Bei leicht- bis mittelgradiger Alzheimer-Krankheit (AD) wird ein multifaktorieller Ansatz bestehend aus pharmakologischen und nichtpharmakologischen Interventionsmaßnahmen diskutiert. Die Ergebnisse bisheriger Studien weisen auf die Wirksamkeit von kognitivem Training bei AD hin. Dabei ist noch nicht geklärt, welche Art der Intervention für welche Zielgruppe optimal ist. Weitere, methodisch verbesserte Studien sind nötig, um die Wirksamkeit auf kognitiver, affektiver sowie funktioneller Ebene zu evaluieren.

Die Alzheimer-Demenz (AD) ist die häufigste psychiatrische Erkrankung im Alter. Die Prävalenz der Demenz liegt bei über 65-Jährigen in Deutschland im Mittel bei 7,2% [40]. Die Zahl der Erkrankten liegt unter Einbeziehung leichter Formen der Demenz in Deutschland bei etwa 1,1 Mio. Als Folge der demographischen Entwicklung wird die Zahl der Erkrankten von gut 1,5 Mio. im Jahr 2030 auf über 2 Mio. im Jahr 2050 ansteigen. Könnte der Krankheitsbeginn der AD z. B. durch eine gezielte Intervention zur Aufrechterhaltung des globalen Funktionsniveaus im Prodromalstadium – der leichten kognitiven Störung (LKS) – nur um 5 Jahre verzögert werden, so könnte dies die Prävalenz halbieren und damit enorme persönliche, soziale und ökonomische Entlastungen bewirken. Könnte das globale Funktionsniveau bei Menschen mit leichtgradiger AD durch eine gezielte Intervention stabilisiert werden – z. B. in Kombination mit antidementiv wirkenden Medikamenten –, sind eine Verzögerung des Verlustes der Selbständigkeit und somit von Hilfs- und Pflegebedürftigkeit zu erhoffen.

Ausgangspunkt der Überlegung zu kognitionsbezogenen Interventionen sind Daten, die ein geringeres Demenzrisiko bei einer besseren kognitiven Reserve zeigen. So konnte in einer metaanalytischen Untersuchung anhand der Daten von über 29.000 Personen nachgewiesen werden, dass eine größere kognitive Reserve das Risiko verringert, eine Demenz zu entwickeln [38]. Unter den Faktoren, die die kognitive Reserve bedingen, waren stimulierende geistige Aktivitäten der stabilste Faktor. Es stellt sich die Frage, inwiefern eine gezielte Intervention auch bei kognitiv bereits beeinträchtigten Menschen im Sinne einer Sekundärprävention wirken und das globale Funktionsniveau bei Menschen mit bereits manifester Demenz stabilisieren und den weiteren Verlust von Selbständigkeit hinauszögern kann.

Bei gesunden älteren Menschen konnte empirisch nachgewiesen werden, dass sie über eine kognitive Reservekapazität zur Leistungssteigerung verfügen [22, 35]. Voraussetzung dafür ist eine strukturelle und funktionelle Plastizität neuronaler Netzwerke, die das Erlernen neuer Inhalte sowie den Erwerb neuer Strategien ermöglicht. Neurodegenerative Erkrankungen schädigen Nervenzellen und neuronale Netzwerke und reduzieren bereits in einem frühen Stadium die Plastizität und damit kognitive Kapazitätsreserven [34]. Das Modell der kognitiven Reserve postuliert, dass Hirnschädigungen durch den Einsatz vorbestehender kognitiver Verarbeitungs- oder kompensatorischer Methoden zu bewältigen sind [34]. Es erhöht damit die Möglichkeit, dass die kognitive Reservekapazität von Betroffenen mittels systematischer Beanspruchung oder Intervention möglicherweise tatsächlich bei präklinscher, prodromaler oder schließlich manifester AD gesteigert werden kann. Damit stellt sich weiter die Frage, ob neurodegenerative Abbauprozesse zumindest teilweise reversibel sind und sich kognitive Trainingsprogramme in den verschiedenen Stadien der Erkrankung als erfolgreich erweisen können.

Theoretische Grundlagen

Begriffsbestimmungen

Hinsichtlich kognitionsbezogener Maßnahmen bei AD werden in der Literatur Begriffe wie kognitives Training, kognitive Rehabilitation sowie kognitive Stimulierung synonym verwendet. Nach einer Definition von Clare et al. haben kognitives Training und kognitive Rehabilitation jedoch unterschiedliche Ansätze und Ziele, die sich wiederum von kognitiver Stimulierung unterscheiden [10].

Kognitives Training beinhaltet in der Regel angeleitete Übungen mit einer Reihe standardisierter Aufgaben, die bestimmte kognitive Funktionen wie z. B. Gedächtnis, Aufmerksamkeit oder Problemlösen widerspiegeln. Dabei wird eine Generalisierung von Effekten angenommen, indem über eine Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten die Bewältigung alltäglicher Aufgaben sowie eine selbständige Lebensführung unterstützt werden.

Kognitive Rehabilitation beschreibt einen individualisierten, weitaus umfassenderen Ansatz zur Unterstützung von Menschen mit Demenz und deren Familien, indem in Zusammenarbeit mit einem multiprofessionellen Team patientenbezogene Ziele und entsprechende Strategien ermittelt und eingesetzt werden. Der Schwerpunkt liegt hierbei nicht auf einer Leistungssteigerung kognitiver Funktionen an sich, sondern darauf, das Funktionsniveau im alltäglichen Kontext zu verbessern. Im Gegensatz zu kognitiven Trainingsprogrammen liegt hier nicht die Annahme zugrunde, dass eine Veränderung in einer bestimmten Situation gleichsam eine Verallgemeinerung auf andere Situationen impliziert [11].

Kognitive Stimulierung schließlich bezeichnet die Beschäftigung mit einer Reihe von Aktivitäten und Gesprächen, die auf eine allgemeine Verbesserung des kognitiven und sozialen Funktionsniveaus zielen. Dies findet gewöhnlich im Rahmen eines Gruppenangebots statt.

Eine definitionsgemäße kategoriale Einordnung von kognitiven Interventionsmaßnahmen ist jedoch schwierig, da es in einigen Fällen zu Überschneidungen kommen kann. Zur besseren Beschreibung von Trainingsbereichen und -zielen wäre dies für die Zukunft jedoch sinnvoll.

