Die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine schwere und oft chronische Störung bei einem Teil der Menschen, die extrem belastenden bzw. traumatisierenden Ereignissen ausgesetzt waren. Die meisten epidemiologischen Befunde zur PTBS stammen aus den USA, wo unter Benutzung von DSM-III-R- oder DSM-IV-Kriterien in mehreren Studien Lebenszeitprävalenzen von 5–10% berichtet wurden [1, 2].

In Deutschland gab es bislang nur epidemiologische Studien mit repräsentativen Stichproben von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, die eine Lebenszeitprävalenz von 1,3% bei 14- bis 24-jährigen Frauen und Männern [3] und 3,2% bei 18- bis 45-jährigen Frauen [4] fanden. Jüngst hat eine Studie an 18- bis 64-Jährigen eine Lebenszeitprävalenz von 1,4% sowie eine 12-Monats-Prävalenz von 0,7% berichtet [5].

Relativ niedrige Lebenszeitprävalenzraten in Höhe von 1,4% fand die „European Study of the Epidemiology of Mental Disorders (ESEMeD)“ [6], die verschiedene Länder (u. a. Deutschland, Spanien, Frankreich, Belgien) abdeckt. Aus einigen weiteren Ländern (Mexiko, Australien, Portugal) liegen repräsentative Bevölkerungsdaten vor, deren Prävalenzschätzungen ebenfalls alle geringer sind als die der US-Studien. In Mexiko fand man bei 18- bis 65-Jährigen eine PTBS-Lebenszeitprävalenz von 1,4% [7] und in Australien bei der gleichen Altersgruppe eine 12-Monats-Prävalenz von 1,3% [8]. Dagegen wurden in Portugal bei 18- bis 99-Jährigen eine Punktprävalenz von 5,3% sowie eine Lebenszeitprävalenz von 7,9% gefunden, die hauptsächlich mit der hohen Anzahl von älteren Probanden, die in den Kolonialkriegen der 1960er und 1970er Jahre beteiligt waren, erklärt wurden [9].

Für die Erklärung der Prävalenzunterschiede zwischen verschiedenen Ländern kann man neben Naturkatastrophen auch den Einfluss von Kriegsgeschehen und der allgemeinen Gewalthäufigkeit in der Gesellschaft heranziehen [10]. In Deutschland sind die Teilnehmer und Überlebenden des 2. Weltkriegs in der älteren Bevölkerung stark vertreten. Es ist von daher zu erwarten, dass bei den über 60-Jährigen in Deutschland sowohl hohe Raten kriegsbedingter Traumatisierungen als auch erhöhte PTBS-Prävalenzraten vorhanden sind. Epidemiologische Studien in der Allgemeinbevölkerung, die insbesondere die über 60-Jährigen mitberücksichtigen, liegen bisher jedoch noch nicht vor.

Um eine größtmögliche Abdeckung der Altersspanne (u. a. in Hinblick auf die Kriegserlebnisse der Älteren) zu gewährleisten, wurden für die vorliegende Studie eine repräsentative Stichprobe von 14- bis 95-Jährigen genutzt. Dabei musste allerdings die Beschränkung in Kauf genommen werden, nur die Ein-Monats-PTBS-Prävalenz zu erfassen, da die Repräsentativstudie nur einen begrenzten Umfang der erhobenen Datenmenge erlaubte. Die Ziele der Studie waren, zuverlässige Angaben über die Prävalenz von traumatischen Ereignissen und posttraumatischen Belastungsstörungen zu erhalten sowie bedingte Wahrscheinlichkeiten für die PTBS-Entstehung in Folge spezifischer Traumatatypen zu untersuchen. Insbesondere interessierten uns hierbei auch Altersgruppenunterschiede und inwiefern traumatische Erfahrungen im 2. Weltkrieg noch einen entsprechenden Stellenwert bei den berichteten Traumata hatten.

