Eine umfassende Kenntnis der geographischen Medizin, Epidemiologie, der klimatischen regionalen Bedingungen, der Infektionswege und vor allem aller wesentlichen prädisponierenden Faktoren ist essenziell, um die Diagnose einer parasitären Infektion oder Infestation des Nervensystems rechtzeitig zu stellen, differenzialdiagnostisch die Symptome einzuordnen und die entsprechende Therapie einzuleiten [25, 26].

In Tab. 1 sind entsprechend der geographischen Verteilung die wichtigsten Parasiten, die eine Infektion/Infestation des Zentralnervensystems (ZNS) verursachen können, aufgelistet. Einzelne Parasiten werden weltweit gefunden, andere lediglich in speziellen tropischen Gebieten, wiederum andere grundsätzlich in tropischen Klimaregionen und einzelne vorwiegend in Gegenden mit gemäßigtem Klima. Die Globalisierung der Welt, Veränderung der klimatischen Rahmenbedingungen und einschneidende iatrogene Eingriffe in das immunologische Gleichgewicht des einzelnen Menschen machen es unumgänglich, dass sich europäische Mediziner und – nicht zuletzt – europäische Neurologen mit parasitären Infektionen und Infestationen des Nervensystems auseinandersetzen. Zunehmender Reiseverkehr, d. h. aus den Tropen oder Subtropen zurückkommende Menschen sowie eine Zunahme von Flüchtlingen, Asylanten, Einwanderern aus tropischen Ländern, sind Teil dieser Globalisierung, bringen zum Teil völlig unterschiedliche Krankheitsbilder aus den tropischen Ländern nach Europa und stellen somit die europäische Medizin vor Herausforderungen, die bisher in wenigen spezialisierten Zentren zu bewältigen waren.

Tab. 1 Neurologisch bedeutsame Parasiten. (Adaptiert nach [25])

Parasiten verursachen Krankheitssymptome durch direkte Gewebsinvasion, durch Raumforderung, Gewebshypoxie und Blutung oder indirekt über immunmediierte Mechanismen.

Die Diagnose und antiparasitäre Behandlung sind spezifisch für den jeweiligen Erreger und die durch ihn bewirkten Krankheitsmechanismen. Prognostisch wichtig sind die direkte Beteiligung oder Mitbeteiligung des zentralen und peripheren Nervensystems sowie adjuvante therapeutische Maßnahmen, die von einer profunden Kenntnis der pathophysiologischen Abläufe abgeleitet werden können.

Klinisch neurologische Symptome/Syndrome

Die neurologische Symptomatik von ZNS-Parasitosen ist breit gefächert, hängt vom spezifischen Parasiten, der Infestations-/Infektionslokalisation, dem Krankheitsstadium, dem Alter, eventueller Vortherapien sowie dem Immunstatus des Patienten ab. Unter antiparasitärer Therapie können sich insbesondere ZNS-Manifestationen passager aggravieren und erfordern rechtzeitiges Erkennen und therapeutisches Gegensteuern, beispielhaft seien hier Infektionen mit Nematoden der Filarienspezies bzw. Larven mit Trematoden (z. B. Neurozystizerkose) genannt: Unter adäquater antihelminthischer Therapie kann es zu einer Aggravierung des perifokalen Ödems mit entsprechender akuter, potenziell lebensbedrohlicher Verschlechterung einer neurologischen Herdsymptomatik bis hin zur Hirndrucksymptomatik kommen [6, 8, 24]

Unter antiparasitärer Therapie können sich ZNS-Manifestationen passager aggravieren

Meningitis, Enzephalitis, sekundär hypoxische Enzephalopathie, Hirnabszess, Radikulitis, Myelitis, intrakranielle Blutung, raumfordernde Läsionen (Granulome, Zysten), obstruktiver Hydrozephalus, spinale raumfordernde Prozesse sowie Myositis, alle diese Symptome und Syndrome können durch parasitäre Erkrankungen verursacht werden, eine detaillierte Beschreibung des jeweiligen erregerspezifischen Krankheitsverlaufes überschreitet den Umfang dieser Übersicht. Tab. 2 und Tab. 3 listen den erregerspezifischen Übertragungsweg, die typisch klinisch neurologische Symptomatik und den Krankheitsverlauf. In Tab. 4 und Tab. 5 sind die klinisch neurologischen Befunde, im Einzelfall wesentliche systemische Befunde sowie die wichtigsten differenzialdiagnostischen Überlegungen erregerspezifisch zusammengefasst.

