die Entdeckung spezifischer Autoantikörper (Aquaporin-4-Antikörper, AQP4-Ak) im Serum von NMO-Patienten stützt die Annahme einer Beteiligung des humoralen Immunsystems bei der Erkrankung und erlaubt eine Abgrenzung der NMO von der MS als eigenständige Krankheitsentität [31, 34, 42, 43]. Der serologische Nachweis von AQP4-Ak hat zudem als Zusatzkriterium Eingang in die aktuellen Diagnosekriterien gefunden [85]. Die NMO verläuft schubförmig oder monophasisch, wobei schubförmige Verläufe überwiegen (ca. 80–90% der Fälle) [84]. Der häufig schwere Verlauf der NMO rechtfertigt bei sicherer Diagnose einer NMO eine rasche Einleitung einer immunsuppressiven Therapie, in erster Linie mit Azathioprin. Alternativ kann auch eine Therapie mit Rituximab begonnen werden.

Ziel des Konsensus ist die Formulierung von Handlungsempfehlungen für Diagnose und Therapie der Neuromyelitis optica. Ergänzend wird auf die Empfehlungen der European Federation of Neurological Societies (EFNS) hingewiesen [69].

Epidemiologie

Solide Daten zur Inzidenz oder Prävalenz der NMO liegen nicht vor. Ihr Anteil an Fällen nicht erregerbedingter entzündlicher Erkrankungen des ZNS in der westlichen Welt wird mit unter 1% angenommen [10, 70]. Bemerkenswert ist das Überwiegen des weiblichen Geschlechts bei der NMO, das mit einem Verhältnis von bis zu 9:1 deutlich größer als bei der Multiplen Sklerose (2:1) ist. Der Altersgipfel liegt mit 39 Jahren etwa 10 Jahre über dem mittleren Erkrankungsalter bei der MS [84]. Allerdings sind auch Fälle mit Erstmanifestation im Kindes- bzw. höheren Erwachsenenalter beschrieben [4, 13]. NMO und NMO-Spektrum-Erkrankungen zeigen eine gegenüber der MS höhere Assoziation mit anderen Autoimmunerkrankungen (z. B. Myasthenia gravis, systemischer Lupus erythematodes, Sjögren-Syndrom, Zöliakie, Sarkoidose und andere) [7, 30, 36, 52, 65, 76].

NMO-Spektrum-Erkrankungen

Neben der klassischen NMO gibt es weitere Erkrankungen, bei denen AQP4-Ak nachgewiesen werden können. Diese werden unter dem Begriff „NMO-Spektrum-Erkrankungen“ zusammengefasst [1]. Zu diesen gehört u. a. die isolierte longitudinal extensive transverse Myelitis (LETM), deren Läsionen sich über mehr als 3 Segmente ausdehnen, sowie die monophasische oder rekurrierende isolierte Optikusneuritis (ON). Dabei hat der Nachweis von AQP4-Ak prognostischen Wert, da Patienten mit Antikörpernachweis ein höheres Rezidivrisiko und ein höheres Risiko für den Übergang in eine NMO aufweisen [29, 51, 63, 81]. Zu den NMO-Spektrum-Erkrankungen gehören außerdem bestimmte Formen der Hirnstammenzephalitis (v. a. bei Beteiligung des Dienzephalons sowie der Medulla oblongata).

Diagnose

Die Diagnosestellung und Abgrenzung gegenüber anderen Erkrankungen können schwierig sein. Wichtig ist daher, dass bei typischen klinischen Symptomen und hinweisenden Befunden in der Bildgebung an eine Neuromyelitis optica gedacht wird und eine entsprechende differenzialdiagnostische Einordnung erfolgt.

Nach den von Wingerchuk et al. 2006 vorgeschlagenen diagnostischen Kriterien für eine NMO sollten neben den Leitsymptomen einer Optikusneuritis und einer Myelitis, 2 der 3 folgenden Nebenkriterien erfüllt sein, um die Diagnose einer NMO stellen zu können [85]:

  • spinales MRT mit langstreckiger Myelonläsion (≥3 Wirbelkörpersegmente);

  • für eine MS nicht typisches kraniales MRT nach den Kriterien von Paty et al.Footnote 1 [60] bei Erkrankungsbeginn bzw. ErstvorstellungFootnote 2;

  • Nachweis von NMO-IgG-Antikörpern im SerumFootnote 3.

