Impulsives Verhalten wird in der operationalisierten Diagnostik nach DSM-IV [1] und ICD-10 [2] als diagnostisches Kriterium für viele psychische Erkrankungen und Persönlichkeitsstörungen erwähnt. Gleichwohl fehlen bis in die jüngere Zeit Untersuchungen, die sich mit der Erfassung und der Bedeutung dieser Verhaltensdimension für die jeweiligen Störungsbilder beschäftigen. Bisherige Studien zu diesem Thema zeigen, dass weder eine ausreichende Einheitlichkeit hinsichtlich der Definition, des theoretischen Hintergrundes noch der Art und Weise der Erfassung durch Messinstrumente existieren [3]. Das Fehlen dieser Grundlagen könnte z. T. auch die divergierenden Ergebnisse der Forschung hinsichtlich der biologischen Grundlagen von impulsivem Verhalten, z. B. in genetischen Assoziationsstudien oder bei der Suche nach biologischen Markern, erklären [4].

Dennoch hat impulsives Verhalten eine große Bedeutung bei der Diagnostik von psychischen Erkrankungen. Die Verhaltensbeurteilung und Prognosestellung von Störungsbildern, die impulsives Verhalten als wichtiges Kriterium beinhalten, haben damit auch Einfluss auf die Untersuchung der möglichen Ursache von damit im Zusammenhang stehenden enthemmten, sozial problematischen und devianten Verhaltensweisen. Darüber hinaus ist dieses Verhalten in seiner pathologischen Ausprägung für den schweren Verlauf einer Reihe von psychischen Erkrankungen, etwa der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS), der Alkoholabhängigkeit und von Persönlichkeitsstörungen mit verantwortlich [5, 6, 7, 8].

Unterschiedliche Definitionen der Impulsivität wurden in der Vergangenheit vorgeschlagen. So beschreiben beispielsweise Eysenck u. Eysenck [9] Impulsivität als Kombination aus Risikoverhalten, geringer Vorausplanung und Lebendigkeit während Costa u. McCrae [10] in dem von ihnen entwickelten Persönlichkeitsinventar (NEO-PI-R) die „mangelnde Kontrolle von Handlungsimpulsen“, verbunden mit einer „Unfähigkeit zur Frustrationstoleranz“ hervorheben. In Forschungsarbeiten der letzten 5 Jahre (z. B. [3]) wird als wichtige Eigenschaft der Impulsivität ein Verhalten beschrieben, das ohne ausreichende Reflexion unternommen wird und das ein Individuum mit geringerer Voraussicht handeln lässt, als dies Personen mit gleichen Möglichkeiten oder Kenntnissen tun würden. Andere Einteilungen führen zur Charakterisierung impulsiven Verhaltens mindestens drei verschiedene Dimensionen an [11]. Im Einzelnen sind dies:

  • Handeln aus dem Moment heraus (motorische Aktivierung),

  • keine Planung oder Nachdenken (Mangel an Planung) und

  • mangelnde Konzentration auf die gerade zu lösende Aufgabe (Aufmerksamkeit).

Damit in Beziehung stehende Dimensionen der Impulsivität, etwa die Geschwindigkeit der kognitiven und motorischen Abläufe und das Antwortverhalten gegenüber Belohnungsreizen, wurden von einer weiteren Arbeitsgruppe als entscheidende Domäne der Impulsivität postuliert und untersucht [12].

Ausgehend von diesen Arbeiten umfasst Impulsivität unterschiedliche Domänen der Kognition, Emotionalität und des Verhaltens, deren Beziehung zueinander nicht vollständig geklärt und deren Validität noch nicht ausreichend belegt ist [6, 8]. Darüber hinaus wurden aufgrund der Heterogenität und Komplexität impulsiven Verhaltens, das sowohl kognitive und emotionale als auch Verhaltensaspekte umfasst, ganz unterschiedliche Methoden zu dessen Erfassung vorgeschlagen. Dazu zählen verhaltenspsychologische Labormessungen mit Bestrafungs- oder Extinktionsparadigmen und Wahl-Belohnungs- und Antwort-Enthemmungs-Aufmerksamkeits-Paradigmen [3]. Ein weiterer Ansatz ist die Verwendung von Selbst- oder Fremdbeurteilungsinstrumenten, die häufig in Form von Tests und Fragebögen eingesetzt werden. Dafür fehlen jedoch im deutschsprachigen Raum ausreichend psychometrische evaluierte Fragebogeninstrumente zur Erfassung dieses Konstruktes. Verwandte Eigenschaften, wie etwa Ärgerausdruck, der durch den STAXI (State-Trait-Ärgerausdrucks-Inventar) [13, 14] erfragt wird, sowie Aggressivität (erfasst durch den Aggression Questionnaire) [15, 16], wurden in den vergangenen Jahren bereits psychometrisch untersucht und publiziert. Die seit mehr als 4 Dekaden in verschiedenen Versionen verwendete Barratt-Impulsiveness-Skala (BIS, [17]) ist hingegen zur Selbsterfassung impulsiven Verhaltens konzipiert. Ursprünglich war das Ziel der Entwicklung dieses Fragebogens, impulsive Eigenschaften zu erfassen, die sich von Ängstlichkeit unterscheiden und Teil einer Persönlichkeitsdimension von Enthemmung, Extraversion und, Eysencks Persönlichkeitskonzepten folgend, Psychotizismus darstellen [9, 11]. Die von Zuckerman [18] entwickelte Sensation-Seeking-Skala, die eine Unterskala zur Verhaltensenthemmung beinhaltet, zeigte signifikante Korrelationen mit früheren Versionen der BIS [11].