Tab. 2 Parasitäre Protozoen des Nervensystems [7, 9, 10, 11, 14, 18, 25]
Tab. 3 Parasitäre Helminthen des Nervensystems [1, 6, 8, 12, 13, 15, 16, 17, 21, 23, 24, 26, 28, 30]
Tab. 4 ZNS-Parasitosen: Protozoen – Diagnostik und Differenzialdiagnose
Tab. 5 ZNS-Parasitosen: Helminthen – Diagnostik und Differenzialdiagnose

Diagnose und Diagnostik

Bildgebung

Bildgebende Befunde sind häufig unspezifisch, ein fokales oder diffuses Hirnödem kann beobachtet werden [2, 10, 13, 19, 24]. In Abhängigkeit vom Stadium der Erkrankung können die bildgebenden Befunde unauffällig sein, vor allem auch bei zererbraler Malaria, afrikanischer Trypanosomiasis etc. Eine ZNS-Infektion mit Naegleria spp. verursacht, im Sinne einer akuten Meningitis, eine Kontrastmittelanspeicherung der Meningen. Einzelne multiple parenchymatöse Hypodensitäten ohne Kontrastmittelanspeicherung werden im CT bei Trichinose, im Frühstadium einer Zystizerkose, Acanthamoeba-Infektion, Sparganose, Zönurose und bei der frühen Toxoplasmose beobachtet. Ringförmig kontrastmittelspeichernde Läsionen werden bei Infektion/Infestation mit Toxoplasma gondii, Entamoeba histolytica, Acanthamoeba spp., Toxocara spp., Cysticercus cellulosae, Schistosoma spp und Paragonimus spp. gesehen. Eine detailliertere Beurteilung der bildgebenden Befunde ist in den Tab. 4 und Tab. 5 aufgelistet.

In Schädelübersichtsröntgen, Röntgen des Thorax und der Muskeln können Kalzifikationen und/oder Zystenbildung bei Patienten mit Zestodeninfestation (Abb. 1), bestimmten Trematoden- (Paragonimus spp.) oder Nematoden (Trichinella spiralis) -Infestationen gesehen werden. Ein obstruktiver Hydrozephalus kann bei bestimmten Zestoden- und Trematodenerkrankungen, aber auch bei Nematoden (Larva migrans) wie Gnathostoma-spinigerum-Infestation beobachtet werden. Letztere kann auch Ursache einer Subarachnoidalblutung und einer eosinophilen Radikulomyelitis mit den entsprechenden bildgebenden Befunden sein. Extrakranielle Manifestationen bestimmter parasitärer Erkrankungen (z. B. Amöbenleberabszess) können mittels Ultraschalluntersuchung oder abdominaler CT-Untersuchung visualisiert werden. Elektrophysiologische Untersuchungstechniken sind in der Diagnostik parasitärer Erkrankungen des zentralen Nervensystems nur von sehr geringer Bedeutung, mit Ausnahme von epileptischen Anfällen, Epilepsien oder Status epilepticus als Manifestation (z. B. Neurozystizerkose) oder Folgezustand (z. B. zerebrale Malaria) einer ZNS-Parasitose.

Abb. 1
figure 1

Aus Thailand stammender Patient mit „chronischer Meningitis“ – razemöse Form einer spinal akzentuierten Neurozystizerkose. Spinales CT auf Höhe HWK 1 mit intrathekaler Kontrastmittelapplikation

Laborparameter, Liquor cerebrospinalis

Die Ergebnisse der Liquor-cerebrospinalis-Untersuchung sind bei ZNS-Parasitosen höchst unterschiedlich und in den meisten Fällen sehr unspezifisch. Patienten, die mit Naegleria spp. oder Strongyloides stercoralis infiziert/infestiert sind, zeigen das typische Liquorbild einer purulenten Meningitis mit granulozytärer Pleozytose. Auch Acanthamoeba spp. und E. histolytica können eine eitrige Meningitis verursachen, wenn die Abszessbildung nahe des Subarachnoidalraums liegt. Liquoreiweißkonzentrationen sind häufig erhöht, Glukosekonzentrationen sind unterschiedlich, gelegentlich erniedrigt. Patienten mit einer Trypanosomiasis, vereinzelt auch Patienten mit einer ZNS-Toxoplasmose haben eine lymphozytäre und/oder plasmazelluläre Pleozytose. Bei der afrikanischen Trypanosomiasis (Schlafkrankheit) ist das Liquoreiweiß frühzeitig und deutlich erhöht (insbesondere IgM). Eine eosinophile Pleozytose ist typisch für eine Larva migrans visceralis sowie eine Angiostrongylus-cantonensis-, eine Gnathostoma-spinigerum-Infestation, eine ZNS-Filariose, Toxokarose oder ZNS-Trichinose. Alle anderen Wurmerkrankungen des Nervensystems verursachen normalerweise keine Liquoreosinophilie. Der Liquor ist typischerweise normal bei zerebraler Malaria, Babesiose und bei Wurmerkrankungen des Nervensystems, die einen chronischen Verlauf nehmen. In Einzelfällen können lebende Parasiten im Nativliquorpräparat gesehen werden: z. B. Naegleria spp., Trypanosoma brucei, Strongyloides stercoralis, Gnathostoma spinigerum, Angiostrongylus cantonensis oder Toxocara spp.

