Evidenzbasierte Medizin (EBM) ist der bewusste, explizite und angemessene Einsatz der gegenwärtig besten Evidenz bei Entscheidungen über die medizinische Versorgung einzelner Patienten [43]. Für die motorische Rehabilitation des paretischen Armes nach Schlaganfall liegen bisher nur systematische Übersichtsarbeiten vor, die die Wirksamkeit einzelner Therapiemethoden untersuchen [16, 23, 45]. In der klinischen Praxis stellt sich aber die Frage, welche der vielen verschiedenen möglichen Therapieoptionen für einen bestimmten Patienten am ehesten geeignet ist. Diese Entscheidung wird von den persönlichen Präferenzen des Patienten, der ärztlichen und therapeutischen Erfahrungen und den jeweils vorhanden strukturellen Gegebenheiten geprägt. Wünschenswert wäre, dass die gegenwärtig beste Evidenz über die Wirksamkeit der verschiedenen therapeutischen Optionen auch in die Entscheidung einfließt. Hierzu möchte die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten. Im Rahmen einer systematischen Literatursuche und -bewertung werden die Wirksamkeitsnachweise in der Armrehabilitation nach einem Schlaganfall für verschiedene Übungstherapien und die neuromuskuläre Elektrostimulation als Übersicht referiert. Als Hilfe für die Praxis werden therapeutische Implikationen dieser Übersicht formuliert.

Methodik

Systematische Literatursuche

Im Oktober 2002 wurde eine Suche nach systematischen Cochrane Reviews (www.cochrane.de) und eine MEDLINE (PubMed)-Recherche durchgeführt. Ziel war es, alle Referenzen zu finden, die klinische (Wirksamkeits-)Prüfungen aktiver (übungs)therapeutischer (oder neuromuskulär elektrisch stimulierender) Verfahren für lähmungsbedingte Schädigungen ("impairment") des Armes oder daraus resultierenden Aktivititätslimitierungen ("limitations of activity") bei Patienten, die einen zerebrovaskulären Insult erlitten, beinhalten. Ausgeschlossen wurden Referenzen, die entweder keine Prüfung auf klinische Wirksamkeit darstellten, die passive Verfahren (z. B. Orthesen), Akkupunktur oder Medikamente prüften, die lediglich eine einmalige Übungssituation enthielten, die keine paresebedingten Schädigungen des Armes (z. B. Sensibilitätsstörungen) untersuchten, oder Patienten untersuchten, die nicht an einem zerebrovaskulären Insult litten.

Cochrane Library

In der "Cochrane Library" wurden die Referenzen der "Cochrane Stroke Group" auf relevante Reviews untersucht. Zwar gibt es in der Fragestellung relevante Protokolle, aber bislang liegen noch keine Reviews vor, die den o. g. Einschlusskriterien entsprechen.

MEDLINE-Recherche

Die MEDLINE-Recherche wurde nach folgendem Suchalgorithmus durchgeführt:

  • 1. {stroke} OR {cerebrovascular disorder} OR {cerebrovascular accident} OR {CVA}

  • AND 2. {hemiplegia} OR {hemiparesis} OR {paresis}

  • AND 3. {rehabilitation} OR {therapy} OR {physical therapy} OR {physiotherapy} OR {occupational therapy}

Die Suche ergab 1342 Referenzen. Die Referenzen (Titel, Stichwörter und Zusammenfassungen) wurden daraufhin durchgesehen, ob sie eine wie o. g. klinische Prüfung beinhalten. Dies war 113 bei der 1342 Referenzen der Fall. Hierunter waren neben Referenzen zur Armrehabilitation auch Referenzen, die (auch) eine posturale und/oder Gangrehabilitation thematisierten. Diese wurden zunächst berücksichtigt, um nicht Referenzen auszulassen, bei denen u. a. auch eine Armbehandlung stattfand.

Literaturbewertung

Diese Referenzen und ihr Volltext wurden nach folgenden Kriterien beurteilt:

Name und Beschreibung des Verfahrens, geprüfte Indikation des Verfahrens,

Studiendesign, Studienpopulation(en), Fragestellungen und Ergebnisse der Studie(n).

