Einführung und Darstellung des Lernziels

Die Vielfalt von Tumorerkrankungen des Nervensystems mit sehr unterschiedlichem Spontanverlauf und Ansprechen auf die Therapie erfordert eine präzise neuropathologische Diagnose nach der aktuellen WHO-Klassifikation [9] und den differenzierten Einsatz der Therapieoptionen der Operation, Strahlentherapie und Chemotherapie (Tabelle 1, 2) [3]. Der Erfolg der Behandlung muss nach objektiven Kriterien beurteilt werden, in der Regel vor allem aufgrund serieller Bildgebung (CT, MRT) unter Anwendung der Macdonald-Kriterien (Tabelle 3). Ziel des vorliegenden Beitrags ist die Darstellung der Therapiestrategie bei Diagnose und im Rezidiv für die häufigsten primären Hirntumoren sowie für Hirnmetastasen und Meningeosis neoplastica. Spezifischere Details zur Differenzialdiagnose und zur symptomatischen und tumorspezifischen Therapie in der Neuroonkologie einschließlich seltener, hier nicht abgehandelter Tumoren finden sich in der weiterführenden Literatur [15]. Die hier formulierten Empfehlungen zur Therapie stehen in Einklang mit den Therapieleitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie [4] und der Neuro-Onkologischen Arbeitsgemeinschaft in der Deutschen Krebsgesellschaft (http://www.neuroonkologie.de).

Tabelle 1 Überlebensraten 2 und 5 Jahre nach Diagnose eines primären Hirntumors [2]
Tabelle 2 Indikationen und Zielsetzungen neuroonkologischer Therapie
Tabelle 3 CT- oder MRT-gestützte Ansprechkriterien nach Macdonald et al. [11]

Gliome

Die histologische Klassifizierung der Gliome hat wesentliche prognostische Bedeutung. Die Gliome der WHO-Grade II und III zeigen das Phänomen der malignen Progression, d. h., Rezidive zeigen häufig einen höheren Malignitätsgrad als der Primärtumor. Pilozytische Astrozytome (WHO-Grad I) ändern ihren histologischen Phänotyp im Rezidiv fast nie und werden durch die Operation allein meist geheilt. Wichtigste Prädiktoren einer günstigeren Prognose bei den Gliomen der WHO-Grade II, III und IV sind niedriges Alter und hoher Karnofsky-Index bei Diagnose sowie bei WHO-Grad-II-Tumoren das Fehlen einer Kontrastmittelaufnahme in CT oder MRT.

Bei den Gliomen des WHO-Grads II sind reine Astrozytome, gemischte Oligoastrozytome und reine Oligodendrogliome zu unterscheiden. Die Tumoren werden reseziert oder zur Diagnosesicherung biopsiert. Drei große randomisierte Studien zur Strahlentherapie haben keine Dosis-Wirkungs-Beziehung im Dosisbereich zwischen 45 und 64 Gy und im Vergleich der postoperativen Strahlentherapie mit Zuwarten ohne Therapie einen geringen Vorteil bezüglich des progressionsfreien Überlebens, nicht jedoch bezüglich der Überlebenszeit nachgewiesen [8]. Die Strahlentherapie bei Diagnose wird somit bei klinisch symptomatischen Tumoren empfohlen (54 Gy in 1,8- bis 2-Gy-Fraktionen) und sollte auch bei ungünstigen prognostischen Faktoren wie höherem Alter und Kontrastmittelaufnahme in Betracht gezogen werden. Bei klinisch bis auf zerebralorganische Krampfanfälle asymptomatischen Tumoren hingegen kann insbesondere bei einem Alter <40 Jahre zugewartet werden. Bei oligodendroglialen Tumoren wird zunehmend der Chemotherapie mit Procarbazin, CCNU und Vincristin ( PCV-Schema) oder mit Temozolomid der Vorzug gegenüber der Strahlentherapie als erster über die Operation hinausgehender Therapie gegeben. Bei der Behandlung reiner oligodendroglialer und gemischter oligoastrozytärer Tumoren werden keine Unterschiede gemacht. Das Phänomen zweier morphologisch distinkter Tumorzellpopulationen in den Oligoastrozytomen bleibt unverstanden. Diese Tumoren sind wie auch andere Gliome klonalen Ursprungs, d. h., sowohl die oligodendrogliale als auch die astrozytäre neoplastische Komponente in den Mischgliomen stammt von der gleichen Ursprungszelle ab. Bei den reinen Astrozytomen kommt die Chemotherapie erst bei nach Operation und Strahlentherapie progredienten Tumoren zum Einsatz (Tabelle 4).