Um eine dimensionale Erfassung impulsiven Verhaltens über verschiedene Disziplinen hinweg möglich zu machen, wurde der theoretische Hintergrund von Impulsivität für die BIS möglichst weit gefasst [11, 19].

Eine aktuelle Version der BIS (BIS 11), die 30 Fragen zu Selbstbeurteilung mit einem Mehrfachwahlantwortmuster (1: selten oder nie; 2: gelegentlich; 3: oft; 4 fast immer) beinhaltet, wurde ursprünglich für den amerikanischen Sprachraum an 412 Studenten, 248 stationär behandelten psychiatrischen Patienten mit unterschiedlichen Diagnosen und 73 Gefängnisinsassen psychometrisch untersucht [11]. Dabei wurden insgesamt 6 erstrangige Faktoren („Aufmerksamkeit“, „Motorische Impulsivität“, „Selbstkontrolle“, „Kognitive Komplexität“, „Beharrlichkeit“ und „Kognitive Instabilität“) identifiziert, die nachfolgend in 3 zweitrangige Faktoren („Aufmerksamkeitsenthemmung“, „Motorische Impulsivität“ und „Nichtplanende Impulsivität“) zusammengefasst wurden.

Nachfolgend wurde die italienische Übersetzung der BIS11 psychometrisch evaluiert [19] und konnte die von der amerikanischen Version gefundene Struktur mit erst- und zweitrangigen Faktoren an einer Stichprobe von 763 Studenten weitgehend bestätigen.

Die Skala kam in der Vergangenheit bei zahlreichen Untersuchungen zu impulsivem Verhalten zum Einsatz [20, 21]. Im deutschsprachigen Raum wurde die Skala sowohl bei psychiatrischen Patienten als auch bei gesunden Kontrollpersonen eingesetzt [22, 23], ohne dass bisher eine ausreichende psychometrische Evaluation dieses Fragebogeninstrumentes vorgenommen worden wäre.

FormalPara Fragestellung

Ziel dieser Untersuchung ist es, eine deutsche Übersetzung der BIS11 an einer größeren Stichprobe gesunder Probanden und psychiatrischer Patienten unterschiedlicher Diagnosen hinsichtlich ihrer psychometrischen Eigenschaften zu charakterisieren. Dabei werden neben der Überprüfung der Faktorenstruktur, die von der amerikanischen und italienischen Version berichtet wurde, auch die interne Konsistenz, die diskriminante und externe Validität des Fragebogens durch den Vergleich von Stichproben gesunder Probanden und psychiatrischer Patienten sowie durch eine Korrelation mit etablierten Fragebogeninstrumenten überprüft.

Methoden

Patienten und Kontrollen

Die Barratt-Impulsiveness-Skala, Version 11, wurde von zwei unabhängigen Personen (davon eine Person mit Englisch als Muttersprache) übersetzt und rückübersetzt. Der Fragebogen kam bei einer Gruppe von Kontrollen zum Einsatz, die 810 gesunde Personen (369 Männer, 441 Frauen, Durchschnittsalter: 47,28 Jahre, SD=14,9) umfasste. Die Probanden wurden auf der Basis des Melderegisters des Einwohnermeldeamtes München repräsentativ aus der städtischen Bevölkerung rekrutiert (weitere Stichprobencharakteristika: Tab. 1 und Tab. 3).

Tab. 1 Stichprobeneigenschaften

An stationär psychiatrisch behandelten Patienten wurde eine Gruppe von 57 Personen (22 Männer, 35 Frauen) unterschiedlicher Diagnosen mit mindestens einem Suizidversuch in der Vorgeschichte untersucht.

Außerdem wurden 114 Alkoholabhängige nach ICD 10 (89 Männer, 25 Frauen, weitere Charakteristika Tab. 1) und 40 weibliche Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (nach DSM IV, Achse II; Durchschnittsalter: 26,14 Jahre; SD=6,96) befragt.