Kognitives Training bei gesunden älteren Menschen

Ziel einer kognitiven Intervention ist es, hinsichtlich des kognitiven Alterungsprozesses sensible Funktionen durch Training beizubehalten, auf das Ausgangsniveau zurückzuführen oder gegenüber dem Ausgangsniveau zu optimieren. Die Grundannahme beruht darauf, dass durch regelmäßiges Üben kognitiver Funktionen über eine Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten hinaus positive Transfereffekte auf das globale Funktionsniveau zu erzielen sind. Dadurch sollen Kompetenzen aufgebaut werden, die die Bewältigung alltäglicher Aufgaben und eine selbständige Lebensführung unterstützen [11, 15]. Im Sinne einer präventiven Maßnahme bei AD sind kognitionsbezogene Interventionen bei gesunden älteren Menschen in Longitudinalstudien, die Effekte auf die Konversion in eine Demenz abbilden, sinnvoll.

Auf der Grundlage von Intelligenztests sind bei gesunden älteren Menschen Entwicklungsphänomene der kognitiven Fähigkeiten beschrieben worden [15]. Dabei wird Bezug auf die Theorie der fluiden und kristallisierten Intelligenz genommen [8]. Fluide Funktionen umfassen alle Prozesse der Informationsverarbeitung sowie abstraktes Denken und Problemlösen und sind wenig kultur- und bildungsabhängig. Sie sind eng an biologische Alterungsprozesse des Nervensystems gebunden und unterliegen damit einem alterskorrelierten Abbau. Dieser zeigt sich in Form einer Verlangsamung der Denkgeschwindigkeit, die sich auf die Gedächtnisleistung auswirkt.

Unter kristallisierten Funktionen wird die inhaltliche Ausgestaltung des Denkens über erworbenes Bildungs- und Kulturwissen umschrieben. Sie können bis ins hohe Alter gesteigert oder auf einem stabilen Niveau erhalten werden. Bei gesunden älteren Menschen konnte empirisch nachgewiesen werden, dass sie über kognitive Reservekapazität zur Leistungssteigerung fluider Intelligenzfunktionen verfügen [28]. Bei gesunden Älteren zielen kognitive Trainingsprogramme primär auf das Training fluider Funktionen.

Kognitionsbezogene Maßnahmen bei AD

Das zentrale klinische Symptom der AD ist – wie in DSM-IV/ICD-10 gefordert – eine Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung. Bei leicht- und mittelgradiger AD ist derzeit die pharmakologische Behandlung mit Cholinesteraseinhibitoren (ChEIs) indiziert, deren Wirksamkeit hinsichtlich zeitlich begrenzter symptomatischer Behandlung des kognitiven Abbaus und der Alltagsfähigkeiten nachgewiesen ist [20]. Das Ausmaß der Wirksamkeit wird jedoch noch nicht als befriedigend eingeschätzt, so dass intensiv nach neuen und ergänzenden Strategien gesucht wird. Dabei wird zunehmend ein multifaktorieller Ansatz vorgeschlagen, der aus pharmakologischen und nichtpharmakologischen Interventionsmaßnahmen bestehen soll. Inzwischen wird kognitive Rehabilitation als sinnvolle Interventionsmaßnahme im Katalog der nichtmedikamentösen therapeutischen Ansätze der DGGPP (Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie e.V., www.dggpp.de) bei beginnender bzw. leichtgradig demenzieller Erkrankung aufgeführt. Die NICE-Guideline zur Behandlung der AD (Leitlinien des National Institute for Health and Clinical Excellence, www.nice.org.uk) empfehlen für Patienten mit leicht- und mittelgradiger AD als nichtmedikamentöse Intervention die Teilnahme an kognitiven Stimulierungsprogrammen.

In verschiedenen Studien über Gedächtnis und Lernen konnte gezeigt werden, dass Menschen mit Demenz unter bestimmten Bedingungen, mit entsprechender Unterstützung sowie ausreichend Zeit in der Lage sind, zu lernen, d. h. Informationen aufzunehmen und zu speichern [2]. Trotz des Ausmaßes der Beeinträchtigungen des expliziten Gedächtnisses (bewusste Erinnerungen) bei bereits leichtgradigem Stadium der AD sind bestimmte Bereiche des impliziten Gedächtnisses (unbewusste Erinnerung) noch relativ intakt. Betrachtet man das Gedächtnis als System mit verschiedenen Subsystemen, so ist vor allem das episodische Gedächtnis, in dem Erlebnisse der eigenen Autobiographie mit klarem Raum- und Zeitbezug abgespeichert sind, im frühen Stadium der AD betroffen [3]. Andere Subsysteme wie beispielsweise das semantische Gedächtnis (Fakten- und Allgemeinwissen), das Priming (bessere Wiedererkennensleistung von zuvor [unbewusst] Wahrgenommenen) sowie das prozedurale Gedächtnis (motorische Fertigkeiten und routinierte Bewegungen) scheinen dagegen noch weitgehend intakt zu sein.

Betrachtet man das Gedächtnis als Ablauf von Prozessen der Einspeicherung, Konsolidierung und des Abrufs von Gedächtnisinhalten, so liegen die Hauptschwierigkeiten bei leichtgradiger AD bei Einspeicherung und Bildung neuer Gedächtnisinhalte. Kognitionsbezogene Interventionen sollten auf Strategien und Methoden abzielen, die auf weitgehend erhaltenen Bereichen der Gedächtnisleistung aufbauen sowie alternative Wege zur Kompensation besonders beeinträchtigter Gedächtnisleistungen erarbeiten. Angesichts des progredienten Charakters der AD und dem Prodromalstadium LKS muss die Erfolgsdefinition dahingehend erfolgen, dass eine kognitionsbezogene Intervention nicht nur dann als erfolgreich eingestuft wird, wenn die therapeutische Maßnahme zu einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit führt, sondern auch dann, wenn eine Stabilisierung im Sinne gleich bleibender Leistungen im Verlauf erreicht werden kann.

Methoden und Strategien

Das theoretische Ziel von Gedächtnisstrategien ist die Verbesserung oder Unterstützung beeinträchtigter Funktionen, um neues Lernen zu ermöglichen. Einige Strategien zielen auf die Unterstützung von Einspeicherungsprozessen:

  • „encoding specificity strategies“ (spezifische Einspeicherung); Interaktion von Einspeicherung und Abruf, indem zusätzliche Stichwörter aus dem Kontext mitgespeichert werden,

  • „errorless learning approach“ (fehlervermeidendes Lernen); Vermeidung von Fehlern (Interferenzen) bereits im eigentlichen Lernvorgang und damit Vermeidung von Frustration und Demotivation,

  • „visual imagery“ (bildhaftes Vorstellen); gleichzeitige Verknüpfung von zu lernendem verbalem Material (semantisches Gedächtnis) mit bildhaften Assoziationen bei der Einspeicherung.