Tabelle 4 Optionen für die Primär- und Rezidivtherapie der Gliome

Standardtherapie anaplastischer Astrozytome (WHO-Grad III) sind Operation und Strahlentherapie der erweiterten Tumorregion (54–60 Gy, 1,8- bis 2-Gy-Fraktionen). Die Chemotherapie ist in der Primärtherapie fraglich [5], bei Progression oder Rezidiv nach Strahlentherapie sicher wirksam. Zum Einsatz kommen PCV-Schema, andere Nitrosoharnstoff-haltige Protokolle einschließlich ACNU plus VM26 oder Temozolomid. Anaplastische Oligodendrogliome und Oligoastrozytome (WHO-Grad III) werden postoperativ zunehmend primär mit Chemotherapie behandelt, die Strahlentherapie kommt erst bei Progression oder Rezidiv zum Einsatz. Generell sollten im Rezidiv die Möglichkeiten zur erneuten Operation, zur erneuten Strahlentherapie z. B. mit 4-mal 5 Gy oder zur Chemotherapie geprüft werden (Tabelle 4).

Bei den anaplastischen oligodendroglialen Tumoren ist erstmals in der Neuroonkologie die Definition eines molekulargenetischen Parameters mit prognostischer Bedeutung gelungen. Der Verlust genetischer Information auf den Chromosomen 1p und 19q ist mit Ansprechen auf Strahlen- und Chemotherapie und längerem Überleben assoziiert. Zudem finden sich diese genetischen Veränderungen häufiger bei frontalen, parietalen und okzipitalen Tumoren als bei temporalen und insulären Tumoren. Diese Charakteristika erlauben eine neue, präzisere Subklassifizierung dieser Tumoren [14].

Die Therapie des Glioblastoms entspricht im Wesentlichen der des anaplastischen Astrozytoms. Operation und Strahlentherapie der erweiterten Tumorregion (54–60 Gy, 1,8- bis 2-Gy-Fraktionen) sind Standard in der Primärtherapie, zusätzliche Chemotherapie verlängert das mediane Überleben um 2 Monate [5]. Für die Wirksamkeit der Chemotherapie mit Nitrosoharnstoff-haltigen Protokollen in der Primärtherapie sprechen auch die im internationalen Vergleich hervorragenden Ergebnisse der NOA-01-Studie, die für Glioblastome ein medianes Überleben von 16,5 Monaten ergab [12]. In der NOA-01-Studie (Phase III) waren die Ergebnisse somit auch deutlich besser als die 12 Monate medianen Überlebens in der negativen Studie zur somatischen Suizidgentherapie (Phase II). In dieser Gentherapiestudie waren Tumorzellen lokal retroviral mit der Herpes-simplex-Thymidinkinase transduziert worden. Anschließend wurde systemisch mit Ganciclovir behandelt, das nur in transduzierten Zellen durch die virale Thymidinkinase zu einem zytotoxischen Agens aktiviert wird. Im Rezidiv ergeben sich die gleichen Optionen wie beim anaplastischen Astrozytom, jedoch mit geringeren Ansprechraten und kürzeren Remissionsdauern (Tabelle 4).