Bei den Abhängigkeitserkrankten kamen zur Bestätigung der klinischen Diagnosestellung ergänzend strukturierte Interviews (SSAGA, Semi-Structured Assessment on the Genetics in Alcoholism, dtsch. Version) [24] und das SKID I und II (Strukturiertes Klinisches Interview für DSM IV) [25] zur Anwendung. Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung wurden unter Verwendung des SKID II sowie des DIB-R (Diagnostisches Interview für das Borderline-Syndrom) [29] untersucht. Zusätzlich erfolgte eine endgültige diagnostische Einordnung durch erfahrene Psychiater (UWP, DR, GK, MS).

Gesunde Kontrollen ebenso wie Patienten erhielten neben dem BIS11 eine Reihe weiterer Fragebogen zur Persönlichkeit sowie verschiedenen Aspekten impulsiven und aggressiven Verhaltens. So wurden den Studienteilnehmern eine deutsche Übersetzung des Buss-Durkee Inventory (BDHI, [26]), das Temperament- und Charakterinventar (TCI) [27] sowie das Neo-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI) [10] vorgelegt. Außerdem wurde die Brown-Goodwin-Life History of Aggression (BGLHA) [28], die deutsche Version des Sensation Seeking Scale (SSS-V) [18, 31] sowie der Aggression Questionnaire [15, 16] erhoben.

Statistische Verfahren

Zunächst wurde die interne Konsistenz des BIS11 für die repräsentative Bevölkerungsstichprobe mittels Cronbachs α bestimmt. Anhand einer konfirmatorischen Faktorenanalyse (AMOS 5.0) wurde die für die US-amerikanische Version vorgeschlagene [11] und für die italienische Version bestätigte Faktorenstruktur des BIS11 [19] getestet. Für diese Analyse wird ausschließlich auf die Daten der repräsentativen Vergleichsstichprobe zurückgegriffen, um einer Verzerrung der Befunde durch stichprobenabhängige korrelative Beziehung entgegenzuwirken. Es wurden die folgenden 6 Faktoren zugrunde gelegt:

  1. 1.

    Aufmerksamkeit („attention“): Items 11, 28, 5, 9 (invertiert) und 20 (invertiert),

  2. 2.

    motorische Impulsivität („motor impulsiveness“): Items 17, 19, 22, 3, 2, 25 und 4,

  3. 3.

    Selbstkontrolle („self control“): Items 12 (invertiert), 1 (invertiert), 8 (invertiert), 7 (invertiert), 13 (invertiert) und 14,

  4. 4.

    kognitive Komplexität („cognitive complexity“): Items 15 (invertiert), 29 (invertiert), 10 (invertiert), 27 und 18,

  5. 5.

    Beharrlichkeit („perseverance“): Items 21, 16, 30 (invertiert) und 23,

  6. 6.

    kognitive Instabilität („cognitive instability“): Items 26, 6 und 24.

Der konfirmatorischen Faktorenanalyse wurde ein unrotiertes Modell zugrunde gelegt, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine inhaltliche Unabhängigkeit der vorgegebenen Faktoren gegeben ist. Als Schätzprozedur wurde eine Maximum-Likelihood-Strategie verwendet.

Zur Überprüfung der Anpassungsgüte der vorgegebenen Faktorenstruktur an die empirischen Daten unserer Studie wurden folgende „Goodness-of-fit-Indizes“ herangezogen, die in der einschlägigen Literatur als Standard gelten [30]:

  • Als Maße der lokalen Anpassungsgüte – Messen die verschiedenen Indikatoren oder Variablen dasselbe Konstrukt? – wurde die jeweilige Indikatorreliabilität (die durch den Faktor erklärte Varianz des Indikators; sollte jeweils über 0,4 liegen) sowie die Faktorreliabilität (Maß über die interne Konsistenz der Indikatoren eines Faktors; sollte jeweils größer als 0,6 sein) genutzt.

  • Gütemaße der globalen Anpassung – wie gut wird das Gesamtmodell durch die Daten repräsentiert? – werden durch χ2MIN (sollte kein signifikantes Ergebnis erbringen), Normed-Fit-Index (NFI; sollte über 0,9 liegen) und Root Mean Square Error of Approximation (RMSEA; sollte unter 0,08 liegen) repräsentiert.

  • Als Sparsamkeitsmaß wird das normierte χ2 (sollte unter 1,5 liegen) verwendet.

Um Unterschiede impulsiven Verhaltens zwischen den verschiedenen Gruppen psychiatrischer Patienten und Kontrollen zu berechnen, wurde eine multiple ANOVA (One-Way ANOVA) verwendet. Signifikante Unterschiede zwischen einzelnen Gruppen wurden unter Verwendung des Scheffé-Post-hoc-Tests überprüft.