Leitsymptom Optikusneuritis

Eine Optikusneuritis (ON) kann bei der NMO entweder uni- oder bilateral auftreten. An eine NMO sollte insbesondere gedacht werden bei:

  • bereits initial oder in kurzem zeitlichem Abstand beidseitiger Manifestation;

  • ungewöhnlich schwerer Visusstörung mit schlechter Remission oder Hinweisen auf eine axonale Schädigung (Amplitudenminderung in den visuell evozierten Potenzialen, VEP);

  • wiederholte Optikusneuritiden, insbesondere mit ausgeprägter bleibender Visusminderung;

  • Optikusneuritis mit begleitenden oder anamnestischen klinischen oder bildgebenden Zeichen einer Myelitis.

Leitsymptom Myelitis

Klinische Zeichen der Myelonläsion können von milden Beschwerden bis hin zum kompletten Querschnittsyndrom mit Para- oder Tetraparese reichen, wobei auch ein einseitiger Beginn und seitenbetonter Verlauf vorkommen. Apoplektiformes Auftreten der Beschwerden spricht nicht gegen eine NMO, da beginnende entzündliche Läsionen klinisch relativ akut dekompensieren können. In der Regel ist eine subakute Manifestation zu erwarten, die Symptomatik ist oft schwergradig.

Nebenkriterium spinales MRT

Charakteristisch ist der Nachweis von langstreckigen (typischerweise ≥3 Wirbelkörpersegmente) T2-Hyperintensitäten im Myelon, oft mit begleitender Schwellung, zentral betont, ggf. mit eher flauer und inhomogener Kontrastmittelaufnahme. Auch eine fehlende Kontrastmittelaufnahme ist möglich; Nekrosen bzw. liquorisointense Höhlenbildung bei schweren Verläufen, unter Umständen nur umschrieben, werden ebenfalls beobachtet, sollten allerdings eine erweiterte differenzialdiagnostische Abklärung nach sich ziehen.

Nebenkriterium kraniales MRT

Kraniale MRT-Läsionen finden sich im Verlauf bei bis zu 60% der NMO-Patienten, wobei MS-typische Befunde, die die MRT-Kriterien nach Barkhof et al. [5] erfüllen, selten sind (10%). In bis zu 50% können unspezifische oder MS-atypische Befunde (konfluierende Läsionen >3 cm, dienzephale Läsionen) bereits im initialen MRT nachweisbar sein und schließen eine NMO, anders als früher vermutet, nicht aus [56, 67]. Hirnstammläsionen sind typischerweise an Orten hoher Aquaporin-4-Expression (z. B. hypothalamisch, periaquäduktal, Medulla oblongata) nachweisbar.

Nebenkriterium Nachweis von Aquaporin-4-Antikörpern

Als NMO-spezifischer Befund gilt der Nachweis von AQP4-Ak im Serum. AQP4-Ak finden sich mit den derzeit verfügbaren Nachweisverfahren bei 60–90% der Patienten mit der klinischen Diagnose einer NMO, sodass ein fehlender Antikörpernachweis eine NMO nicht ausschließt. Der Nachweis von AQP4- Ak ist hochspezifisch (91–100%) für die NMO [34].

Extraoptikospinale Symptome

Eine bulbäre Klinik mit z. B. anhaltendem Singultus, Übelkeit und Erbrechen kann Ausdruck einer Hirnstammbeteiligung sein, die im Rahmen einer NMO möglich ist und auch einer Optikusneuritis oder einer Myelitis vorausgehen kann [68, 74].

Vorgehen bei Verdacht auf NMO

Anamnese und körperliche Untersuchung

Eine ausführliche Anamnese, die u. a. der Abgrenzung gegenüber der MS, anderen systemischen Autoimmunerkrankungen und der Erfassung früherer Ereignissen dienen soll, ist unerlässlich. In der neurologischen und internistischen Untersuchung sollte nicht nur auf die Leitsymptome fokussiert, sondern auch auf subtile Krankheitszeichen geachtet werden, die den Verdacht auf eine der unten genannten Differenzialdiagnosen lenken könnten.