Methoden

Stichprobe

Die Untersuchung wurde im Sommer 2005 mit Hilfe eines Umfrageinstituts (USUMA, Berlin) mittels Befragung durch geschulte Mitarbeiter durchgeführt. Das Stichprobenverfahren basierte auf der „Random-route-mit-Startadressen-Methode“, bei der computergestützt zufällig Haushalte generiert werden, deren Telefonnummern als Ausgangsdaten genutzt wurden. Insgesamt wurden zu 258 Rekrutierungspunkten in ganz Deutschland Adressen generiert (alte Bundesländer: 210, neue Bundesländer: 48), um eine möglichst große regionale Repräsentanz zu erreichen.

Innerhalb des zufällig ausgesuchten Haushalts wurde die Zielperson nach der „Last-birthday-Methode“ bestimmt. Die Datenerhebung erfolgte durch Vorlage von Fragebögen im Beisein der Umfrageinstitutsmitarbeiter. Zur Herstellung des Erstkontakts mit einem Haushalt und der Zielperson wurden jeweils bis zu 6 Anrufe getätigt. Die ethischen Leitlinien des Internationalen Kodex für die Praxis von Sozial- und Marktforschung der Europäischen Gesellschaft für Meinungs- und Marketingforschung wurden eingehalten.

Entsprechend diesem Verfahren wurden 4118 Privatpersonen aus allen Bundesländern für die Studie ausgewählt. 1018 (25,7%) der angefragten Personen waren nicht zu erreichen. 428 (10,4%) lehnten die Teilnahme am Interview ab; über die Zusage oder Absage der Teilnahme wurde von den Angefragten entschieden, ohne dass sie bereits die Thematik der Befragung kannten. 81 Personen (1,9%), die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen, wurden von der Auswertung ausgeschlossen. 42 Personen (1,0%) wurden wegen unvollständiger Interviews ausgeschlossen. Die untersuchte Stichprobe entspricht trotz der 39,1%-Gesamtausfallrate bzw. der Ausschöpfungsrate von 60,9% den demoskopischen Verteilungsmerkmalen der deutschen Wohnbevölkerung [11]. Deshalb gehen die Daten ungewichtet in die Analysen ein.

Die Stichprobe für diese Untersuchung bestand aus 2426 deutschen Personen, deren Alter von 14–93 Jahren reichte (Tab. 1). Es nahmen 53,9% Frauen und 46,1% Männer teil. Die Teilnehmer waren im Mittel 49,6 Jahre alt (SD=17,9). Für spezifische Analysen wurden die Teilnehmer in die 3 Altersgruppen unterteilt:

  • 14- bis 29-Jährige („junge Erwachsene“),

  • 30- bis 59-Jährige („mittelalte Erwachsene“) und

  • 60- bis 95-Jährige („Ältere“).

 

Tab. 1 Soziodemographische Merkmale (n=2426)

Instrumente

Die Auswahl der Befragungsinstrumente wurde nach Maßgabe ihrer Validität und Kürze zusammengestellt bzw. aufgrund eigener Vorarbeiten modifiziert.

Liste mit traumatischen Ereignissen

Entsprechend einer frühen Version der Traumaliste des PTSD-Moduls (vgl. [12]) des Münchener Composite International Diagnostic Interviews (M-CIDI [13]) wurden 8 potenziell traumatisierende Ereignisse vorgegeben (z. B. „Sie waren Opfer: einer Vergewaltigung“; „...: einer Naturkatastrophe“; „Sie wurden ernsthaft körperlich bedroht [z. B. mit einer Waffe], angegriffen, verletzt oder gequält“; „Sie haben bei einem Kriegseinsatz schreckliche Erfahrungen gemacht“) sowie eine offene Frage über „ein anderes schreckliches Ereignis oder eine Katastrophe“. Zusätzlich wurden nach 3 weiteren Ereignissen gefragt („Sie wurden ausgebombt“; „Sie wurden heimatvertrieben“; „Bei ihnen wurde eine lebensbedrohliche Krankheit diagnostiziert“), zu denen die Teilnehmer Angaben machen konnten. Darauf folgten Fragen nach dem DSM-IV-A2-Kriterium (intensive Furcht, Entsetzen und Hilflosigkeit).