Abschließend wurden statistische Zusammenhänge zwischen der/den BIS11-Skalen und anderen Persönlichkeitsskalen aus dem TCI, dem SSS-V, dem NEO-FFI, dem Aggression Questionnaire, der Brown Goodwin Life-History of Aggression (BGLHA) und dem BDHI durch Spearman-Korrelationskoeffizienten berechnet. Ein Niveau von p=0,05 für statistisch signifikante Ergebnisse wurde für alle angewendeten Verfahren festgelegt.

Ethische Standards

Alle Studienteilnehmer unterschrieben bei Studieneinschluss eine Einverständniserklärung nach einem eingehenden Aufklärungsgespräch über Sinn und Zweck der Untersuchung. Die jeweilig beteiligten Studien wurden durch die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität begutachtet und genehmigt.

Ergebnisse

Stichprobe

Stichprobencharakteristika der einzelnen Gruppen psychiatrischer Patienten und der Kontrollpersonen sind in Tab. 1 und Tab. 4 dargestellt. Hinsichtlich der Stichprobe der gesunden Kontrollen lagen von 1000 angeschriebenen Personen der Münchner Bevölkerung für die Auswertung verwendbare, vollständige Datensätze von 810 Personen vor. Die vollständigen und nichtvollständigen Antworter unterschieden sich nicht signifikant bezüglich Alter (T=0,75, p=0,45) oder Geschlechtsverteilung (χ2=0,002, p=0,95).

Während Kontrollpersonen, Alkoholabhängige und Patienten mit Suizidversuchen jeweils durchschnittlich zwischen 35 und 50 Jahre alt waren, war die Gruppe der Borderline-Patientinnen mit 26,14 Jahren signifikant jünger (F=34,39; p<0,001). Bei den Personen mit Suizidversuchen wurden bei einer Person eine Abhängigkeitserkrankung (keine Alkoholabhängigkeit), bei 7 eine schizophrene Psychose und bei 38 Personen eine affektive Störung diagnostiziert.

Die BIS11-Gesamtskala war mit dem Lebensalter der gesamten Stichprobe signifikant und negativ korreliert (r=−0,18; p<0,001).

Konfirmatorische Analyse der Faktorenstruktur

Das Ergebnis der konfirmatorischen Faktorenanalyse der 6-Faktoren-Struktur [11, 19] findet sich in Abb. 1. Tab. 2 zeigt eine Übersicht über die lokalen Fit-Indizes der Indikatoren und Faktoren. Folgende globale Maße der Anpassungsgüte wurden ermittelt: χ2MIN[df=390]=1792,29 (p<0,001), NFI=0,61; RMSEA=0,07, normiertes χ2= 4,60.

Abb. 1
figure 1

Faktorenlösung nach Patton et al. [11] – unrotierte Lösung für Kontrollen (n=810). † Indikatorreliabilität. †† standardisierte Regressionsgewichte. * Invertierte Fragen

Tab. 2 Modell-Fit des rotierten 6-Faktoren-Modells. (Nach Patton et al. [11])

Insgesamt konnte mit diesem Verfahren die durch die beiden Vorpublikationen berichtete Faktorenstruktur nur unzureichend statistisch repliziert werden.

Interne Konsistenz (Summenskala)

Die interne Konsistenz (Cronbachs α) war für die BIS11-Gesamtskala für die repräsentative Bevölkerungsstichprobe ausreichend (α=0,69). Durch Selektion des Items 11 (hin- und herrutschen) ließe sich die interne Konsistenz der Gesamtskala auf α=0,74 erhöhen. Die Konsistenzmaße für die untersuchten Untergruppen im Vergleich zu den früheren Evaluationen [11, 19] zeigt Tab. 4.

Korrelationen zwischen den verschiedenen Instrumenten

In Tab. 3 werden außerdem die Zusammenhänge zwischen der BIS11-Gesamtskala und den Skalenwerten der anderen verwendeten Fragebogeninstrumente dargestellt. Über alle Gruppen hinweg zeigte sich ein ähnliches Muster an Zusammenhängen zwischen Impulsivität und aggressivem wie auch reizbarem Verhalten. Unterschiede ergaben sich zwischen den Gruppen bei Beziehungen von Impulsivität und den Skalen des Temperament und Charakterinventars (TCI) sowie des NEO-Fünf-Faktoren-Inventars (NEO-FFI).