Bei der Gliomatosis cerebri handelt es sich um ein kontroverses Krankheitsbild, das durch den histologischen Nachweis eines glialen Tumors und den MR-tomographischen Nachweis einer Beteiligung von mindestens 3 Hirnlappen gekennzeichnet ist [9]. Vermutlich zeigen sowohl die Ganzhirnbestrahlung als auch die PCV-Chemotherapie eine palliative Wirksamkeit [6].

Ependymome

Zu dieser Gruppe von Hirntumoren zählen Ependymome (WHO-Grad II) und anaplastische Ependymome (WHO-Grad III; 79%), myxopapilläre Ependymome (WHO-Grad I; 13%) und Subependymome (WHO-Grad I; 8%). Da Ependymome zu leptomeningealer Metastasierung neigen, müssen bei Diagnosestellung auch Liquoruntersuchung und kraniospinale MRT erfolgen. Bei allen Ependymomen außer dem Subependymom wird eine komplette Exstirpation angestrebt. Die Indikation zur Strahlentherapie richtet sich nach dem Ausmaß der Resektion und dem histologischen Subtyp (Tabelle 5). Die erweiterte Tumorregion wird mit 54 Gy in 1,8- bis 2-Gy-Fraktionen behandelt, die Neuroachse erhält 36 Gy. Radiochirurgie und Chemotherapie sind experimentelle Therapieformen bei Progression oder Rezidiv nach Standardtherapie.

Tabelle 5 Indikationen zur Strahlentherapie bei Ependymomen in Abhängigkeit vom Operationsergebnis

Embryonale Tumoren

Embryonale Tumoren (Medulloepitheliome, Ependymoblastome, differenzierte Medulloblastome, supratentorielle primitive neuroektodermale Tumoren (PNET)) (WHO-Grad IV) treten im Kindes- oder frühen Erwachsenenalter auf. Etwa 30% der Medulloblastome zeigen bereits bei Diagnose Metastasen innerhalb des Zentralnervensystems (ZNS). Bei etwa 25% der Patienten treten im Verlauf Metastasen außerhalb des ZNS auf. Eine makroskopisch vollständige Resektion wird angestrebt. Wichtigster Bestandteil der Therapie ist die Neuroachsenbestrahlung (36 Gy, 1,8-Gy-Fraktionen, 19,8-Gy-Boost). Zusätzlich wird vor allem bei inkompletter Resektion oder Metastasierung innerhalb und außerhalb des ZNS eine zusätzliche Chemotherapie, z. B. mit Vincristin, CCNU und Cisplatin, empfohlen. Die Hochdosischemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation wird evaluiert.

Pinealisparenchymtumoren und Keimzelltumoren

Pinealisparenchymtumoren

Es handelt sich um Tumoren des Kindesalters und jüngeren Erwachsenenalters. Zu den Pinealisparenchymtumoren zählen Pineozytome (WHO-Grad II), Pineoblastome (WHO-Grad IV) und Pinealisparenchymtumoren intermediärer Differenzierung. Zur Basisdiagnostik gehören MRT der Neuroachse und Liquoruntersuchung. Subtotal resezierte Pineozytome sollten überwacht und bei Progression reoperiert oder bestrahlt werden. Alle anderen Pinealisparenchymtumoren sollten postoperativ lokal mit 54 Gy in 1,8- bis 2-Gy-Fraktionen bestrahlt werden. Die Neuroachsenbestrahlung (36 Gy) erfolgt immer bei leptomeningealer Aussaat und bei Pineoblastomen auch prophylaktisch. Bei weiterer Progression nach Strahlentherapie kommen Cisplatin-haltige Chemotherapieprotokolle zum Einsatz.