Patienten mit zerebraler Malaria oder Babesiose entwickeln nicht selten das klinische Vollbild eines „Sepsissyndroms“ mit Multiorganmitbeteiligung im Sinne einer Multiorganmalaria (Babesiose). Bei der zerebralen Malaria wurde in den letzten Jahren die Malariaretinopathie als wesentliches diagnostisches Zusatzsyndrom identifiziert. Neben einer massiven Hochregulierung von Tumornekrosefaktor (TNF)α, Zytokinen und Adhäsionsmolekülen findet sich bei Patienten mit einer Multiorganmalaria häufig initial ein ausgeprägter Verbrauch von AT 3 und Protein C, außerdem eine Deregulierung von Endothelin, Matrixmetalloproteinasen etc. Diese Situation macht das akut lebensbedrohliche Bild einer Multiorganmalaria/zerebralen Malaria tatsächlich einem Sepsissyndrom sehr ähnlich.

Eine Eosinophilie im peripheren Blut kann, muss aber nicht, bei Wurminfestation beobachtet werden. Alle Wurmerkrankungen, bei denen migrierende Larven krankheitsmitbestimmend sind, haben häufiger eine Eosinophilie im peripheren Blut (z. B. Toxocara, Filarien, Trichinella spiralis). Wurmerkrankungen mit Muskelmitbeteiligung (Myositis) können eine erhöhte Kreatin-Phosphokinase (CK) im peripheren Blut zeigen (Trichinella spiralis, Strongyloides stercoralis, Toxocara canis, Cysticercus cellulosae).

Mikrobiologie/Parasitologie

Plasmodium falciparum, Babesia spp., Trypanosoma spp., Mikrofilarien (inklusive Onchocerca volvolus) können im peripheren Blutausstrich (Giemsa-Färbung) gesehen werden. Nativuntersuchungen des Liquors, von anderen Körperflüssigkeiten oder Biopsaten können bei Trypanosomen, Naegleria spp., Strongyloides stercoralis (Abb. 2), Gnathostoma spinigerum, Angiostrongylus cantonensis und Toxocara spp. diagnostisch sein. Eine Muskelbiopsie führt bei Anisakiasis, Sparganose, Zönurose, Trichinose und Zystizerkose zur Diagnose. Serologische Untersuchungstechniken können das diagnostische Ergebnis verbessern, spielen jedoch bei lebensbedrohenden, akuten ZNS-Parasitosen eine eher untergeordnete Rolle.

Abb. 2
figure 2

Strongyloides-stercoralis-Hyperinfektionssyndrom: Nachweis massenhaft beweglicher Nematoden in den Fäzes bei einer bosnischen Immigrantin unter Zytostatikatherapie

Da bei vielen ZNS-Parasitosen eine systemische Infestation vorhanden sein kann, bis hin zur Multiorganmitbeteiligung (s. Malaria) ist eine interdisziplinäre Diagnostik essenziell. Patienten mit amerikanischer Trypanosomiasis (Chagas-Erkrankung) können unspezifische EKG-Veränderungen inklusive Reizleitungsstörungen oder Arrhythmien etc. haben. Eine ZNS-Strongyloidiasis ist häufig mit einer gramnegativen Sepsis – ausgehend von einer Kolitis (Abb. 3) – und eventuell Meningitis vergesellschaftet. Nicht wenige Patienten mit einer ZNS-Parasitose leiden an fokalen und/oder generalisierten zerebralen Krampfanfällen.