Basislabor

Differenzialblutbild, Gerinnung, Serumchemie, Blutsenkungsgeschwindigkeit, Blutzucker, Vitamin B12, Folsäure, ANA, Anti-ds-DNA-Ak, Lupus-Antikoagulans, cANCA und pANCA, Anti-Phospholipid-Ak, Urinstatus und Urinsediment, TPHA.

Bestimmung von AQP4-Antikörpern

Derzeit stehen mehrere Verfahren zum Nachweis von AQP4-Ak zur Verfügung. Es werden gewebebasierte, zellbasierte und proteinbasierte Verfahren unterschieden [19, 27, 32, 35, 43, 48, 61, 73, 79].

Mit den verfügbaren serologischen Tests lassen sich bei 60–90% der Patienten, die die klinischen Diagnosekriterien einer NMO erfüllen, AQP4-Ak nachweisen. Die Spezifität von AQP4-Ak für die NMO liegt bei 91–100%. Detaillierte Vergleichsstudien zu den einzelnen Testverfahren fehlen bislang weitgehend – aus diesem Grund sollte zurzeit bei Patienten mit dringendem Verdacht auf das Vorliegen einer NMO, aber initial negativem oder grenzwertigem Befund, immer eine zusätzliche Untersuchung in einem alternativen Test erfolgen. Der fehlende Nachweis von AQP4-Ak schließt eine NMO nicht aus [34].

Bei Verwendung hinreichend sensitiver Assays sind AQP4-Ak in der großen Mehrzahl der Fälle auch unter immunsuppressiver Behandlung noch nachweisbar, idealerweise sollte die Messung aber aus Material erfolgen, welches vor Beginn einer Therapie gewonnen wurde [24]. In Einzelfällen kann eine erneute Testung zunächst seronegativer Proben im Schub oder im therapiefreien Intervall sinnvoll sein [46].

Die Bestimmung von IgM-Antikörpern gegen AQP4 ist bislang ebenso wie die Bestimmung von AQP4-Ak im Liquor ohne gesicherte diagnostische Bedeutung [26, 28, 39].

Bildgebung

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist das wichtigste bildgebende und diagnostische Verfahren. Neben der Darstellung von klassischen spinalen NMO-Läsionen dient es vor allem der differenzialdiagnostischen Abgrenzung. Unabhängig von der klinischen Primärpräsentation sollte immer eine Darstellung des gesamten Zentralnervensystems (kraniales plus spinales MRT) angestrebt werden. Eine Kontrastmittelgabe ist obligat und sollte auch bei Kontrolluntersuchungen erfolgen.

Typisch für die NMO sind langstreckige, sich meist über 3 oder mehr Segmente erstreckende spinale Läsionen [15]. Diese nehmen häufig, aber nicht zwingend in unregelmäßiger Ausprägung Kontrastmittel auf, z. T. über Wochen bis Monate nach Beginn der Symptomatik. Ausgedehnte zentrale Nekrosen und Höhlenbildungen sind häufig [44]. Unter Therapie können sich die Herde aber auch in der Bildgebung weitgehend zurückbilden. Sie können außerdem das Bild von Infarkten im Versorgungsgebiet der Arteria spinalis anterior simulieren [40].

Zerebrale Herdläsionen sprechen nicht gegen die Diagnose einer NMO. Zerebrale T2-/FLAIR-hyperintense NMO-Herde sind klinisch häufig stumm, oft nicht klassisch ovalär und in den T1-Wichtungen üblicherweise nicht sichtbar [66]. Lokalisiert sind sie bevorzugt ventrikelnah, dienzephal und hypothalamisch. Charakteristischerweise werden die von Barkhof et al. etablierten radiologischen Kriterien für die Diagnose einer MS nicht erfüllt [5]. Es kommen aber auch große Herde und MS-typische Befunde vor [38, 56, 67].