Keimzelltumoren

Zu den Keimzelltumoren zählen Germinome, embryonale Karzinome, Chorionkarzinome, Teratome und die sich häufig findenden gemischten Keimzelltumoren. Auch bei Keimzelltumoren gehören MRT und Liquorstatus zur Diagnostik, da diese Tumoren zur Metastasierung im Subarachnoidalraum neigen und sogar selten extraneurale Metastasen bilden. Keimzelltumoren sind die einzigen primären Hirntumoren, bei denen Tumormarker eine wichtige Rolle spielen. Bei deutlich erhöhten Spiegeln von α-Fetoprotein oder β-Choriongonadotropin in Serum oder Liquor und passender Bildgebung kann auf die histologische Sicherung der Verdachtsdiagnose Keimzelltumor verzichtet werden. Reine Germinome sollten nur biopsiert werden, da die Strahlentherapie in Form der Neuroachsenbestrahlung (30 Gy plus 15 Gy Boost) sehr wirksam ist und mit kurativer Intention durchgeführt wird (Tabelle 2). Aktuelle Studien untersuchen, ob bei zusätzlicher Chemotherapie die Strahlendosis oder das Zielvolumen der Strahlentherapie reduziert werden kann. Bei den weniger radio- und chemosensiblen Keimzelltumoren erscheint der Versuch der radikaleren Resektion sinnvoll, und es ist eine postoperative Radiochemotherapie indiziert. Die Prognose der reinen Germinome ist günstiger als die der anderen Keimzelltumoren. Lediglich reife Teratome können durch die Operation allein geheilt werden.

Tumoren peripherer Nerven

Neurinome (Schwannome; WHO-Grad I) entwickeln sich an der Übergangszone von zentralem in peripheres Myelin aus neuroektodermalen Schwann-Zellen peripherer, v. a. vestibulärer Nerven. Bilaterale Akustikusneurinome weisen auf eine Neurofibromatose (NF) Typ II hin. Etwa 25% aller spinalen Tumoren sind Neurinome. Patienten mit asymptomatischen oder oligosymptomatischen Akustikusneurinomen, die älter als 65 Jahre sind, werden klinisch und bildgebend kontrolliert. Jüngere Patienten sollten wegen des Risikos klinischer Symptome behandelt werden. Die Komplettresektion ist meist kurativ. Radiochirurgie [10] und fraktionierte stereotaktische Strahlentherapie sind wirksame Behandlungsalternativen, potenziell mit besseren funktionellen Ergebnissen. Ausgedehnte irregulär konfigurierte Tumoren mit Hirnstammkompression müssen weiterhin operiert werden. Chemotherapie spielt keine Rolle. Multiple Neurofibrome sind fast pathognomonisch für die Neurofibromatose (NF) Typ I. Plexiforme Neurofibrome malignisieren in 5% der Fälle. Maligne periphere Nervenscheidentumoren sind zu 50% mit Mutationen des NF1-Gens vergesellschaftet. Weitere 10% treten in Bestrahlungsfeldern auf. Die Behandlung umfasst Resektion und adjuvante Strahlentherapie. Das Fünf-Jahres-Überleben liegt unter 50%.

Meningeome

Meningeome sind zu fast 95% gutartige Tumoren (WHO-Grad I). Zu 5% bzw. 1% finden sich Grad-II- und Grad-III-Tumoren. Auch 25% aller spinalen Tumoren sind Meningeome. Verkalkte, klinisch asymptomatische, kleine Meningeome können vor allem bei älteren Patienten zunächst bildgebend kontrolliert werden. Bei Behandlungsbedarf ist die Operation Therapie der Wahl und oft kurativ. Bei inkomplett resezierten Grad-I-Tumoren verbessert die fraktionierte Strahlentherapie die langfristige lokale Kontrolle (60 Gy, 1,8- bis 2-Gy-Fraktionen). Die Indikation muss individuell unter Berücksichtigung von Alter, Klinik und Lokalisation des Tumors getroffen werden. Meningeome des Sinus cavernosus sollten, die des Keilbeinflügels können primär bestrahlt werden. Die Radiochirurgie wird vor allem für kleine, progrediente, schlecht operable Schädelbasismeningeome eingesetzt. Vermutlich etwa 20% der mit Operation und Strahlentherapie nicht mehr kontrollierbaren Meningeome sprechen auf eine Chemotherapie mit Hydroxyharnstoff an.