Auf diese Angaben folgte die Nachfrage nach dem am meisten belastenden Ereignis (falls mehrere Ereignisse angegeben wurden). Wenn die Teilnehmer mehrere Ereignisse angegeben hatten, bezogen sich die nachfolgende Frage sowie die Symptomerfassung auf dieses am meisten belastende Ereignis.

Modifizierte PTSD-Symptomskala

Die DSM-IV-Symptomkriterien wurden im Format der Posttraumatic Symptom Scale (PSS [14]) erfragt. Die Antworten bezogen sich auf das Vorkommen im letzten Monat mit einer 4-stufigen Antwortskala von 0 („überhaupt nicht“), 1 („einmal pro Woche oder seltener“), 2 („2- bis 4-mal pro Woche/die Hälfte der Zeit“) bis 3 („mehrfach pro Woche/fast immer“). Einige der PTSD-Symptomkriterien, die nach Breslau et al. [15] eine geringe diagnostische Prädiktion (Sensibilität, Sensitivität) zeigen, wurden aufgrund des Screeningcharakters der Studie weggelassen (Kriterien B3, B4, C2, C3, D2–D4). Das F-Kriterium (allgemeines DSM-IV-Beeinträchtigungskriterium hinsichtlich der vor dem Trauma üblichen Lebensführung) wurde beibehalten.

Die PSS zeigte in amerikanischen [14] und deutschen Studien [16] sehr befriedigende Reliabilitäts- und Validitätswerte. Die verkürzte Itemauswahl nach Breslau et al. [15], die sich nach einer Receiver Operating Characteristic Analysis als effektivste Itemauswahl ergeben hatte, definierte positive PTBS-Fälle im Vergleich zur vollständigen Symptomkriterienliste mit einer Sensitivität von 80%, einer Spezifität von 97%, einem positiven prädiktiven Wert von 71% und einem negativen prädiktiven Wert von 98% [15].

Diagnose – Vollbild und partielle PTBS

Das PTBS-Vollbild wurde in Übereinstimmung mit den DSM-IV-Kriterien bestimmt, indem der Algorithmus der modifizierten PTSD-Symptomskala nach Breslau angewendet wurde (Vorliegen des A1- und A2-Kriteriums, B-Kriterien mindestens 4 von 7 Symptomen nach Breslau mit Skalenwerten ≥2 sowie F-Kriterium).

Da sich in epidemiologischen und in klinischen Studien die Miterfassung der partiellen (subsyndromalen) Störungsbilder eingebürgert hat [17] und die DSM-IV-Kriterien eine engere Definition als die weitergefasste ICD-10-Beschreibung der PTBS beinhalten [18], wurden in der vorliegenden Surveystudie auch die weiter gefassten Kriterien für partielle PTBS erhoben. Insbesondere wurde in der letzten Zeit das klinische Beeinträchtigungskriterium untersucht, da dessen Status für die aus PTBS stammenden psychischen Belastungen noch unklar ist [19].

Zwei partielle PTBS-Syndrome wurden spezifiziert:

  • Partielle PTBS I: Hier liegen aus den Symptomgruppen B bis D mindestens 2 Symptome vor, zugleich muss aber das F-Kriterium (Beeinträchtigungskriterium im DSM-IV) erfüllt sein (vgl. [17]).

  • Partielle PTBS II: Wie bei der partiellen PTBS I liegen mindestens 2 Symptome vor, allerdings ist das F-Kriterium (Beeinträchtigungskriterium im DSM-IV) nicht angegeben worden (vgl. [19]).

Ergebnisse

Häufigkeit traumatischer Ereignisse

Achtundzwanzig Prozent (n=314) der Frauen und 20,9% (n=274) der Männer berichteten mindestens ein traumatisches Ereignis (Geschlechtsunterschied χ2=0,08; n.s.). Bezogen auf die Altersgruppen waren es 9,9% (n=38) der jungen Erwachsenen, 13,3% (n=164) der mittelalten Erwachsenen sowie 47,4% (n=386) der über 60-Jährigen, die mindestens ein traumatisches Ereignis berichteten (χ2=360,36; p<0,001).