Andere Strategien unterstützen Abrufprozesse:

  • „spaced retrieval technique“ (schrittweise Ausdehnung der Behaltensintervalle); richtig erinnerte Informationen werden nach zunehmend längeren Intervallen wiederholt abgefragt

  • „vanishing cues technique“ (Ausschleichen von Hinweisreizen); schrittweise Entfernung der jeweils letzten Buchstaben eines zunächst vollständig dargebotenen Wortes

  • „external memory aids“ (externe Gedächtnishilfen) in elektronischer (z. B. Notebook) und nichtelektronischer (z. B. Notizbuch/Kalender, Klebezettel) Form.

Sonstige Strategien sind:

  • „sensorimotor skill stimulation” (Stimulierung sensomotorischer Fertigkeiten); Einüben einfacher und komplexer Aktivitäten des täglichen Lebens wie z. B. Putzen, Vorbereiten und Verzehr von Mahlzeiten, Telefonieren u. ä. zur Verbesserung der Alltagsfähigkeit,

  • „dyadic approach“: Einbeziehung von Angehörigen oder Bezugspersonen bei der stetigen Anwendung verschiedener Strategien zur Verbesserung kognitiver und Gedächtnisleistungen.

Die verschiedenen Techniken können individuell oder in Kombination angewendet werden. So wird beispielsweise der Ansatz des „errorless learning“ häufig mit „spaced retrieval“ kombiniert oder die Angehörigen ergänzend zu einem kognitiven Training mit Einsatz verschiedener Strategien als Kotherapeuten miteinbezogen.

Kognitives Training bei LKS

Für das Prodromalstadium einer AD, die leichte kognitive Störung (LKS), existieren zahlreiche Definitionen, die sich hinsichtlich des kognitiven Status, Methoden der Operationalisierung, Grad der Alltagsbeeinträchtigung sowie Beeinträchtigung in Nicht-Gedächtnisbereichen unterscheiden [33]. Nach Petersen und Kollegen [23] ist LKS definiert als eine subjektiv empfundene und objektiv nachweisbare kognitive Störung, die keine wesentliche Beeinträchtigung der Alltagsfähigkeit sowie der psychosozialen Kompetenz zur Folge hat und damit nicht die Kriterien für den Nachweis einer Demenz nach ICD-10 oder DSM-IV erfüllt. Die Prävalenzzahlen für LKS liegen zwischen 3 und 19% bei den über 65-Jährigen [16]. 15% der LKS-Patienten entwickeln pro Jahr eine Demenz, so dass LKS-Patienten im Vergleich zur altersgleichen Normalbevölkerung (2% entwickeln pro Jahr eine Demenz) als Risikogruppe anzusehen sind. Aus epidemiologischen Gründen ist die Mehrzahl der sich entwickelnden Demenzen durch die AD verursacht.

Das klinische Bild der leichten kognitiven Störung lässt sich in einen amnestischen und einen nichtamnestischen Typ unterscheiden [23]. Der amnestische Subtyp ist entweder durch reine Gedächtnisstörungen oder durch Gedächtnisstörungen und zusätzliche weitere kognitive Defizite gekennzeichnet („Gedächtnis plus“), wobei letzterer am häufigsten vorkommt und ein hohes Risiko für die Entwicklung einer AD aufweist [23]. Da über die Hälfte der Patienten mit amnestischer LKS innerhalb von 5 Jahren eine Demenz und hierbei meist eine AD entwickelt [16] – so genannte Konverter –, gilt diese Patientengruppe als Hochrisikogruppe und erfordert besondere diagnostische und therapeutische Aufmerksamkeit.

Für die spezifische Behandlung der Symptome bei LKS gibt es derzeit keine zugelassene medikamentöse Therapie. Weiter existieren bisher keine speziellen Trainingsprogramme zur Unterstützung beeinträchtigter Hirnleistungsfunktionen. Bei Patienten dieser Risikogruppe scheint aufgrund der bereits manifesten Gedächtnisbeeinträchtigungen ein Trainingsprogramm für gesunde ältere Menschen nicht mehr, für Menschen mit AD jedoch noch nicht geeignet zu sein. Aufgrund geringer kognitiver Einschränkungen sowie per definitionem keiner bzw. geringfügiger Beeinträchtigung von Alltagsfähigkeiten sind bei AD-spezifischen Erfolgsmaßen grundsätzlich „Deckeneffekte“ zu befürchten. Der entscheidende Endpunkt einer kognitionsbezogenen Maßnahme bei LKS ist die Konversion in eine Demenz. Die Untersuchung des Endpunktes Konversion als entscheidendes Erfolgsmaß würde aber wesentlich größere Stichproben und längere Beobachtungsdauern voraussetzen.

Wirksamkeitsnachweise kognitionsbezogener Maßnahmen

Bei gesunden älteren Menschen

Die Wirksamkeit von kognitivem Training konnte bei gesunden älteren Menschen mehrfach nachgewiesen werden. Oswald und Kollegen zeigten in ihrer SimA-Studie (Selbständigkeit im höheren Lebensalter), dass eine Kombination von Gedächtnis- und psychomotorischem Training den kognitiven Status hochsignifikant nach einem Jahr Training verbesserte [21]. Dieser Effekt war über 5 Jahre zeitstabil. Unmittelbare sowie zeitstabile Transfereffekte auf nicht trainierte Funktionen wie z. B. Gesundheit, Selbständigkeit, Befindlichkeit konnten bei dem kombinierten Training ebenfalls ermittelt werden.

Auch Ball und Kollegen zeigten signifikante Verbesserungen in den jeweils trainierten Fähigkeiten (Gedächtnis, logisches Denken und Problemlösen sowie Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit/geteilte Aufmerksamkeit) für alle Interventionsteilnehmer über 2 Jahre [4]. Ein für 60% der Teilnehmer aus jeder Gruppe nach 11 Monaten durchgeführtes Booster-Training brachte nochmals signifikante Verbesserungen im logischen/schlussfolgernden Denken sowie in der Verarbeitungsgeschwindigkeit im Bereich geteilte Aufmerksamkeit. Die beobachteten Effekte zeigten sich auch noch nach 5 Jahren stabil [41]. Im Gegensatz zur SimA-Studie konnten jedoch keine Trainingseffekte auf den Bereich der Aktivitäten des täglichen Lebens („activities of daily living“, ADLs) objektiviert werden.