Asymptomatische Grad-II-Meningeome können auch nach inkompletter Resektion zunächst beobachtet werden. Bei komplett resezierten WHO-Grad-III-Meningeomen kann ebenfalls zugewartet werden, da die Wirksamkeit der Strahlentherapie schlecht definiert ist. Unvollständig resezierte Tumoren werden postoperativ bestrahlt. Lokalrezidive werden operiert, wenn möglich, oder ggf. erneut, z. B. hypofraktioniert bestrahlt oder radiochirurgisch behandelt. Der Stellenwert der Chemotherapie ist nicht gesichert.

Primäre ZNS-Lymphome

Diese Tumoren stehen aufgrund einer sehr gut entwickelten Studienkultur im Zentrum der Innovation in der Neuroonkologie in Deutschland. Es handelt sich überwiegend um B-Zell-Lymphome. Konsensus besteht darüber, dass über die Sicherung der Diagnose durch stereotaktische Serienbiopsie hinaus keine operativen Maßnahmen indiziert sind und dass die kombinierte Chemoradiotherapie oder die alleinige Chemotherapie der alleinigen Strahlentherapie in Form der Ganzhirnbestrahlung überlegen sind, sofern die Chemotherapie hoch dosiertes Methotrexat enthält. Die Ansprechrate auf Strahlentherapie ist zwar sehr hoch, die Dauer der Remissionen aber oft nur kurz. Die enttäuschenden Ergebnisse der NOA-03-Studie mit alleiniger hoch dosierter intravenöser Methotrexat-Therapie belegen, dass diese Therapie für die Mehrzahl der Patienten keine ausreichende Primärtherapie darstellt [7]. Die Folgestudie, G-PCNSL-SG-1, untersucht den Stellenwert der zusätzlichen Ganzhirnbestrahlung in der Primärtherapie mit dem Ziel, einen Standard für die Therapie der primären ZNS-Lymphome zu entwickeln (http://www.neuroonkologie.de). Andere Strategien verfolgen die Intensivierung der primären Chemotherapie unter Einsatz verschiedener Zytostatika mit systemischer und intrathekaler Applikation [13], z. T. mit Hochdosischemotherapie und autologer Stammzelltransplantation, meist unter Verzicht auf die Ganzhirnbestrahlung als Bestandteil der Primärtherapie.

Hirnmetastasen

Hirnmetastasen sind vermutlich die häufigsten Hirntumoren, denn etwa 20–30% aller Patienten mit systemischen Malignomen entwickeln zerebrale Metastasen. Häufigster Primärtumor ist das Bronchialkarzinom. Bei etwa der Hälfte der Patienten liegen einzelne Hirnmetastasen vor. Singulär bezeichnet eine einzige Metastase im Gehirn, als solitär kennzeichnet man die singuläre Hirnmetastase als einzige Metastase im Körper.

Folgende Kriterien sprechen für die operative Entfernung einer Hirnmetastase: singuläre oder solitäre Metastase, guter Allgemeinzustand, geringe neurologische Defizite, keine oder stabile (>3 Monate) extrakranielle Tumormanifestationen, strahlenresistenter Primärtumor, unbekannter Primärtumor, neuroradiologisch nicht sicher als Metastase einzuordnende Läsion, operativ gut zugängliche Läsion, kein hohes Risiko schwerer neurologischer Defizite durch die Operation. Bei kleinzelligen Bronchialkarzinomen, Lymphomen und Leukämien ist die Operation nicht indiziert. Als konkurrierendes Verfahren zur Resektion steht die Radiochirurgie (Einzeitbestrahlung mit etwa 15–24 Gy) mit dem Gamma knife oder dem Linearbeschleuniger zur Verfügung. Die Radiochirurgie kann mit geringerer Morbidität auch zur Behandlung mehrerer Metastasen eingesetzt werden. Die Strahlensensibilität des Primärtumors spielt hier keine Rolle.