Tab. 3 Korrelationen des BIS11-Summenskala mit verschiedenen Persönlichkeitsdimensionen

Die Zusammenhänge zwischen Impulsivität und selbst- wie auch fremderfasster Aggression sind dabei in allen Gruppen moderat und signifikant. Sie erklären aber nie mehr als maximal 25% der gegenseitigen Varianz. Reizbarkeit und Impulsivität sind ebenfalls signifikant miteinander korreliert, weniger signifikante Beziehungen ergaben sich für die Skala „Angriff“ des Buss-Durkee Hostility Inventars (BDHI), die impulshafte Aggressivität abbildet.

Temperaments- und Charakterskalen des TCI (Temperament- und Charakterinventar) wurden für die Gruppe der Borderline-Patientinnen nicht erhoben. Bei den anderen 3 Untergruppen zeigten sich durchgehend signifikante Zusammenhänge der BIS11-Skala mit „Schadensvermeidung“ (harm avoidance), „Beharrlichkeit“ (persistence) und der Charaktereigenschaft „Selbstlenkungsfähigkeit“ (self-directedness). Die Gruppe der suizidalen Personen wies im Vergleich zu den anderen Gruppen in der Skala „Neugierigkeit“ (novelty seeking) keine Zusammenhänge mit der BIS11-Skala auf. Ebenfalls zeigten sich differenzielle Effekte für die Skalen „Selbsttranszendenz“ und „Kooperativität“. Kein Zusammenhang in allen Gruppen fand sich für die „Belohnungsabhängigkeit“.

Alle Unterskalen des NEO-FFI zeigten signifikante Beziehungen mit impulsivem Verhalten nur in der Gruppe der suizidalen Patienten. Die anderen beiden Gruppen der Alkoholabhängigen und Kontrollen wiesen im Vergleich dazu ein gleichartiges Muster mit Zusammenhängen zwischen Impulsivität mit „Neurotizismus“, „Verträglichkeit“ und „Offenheit“ auf.

Bei der wesentlich kleineren Gruppe der Borderline-Patientinnen zeigte sich hingegen keine Korrelation mit „Neurotizismus“, sondern signifikante Zusammenhänge mit den Unterskalen „Offenheit“, „Verträglichkeit“ und „Gewissenhaftigkeit“, wobei die inversen Zusammenhänge mit dieser letzten NEO-FFI-Subskala am meisten ausgeprägt waren.

Etwas überraschend sind die niedrigen Korrelationen mit „Extraversion“ in den Gruppen der Kontrollen und Alkoholabhängigen sowie die signifikant negative Korrelation bei der Gruppe der suizidalen Patienten.

Bei den Unterkategorien der Sensation-Seeking-Skala war über alle Untersuchungsgruppen, bei denen das Instrument erhoben wurde, die BIS-Summenskala signifikant mit „Enthemmung“ (disinhibition) signifikant und moderat positiv korreliert. Alle anderen Subskalen wiesen uneinheitliche oder schwächere Zusammenhänge auf.

Unterschiede impulsiven Verhaltens

Wie in Abb. 2 als Balkendiagramm dargestellt, ergeben sich signifikante Unterschiede in der Intensität impulsiven Verhaltens zwischen den verschiedenen Patientengruppen und der Kontrolle. Während das niedrigste Ausmaß impulsiven Verhaltens bei den gesunden Kontrollen sich signifikant von allen anderen Gruppen unterschied, war die Impulsivität bei Alkoholabhängigen und Personen mit Suizidversuchen in etwa gleich und hatte in der Gruppe der Borderline-Patientinnen die größte Ausprägung. Damit unterschied sich die Gruppe mit dieser Persönlichkeitsstörung auch signifikant von Alkoholkranken und Patienten mit Suizidalität.

Abb. 2
figure 2

Vergleich von Impulsivität (Summenwert BIS11) bei psychiatrischen Patienten mit Kontrollpersonen

Wie in Tab. 4 dargestellt, sind die durchschnittlichen Werte der BIS11-Summenskala für die Gruppen der gesunden Kontrollen, der Alkoholkranken und der suizidalen Patienten insgesamt deutlich niedriger als sie für die US-amerikanische Stichprobe angegeben wurden (Studenten: M=63,82, SD=10,17; Personen mit Substanzmissbrauch: M=69,26, SD=19,17, psychiatrische Patienten M=71,37, SD=12,61; Gefängnisinsassen M=76,30, SD=11,86). Nur die vergleichsweise kleine Gruppe der Patientinnen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung erreichte vergleichbare Summenwerte. Auch von der Stichprobe italienischer Studenten und Studentinnen wurden im Durchschnitt höhere BIS11-Summenwerte berichtet (M=64,11, SD=10,07). Die durchschnittlichen Summenwerte für die verschiedenen Stichproben dieser Studie und den vorangegangenen Untersuchungen [11, 19] sind in Tab. 4 vergleichend dargestellt.