Liquordiagnostik

Zur Liquordiagnostik gehören Zellzahl, Zytologie, Protein, Laktat, Albuminquotient und IgG-, IgA- und IgM-Quotienten, oligoklonale Banden (OKB), Masern-, Röteln- und Varizellenantikörperindizes („MRZ-Reaktion“).

Bei der NMO liegt oft eine mäßige Pleozytose vor, die ausgeprägter sein kann als bei der MS, aber geringer ist als bei infektiösen Myelitiden [14, 17, 57, 83]. In der Liquorzytologie finden sich neben lymphomonozytären Zellen öfters auch neutrophile (z. T. auch eosinophile) Granulozyten. Oligoklonale Banden sind in etwa 30% der Fälle positiv. Eine Wiederholung der Liquordiagnostik kann im Einzelfall sinnvoll sein, auch im stabilen Intervall nach einem Schub, da initial positive und im Verlauf nicht mehr nachweisbare oligoklonale Banden den Verdacht auf eine NMO erhärten [8, 28]. Die Bestimmung der MRZ-Reaktion kann zur Differenzierung gegenüber einer MS hilfreich sein, da in einer Studie bei Patienten mit NMO die MRZ-Reaktion (definiert durch den Nachweis einer intrathekalen Synthese von IgG gegen mindestens 2 der Erreger) im Gegensatz zu Patienten mit MS deutlich seltener positiv war [25].

Differenzialdiagnose

Die MS ist die wichtigste Differenzialdiagnose der NMO. Darüber hinaus müssen infektiöse, autoimmune, metabolische, neoplastische, ischämische und hereditäre Ursachen ausgeschlossen werden.

Abgrenzung gegenüber der Multiplen Sklerose

Bei klassischer, rein optikospinaler Manifestation und Nachweis von AQP4-Ak ist die Abgrenzung gegenüber der MS offensichtlich, schwieriger ist die Differenzierung bei fehlendem Nachweis von AQP4-Ak und/oder bereits initialer zerebraler Beteiligung. Die in Tab. 1 aufgeführten weiteren Unterscheidungsmerkmale können helfen, beide Entitäten zu unterscheiden.

Tab. 1 Charakteristika der Multiplen Sklerose und der Neuromyelitis optica im Vergleich. (Mod. nach [84])

Nicht selten wird eine NMO initial als MS (fehl-)diagnostiziert und behandelt. Daher sind regelmäßige Verlaufsuntersuchungen unerlässlich, inklusive MRT-Verlaufsbildgebung sowie im Verdachtsfalle auch erneuter AQP4-Ak-Bestimmung und Liquordiagnostik (OKB im Verlauf wieder oder persistierend negativ?).

Differenzialdiagnose Optikusneuritis

Bei der Differenzialdiagnose einer Optikusneuritis sollten bedacht werden [3]:

  • entzündliche ZNS-Erkrankungen (Optikusneuritis im Rahmen von MS, Kollagenosen, Sarkoidose, paraneoplastische neurologische Syndrome),

  • ischämische Erkrankungen (vordere und hintere ischämische Optikusneuropathie) und im Rahmen von Vaskulitiden (v. a. Arteriitis temporalis),

  • toxische Ursachen (Alkohol), Hypovitaminose (Vitamin B1 und B12), Hypervitaminose (Vitamin A und D) und Medikamente,

  • metabolische Ursachen (Diabetes mellitus, Urämie, Anämie),

  • infektiöse Ursachen (Herpesviridae, Hepatitis A, Enteroviren, Borrelien, Treponemen, Streptokokken, Meningokokken, Mykobakterien und andere),

  • hereditäre Erkrankungen (v. a. Leber-Optikusatrophie),

  • Raumforderungen mit Druck auf den Nervus opticus,

  • Pseudotumor cerebri,

  • selten traumatische Ursachen.

Bei rezidivierenden Optikusneuritiden, insbesondere bei Wiederauftreten nach Absetzen einer Steroidtherapie sollte differenzialdiagnostisch an eine CRION („chronic relapsing inflammatory optic neuropathy“) gedacht werden [37].