Die externe fraktionierte Strahlentherapie in Form der Ganzhirnbestrahlung in 2- bis 3-Gy-Fraktionen bis zu einer Dosis von 30–40 Gy ist für viele Patienten mit Hirnmetastasen die wichtigste therapeutische Maßnahme. Sie wird oft als Primärtherapie bei multiplen Hirnmetastasen, bei einzelnen Metastasen bei inoperabler Lokalisation oder allgemeiner Inoperabilität (Alternative: Radiochirurgie!), bei progredienten extrazerebralen Tumormanifestationen, bei kleinzelligen Bronchialkarzinomen, Lymphomen und Leukämien sowie adjuvant nach der Resektion einzelner Metastasen eingesetzt. In der adjuvanten Indikation verbessert sie die lokale Tumorkontrolle im Gehirn, nicht jedoch die Überlebenszeit.

Die Chemotherapie spielt in der Behandlung von Hirnmetastasen eine untergeordnete Rolle, u. a. weil viele zerebral metastasierende Tumoren primär chemotherapieresistent sind. Die beste Chemotherapie des Primärtumors ist auch die beste Chemotherapie der Hirnmetastasen. Bei Progression oder Rezidiv kommen in Abhängigkeit von der Primärtherapie und dem Zustand des Patienten die erneute Resektion oder Radiochirurgie, die Ganzhirnbestrahlung (falls noch nicht erfolgt) sowie die Chemotherapie in Betracht.

Das mediane Überleben beträgt 1 Monat ohne Therapie, 3–6 Monate mit Ganzhirnbestrahlung und bis zu 15 Monaten bei Resektion einzelner Metastasen und nachfolgender Ganzhirnbestrahlung.

Meningeosis neoplastica

Bei der Behandlung der Meningeosis neoplastica sollte berücksichtigt werden, ob die Tumorabsiedlung im Subarachnoidalraum eher soliden Manifestationen oder eher nichtadhärenten Zellen bzw. einer dünnen oberflächlichen, den Liquorraum auskleidenden Tumorzellschicht oder einer Kombination dieser Wachstumsmuster entspricht. Zudem ist die Frage gleichzeitig bestehender solider Hirnparenchymmetastasen und systemischer extrazerebraler Metastasen von großer Bedeutung (Tabelle 6). Nichtadhärente Tumorzellen sind eher über die intrathekale Chemotherapie zu erreichen, während solide Läsionen eher bestrahlt oder durch systemische Chemotherapie behandelt werden sollten. Zugelassen für die intrathekale Chemotherapie sind Methotrexat, Cytarabin und Thiotepa. Bei soliden Hirnmetastasen oder Hirnnervenausfällen sollte umgehend die Strahlentherapie erfolgen und nicht erst mit einer intrathekalen Chemotherapie begonnen werden. Das mediane Überleben liegt ohne Behandlung bei 8 Wochen und mit Chemoradiotherapie bei 2–8 Monaten.

Tabelle 6 Empfehlungen für die Behandlung der Meningeosis neoplastica

Fragen zur Zertifizierung

1. Welche Aussage zur Therapie niedriggradiger Gliome ist falsch?

DefinitionList DefinitionListEntry a) Description

Die Strahlentherapie in der Primärtherapie spielt keine Rolle.

DefinitionListEntry b) Description

Niedriges Alter, hoher Karnofsky-Index und fehlende Kontrastmittelaufnahme in CT oder MRT sind günstige prognostische Parameter.

DefinitionListEntry c) Description

Die Strahlentherapie kann zur Kontrolle eines gliomassoziierten zerebralorganischen Anfallsleidens beitragen.

DefinitionListEntry d) Description

Bei operativ nicht zugänglichen Gliomen z.B. des Talamus ist die interstitielle Radiochirurgie (Brachytherapie) eine sinnvolle Therapieoption.

DefinitionListEntry e) Description

Bei nach Operation progredienten niedriggradigen Gliomen mit oligodendroglialer Komponente kann als erste weitere Therapie die Chemotherapie nach dem PCV-Schema zum Einsatz kommen.