Für die einzelnen Therapien werden die Ergebnisse der Literaturwürdigung jeweils zusammen dargestellt (s. "Ergebnisse"). Schließlich erfolgte eine interpretatorische Synthese der kritischen Literaturwürdigung und damit eine Empfehlung für die Praxis (s. "Therapeutische Implikationen"). Dabei wurden systematischen Reviews und Metaanalysen die stärkste Evidenz beigemessen, gefolgt von randomisierten kontrollierten Studien (RKS) und kontrollierten Kohortenstudien [18].Ohne gut vergleichbare Kontrollgruppe ist der Effekt einer Intervention nur schwerlich sicher interpretierbar. Kohortenstudien ohne Kontrollgruppe oder mit historischer Kontrollgruppe wurden daher nicht berücksichtigt, es sei denn die Kohorte hatte durch ein "Cross-over-Design" eine "Kontrollphase". Da Einzelfalluntersuchungen eher hypothesengenerierenden Charakter haben, wurden sie in der weiteren Darstellung und Analyse ebenfalls nicht berücksichtigt. Von den zunächst ausgewählten 113 Referenzen wurden für die Darstellung der Wirksamkeit aktiver (übungs)therapeutischer Verfahren (und neuromuskulär elektrisch stimulierender) entsprechend 29 Referenzen berücksichtigt. Weitere 11 Referenzen wurden eingeschlossen, die in der MEDLINE-Recherche nicht enthalten waren, dem Autor aber bekannt waren und den Einschlusskriterien entsprachen [6, 9, 22, 23, 24, 25, 26, 30, 33, 49, 50].

Ergebnisse

Die kritische Literaturwürdigung kann in folgende Themenbereiche gegliedert werden:

  • Trainingsintensität,

  • physiotherapeutische Schulen,

  • spezifische Ansätze in der Arm-Rehabilitation

    1. 1.

      Armfähigkeitstraining,

    2. 2.

      "constraint-induced movement therapy" (CIMT, Taub-Training/"Forced use"),

    3. 3.

      repetitives sensomotorisches Training,

    4. 4.

      EMG-Biofeedback,

    5. 5.

      kinästhetisches Feedback,

    6. 6.

      Elektrostimulation,

    7. 7.

      Robot-assistierte Armrehabilitation.

Tabelle 1 gibt einen Überblick über Originalpublikationen der Studien. Neben der Patientenanzahl, der untersuchten Therapie und dem Studiendesign werden die Parameter angegeben, die Therapieeffekte für den Arm in der Studie (am ehesten) widerspiegeln können. Das jeweils angegebene Signifikanzniveau bezieht sich auf alle genannten Therapieeffekte. Die Angaben in Zeit beziehen sich auf die letzte Nachuntersuchung mit statistischer Analyse, die dann auch in der Tabelle berücksichtigt wurde.

Tabelle 1. Studienübersicht (ohne Metaanalysen)

Trainingsintensität

Die intensivierte Armbehandlung in der Studie von Sunderland et al. [48, 49] dauerte fast doppelt so viele Wochen mit ungefähr der doppelten wöchentlichen Armtherapiedauer, stationär ca. 2, ambulant ca. 1 h. Nach 6 (aber nicht nach 12) Monaten hatte die Gruppe der leichter Betroffenen mit intensivierter Behandlung eine bessere Armfunktion (Motricity Index, Griffstärke, Motor Club Assessment, Nine Hole Peg Test) als deren Kontrollgruppe.

In einer weiteren englischen Studie erhielt die Experimentalgruppe innerhalb von 5 Wochen 10 h Physiotherapie für den Arm zusätzlich, und zwar entweder von einer qualifizierten oder einer angelernten Therapeutin [30, 38]. Die Studie erbrachte keine Differenzen zwischen den randomisierten Gruppen. Lediglich die von einer angelernten Therapeutin behandelten leicht betroffenen Patienten hatten gegenüber den Kontrollpersonen einen funktionellen Gewinn (Rivermead Motor Assessment, Action Research Arm Test).

Bei Patienten mit schwerer Beeinträchtigung nach einem ersten A.-cerebri-media-Insult, die innerhalb der ersten 14 Tage nach Insult randomisiert entweder einer intensivierten Armbehandlung oder Beinbehandlung oder Kontrollgruppe (Behandlung mit aufblasbarer "Schiene") zugewiesen worden waren, konnten Effekte der intensiveren Behandlung—über 20 Wochen mit werktäglich 30 min—nachgewiesen werden [25, 26, 27]. Die Armbehandlungsgruppe hatte ab der 12. Woche bis zur 26. Woche eine bessere Armfunktion als die Kontrollgruppe (Action Research Arm Test).