Differenzialdiagnose Myelitis

Die Differenzialdiagnose einer akuten (transversen) Myelitis neben der NMO umfasst [22]:

  • demyelinisierende Erkrankungen (MS, ADEM),

  • idiopathische transverse Myelitis,

  • post/parainfektiöse Myelitis,

  • andere entzündliche Ursachen, z. B. im Rahmen anderer systemischer entzündlicher Erkrankungen wie Kollagenosen (z. B. systemischer Lupus erythematodes, Sjögren-Syndrom, Sklerodermie, Sharp-Syndrom) oder einer Sarkoidose,

  • infektiöse Ursachen (Herpesviridae, Coxsackie, Enteroviren, HIV, HTLV-1, Staphylokokken, Streptokokken, Mykobakterien, Borrelien, Treponemen, Listerien, Leptospiren, Aspergillen und andere),

  • ischämische/vaskuläre Ursachen (v. a. spinale Ischämie, arteriovenöse Malformation),

  • metabolische Ursachen (z. B. Vitamin-B12-Hypovitaminose),

  • hereditäre Ursachen (v. a. Adrenomyeloneuropathie, andere Leukodystrophien),

  • neoplastische Ursachen, z. B. spinale Manifestation eines (primären ZNS-)Lymphoms oder ZNS-eigene Tumoren,

  • paraneoplastische Ursachen (insbesondere Anti-Hu- und Anti-CRMP5/CV2-Syndrom und andere),

  • traumatische Ursachen (z. B. Syringomyelie).

Somit ergeben sich aus differenzialdiagnostischen Überlegungen folgende fakultative Untersuchungen:

  • Fakultative Laborbestimmungen

    • ENA-Profil bei positivem ANA-Nachweis,

    • paraneoplastische (antineuronale) Antikörper [64],

    • infektiologische Diagnostik (z. B. HIV, HTLV-1, VZV, HSV, Mykobakterien etc.),

    • überlangkettige Fettsäuren (VLCFA bei DD Adrenomyeloneuropathie) und andere Leukodystrophiemarker,

    • Holo-Transkobalamin im Serum und ggf. zusätzlich Methylmalonsäure im Serum/Urin bei grenzwertigen B12-Werten [20],

    • löslicher IL-2-Rezeptor bei Verdacht auf Sarkoidose,

    • bei vaskulärer Differenzialdiagnose Lipidstatus, oraler Glukosetoleranztest, HbA1c, Thrombophilieparameter.

  • Fakultative Zusatzdiagnostik

    • Elektrophysiologie (VEP, Medianus- und Tibialis-SSEP [somatosensorisch evozierte Potenziale], MEP [motorisch evozierte Potenziale),

    • Thoraxröntgen (Ausschluss eines Tumors und sarkoidosetypischer Veränderungen),

    • Abdomensonographie (orientierender Tumorausschluss, Lymphknotenschwellungen?, Hinweise auf entzündliche Darmerkrankung?, Veränderungen von Nieren und Nebennieren?)

    • bei suspektem, tumorverdächtigem Befund oder anderweitigem Verdacht (Sarkoidose) Thorax/Abdomen-CT, ggf. Ganzkörper FDG-PET, ggf. bronchioalveoläre Lavage bis hin zu Biopsie suspekter Läsionen oder Lymphknoten,

    • Saxon-, Schirmer-Test zum Ausschluss einer Sicca-Symptomatik im Rahmen eines Sjögren-Syndroms und anderer autoimmuner Erkrankungen, ggf. Lippen- (Speicheldrüsen-)Biopsie,

    • wegen gehäufter Assoziationen von NMO-Fällen mit anderen Autoimmunerkrankungen kann bei suspekten Befunden ggf. eine weitere (v. a. rheumatologische) Diagnostik sinnvoll sein mit erweiterter Ak-Diagnostik und Echokardiographie [76],

    • Biopsie eines Myelonherdes bei Verdacht auf Neoplasie (strenge Indikationsstellung! Nach Ausschluss von AQP4-Ak mittels mindestens 2 unabhängiger Nachweismethoden. Vorherige Rücksprache mit spezialisiertem Zentrum empfohlen),

    • optische Kohärenztomographie („optical coherence tomography“, OCT) zur Darstellung vaskulärer Schäden und des retinalen Axonverlustes.