Im Einzelnen ergab sich folgende Verteilung von Mehrfachtraumatisierungen: 12% aller Untersuchten (n=292) gaben nur ein Trauma an, 5,6% (n=135) berichteten 2 Traumata, 2,9% (n=71) gaben 3 Traumata an, 2,0% (n=49) berichteten 4 Traumata und 1,7% (n=49) gaben 5 oder mehr Traumata an. Zwischen den Geschlechtern unterscheiden sich die Häufigkeiten der Mehrfachtraumatisierungen nicht (χ2=0,33, n.s.).

Für die Auswertung der traumatischen Ereignisse wurden 2 Kategorien gebildet: kriegsbezogene und zivile Traumen (Tab. 2). Von den kriegsbezogenen Traumen waren in der Gruppe der Älteren die direkten Kriegserlebnisse mit 23,7% am häufigsten, gefolgt vom Ausgebombtsein im Krieg (20,6%) und traumatischen Ereignissen im Zusammenhang der Heimatvertreibung (17,9%).

Tab. 2 Lebenszeitprävalenzen traumatischer Ereignisse im Geschlechts- und im Altersgruppenvergleicha

Die zivilen Traumen waren ebenfalls in der Gruppe der Älteren am häufigsten (dort gaben 15,7% an, Zeuge eines Traumas gewesen zu sein, gefolgt von 8,5% mit erlebter körperlicher Gewalt). In der Gruppe der Mittelalten bzw. der Jüngeren waren ebenfalls die Traumazeugenschaft (5,1% bzw. 3,7%) sowie schwere Unfälle (4,5% bzw. 2,6%) am häufigsten.

Für 4 Ereignisgruppen liegen Geschlechtsunterschiede vor:

  • bei Vergewaltigung und Kindesmissbrauch mit signifikant höheren Häufigkeiten für Frauen sowie

  • für schwere Unfälle und körperliche Gewalt mit signifikant höheren Häufigkeiten für Männer.

Einmonatsprävalenzraten der PTBS

Insgesamt liegt das Vollbild der PTBS bei 2,3% der Befragten vor, wobei 2,5% der Frauen und 2,1% der Männer betroffen sind (Tab. 3). Im Altersgruppenvergleich ergibt sich ein signifikanter Anstieg über die Altersgruppen mit 1,3% bei den Jungen, 1,9% bei den Mittelalten und 3,4% bei den Älteren. Daraus ergibt sich ein 2,6fach höheres relatives Risiko (OR=2,7, 95%CI: 1,03–7,01) für die über 60-Jährigen gegenüber den jüngeren Erwachsenen, ein Vollbild einer PTBS zu haben.

Tab. 3 Einmonatsprävalenz der PTBS und partieller PTBS-Syndrome im Geschlechts- und Altersgruppenvergleich

Die partielle PTBS I, bei der nur einige Symptome der DSM-IV-Symptomgruppen B, C und D vorhanden sind und das Beeinträchtigungskriterium F erfüllt ist, liegt hinsichtlich der Einmonatsprävalenzrate bei 0,7% der Befragten vor. Die partielle PTBS I weist ebenfalls einen signifikanten Altersanstieg auf (Tab. 3) mit einem nicht signifikanten 1,9fach höheren relativen Risiko (OR=1,9, 95%CI: 0,40–8,92) der Älteren gegenüber den Jüngeren.

Die partielle PTBS II (einige Symptome ohne subjektives Beeinträchtigungskriterium) weist eine Einmonatsprävalenzrate von 2,0% auf. Wiederum existiert kein Geschlechtsunterschied, aber ein signifikanter Altersanstieg. Das relative Risiko für ein partielles PTBS-Syndrom liegt für die Älteren um 3,6fach (OR=3,0, 95%CI: 1,15–7,74) höher als für die Jüngeren.

Für die Summe aller 3 PTBS-Syndrome zeigt Tab. 3 die Ergebnisse. Aufgrund der höheren Fallzahlen wurden für diese zusammengefassten Prävalenzen die Zusammenhänge mit den weiteren soziodemographischen Variablen (Partnerschaft, Bildung, Erwerbstätigkeit, Wohnsitz) berechnet, die aber alle nicht signifikant waren.