2. Welche Aussage zu oligodendroglialen Tumoren ist richtig?

DefinitionList DefinitionListEntry a) Description

Genetische Verluste auf den Chromsomenabschnitten 1p und 19q sagen ein fehlendes Ansprechen auf Strahlentherapie und Chemotherapie voraus.

DefinitionListEntry b) Description

Die Lokalisation der Tumoren innerhalb des Gehirns hat keinen Einfluss auf die Häufigkeit des 1p- und 19q-Verlustes.

DefinitionListEntry c) Description

Versuche zur Komplettresektion sind aufgrund des guten Ansprechens auf die PCV-Chemotherapie obsolet.

DefinitionListEntry d) Description

Bei Oligodendrogliomen des WHO-Grads II spricht Kontrastmittelaufnahme in CT oder MRT gegen eine Malignisierung und für eine günstigere Prognose.

DefinitionListEntry e) Description

Gemischte Oligoastrozytome sind klonalen Ursprungs, d. h., der Tumor leitet sich von einer Ursprungszelle ab.

3. Welche Aussage zum Glioblastom ist falsch?

DefinitionList DefinitionListEntry a) Description

Bei jüngeren Patienten (<40 Jahre) sollte auf die primäre Operation und Strahlentherapie verzichtet und zunächst eine Hochdosischemotherapie durchgeführt werden.

DefinitionListEntry b) Description

Bei etwa 10% der Patienten entwickeln sich im Verlauf Metastasen innerhalb des ZNS.

DefinitionListEntry c) Description

Die mediane Überlebenszeit liegt bei 12 Monaten.

DefinitionListEntry d) Description

Jenseits des 75. Lebensjahres ist die Indikation zu Operation und Strahlentherapie zurückhaltend zu stellen.

DefinitionListEntry e) Description

Die somatische Gentherapie hat in einer ersten randomisierten Studie keinen Vorteil gegenüber einer konventionellen Strahlentherapie gezeigt.

4. Folgender Tumor sollte auch bei makroskopisch kompletter Resektion immer adjuvant bestrahlt werden:

DefinitionList DefinitionListEntry a) Description

Atypisches Meningeom (WHO-Grad II).

DefinitionListEntry b) Description

Myxopapilläres Ependymom (WHO-Grad I).

DefinitionListEntry c) Description

Supratentorielles Ependymom (WHO-Grad II).

DefinitionListEntry d) Description

Pilozytisches Astrozytom (WHO-Grad I).

DefinitionListEntry e) Description

Isolierte metachrone Hirnmetastase eines Nierenzellkarzinoms.

5. Welche Aussage zu Neurinomen (Schwannomen) ist falsch?

DefinitionList DefinitionListEntry a) Description

Die Komplettresektion ist oft kurativ.

DefinitionListEntry b) Description

Stereotaktische fraktionierte Strahlentherapie und Radiochirurgie führen bei Akustikusneurinomen zu hohen lokalen Kontrollraten.

DefinitionListEntry c) Description

Stereotaktische fraktionierte Strahlentherapie und Radiochirurgie haben bei Akustikusneurinomen ein potenziell besseres funktionelles Ergebnis als die Operation.

DefinitionListEntry d) Description

Bei inoperablen Akustikusneurinomen erreichen PCV-Chemotherapie und Strahlentherapie vergleichbare Raten lokaler Tumorkontrolle.

DefinitionListEntry e) Description

Maligne Entartungen kommen fast nie vor.

6. Welche Empfehlung zur Behandlung von Meningeomen sprechen Sie nicht aus?

DefinitionList DefinitionListEntry a) Description

Die Radiochirurgie sollte in erster Linie als Rezidivbehandlung eingesetzt werden.

DefinitionListEntry b) Description

Asymptomatische Meningeome älterer Patienten, die nicht in der Nachbarschaft kritischer Regionen lokalisiert sind, können zunächst beobachtet werden.

DefinitionListEntry c) Description

Spinale Meningeome sollten primär bestrahlt werden.