Therapie

Bislang gibt es keine kurative Therapie der NMO.

Hauptziele der Behandlung sind:

  1. 1.

    Rückbildung und Besserung schubassoziierter Symptome und

  2. 2.

    langfristige verlaufsstabilisierende Therapie.

Aufgrund der Seltenheit und des häufig schweren Verlaufs der Erkrankung existieren keine prospektiven randomisierten placebokontrollierten Therapiestudien zur NMO. Die Empfehlungen zur Behandlung der NMO basieren daher auf wenigen prospektiven und retrospektiven Fallserien sowie Fallberichten, die lediglich Evidenzklasse IV aufweisen (Tab. 2). NMO-Spektrum-Erkrankungen werden im nachfolgenden Therapieabschnitt nicht berücksichtigt.

Tab. 2 Studien und Einzelfallberichte zur Therapie der Neuromyelitis optica

Behandlung des akuten Erkrankungsschubes

Nach standardisierter neurologischer Untersuchung und Ausschluss eines Infektes sowie Beachtung möglicher Kontraindikationen wird intravenös mit Steroiden (an 5 aufeinanderfolgenden Tagen je 1 g Methylprednisolon/Tag i.v. unter Magenschutz und Thromboseprophylaxe) behandelt [86]. Je nach Schweregrad des Erkrankungsschubes kann eine orale Ausschleichphase mit Steroiden erfolgen.

Bei nicht ausreichender Besserung oder Verschlechterung der neurologischen Symptomatik sollte eine Plasmapherese (5 bis 7 Zyklen) durchgeführt werden. Der frühe Beginn einer Plasmapherese ist mit einem besseren klinischen Ansprechen assoziiert [80]. Eine 2. Steroidbehandlung, z. B. bei Kontraindikation gegen eine Plasmapherese, kann mit erhöhter Dosis bis zu 5-mal 2g Methylprednisolon durchgeführt werden [45, 78].

Bei bekannt gutem Ansprechen auf eine Plasmapherese bei früheren Erkrankungsschüben kann die Plasmapherese auch als Ersttherapie eines schweren Erkrankungsschubes erwogen werden. Ob eine Immunadsorption der Plasmapherese gleichwertig ist, konnte bislang nicht sicher gezeigt werden.

Intervalltherapie der NMO

Da die NMO häufig schwer und rezidivierend verläuft und monophasische Verläufe eher selten sind, sollte bei sicherer Diagnosestellung einer NMO eine immunsuppressive Dauertherapie erfolgen. Langzeittherapiedaten zur NMO existieren bislang zu keiner der möglichen Therapien.

Azathioprin

Abhängig von möglichen Vorerkrankungen und dem Alter des Patienten sowie unter Berücksichtigung der Risiken und Nebenwirkungen kann initial eine immunsuppressive Therapie mit Azathioprin (2–3 mg/kg Körpergewicht/Tag per os) begonnen werden. Bis zum vollen Wirkungseintritt können 3 bis 6 Monate vergehen. Daher sollte die Azathioprintherapie ggf. am Anfang in Kombination mit einer oralen Steroidtherapie (1 mg/kg Körpergewicht/Tag) erfolgen [49]. Während der Azathioprintherapie sollten regelmäßig Blutbildkontrollen sowie Kontrollen der Leberwerte durchgeführt werden. Die Lymphozytenzahl sollte unter Azathioprintherapie auf 600 bis 1000/μl sinken und das mittlere Erythrozytenvolumen (MCV) um ca. 10% ansteigen.

Bei Nebenwirkungen oder fehlendem Therapieeffekt muss eine Dosisanpassung oder ggf. eine Therapieumstellung erfolgen.