Bedingte Wahrscheinlichkeiten einer aktuellen PTBS

Die gemittelte bedingte Wahrscheinlichkeit, eine aktuelle PTBS bei einem im Lebenszeitraum vorliegenden traumatischen Erlebnis auszubilden, war 12,0% für das Vollbild und zusätzliche 12,8% für die partiellen PTBS-Syndrome. Als traumatische Lebenserfahrungen mit der größten Wahrscheinlichkeit einer PTBS-Entwicklung erwiesen sich – in absteigender Reihenfolge – Vergewaltigungen, Kindesmissbrauch und lebensbedrohliche Erkrankungen (PTBS-Vollbilder: 37,5%, 35,3% bzw. 23,4%; Tab. 4). Die kriegsbedingten Traumata zeigten insgesamt geringere bedingte Wahrscheinlichkeiten für eine PTBS zum Untersuchungszeitpunkt (unter 8%).

Tab. 4 Bedingte Prävalenzen nach Traumagruppen bezogen auf PTBS-Vollbild und partielle PTBS

Die zusammengefassten partiellen PTBS-Wahrscheinlichkeiten waren dagegen teilweise bei anderen Traumakategorien höher. Nach der Traumakategorie „schwere Unfälle“ mit 24,36%, waren es die „lebensbedrohlichen Erkrankungen“ mit 19,15% und die körperliche Gewalt mit 15,79%, die vergleichsweise häufig mit einer aktuellen partiellen PTBS in Verbindung stehen.

Diskussion

In dieser Studie wurde erstmals eine große repräsentative Bevölkerungsstichprobe in Deutschland anhand gut validierter Screeninginstrumente auf das Vorliegen der posttraumatischen Belastungsstörung nach DSM-IV sowie partieller Störungsbilder untersucht. Der Altersbereich war umfassender als in vergleichbaren internationalen Studien und reichte bis über das 90. Lebensjahr.

Hauptergebnisse sind zunächst die niedrigeren Traumaereignis- und PTBS-Prävalenzraten im Vergleich zu den viel zitierten älteren US-amerikanischen Studien von Kessler et al. [1] und Breslau [2]. Ein Viertel der Befragten berichtete traumatische Lebensereignisse und 2,3% eine aktuelle Einmonatsprävalenz des Vollbilds der PTBS. Dazu kommen noch 2,7% partielle PTBS-Syndrome.

In Bezug auf die geringeren berichteten Häufigkeiten von traumatischen Ereignissen ist auf die etwas ältere Form der eingesetzten Traumaliste hinzuweisen. Sie hat in den vergangenen 15 Jahren verschiedene Überarbeitungen hinsichtlich Erweiterungen gefunden [20] und scheint in dieser älteren Form einen relativ großen Bereich derjenigen traumatischen Erfahrungen, der im Zusammenhang mit Traumatisierungen durch schreckliche Ereignisse bei nahestehenden anderen Personen steht, nicht abzudecken und ist daher relativ restriktiv hinsichtlich der Definition von Traumata. Auch in den USA wurde erst im Verlauf verschiedener Untersuchungen in diesem Zeitraum auf die Einbeziehung dieser Kategorie hingewiesen [21], die in neueren Studien teilweise den größten Anteil an der Anzahl traumatischer Ereignistypen hat. Eine diesbezügliche Bestätigung der restriktiven Definition traumatischer Ereignisse findet sich auch durch die relativ hohen bedingten Wahrscheinlichkeiten für eine volle PTBS-Störungen bei der gegenwärtigen Untersuchung. Diese Restriktion hinsichtlich der Definition von psychischen Traumata ist jedoch im Weiteren zu beachten.