Bei Patienten mit LKS

Die Überprüfung von kognitionsbezogenen Maßnahmen explizit bei Patienten mit LKS nach den Petersen-Kriterien erfolgt erst seit kürzester Zeit. Für die vorliegende Übersichtsarbeit wurden die aufgeführten Studien hinsichtlich folgender Kriterien untersucht:

  • Studiendesign,

  • Behandlungs- vs. Kontrollbedingung,

  • Dauer der Intervention,

  • Zielgruppe,

  • Effekte auf allgemeine kognitive und nichtkognitive Funktionen sowie

  • Zeitstabilität der Effekte.

Eine Übersicht der Studien und ihrer Ergebnisse findet sich in Tab. 1.

Tab. 1 Kognitives Training bei leichten kognitiven Störungen

Die ersten Befunde einer kognitions- und verhaltensbezogenen Intervention bei LKS im Vergleich zu einer unbehandelten Kontrollgruppe konnten lediglich einen Trend zur Verbesserung spezifischer Gedächtnisleistungen nach Beendigung des Trainings sowie 6 Monate später zeigen, jedoch keine Verbesserung der allgemeinen Gedächtnisleistung in den standardisierten Testverfahren CERAD (Consortium to Establish a Registry for Alzheimer’s Disease) und MMST (Mini-Mental Status Test) feststellen. Dafür verantwortlich machten die Autoren in erster Linie die geringe Teilnehmerzahl bei insgesamt zeitlich zu knapp bemessener Intervention (6 Wochen) ohne praktische Übungseinheiten. Signifikante Verbesserungen bei spezifischen Gedächtnisleistungen zeigte dagegen ein kognitives Interventionsprogramm für Personen mit LKS und gesunden Probanden in einem Wartelistedesign [6]. Die Intervention beinhaltete schwerpunktmäßig die Vermittlung verschiedener Gedächtnisstrategien sowie die Wissensvermittlung über altersgemäße Gedächtnisveränderungen und computergestütztes Aufmerksamkeitstraining. Effekte auf allgemeine kognitive Funktionen konnten nicht objektiviert werden. Signifikant war die Verbesserung der subjektiven Einschätzung der Gedächtnisleistung sowie des Wohlbefindens. Personen der Kontrollgruppe zeigten keinerlei Verbesserungen. Follow-up-Daten wurden nicht erhoben.

Eine Stabilisierung der allgemeinen Gedächtnisleistung konnte eine Studie aus Spanien für Patienten mit LKS und leicht- bis mittelgradiger AD ermitteln, die die Wirksamkeit eines kognitiv-motorischen Trainingsprogramms in Kombination mit psychosozialer Unterstützung auf den allgemeinen kognitiven Status, Alltagsfähigkeiten sowie die Stimmung mit einer einjährigen Interventionsmaßnahme untersuchte [19]. Alle Teilnehmer der Behandlungsgruppe erhielten unabhängig von ihrem kognitiven Ausgangsniveau das gleiche Training. Die Ergebnisse, die für Teilnehmer mit LKS nicht explizit ermittelt wurden, zeigten bei der Kontrollgruppe, die nur psychosoziale Unterstützung erhielt, eine signifikante Verschlechterung des allgemeinen kognitiven Status in der ADAS-cog (Alzheimer’s Disease Assessment Scale – kognitiver Teil) nach der Hälfte des Trainings. Bei der Verumgruppe blieb der allgemeine kognitive Status stabil. Des Weiteren konnte eine Verbesserung des affektiven Status bei der Behandlungsgruppe bei Monat 12 ermittelt werden. Follow-up-Daten wurden nicht erhoben.

Insgesamt drei Studien untersuchten die Wirksamkeit eines computerbasierten neuropsychologischen Trainingsprogramms aus Italien (Training Neuropsicologico di Mario Tonetta, TNP [37]). In der ersten Studie [9] erhielten LKS-Patienten, Patienten mit leichtgradiger AD sowie Kontrollpersonen mit Multisystematrophie das individualisierte Computertraining. Im Gegensatz zu LKS-Patienten zeigten AD-Patienten eine signifikante Verbesserung hinsichtlich des allgemeinen kognitiven Status (MMST). Bei LKS-Patienten konnte lediglich eine signifikante Verbesserung bei Aufgaben zum Arbeitsgedächtnis und zum psychomotorischen Lernen sowie im Bereich der Alttagsfähigkeit ermittelt werden. Des Weiteren konnten keine Verbesserungen im Bereich des affektiven Status ermittelt werden. Die Effekte werden nicht durch eine vergleichbare Patientengruppe unter Kontrollbedingungen gestützt, sondern durch das Nichtprofitieren von Patienten mit Multisystematrophie. Follow-up-Daten wurden nicht erhoben.

Die gleiche Trainingssoftware wurde in zwei weiteren Studien bei Patienten mit LKS angewendet. Rozzini und Kollegen [27] verglichen die Wirksamkeit des Trainings bei LKS-Patienten, die zusätzlich mit einem ChEI behandelt wurden, im Vergleich zu einer reinen ChEI-Behandlung und unbehandelten Kontrollpersonen. Drei Monate nach Beendigung des Trainings zeigte die Trainingsgruppe unter ChEI-Behandlung signifikante Verbesserungen bei verschiedenen kognitiven Funktionen wie z. B. Gedächtnis und abstraktes Denken sowie bei depressiver Symptomatik, jedoch keine Verbesserung beim allgemeinen kognitiven Status. Bei der ausschließlich mit CHEIs behandelten Gruppe ermittelten die Autoren lediglich eine Verbesserung der depressiven Symptomatik. Patienten ohne Behandlung waren hinsichtlich des kognitiven und funktionellen Status sowie des Verhaltens stabil.

Talassi und Kollegen ergänzten das Computertraining um ein Alltags- und Verhaltenstraining [36] bei Patienten mit LKS und AD. Die LKS-Behandlungsgruppe erzielte im Vergleich zur Kontrollgruppe, die anstelle des computergestützten kognitiven Trainings ein nicht näher beschriebenes Training erhielt, eine signifikante Verbesserung im Bereich spezifischer Gedächtnisfunktionen (konstruktive Fähigkeiten, Abruf figurales Gedächtnis). Hinsichtlich des allgemeinen kognitiven Status konnte keine signifikante Veränderung festgestellt werden. Bei depressiver und Angstsymptomatik zeigte sich eine signifikante Abnahme. Teilnehmer der Kontrollgruppe wiesen in keinem Bereich signifikante Veränderungen auf. Bei AD-Trainingsteilnehmern in der Verumgruppe ermittelten die Autoren eine signifikante Verbesserung des allgemeinen kognitiven Status sowie eine Reduktion depressiver und ängstlicher Symptomatik. Follow-up-Daten wurden nicht erhoben.