Mycophenolat-Mofetil

Für Mycophenolat-Mofetil (MMF) konnte in einer aktuellen retrospektiven Analyse bei 24 Patienten ein günstiger Effekt auf den Erkrankungsverlauf der NMO gezeigt werden. In dieser Studie war die Hälfte der Patienten zuvor mit Azathioprin behandelt worden [21]. Falls ein schneller Wirkungseintritt erwünscht wird oder eine Unverträglichkeit/Nebenwirkungen gegenüber Azathioprin bestehen, kann eine Therapie mit MMF (mittlere Dosis 2 g/Tag per os auf 2 Einzeldosen verteilt) erwogen werden.

Rituximab

In mehreren Fallserien und einer größeren retrospektiven Analyse konnte eine Wirksamkeit für Rituximab bei Patienten mit NMO belegt werden [12, 23]. Dabei handelt es sich in der Mehrzahl der Fälle um Patienten, die bereits mit einer oder mehreren Vortherapien behandelt waren. Ausreichend Daten zu therapienaiven NMO-Patienten gibt es ebenso wenig wie Langzeittherapiedaten mit Rituximab.

Vor Beginn einer Therapie mit Rituximab sollte der Patient ausreichend über mögliche Risiken und Nebenwirkungen, insbesondere das Auftreten einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) aufgeklärt werden. Die Immunkompetenz des Patienten sollte in Anlehnung an die Empfehlungen des Ärztlichen Beirats der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) zur Therapie mit monoklonalen Antikörpern vor Therapiebeginn überprüft werden (Blutbild, Anamnese für rezidivierende Infekte, ggf. HIV-Test, Hepatitisserologie) [18]. Die Therapie mit Rituximab kann mit 2 verschiedenen Behandlungsregimen erfolgen: Entweder jeweils 1000 mg absolut im Abstand von 2 Wochen oder 375 mg/m2 Körperoberfläche jeweils einmal pro Woche für insgesamt 4 Wochen. Zur Vermeidung von infusionsbedingten Nebenwirkungen sollte vor jeder Infusion eine Prämedikation (1 g Paracetamol, 100 mg Prednisolon, 4 mg Dimetindenmaleat i.v.) verabreicht werden und auf eine ausreichend langsame Infusionsgeschwindigkeit geachtet werden. Die Therapie mit Rituximab kann nach einem Intervall von 6 bis 12 Monaten wiederholt werden, wobei es zur Intervalldauer keine Daten gibt. Als Therapiemonitoring kann eine Kontrolle der CD19/20-positiven B-Zellen benutzt werden. Langzeittherapieeffekte und -nebenwirkungen von Rituximab bei NMO sind bislang nicht untersucht worden.

Immunglobuline

In einzelnen Fallberichten konnte ein möglicher positiver Therapieeffekt von hochdosierten intravenösen Immunglobulinen gezeigt werden [2, 58]. Bei vorliegender Kontraindikation für eine der anderen Therapien und insbesondere bei Kindern mit NMO kann daher initial auch ein Therapieversuch mit Immunglobulinen erfolgen. Dabei kann in Anlehnung an neuere Studien zur Behandlung von neuroimmunologischen Erkrankungen mit Immunglobulinen einmal monatlich mit hohen Dosen behandelt werden (0,4 bis 1 g/kg Körpergewicht/Monat i.v.).

Mitoxantron

Für Mitoxantron konnte in einer kleinen prospektiven Untersuchung bei 4 von 5 Patienten eine Stabilisierung des Erkrankungsverlaufs über 2 Jahre erzielt werden [82]. Aufgrund des Nebenwirkungsprofils (Kardiotoxizität, Leukämie) und der begrenzten Therapiedauer sollte Mitoxantron erst in der Eskalationstherapie bei fehlendem Ansprechen auf die vorher genannten Therapien bei der NMO zum Einsatz kommen. Dabei sollte die Behandlung mit Mitoxantron analog zur Behandlung bei MS-Patienten mit 12 mg/m2 Körperoberfläche (KOF) durchgeführt werden. Bei schwerem Verlauf und hoher Krankheitsaktivität kann zu Beginn mit einer Induktionstherapie mit einer monatlichen Gabe von 12 mg/m2 KOF für die ersten Monate begonnen werden und anschließend die Gaben in 3-monatlichen Abständen fortgeführt werden. Die maximale kumulative Gesamtdosis sollte in Analogie zu den aktuellen Empfehlungen bei der MS 100 mg/m2 KOF nicht überschreiten. In Einzelfällen kann unter strenger Nutzen-Risiko-Abwägung und gleichzeitiger Überwachung der Herzfunktion eine Behandlung bis zu 140 mg/m2 KOF von einem in der Behandlung erfahrenem Arzt weitergeführt werden. Der Leukozytennadir ist jeweils entsprechend zu dokumentieren.