Die vergleichsweise niedrige Prävalenz des PTBS-Vollbildes lassen sich durch mehrere Gründe erklären:

  1. 1.

    fanden viele der vorliegenden Studien (z. B. in verschiedenen europäischen Staaten, Australien und Mexiko) ebenfalls niedrigere Prävalenzraten als die aus den USA berichteten [6, 7, 8, 9];

  2. 2.

    wurden hier nur Einmonatsprävalenzraten geschätzt und nicht wie bei Kessler, Breslau und Kollegen Lebenszeitprävalenzraten. Lebenszeitprävalenzraten sind naturgemäß höher als Punktprävalenzraten, da sie auch die ausgeheilten Fälle umfassen.

Ein weiteres Hauptergebnis ist der fortschreitende Anstieg von PTBS und partieller PTBS über die Altersgruppen. Dabei fanden sich bei den über 60-Jährigen gegenüber den jüngeren Altersgruppen 2- bis 3fach erhöhte Prävalenzraten für PTBS. Dieser Befund ist unseres Wissens neu in der internationalen Literatur, da bisher von erhöhten Inzidenzraten vor allem während der Zeit der Adoleszenz und dem jüngeren Erwachsenenalter ausgegangen wurde [21]. Die relativ hohen Raten bei Älteren können mit den Kriegserfahrungen des 2. Weltkriegs der deutschen Bevölkerung in Zusammenhang gebracht werden [22, 23, 24, 25, 26]. Diese Kriegserfahrungen müssen nicht in direktem Zusammenhang mit aktuellen PTBS-Symptomen stehen, können aber das Risiko für das Auftreten einer neuen Symptomatik nach einem weiteren Trauma erhöhen. Verschiedene Studien haben auf den Risikofaktor der multiplen Traumatisierungen für neue Symptommanifestationen hingewiesen (z. B. [12]). Andererseits können die durch diese Kriegserfahrungen hervorgerufenen PTSD-Symptome auch durch spätere Traumatisierungen aufrechterhalten werden [20]. Die Annahme der Einwirkung von Kriegshandlungen wird indirekt auch gestützt durch die repräsentative Studie in Portugal, deren vergleichsweise höheren PTBS-Prävalenzen durch die Kolonial- und Bürgerkriege des Landes in den 1960er und 1970er Jahren begründet wurden [9]. In einer eigenen Studie in der Schweiz [27] fanden sich dagegen bei Älteren (65–95 Jahre) nur bei 0,7% das PTBS-Vollbild und bei 4,2% ein subsyndromales PTBS, was ebenfalls für die – in diesem Fall fehlende direkte – Kriegseinwirkung auf die PTBS-Prävalenzen spricht. Diese Ergebnisse könnten darauf hinweisen, dass das direkte Erleben von Kriegsereignissen in Form von Kriegshandlungen, Verlust des Zuhauses durch Bombardierung, Vertreibung und Gefangenschaft selbst nach mehr als 60 Jahren einen negativen Effekt auf das psychische Wohlbefinden hat. Hingegen sind Menschen, die kurz nach dem Krieg geboren wurden, das heißt durch die Kriegsauswirkungen durchaus ebenfalls noch belastet waren, deutlich weniger dem Risiko ausgesetzt, an einer PTBS zu erkranken.

Die Studie untersuchte neben dem PTBS-Vollbild nach der DSM-IV-Definition auch zwei partielle PTBS-Syndrome, wie sie in der Literatur diskutiert werden [17, 19]. Generell waren die partiellen PTBS-Prävalenzen ein bis eineinhalb Mal so hoch wie die des PTBS-Vollbildes. Dies spricht dafür, dass in klinischen und epidemiologischen Studien die partiellen PTBS-Bilder wie bisher berücksichtigt werden sollten, da es durch die Absenkung der diagnostischen Schwelle nicht zu einer exzessiven Zunahme der Prävalenzschätzungen kommt. Schützwohl und Maercker [17] haben ebenso wie Stein et al. [28] gezeigt, dass die Personen mit partieller PTBS ebenso wie Personen mit dem PTBS-Vollbild sowohl erhöhte psychopathologische Belastungswerte als auch Alltagseinschränkungen haben. Dem trägt die klinische Praxis in Europa auch Rechnung, indem sie die Diagnosekriterien des ICD-10 regulär einsetzt, die liberaler sind als die des DSM-IV [18].