Abb. 3
figure 3

Strongyloides-stercoralis-Hyperinfektionssyndrom (Patientin aus Abb. 2). Kolitis: kollabiertes Colon transversum mit ödematöser Wandauflockerung

Therapie

Spezifische Chemotherapie

Die spezifischen Chemotherapieempfehlungen sind in Tab. 6 und Tab. 7 aufgelistet. Viele Patienten mit parasitären Erkrankungen des ZNS können auf normalen neurologischen Stationen behandelt werden, Patienten mit zerebraler Malaria, primärer Amöbenmeningitis, Babesiose, Gnathostomiasis, Strongyloides-Hyperinfektionssyndrom etc. sind allerdings medizinische Notfälle und müssen intensivmedizinisch überwacht und therapiert werden. In Einzelfällen können auch bei anderen ZNS-Parasitosen erhöhter intrakranieller Druck, Hydrozephalus, intraventrikuläre Zysten, perifokale Ödementwicklung, akute purulente Meningitis, meningovaskuläre Syndrome, hypoxische Enzephalopathien, Hirnstammsyndrome sowie raumfordernde Prozesse der hinteren Schädelgrube und letztlich kardiale Involvierung und Multiorganmitbeteiligung zur Intensivpflichtigkeit führen. In allerjüngster Vergangenheit wurden mehrere Fallserien über adjuvante Therapien bei Multiorganmalaria publiziert, ohne jedoch Level-A-Evidenz zu erreichen.

Viele parasitäre Erkrankungen des Nervensystems sind unter den „neglected diseases“ einzuordnen.

Dementsprechend gibt es in den letzten Jahrzehnten teilweise keine wesentlichen Neuentwicklungen im chemotherapeutischen Bereich, als Beispiel sei hier die ostafrikanische Trypanosoma-brucei-rhodesiense-Infektion genannt; allerdings wurde kürzlich eine neue Substanz erstmals seit 3 Jahrzehnten prospektiv in einer Phase-II-Studie bei dieser unbehandelt immer tödlichen Erkrankung untersucht [3, 20, 29].

Tab. 6 Spezifische Chemotherapien bei ZNS-Protozoonosen [3, 7, 8, 9, 11, 14, 18, 22, 25, 26, 29]
Tab. 7 Spezifische Chemotherapien bei ZNS-Helminthosen [4, 13, 17, 24, 27, 28]

Adjuvante Therapie

Multiorganversagen bei Plasmodium-falciparum-Malaria oder Babesiose führt zur Beatmungspflichtigkeit, Hämofiltrations- und evtl. Gesamtblutaustauschnotwendigkeit. Solche Patienten profitieren nicht von einer Antikoagulationstherapie oder Kortikosteroiden, eventuell aber von anderen neuroprotektiven Therapien [5, 19, 29]. Allerdings sind Steroide als Begleittherapie zu Beginn der antihelminthischen Therapie bei Neurozystizerkose, Trichinose oder Schistosomiasis unverzichtbar [6, 24, 25, 30].

Neurochirurgisches Management

Neurochirurgische Interventionen können sowohl zu diagnostischen als auch therapeutischen Zwecken angezeigt sein. Ein akuter Hydrocephalus obstructivus erfordert die schnellstmögliche Anlage einer Liquordrainage. Intraventrikuläre Zysten sollten aus therapeutischen und diagnostischen Gründen exstirpiert werden.

Prognose

Die Prognose von Patienten mit ZNS-Parasitosen ist vom auslösenden pathogenen Agens abhängig. Bis zu 20% der Patienten mit zerebraler Malaria versterben und bis zu 10% tragen ein neurologisches Langzeitdefizit (Paresen, Krampfanfälle) davon. Die Mortalität ist hoch bei allen Formen einer zerebralen Amöbiasis (E. histolytica, freilebende Amöben). Ohne Behandlung führt eine afrikanische Trypanosomiasis auf jeden Fall zum Tod, eine ZNS-Infektion mit Trypansoma cruzi trägt bei Kindern eine Mortalität bis zu 12%. Eine Infektion mit Gnathostoma spinigerum verursacht bei knapp 10% einen letalen Verlauf und bei knapp 40% sind neurologische Langzeitfolgen zu erwarten. Eine Toxokarose, eine Trichinose und andere Nematoden- und Trematodeninfestationen sind nur selten mit einem tödlichen Verlauf assoziiert. Die Mortalität bei einem Strongyloides-stercoralis-Hyperinfektionssyndrom beträgt allerdings bis zu 75%.

Der klinische Verlauf, die Langzeitfolgen und letztlich auch die Überlebenschancen sind bei ZNS-Parasitosen von der frühzeitigen Diagnose und dem frühestmöglichen spezifischen Therapiebeginn sowie den adjuvanten bzw. supportiven Maßnahmen inklusive intensivmedizinische Betreuung abhängig.

Fazit für die Praxis

ZNS-Parasitosen sind eine interdisziplinäre Herausforderung an mittlerweile viele Neurologen Mitteleuropas. Frühestmögliche Diagnose erfordert eine ausreichende Kenntnis der Epidemiologie und klinischen Symptomatik.