Unter der Mitoxantrontherapie sollten regelmäßig eine transthorakale Echokardiographie mit Bestimmung der linksventrikulären Auswurffraktion sowie regelmäßige Blutbildkontrollen (Risiko einer Leukämie) erfolgen. Die Patienten müssen über mögliche Risiken und Nebenwirkungen unter Einbeziehung eines möglichen zukünftigen Kinderwunsches ausreichend aufgeklärt werden. Bei Stabilisierung des Erkrankungsverlaufes über ein Jahr kann ggf. die Mitoxantrondosis auf 5 mg/m2 KOF alle 3 Monate reduziert werden, um die Therapie über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten.

Cyclophosphamid

Eine Behandlung mit Cyclophosphamid kann im Einzelfall bei schweren Verläufen als Therapieeskalation bei Versagen anderer Therapiemaßnahmen erwogen werden, allerdings liegen hierfür nur Einzelfallbeobachtungen vor [11, 24, 55]. Die Therapie kann, analog zur Behandlung bei MS-Patienten in Abständen von 4 bis 6 Wochen mit einer Dosierung von je 600 mg/m2 KOF durchgeführt werden. Die Dosis sollte entsprechend der Veränderung der Gesamtleukozytenzahl angepasst und nur unter Aufsicht eines in dieser Chemotherapie erfahrenen Arztes durchgeführt werden.

Interferone/Glatiramerazetat

Für Interferone konnte in jüngsten retrospektiven Analysen ein häufig ungünstiger Effekt auf den Erkrankungsverlauf der NMO gezeigt werden [59, 71]. Zu einer Behandlung mit Glatiramerazetat gibt es bis auf 2 Fallberichte keine ausreichenden Daten zur Behandlung der NMO [6, 16].

Kombinationstherapien

Bei therapierefraktärer NMO kann in ausgewählten Fällen als Therapieeskalation eine Kombinationstherapie erwogen werden. Methotrexat wurde in einer Studie in Kombination mit oralen Steroiden eingesetzt, die bei 4 von 4 behandelten Patienten einen stabilen Verlauf zeigte [53]. Ebenfalls in Einzelfallberichten beschrieben, wurde eine intermittierende Plasmapherese zusätzlich zu einer immunsuppressiven Therapie eingesetzt und führte zu einer Schubratenreduktion [54].

Therapieempfehlungen

Aufgrund der Datenlage kann für keine der Therapien der NMO eine Empfehlung basierend auf ausreichender Evidenz ausgesprochen werden, sodass die Konsensusgruppe zu folgender Expertenmeinung gekommen ist:

Der häufig schwere Verlauf der NMO rechtfertigt bei sicherer Diagnose einer NMO eine rasche Einleitung einer immunsuppressiven Therapie, in erster Linie mit Azathioprin. Alternativ kann auch eine Therapie mit Rituximab begonnen werden. Bei Kontraindikationen, Nebenwirkungen oder fehlendem Therapieansprechen kann auf eine Therapie mit MMF oder Mitoxantron um-/eingestellt werden. Bei schwer verlaufender NMO und Versagen einer vorausgehenden Therapie können eine Therapieeskalation mit Cyclophosphamid und/oder Kombinationstherapien erfolgen. Da bislang keine ausreichenden Daten vorliegen, gelten die Empfehlungen prinzipiell nicht für die NMO-Spektrum-Erkrankungen. Allerdings gibt es Hinweise, dass AQP4-Ak-positive Patienten ein höheres Risiko für einen weiteren Erkrankungsschub aufweisen, sodass im Einzelfall (Schwere des 1. Schubes, Rückbildung) über die Einleitung einer immunsuppressiven Therapie entschieden werden muss.