DefinitionListEntry d) Description

Inkomplett resezierte anaplastische Meningeome (WHO-Grad III) sollten postoperativ bestrahlt werden.

DefinitionListEntry e) Description

Ein symptomatisches Meningeom (WHO-Grad I) des Sinus cavernosus sollte primär bestrahlt werden.

7. Welche Aussage zu den primären ZNS-Lymphomen ist falsch?

DefinitionList DefinitionListEntry a) Description

Die Mehrzahl dieser Tumoren leitet sich von der B-Zell-Reihe ab.

DefinitionListEntry b) Description

Der Versuch der Komplettresektion ist obsolet.

DefinitionListEntry c) Description

Mit alleiniger Strahlentherapie werden Komplettremissionen (CR) bei über 80% der Patienten erreicht.

DefinitionListEntry d) Description

Als Zielvolumen der Strahlentherapie wird der gesamte Liquorraum gewählt.

DefinitionListEntry e) Description

Die Hochdosischemotherapie mit Stammzelltransplantation ist eine experimentelle Therapie.

8. Welche der folgenden Aussagen zur Radiochirurgie ist falsch?

DefinitionList DefinitionListEntry a) Description

Wichtigstes Anwendungsgebiet ist die Behandlung zerebraler Metastasen.

DefinitionListEntry b) Description

Die Radiochirurgie sollte nur zur Hirnmetastasenbehandlung bei radiosensiblen Primärtumoren eingesetzt werden.

DefinitionListEntry c) Description

Die Radiochirurgie ist bei rezidivierten Ependymomen eine experimentelle Therapieform.

DefinitionListEntry d) Description

Die Radiochirurgie wird bei der Operation schlecht zugänglicher Meningeomen eingesetzt.

DefinitionListEntry e) Description

Die Radiochirurgie ist der Operation bei kleineren Akustikusneurinomen bezüglich lokaler Kontrollrate und Funktionserhalt zumindest gleichwertig.

9. Bei folgender Konstellation sollte die Resektion einer einzelnen Hirnmetastase nicht in Betracht gezogen werden:

DefinitionList DefinitionListEntry a) Description

Zerebelläre Metastase 3 Jahre nach Diagnose eines Prostatakarzinoms.

DefinitionListEntry b) Description

Kleinzelliges Bronchialkarzinom mit Krampfanfall und Hirnmetastase als Primärmanifestation des Tumorleidens.

DefinitionListEntry c) Description

Frontale Metastase bei Mammakarzinom 10 Jahre nach Ablatio mammae.

DefinitionListEntry d) Description

Akute Hemiparese bei eingebluteter Melanommetastase.

DefinitionListEntry e) Description

Asymptomatische frontale Metastase bei Diagnose eines Nierenzellkarzinoms.

10. Bei welcher Konstellation kommt am ehesten eine intrathekale Chemotherapie in Frage?

DefinitionList DefinitionListEntry a) Description

40-jährige Patientin mit metastasierendem Mammakarzinom, multiplen Hirnnervenparesen, negativem MRT und positiver Liquorzytologie.

DefinitionListEntry b) Description

50-jährige Patientin mit metastasierendem Nierenzellkarzinom, positiver Liquorzytologie und Liquorzirkulationsstörung aufgrund einer Kleinhirnmetastase.

DefinitionListEntry c) Description

75-jährige moribunde Patientin mit metastasierendem Adenokarzinom der Lunge, progredienter systemischer Metastasierung und positiver Liquorzytologie.

DefinitionListEntry d) Description

35-jähriger Patient mit Ependymom der hinteren Schädelgrube, einer im MRT dargestellten asymptomatischen Filia in Höhe BWK 8 und negativer Liquorzytologie.

DefinitionListEntry e) Description

60-jährige Patientin mit Ovarialkarzinom ohne Systemmetastasen, mit negativer kraniospinaler MRT, jedoch Hirndruckzeichen und positiver Liquorzytologie.