Fazit

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die bisherigen Befunde zur Evidenz des kognitiven Trainings bei LKS erste Hinweise auf Effekte liefern. Es konnten vereinzelt Verbesserungen im kognitiven Status sowie in nichtkognitiven Bereichen wie Stimmung und Verhalten nachgewiesen werden. Langzeitstudien von kognitivem Training bei Patienten mit LKS zur Untersuchung von Effekten auf die Konversion in eine AD existieren bisher nicht. Die diagnostische Heterogenität der Gruppe der LKS-Patienten erschwert die Vergleichbarkeit der bisher durchgeführten Studien und reduziert die Möglichkeit, Therapieeffekte bezogen auf den Endpunkt Konversion in eine Demenz nachzuweisen. Daher wird es in Zukunft notwendig sein, klinische Risikogruppen nicht nur aufgrund des kognitiven Profils, sondern auch auf der Basis von biologischen Markern, wie z. B. erhöhtem τ-Protein im Liquor oder spezifischen Mustern der Hirnatrophie, zu definieren [13]. Diese Ergebnisse stehen im Übrigen im Einklang mit einer aktuellen Übersicht über kognitives Training bei LKS [5].

Bei AD-Patienten

Übersichtsarbeiten zu kognitiven Interventionsmaßnahmen

Im Folgenden werden bisher publizierte Metaanalysen bzw. Übersichtsarbeiten zum Thema kognitionsbezogene Maßnahmen bei AD aufgeführt.

Die ersten Metaanalysen von Spector und Kollegen zu Realitätsorientierung (ROT) und Reminiszenztherapie, die auf eine Verbesserung der zeitlichen, örtlichen und personellen Orientierung zielen, lieferten erste Hinweise auf eine Wirksamkeit bei demenziellen Erkrankungen [30, 31]. Dabei wurde hinsichtlich der Ätiologie der Demenz noch keine Differenzierung vorgenommen. Für Patienten mit AD oder vaskulärer Demenz und deren Angehörige wurden in einer weiteren Arbeit Daten aus 6 randomisierten kontrollierten Studien erhoben, die kognitives Training und Vergleichsbedingungen unterschiedlicher Art untersuchten [11]. Aufgrund fehlender statistisch signifikanter Effekte, konnte jedoch nur eine geringe Evidenz für den Einsatz kognitiver Trainingsinterventionen für demenziell erkrankte Menschen ermittelt werden. In Anbetracht der geringen Anzahl verfügbarer Studien und ermittelter methodischer Mängel fordern die Autoren zukünftige, gut geplante Studien, um eine endgültige Aussagen über die Wirksamkeit zu treffen.

Frank und Konta ermitteln aus 33 Einzelarbeiten – Untersuchungen zur Wirksamkeit kognitiver Trainingsverfahren zur Behandlung von kognitiven Störungen bei Demenzen, zerebralen Schädigungen und schizophrenen Psychosen – bei etwa einem Drittel der eingeschlossenen Studien Verbesserungen der kognitiven Leistungen [15]. Die Autoren folgern, dass keine Aussage über die generelle Wirksamkeit der Methoden gemacht werden kann, zumal die beschriebenen Trainingsmethoden hinsichtlich ihrer Inhalte, des zeitlichen Ablaufs und der Ergebnisparameter sehr heterogen sind. Darüber hinaus weisen manche Arbeiten methodische Mängel auf. Aufgrund der hohen Variabilität hinsichtlich Art und Dauer der Trainingsformen lässt sich zudem keine Aussage darüber machen, welche Methode am erfolgreichsten ist.

Wirksamkeitsnachweise unter Verwendung bestimmter Methoden und Techniken

Zwei weitere Übersichtsarbeiten von 2001 und 2003 klassifizierten die bis dato veröffentlichten Studien aus theoretischer Sicht hinsichtlich der angewendeten Methoden und Techniken und evaluierten ihre Wirksamkeit ausschließlich bei Patienten mit AD. De Vreese und Kollegen [12] recherchierten Veröffentlichungen von 1995 bis 2000 zu gedächtnisbezogenen Interventionen bei AD. Die Autoren schlussfolgern, dass alternative und innovative Wege der Gedächtnisrehabilitation für Patienten mit AD in der Tat klinisch effektiv oder praktisch nützlich sein können. Nach Einschätzung der Autoren haben sie das Potenzial, Leistungsgewinne mittel- bis langfristig aufrecht zu erhalten. Als Kritikpunkt ist anzumerken, dass die herangezogenen experimentellen Studien nicht explizit aufgeführt werden, so dass Studiendesigns, Behandlungs- und Kontrollbedingungen, Zielvariablen sowie Ergebnisse wage bleiben, was die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse schwierig macht.

Grandmaison und Kollegen [17] kategorisierten 17 Studien anhand der verwendeten Methoden und Techniken und bewerten diese hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zur Behandlung der AD. Alle eingeschlossenen Studien zeigten unmittelbare Verbesserungen der kognitiven Leistungen in den entsprechenden Verfahren. Die Autoren schließen daraus, dass es grundsätzlich möglich ist, das Gedächtnis bei Patienten mit AD erfolgreich zu stimulieren. Dabei scheinen die Methoden „errorless learning“, „spaced retrieval“ und „vanishing cues“ zusammen mit dem „dyadic approch“ mit absteigender Wirksamkeit am vielversprechendsten zu sein.

Ebenfalls einen Überblick über bewährte Methoden und Techniken, die sich bei der Gedächtnisrehabilitation bei AD als wirksam erwiesen haben, zeigen Werheid und Thöne-Otto [39]. Sie schlussfolgern, dass Gedächtnistherapie bei leicht- bis mittelgradiger AD erfolgreich sein kann, wenn sie individuell zugeschnitten ist und sich auf vorhandene kognitive Ressourcen der Patienten stützt.

Acevedo und Löwenstein geben schließlich einen Einblick in bewährte Einzelstrategien nichtpharmakologischer kognitiver Interventionen im Alter und bei Demenz und zeigen anhand einiger ausgewählter Studien die Wirksamkeit multimodaler kognitiver Rehabilitationsparadigmen für AD-Patienten [1]. Sie kommen zu dem Schluss, dass weitere randomisierte kontrollierte Studien nötig sind, die die Wirksamkeit hinsichtlich Verbesserungen des allgemeinen kognitiven und funktionellen Status nachweisen. Darüber hinaus fordern sie erstmals eine Berücksichtigung ethnischer und sprachlicher Grundlagen von Betroffenen.