Eine weitere Interpretation der Ergebnisse sollte vor dem Hintergrund der Stärken und Schwächen der vorliegenden Studie erfolgen. Stärken bestehen in der erstmaligen Untersuchung einer Bevölkerungsstichprobe einschließlich Älterer in Deutschland. Eine Schwäche der Studie hinsichtlich der restriktiven Definition traumatischer Ereignisse wurde bereits angesprochen. Ein Schwachpunkt der Studiendurchführung, der auch hinsichtlich der Häufigkeit von Traumataberichten relevant ist, bezieht sich auf die Methodik der zum Teil in Fragebogenform vorgelegten Fragen durch nichtmedizinische/-psychologische Interviewer eines Umfrageinstituts. Damit verbunden könnte eine unsichere Compliance der Befragten in Bezug auf Auskünfte über ihre psychischen Probleme vorliegen. Daher könnten die vorliegenden Daten zu einer weiteren Unterschätzung führen, die sich z. B. zusätzlich bei den berichteten traumatischen Erfahrungen auswirkt. Die meisten der hier diskutierten anderen Repräsentativstudien sind zwar ebenfalls durch Interviews mit geschulten Laien erhoben worden, verwendeten aber standardisierte klinische Interviews zur Erfassung der PTBS-Problematik. Des Weiteren ist bei Untersuchungen dieser Art immer eine Erinnerungsverzerrung bzw. eine Gedächtnisproblematik in Betracht zu ziehen, wenn weit zurückliegende Ereignisse erfasst werden sollen. Dem kann jedoch bei der vorliegenden Untersuchung hinsichtlich der Folgen der Ereignisse entgegengestellt werden, dass die Schätzungen der PTBS-Symptomatik für Punktprävalenzraten relativ hoch sind und sich nur auf die aktuelle Symptomatik beziehen. Die ausschließliche Erhebung und Schätzung von Punktprävalenzraten der Störungen kann allerdings auch als eine Schwäche der Studie diskutiert werden, da die meisten Untersuchungen Angaben zu Lebenszeitprävalenzraten beinhalten und die Vergleichbarkeit somit eingeschränkt ist. Hier muss auf die eingangs beschriebene Beschränkung der Untersuchungsplanung hingewiesen werden, in der es nur möglich war, einen vergleichsweise geringen Datenumfang in einer gesamtdeutschen, durch ein Umfrageinstitut vorgenommenen Studie zu erfragen.

Trotz dieser Restriktionen zeigt die Studie aber, dass in den USA erhobene Repräsentativdaten zur PTBS wie die aus der National Comorbidity Survey [1] nur mit Vorbehalt zur Grundlage von Prävalenzschätzungen in Deutschland herangezogen werden können.

Fazit für die Praxis

Die von uns gefundenen Traumatisierungs- und die PTBS-Raten sind erfreulicherweise etwas geringer als in den USA. Die relativ hohen Raten bei Personen im höheren Lebensalter, für die wir insbesondere kriegsbedingte Faktoren annehmen, sind ein wichtiges Ergebnis, das nur in einer Bevölkerungsstichprobe wie der vorliegenden oder aus einem anderen Land mit ganz direkten Kriegseinwirkungen beobachtet werden kann. Der Altersgipfel der PTBS in Deutschland hat wichtige psychiatrisch-psychotherapeutische Konsequenzen, so dass bei der Diagnostik und Differenzialdiagnostik älterer Menschen die posttraumatische Belastungsstörung in Erwägung gezogen werden sollte. Psychotherapeutische und pharmakotherapeutische Möglichkeiten sollten geprüft werden, wobei hier altersadaptierte Verfahren bzw. Dosierungen eingesetzt werden sollten. Für Patienten aller Lebensalter gilt darüber hinaus, dass traumatisierende Lebensereignisse zu einer PTBS führen können, wobei die Folgen sexualisierter Gewalt (Kindesmissbrauch, Vergewaltigung) die vergleichsweise höchste Pathogenität besitzen.