Tab. 4 Durchschnittliche Ausprägung impulsiven Verhaltens in den Vorstudien und der aktuellen Untersuchung

Diskussion

Wichtigstes Ergebnis der konfirmatorischen Evaluation der Barratt Impulsiveness Scale, Version 11, an mehreren hundert gesunden Probanden ist, dass die ursprünglich von Patton et al. [11] vorgeschlagene Faktorenstruktur mit 6 Unterskalen die Daten dieser Stichprobe nur ungenügend repräsentierte. Bei insgesamt nur 3 der 30 Items des BIS11 wurde die Varianz des Indikators durch den jeweiligen Faktor in genügendem Umfang aufgeklärt. Die Faktorreliabilität konnte nur in den Faktoren „Selbstkontrolle“ und „Motorische Impulsivität“ als angemessen angesehen werden. Maße der globalen Anpassung und Sparsamkeit kennzeichneten das Modell ebenfalls als zur Datenrepräsentation ungeeignet.

Es ergab sich für die Gesamtskala eine ausreichende interne Konsistenz, gemessen mit Cronbachs α, die mit 0,69 (für die repräsentative Bevölkerungsstichprobe) jedoch niedriger als für die italienische (0,79) oder die US-amerikanische Version des Fragebogens (0,82) ausfiel. Es ergaben sich Hinweise dafür, dass durch Ausschluss eines Items (Item 11) eine bessere interne Konsistenz zu erreichen gewesen wäre. Insgesamt sprechen diese Befunde aber für eine ähnliche Bandbreite impulsiven Verhaltens, wie es möglicherweise in verschiedenen westlichen Ländern gemeinsam auftreten könnte.

Allerdings sind bezüglich der Ergebnisse dieser Studie im Vergleich zu den psychometrischen Evaluationen der amerikanischen und italienischen Stichprobe auch einige methodische Unterschiede hervorzuheben. Während in den Untersuchungen von Patton et al. [11] Studenten und Studentinnen, psychiatrische Patienten sowie Gefängnisinsassen und bei Fossati et al. [19] jeweils größere Gruppen von Studenten und Studentinnen (Durchschnittsalter 22,9 Jahre, 64,2% Frauen) mit dem BIS11 befragt wurden, kam die Skala in dieser Studie bei einer Stichprobe der Allgemeinbevölkerung (Durchschnittsalter 47 Jahre, 53,7% Frauen) und Personen mit verschiedenen psychischen Störungen zum Einsatz. Selbst die relativ kleine und deutlich jüngere Gruppe der Borderline-Patientinnen dieser Untersuchung ist mit rund 26 Jahren etwa 3 Jahre älter als die italienische Untersuchungspopulation. Wenn diese Stichproben hinsichtlich ihrer Ergebnisse verglichen werden, ist daher nicht nur von erheblichen altersbedingten Unterschieden impulsiven Verhaltens auszugehen, sondern auch von Unterschieden der sozialen Rahmenbedingungen, die zusammen das Ergebnis möglicherweise signifikant beeinflusst haben könnten. Es ist beispielsweise anzunehmen, dass die meisten Personen mit über 40 Jahren sich sehr wahrscheinlich nicht mehr in einer Lebenssituation und einem soziokulturellen Umfeld befinden, die mit denen von Studierenden in den USA oder Italien vergleichbar sind.

Erwähnenswert ist auch, dass die durchschnittlichen Werte der Summenskala für die Gruppe der gesunden Kontrollen als auch für 2 der 3 Stichproben psychiatrischer Patienten erheblich niedriger waren, als sie für die verschiedenen Untergruppen der US-amerikanischen Stichprobe oder für die italienischen Studenten und Studentinnen berichtet wurden. Neben den Altersunterschieden und sozialen Einflüssen der Stichproben können auch möglicherweise kulturelle Unterschiede entweder im Ausmaß oder in der Wahrnehmung und Bewertung impulsiven Verhaltens, die durch diesen Fragebogen erfasst wurden, angenommen werden.

Das Ausmaß an Impulsivität war in dieser Stichprobe signifikant und negativ mit dem Lebensalter korreliert, was eine Abnahme impulsiven Verhaltens mit höherem Lebensalter reflektiert.

Ein weiterer Faktor, der die Untersuchungsergebnisse beeinflusst haben könnte, sind Veränderungen des Fragebogentextes, die durch die Übersetzung bedingt sind. So haben verschiedene Begriffe im Deutschen, Italienischen und Englischen eine mitunter leicht unterschiedliche Bedeutung und können damit das Beantwortungsmuster der Befragten beeinflusst haben.