Kompensatorische vs. restaurative Strategien

In einer systematischen Übersichtsarbeit sichteten Sitzer und Kollegen Effektstärken für insgesamt 17 kontrollierte Studien hinsichtlich der Wirksamkeit von kognitivem Training bei AD [29]. Zur Klassifizierung der eingeschlossenen Studien legten die Autoren eine Unterteilung in kompensatorische und restaurative kognitive Strategien zu Grunde. Kompensatorische Strategien zielen auf die Vermittlung neuer Wege, die die Gedächtnisleistung sozusagen um die kognitiven Defizite herum verbessern sollen wie z. B. die Neuorganisation von Informationen durch Kategorisieren oder Visualisieren. Restaurative Strategien wie beispielsweise die „Spaced-retrieval-Technik“ hingegen sollen die Funktionsfähigkeit in spezifischen Bereichen mit dem Ziel verbessern, in diesen Bereichen das prämorbide Funktionsniveau wieder herzustellen.

Grundsätzlich stellen die Autoren fest, dass an AD erkrankte Menschen von einem kognitiven Training profitieren können. Wenngleich für alle untersuchten Studien eine geringe Effektstärke ermittelt werden konnte, zeigen sich bei Studien mit einer Wartegruppe als Kontrollbedingungen stärkere, jedoch statistisch nicht signifikante Effekte als bei solchen, bei denen der Faktor Aufmerksamkeit/Zuwendung kontrolliert wurde. Programme mit allgemeiner kognitiver Stimulierung zeigten sich denen mit gezieltem Training spezifischer Hirnleistungsfunktionen überlegen, wobei auch dies statistisch nicht signifikant war. Darüber hinaus ergaben sich Hinweise darauf, dass der Einsatz kompensatorischer Techniken weniger effektiv hinsichtlich kognitiver und allgemein funktioneller Fähigkeiten war als restaurative Strategien. Darauf deuteten bereits auch die Ergebnisse von De Vreese und Kollegen [12]. Höhere, jedoch nicht signifikante Effektstärken fanden sich auch für Untersuchungen mit individuellen Trainingsbedingungen im Vergleich zu Gruppenangeboten. Unklar bleibt dabei, ob die Einzelbedingung tatsächlich besser auf die individuellen Bedürfnisse der Probanden zugeschnitten ist oder ob besondere Aufmerksamkeit und Zuwendung im Einzelsetting für den beobachteten Effekt verantwortlich sind.

Die Wirksamkeit von kognitivem Training auf verschiedene Leistungsbereiche zeigte ein hohes Maß an Variabilität bei den untersuchten Studien. Der größte allgemeine Effekt konnte im Bereich der Alltagsfähigkeiten ermittelt werden. Ein insgesamt mittlerer Effekt wurde für die kognitive Leistungsfähigkeit ermittelt. Geringere Effekte fanden sich bei der Selbstbeurteilung, was möglicherweise auf die eingeschränkte Wahrnehmung der eigenen Defizite von Alzheimer-Patienten zurückzuführen ist.

Insgesamt stellen die Autoren fest, dass nur wenig veröffentlichte, gut kontrollierte Studien für ihre Analyse zur Verfügung standen. Es konnte jedoch nachgewiesen werden, dass kognitives Training bei der Behandlung der AD eine Wirksamkeit mit hauptsächlich mittleren Effektstärken zeigt. Dabei konnten positive Effekte im Bereich Lernen, Gedächtnis, exekutive Funktionen, Aktivitäten des täglichen Lebens, allgemeiner kognitiver Schwierigkeiten, depressiver Störungen und selbst eingeschätzten Funktionsniveaus ermittelt werden.

Aktuelle Interventionsstudien zu kognitionsbezogenen Interventionen

Der Schwerpunkt früherer Studien lag auf dem Nachweis von Effekten auf spezifische Gedächtnisleistungen unter Anwendung bewährter Methoden und Strategien mit zumeist kleinen Stichproben. Jüngste Studien fassten ihren Blickwinkel weiter, indem sie kognitiv stimulierende Programme bei größeren Stichproben einsetzten und deren Wirksamkeit auf den allgemeinen kognitiven und funktionellen Status sowie auf nichtkognitive Effekte wie z. B. Stimmung, Verhalten, Lebensqualität hin überprüften. Im Folgenden werden Studien aufgeführt, die entweder aufgrund ihres Erscheinungsdatums in die Auswertung der oben genannten Übersichtsarbeiten nicht eingeschlossen wurden oder die aufgrund ihrer Bedeutung im Rahmen kognitionsbezogener Interventionen bei AD explizit besprochen werden. Wie bei den Untersuchungen zur Zielgruppe LKS wurden die Studien hinsichtlich der Kriterien Studiendesign, Behandlungs- vs. Kontrollbedingung, Dauer der Intervention, Zielgruppe, Effekte auf allgemeine kognitive und nichtkognitive Funktionen sowie Zeitstabilität der Effekte untersucht. Eine Übersicht findet sich in Tab. 2.

Tab. 2 Aktuelle Studien zu kognitiven Interventionsmaßnahmen bei Alzheimer-Demenz

Wirksamkeitsnachweis von kognitiver Stimulierung

Spector und Kollegen testeten die Hypothese, dass ein eigens entwickeltes kognitives Stimulationsprogramm Kognition und selbst eingeschätzte Lebensqualität von AD-Patienten aus verschiedenen Pflegeheimen und Tagespflegen verbessern kann [32]. Teilnehmer der Kontrollbedingung gingen für die Dauer des Gruppentrainings ihren gewohnten Aktivitäten nach, was bei Pflegeheimen in der Regel Nichtstun, bei Tagespflegen Spielen, Musizieren, Singen, Basteln und Gruppenaktivierung beinhaltete. Nach Ablauf der Intervention zeigten sich signifikante Verbesserungen der Behandlungsgruppe hinsichtlich des allgemeinen kognitiven Status gemessen mit MMST und ADAS-cog sowie bei der selbst eingeschätzten Lebensqualität.

Die Ergebnisse hinsichtlich der ADAS-cog lassen sich nach Angabe der Autoren [32] auf Basis der Analyse zur Anzahl notwendiger Behandlungen („number needed to treat“, NNT) mit denen von Medikamentenstudien mit ChEIs (Donepezil, Rivastigmin, Galantamin) vergleichen. Es zeigt sich, dass das kognitive Stimulierungsprogramm hinsichtlich geringer Verbesserungen oder keiner Verschlechterung weniger effektiv ist (NNT 8) als Rivastigmin (NNT 4), Donepezil (NNT 5) oder Galantamin (NNT 5). Bei deutlicher Verbesserung (4 oder mehr Punkte in der ADAS-cog) war das Training (NNT 6) Galantamin ebenbürtig (NNT 6) und erfolgreicher als Rivastigmin (NNT 13) und die geringere Dosis Donepezil 5 mg (NNT 10). Lediglich die höhere Dosis Donepezil 10 mg erforderte eine geringere Anzahl zu behandelnder Personen (NNT 4). Bemerkenswert dabei ist, dass die Effekte nach einem nur 7 Wochen andauernden kognitiven Stimulierungsprogramm nachweisbar waren, im Gegensatz zu 24-, 26- oder 30-wöchigen Medikamentenstudien. Follow-up-Daten zur Untersuchung der Zeitstabilität ermittelter Effekte wurden nicht erhoben.

Eine nachfolgende Studie von Woods und Kollegen konnte weiter zeigen, dass durch die Teilnahme an der Interventionsmaßnahme eine Verbesserung der Lebensqualität erzielt werden konnte, die wiederum auf Verbesserungen kognitiver Funktionen infolge der Intervention zurückzuführen waren [42]. Obwohl die Einschätzung der Lebensqualität unabhängig vom kognitiven Funktionsniveau zu sein scheint, können Interventionsmaßnahmen, die auf eine Verbesserung der kognitiven Funktionen zielen, einen direkten Effekt auf die Lebensqualität haben. In einer weiteren Untersuchung wurde das kognitive Stimulierungsprogramm einer Kosten-Nutzen-Analyse hinsichtlich Verbesserungen beim MMST (primäre Zielvariable) und Lebensqualität (sekundäre Zielvariable) unterzogen [18]. Dabei ergab sich eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich das angewandte kognitive Stimulierungsprogramm kosteneffektiver hinsichtlich der erzielten Verbesserungen darstellte als die gewöhnlichen Aktivitäten.

Einen direkten Vergleich zwischen einem einjährigen stimulierenden Training und dem ChEI Donepezil (jeweils allein, in Kombination sowie ohne jegliche Behandlung) hinsichtlich der Wirksamkeit auf kognitive und affektive Effekte unternahmen Requena und Kollegen [25]. Die Ergebnisse zeigen, dass sich sowohl Teilnehmer unter kombinierter Behandlung (Gruppe I), als auch Probanden, die ausschließlich kognitive Stimulierung erhielten (Gruppe III), im MMST, in der ADAS-cog, in der GDS (Geriatric Depression Scale) sowie in der FAST(Functional Assessment staging of Alzheimer’s Diesease) signifikant innerhalb eines Jahrs verbesserten. Bei Patienten, die nur die medikamentöse Therapie erhielten (Gruppe II), konnte die affektive Symptomatik verbessert, jedoch kein Einfluss auf kognitive Prozesse erreicht werden. Die Follow-up-Untersuchung nach einem weiteren Jahr ermittelte, dass sich die Teilnehmer der Gruppe I und III nach Ablauf von 2 Jahren unter gleichen Interventionsbedingungen stetig in Richtung des kognitiven Ausgangsniveaus zu Beginn der Studie verschlechterten [26]. Teilnehmer unter alleiniger Gabe von Donepezil (Gruppe II) sowie Teilnehmer ohne Behandlung (Gruppe IV) verschlechterten sich stetig im gleichen Zeitraum bei MMST, ADAS-cog und FAST. Diese Ergebnisse führen zu der Schlussfolgerung, dass der kognitive Abbau bei AD durch eine Behandlung langfristig nicht aufgehalten werden kann. Der Abbau bei Menschen, die gar keine Behandlung erhalten, ist jedoch besonders deutlich.

Auch Bottino und Kollegen konnten anhand einer Studie zeigen, dass eine kombinierte antidementive Behandlung (ChEIs) mit kognitivem Rehabilitationstraining sowie Unterstützung der Angehörigen den kognitiven und funktionellen Status bei Patienten mit leichtgradiger AD – im Vergleich zu einer nur mit ChEIs behandelten Kontrollgruppe – stabilisieren oder auch verbessern kann [7]. Darüber hinaus ermittelten sie Hinweise auf eine Reduktion psychiatrischer Symptome bei Angehörigen. Follow-up-Daten wurden nicht erhoben.

Allgemeine vs. spezifische kognitive Stimulierung

Die Wirksamkeit von zwei unterschiedlichen Gruppenprogrammen für Patienten mit leicht- bis mittelgradiger AD untersuchten Farina und Kollegen [14]. Dabei wurde „Freizeitgestaltung“ im Sinne einer globalen Stimulierung mit einem spezifischen kognitiven Programm verglichen. Teilnehmer des globalen Stimulierungsprogramms zeigten eine signifikante Reduktion von Verhaltensauffälligkeiten, bessere Leistungen bei Alltagsfunktionen sowie eine Verbesserung der verbalen Flüssigkeit. Patienten, die das spezifische Training erhielten, verbesserten sich signifikant nur hinsichtlich der selbstbeurteilten alltäglichen Kompetenz. Follow-up-Daten ermittelten für den Zeitraum von 6 Monaten für Teilnehmer des globalen Stimulierungsprogramms hinsichtlich der Verhaltensauffälligkeiten eine signifikante Verbesserung der Belastung der Angehörigen. Nach Ansicht der Autoren unterstützen die Ergebnisse die Behauptung, dass eine allgemein stimulierende Behandlung zu signifikanten Verbesserungen in sowohl verhaltensbezogener als auch funktioneller Hinsicht bei Patienten mit AD führen kann. Zu einer vergleichbaren Feststellung waren auch schon Sitzer und Kollegen in ihrer Übersichtsarbeit gekommen [29].

Zusammenfassung und Ausblick

Bei gesunden älteren Menschen konnte die Wirksamkeit von kognitiven Trainingsprogrammen wiederholt nachgewiesen werden. Bei Patienten mit LKS nach den Petersen-Kriterien, die eine Risikogruppe für die Entwicklung einer AD im Verlauf darstellen, lassen sich erste Hinweise auf Evidenz ermitteln. Hier sind nachfolgende Studien nötig, die den Nachweis zeitstabiler Effekte mit dem Ziel, eine Konversion in eine AD zu verhindern bzw. hinauszuzögern, erbringen.