Für die Anwendung dieses Fragebogens im deutschsprachigen Raum kann daher empfohlen werden, Impulsivität mit der Summenskala und nicht mit den durch die Vorstudien vorgeschlagenen Unterskalen der BIS11 zu erfassen. Die Summenskala des Fragebogens hat sowohl in der amerikanischen, der italienischen und deutschen Version ähnliche psychometrische Eigenschaften und gewährleistet auch bei internationalen Stichproben damit eine gute Vergleichbarkeit. Sowohl in der US-amerikanischen Stichprobe als auch in dieser Untersuchung konnten signifikante Unterschiede im Ausmaß impulsiven Verhaltens zwischen verschiedenen Stichproben gesunder Kontrollen und Personen mit psychischen Störungen festgestellt werden. Während in die Studie von Patton et al. [11] Studenten und Studentinnen, Personen mit Substanzmittelmissbrauch, stationär psychiatrische Patienten verschiedener Diagnosen sowie Gefängnisinsassen eingeschlossen worden waren, wurden in der vorliegenden Studie neben den gesunden Kontrollen auch Personen mit Abhängigkeitserkrankungen und suizidalem Verhalten sowie Patientinnen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung befragt und verglichen.

Damit eignet sich die BIS11-Summenskala möglicherweise besser als ihre Vorgängerversion (BIS5) [7, 17] zur differenziellen Beurteilung des Ausmaßes impulsiver Störungen bei gesunden Personen und verschiedenen Stichproben von Personen mit psychischen Störungen. Die BIS5-Summenskala konnte die Intensität impulsiven Verhaltens nicht ausreichend zwischen gesunden Kontrollen und den Patientengruppen unterscheiden. Weitere Unterschiede zwischen beiden Versionen beziehen sich, neben der Modifikation der Fragen, auf die Verwendung von Mehrfachantwortwahlmöglichkeiten im BIS11 im Vergleich zu dichotomen Antwortmustern im BIS5. Dies ermöglicht im Vergleich zur Vorgängerversion eine wahrscheinlich differenziertere Erfassung des Konstrukts Impulsivität und erleichtert möglicherweise eine störungsbezogenere Beurteilung dieses Verhaltens bei psychischen Störungen.

Die Konstruktvalidität des Fragebogens wurde anhand einer Reihe von Fragebogeninstrumenten überprüft, die nicht nur aggressives und reizbares Verhalten, sondern auch allgemeine Persönlichkeits-, Temperaments- und Charaktereigenschaften erfassten. Einschränkend ist zu erwähnen, dass bei einigen Gruppen der psychiatrischen Patienten und Patientinnen allerdings der Aggression Questionnaire (Alkoholabhängige, Borderline-Patientinnen), die Sensation-Seeking-Skala und der TCI (Borderline-Patientinnen) nicht erhoben wurden. Dennoch war bei den anderen Gruppen die BIS11-Summenskala moderat aber signifikant mit selbst- und fremderfasster Aggressivität korreliert.

Dies stützt die These, dass impulsives Verhalten, wie es die BIS11 erfasst, nur eine teilweise inhaltliche Überlappung mit Messinstrumenten der Aggressivität und verwandter Konstrukte aufweist. Dieses Ergebnis deutet aber auch darauf hin, dass Impulsivität und Aggressivität zusammenhängende, aber doch getrennte Konstrukte sind. Die BIS11 erfasst im Vergleich zur Vorgeschichte aggressiver Handlungen, wie dies etwa durch den Aggression Questionnaire geschieht, eher impulsives Verhalten als Dimension von Alltagsverhalten, das vielleicht schon entwicklungsgeschichtlich eine Reihe wichtiger Funktionen wie etwa der Verteidigung der eigenen Existenz, der Nahrungssuche oder der Regelung sozialer Dominanz gedient haben mag [7].

Von den Persönlichkeits-, Temperament- und Charaktereigenschaften zeigten sich die konsistentesten und stärksten positiven Zusammenhänge über alle Gruppen bei den Skalen Reizbarkeit, Schadensvermeidung und Neurotizismus. Obwohl, möglicherweise aufgrund der relativ kleinen Fallzahl, bei den Borderline-Patientinnen nicht signifikant, waren die Korrelation zwischen Impulsivität und emotionaler Instabilität, wie sie die NEO-FFI-Skala „Neurotizismus“ erfasst, in etwa gleichem Ausmaß korreliert. Ähnliches gilt für die TCI-Skala „Neugierverhalten“, die bei Kontrollen und Alkoholabhängigen, nicht aber bei den suizidalen Patienten eine Beziehung zur BIS11-Skala aufwies. Gestützt wird die Annahme, dass impulsives Verhalten mit der BIS erfasst werden kann durch die durchgehend signifikanten Zusammenhänge mit der Eigenschaft „Enthemmung“ aus der Sensation-Seeking-Skala, was die Ergebnisse zu Studien mit früheren Versionen dieses Fragebogens bestätigt, die ebenfalls über eine signifikante Korrelation bei der Skalen berichteten [11]. Alle diese Skalen erfassen Eigenschaften, die u.a. mit emotionaler Instabilität oder auch Verhaltensenthemmung zu tun haben und damit erwartungsgemäß mit Impulsivität in Beziehung stehen sollten. Dementsprechend finden sich auch negative Korrelationen mit Eigenschaften, die ein erhöhtes Maß an Verhaltenskontrolle beinhalten, wie Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Beharrlichkeit, Selbstlenkungsfähigkeit und Kooperativität. Besonders ausgeprägt sind die inversen Zusammenhänge mit der NEO-FFI-Skala „Gewissenhaftigkeit“, die den aktiven Prozess von Planung, Organisation und Durchführung von Aufgaben erfasst [10], und damit die Annahme stützten, dass die BIS entgegengerichtete, mit geringer Planung und Überlegung durchgeführte Verhaltenweisen erfasst. Dies würde auch einigen Definitionen impulsiven Verhaltens entsprechen [3].