Für Menschen mit leicht- bis mittelgradiger AD konnte die Wirksamkeit kognitionsbezogener Maßnahmen hinsichtlich unmittelbarer Effekte auf kognitive und nichtkognitive Bereiche nachgewiesen werden. Es konnten erste Wirksamkeitsnachweise auf allgemeine Funktionen wie z. B. kognitives Funktionsniveau, Alltagsfähigkeiten, Verhaltensauffälligkeiten sowie Lebensqualität erbracht werden. Es ist jedoch noch unklar, welche Faktoren in welchem Ausmaß dafür maßgeblich sind. Auch hier sind nachfolgende Studien mit geeigneten Trainingsprogrammen mit großen Stichproben nötig, die Evidenz hinsichtlich einer Verbesserung bzw. Stabilisierung des globalen Funktionsniveaus und damit eine Verzögerung der Progredienz der AD zeigen.

Sinnvoll und nachgewiesenermaßen effektiv bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen ist eine allgemein stimulierende, alltagsrelevante kognitive Intervention. Dies umfasst die Kombination unterschiedlicher Bausteine (z. B. alltagsrelevante Übungen zu verschiedenen Hirnleistungsbereichen, vertiefende Übungen für zu Hause) unter Anwendung bewährter Methoden und Techniken (z. B. „errorless learning“), um auf verschiedenen Ebenen (Kognition, Emotionalität, soziale Teilhabe) unter Einbeziehung verschiedener Modalitäten (sprachlich, visuell, akustisch, sensorisch) zu intervenieren. Es zeigt sich, dass kognitionsbezogene Maßnahmen eine effektive Intervention bei AD darstellen können, die in ihrer Wirksamkeit möglicherweise mit der einer antidementiven Behandlung zu vergleichen sind. Neuere Studien deuten darauf hin, dass sich in einer kombinierten Behandlung mit einem Antidementivum (ChEIs) beide Behandlungsstrategien ergänzen.

Grundsätzlich ist anzumerken, dass ein Vergleich der Studien aufgrund der Unterschiedlichkeit der Trainingsprogramme hinsichtlich Inhalten, Methoden, Zielgruppe, Dauer und Frequenz sowie bezüglich der verwendeten Zielvariablen nur eingeschränkt möglich ist. Nachdem die meisten kontrollierten Studien ein Wartelistendesign verwenden, wird der Faktor Aufmerksamkeit/Zuwendung durch den Trainer nicht berücksichtigt und kontrolliert. Von daher bleibt unklar, inwieweit ermittelte Trainingsgewinne tatsächlich auf die Trainingsbedingung zurückgeführt werden können.

Weiter stellt das Fehlen detaillierter Beschreibungen von Trainingsprogrammen und Kontrollbedingungen sowie definierter Trainingsziele und -bereiche eine Schwäche der meisten bisher veröffentlichten Studien dar. Bei einer komplexen, dem Krankheitsbild der AD gerecht werdenden Intervention, ist eine genaue Beschreibung dessen unabdingbar, was (Trainingsbereiche), mit wem (Zielgruppe), unter welchen Bedingungen (Einzel-/Gruppentraining), mit welchen Methoden (z. B. „errorless learning“), wie häufig und wie lang (Dauer, Frequenz), mit welchem Ziel (Verbesserung bzw. Stabilisierung in allgemeinen/spezifischen Bereichen) und welchen Ergebnissen (statistische Auswertung, Interpretation) durchgeführt und evaluiert wird. Ähnliches gilt für die Beschreibung und Begründung theoretischer Grundlagen.

Ein weiterer Kritikpunkt an bisherigen Untersuchungen zu kognitivem Training bei AD ist der fehlende Nachweis zeitstabiler Effekte. Gemeint sind damit Effekte, die über das eigentliche Training aufrechterhalten werden, das globale Funktionsniveau stabilisieren und eine Verschlechterung und damit Hilfs- und Pflegebedürftigkeit hinauszögern können. Aussagen über Veränderungen des globalen Funktionsniveaus mit Schweregradeinteilung gehören bisher nicht zur standardisierten Evaluation kognitiver Interventionsmaßnahmen.

Die angewandten Interventionsmaßnahmen stellen sich sehr heterogen dar, so dass sich die zielgerichtete Interpretation der Erfolgsparameter schwierig gestaltet. Darüber hinaus ist eine Aussage über die generelle Wirksamkeit der Methoden schwierig, da beispielsweise bei der Anwendung ein und derselben Methode Dauer und Intensität sowie die gewählten Messmethoden stark variieren können.

Perspektive für zukünftige Studien

Obwohl die Evidenz von kognitionsbezogenen Interventionsmaßnahmen bei AD anhand verschiedener Untersuchungen nachgewiesen wurde, bleibt unklar, welche Art der Intervention z. B. individuelles, computergestütztes Training oder kognitive Stimulierung als Gruppenangebot die besten Ergebnisse erzielt. Es sind weitere Studien notwendig, die verschiedene kognitive Trainingsprogramme methodisch einwandfrei hinsichtlich ihrer Wirksamkeit mit entsprechend großen Fallzahlen und homogenen Prüfstichproben evaluieren. Dabei sind gut beschriebene theoretische Grundlagen und eine detaillierte Beschreibung von sowohl Trainingsbereichen und -zielen als auch nachvollzieh- und im Idealfall reproduzierbaren Trainingsmanualen gefragt.

In den meisten Studien kommt ein einziges Trainingsprogramm für Patienten mit unterschiedlichem Schweregrad zur Anwendung, was z. B. bei der Zielgruppenbeschreibung leicht- bis mittelgradige AD eine Bandbreite im allgemeinen kognitiven Status z. B. mittels MMST je nach Definition von bis zu 12 Punkten (von insgesamt 30 Punkten) ausmachen kann. Entsprechend der verschiedenen Schweregrade der AD, eingeschlossen dem Prodromalstadium LKS, sollten zukünftige Trainingsprogramme stadienspezifisch konzipiert und durchgeführt werden. Je fortgeschrittener die Erkrankung ist, desto stärker sollten allgemein kognitiv stimulierende Maßnahmen sowie die Bewältigung alltäglicher Fähigkeiten im Fokus stehen und desto weniger sollten beeinträchtigte kognitive Funktionen direkt trainiert werden.

Im Training sollte die Konfrontation mit den eigenen kognitiven Defiziten vermieden werden. Die Interventionsmaßnahme orientiert sich vielmehr an den Ressourcen der Teilnehmer und bietet die Möglichkeit, neue alltagsrelevante Gedächtnisstrategien zu erlernen und anzuwenden und noch weitgehend unbeeinträchtigte Leistungsbereiche zu (re-)aktivieren. Ein stadiengerechtes kognitives Trainingsprogramm stellt hohe Anforderungen an die therapeutischen Kompetenzen und verlangt die Anwendung der aktuellen Erkenntnisse über Inhalte, Strategien und Techniken und nicht zuletzt eine klientenzentrierte Methodik.