Etwas überraschend sind die nur bei einer Gruppe signifikanten Korrelationsmaße mit „Extraversion“. Hohe Punktewerte dieser Skala werden mit Selbstsicherheit, Aktivität, Gesprächigkeit, Energie und heiterem Optimismus in Verbindung gebracht [10]. Für die Gruppe der Kontrollen können für den fehlenden Zusammenhang möglicherweise besondere stichprobenspezifische Eigenschaften angenommen werden, zumal dieses Ergebnis den Resultaten früherer Studien nicht entspricht [7]. Für die Alkoholabhängigen hingegen ist, trotz der Erhebung der Instrumente am Ende ihres stationären Aufenthaltes nach Abschluss der Entzugsbehandlung, ein Einfluss von prolongierten Entzugssyndromen auf das Antwortmuster nicht auszuschließen. Bei der Gruppe der suizidalen Patienten weist die signifikante und inverse Korrelation möglicherweise auf eine depressive und introvertierte Symptomatik hin, die wiederum das Risiko suizidalen Verhaltens steigern könnte.

Dennoch lässt sich insgesamt für die Summenwerte des BIS festhalten, dass sich bei der Validierung dieser Skala mehrheitlich eine ausreichende Differenzierbarkeit zwischen verwandten und nichtverwandten Konstrukten finden lässt.

Natürlich sind die untersuchten Stichproben weiteren Limitationen unterworfen. Zwar ist die Normstichprobe aus über 800 Personen aus der Normalbevölkerung Münchens repräsentativ, dennoch konnten keine vollständigen Daten von nahezu 200 der ursprünglich 1000 angeschriebenen Kontrollen gewonnen werden. Diese Reduktion der Fallzahl schränkt die Repräsentativität möglicherweise ein. Darüber hinaus wurden für die Bewertung der Konstruktvalidität Verfahren gewählt, die zwar mit der Eigenschaft „Impulsivität“ mehr oder weniger verwandt sind, wie etwa Instrumente zur Aggressivität, „sensation seeking“ und „novelty seeking“. Dennoch konnte in den verschiedenen Stichproben nur eine Untergruppe aller relevanten Verfahren eingesetzt werden. Insbesondere die Gruppe der Borderline-Patientinnen konnte nur mit einem Teil der Instrumente untersucht werden. Dies schränkt die Aussagekraft ein, inwieweit die BIS11 auch anderen Konzepten impulsiven Verhaltens, etwa dem von Eysenck [9], entspricht und mit diesem zusammenhängt.

Fazit für die Praxis

Die deutsche Version der Barratt Impulsiveness Scale (BIS11) wurde in dieser Studie psychometrisch für den deutschen Sprachraum charakterisiert. Es konnte anhand der hier untersuchten, größeren Stichprobe gesunder Kontrollen und verschiedener Gruppe von Patienten unterschiedlicher psychiatrischer Diagnosen die ursprünglich von früheren Studien vorgeschlagene 6-Faktoren-Struktur allerdings nicht repliziert werden. Die Summenskala der BIS11 weist jedoch über die verschiedenen Stichproben eine befriedigende interne Konsistenz auf. Das Ausmaß an Impulsivität kann über die Gruppen hinweg gut unterschieden werden. Anhand der Zusammenhänge mit anderen Konstrukten ergibt sich, dass diese Summenskala, die in der Praxis zu Erfassung von Impulsivität verwendet werden kann, als ein ausreichend trennscharfes Instrument zur Erfassung dieser Verhaltensdimension geeignet ist, mit der Mehrheit von verwandten Konstrukten moderat korreliert und sich von anderen Eigenschaften wie Aggressivität und emotionaler Instabilität gut unterscheidet.