In einer Metaanalyse, in die 9 kontrollierte Studien mit 1051 Patienten gemäß einer MEDLINE-Literatursuche eingingen, konnte ein moderater positiver Effekte einer erhöhten Behandlungsintensität auf neuromuskuläre Aspekte (Effektgröße 0,37, 95%-Konfidenz-Intervall ±0,24) und auf die Selbstversorgungskompetenz (Effektgröße 0,28, 95%-Konfidenz-Intervall ±0,12) nachgewiesen werden [24]. Bei dieser Metaanalyse wurde nicht zwischen Arm- und Beinbehandlung differenziert.

Physiotherapeutische Schulen

In mehreren Studien, die die Wirksamkeit verschiedener therapeutischer Schulen untersuchten, konnte keine differenzielle Wirksamkeit nachgewiesen werden [4, 10, 31, 54]. In der Regel erfolgten dabei komplexe Therapieansätze mit Armbehandlung, Gangtraining und Selbstversorgungstraining.

Eine Ausnahme stellt eine norwegische Studie dar. Sie verglich den therapeutischen Nutzen der Bobath-Therapie und des so genannten "Motor Relearning Programme", bei dem ein aufgabenspezifisches Training angeboten wird [28]. Die Gruppe, die nach Bobath behandelt wurde (n=28), wurde länger stationär behandelt (im Mittel 34 vs. 21 Tage). Die Gruppe mit "Motor Relearning Programme" (n=33) hatte nach 3 Wochen stärkere Zugewinne der motorischen Funktionen insgesamt (Motor Assessment Scale) sowie bei der Armmotorik (Sodring Motor Evaluation Scale, Teil 2); nach 3 Monaten war auch die Alltagskompetenz z. T. stärker verbessert (Toilettengang, Harn- und Stuhlkontrolle).

Spezifische Ansätze in der Armrehabilitation

Armfähigkeitstraining

Das Armfähigkeitstraining beübt bei Patienten mit leichter Armparese die motorische Leistung bzgl. verschiedener sensomotorischer Fähigkeiten wie Armruhe, Fingergeschwindigkeit, Manipulationsfähigkeit und Zielfähigkeit. Bei 60 Insult- und Schädel-Hirn-Trauma-Patienten mit leicht- bis mittelgradiger Armparese wurde die Wirksamkeit des Trainings mittels einer einfach blinden RKS untersucht [41]. Patienten, die das Training über 3 Wochen erhielten, hatten danach eine stärker verbesserte, effizientere Armmotorik bei alltagsähnlichen Aufgaben (standardisierter Test TEMPA) als die Kontrollpersonen; für den betroffenen Arm war der Effekt auch nach einem Jahr nachweisbar (für 37 nachuntersuchte Patienten).

Constraint-induced Movement Therapy (Taub-Training, "Forced use")

Taub und Mitarbeiter [52] zeigten bei 9 chronischen Insultpatienten, dass (nur) die Patienten, die das 14-tägige Taub-Training erhielten, sich bezüglich der alltagsrelevanten Armfunktion (Arm Motor Activity Test) nach dem Training und bezüglich ihres Einsatzes des betroffenen Armes im Alltag (Motor Activity Log) auch längerfristig (2 Jahre) verbesserten. Die Experimentalgruppe wurde 6 h täglich mit funktionellen Aktivitäten des betroffenen Armes beübt und trug den nicht betroffenen Arm während 90% der Wachstunden in einer Schlinge. Einschlusskriterien waren: Insult vor mindestens einem Jahr, Minimalkriterien für aktive Finger- und Handgelenksbeweglichkeit erfüllt, geminderter Armgebrauch im Alltag. Miltner et al. bestätigten mit einer Kohortenstudie ähnliche Therapieeffekte bei 15 chronischen Insultpatienten [33]. Bei einem Vergleich von 6 vs. 3 h täglicher Beübung mittels einer RKS an 15 Patienten zeichneten sich stärkere Effekte bei der intensiveren Beübung ab [50].

In einer einfach blinden RKS untersuchten Dromerick und Mitarbeiter die Durchführbarkeit und Wirksamkeit des Taub-Trainings bei 23 akuten Schlaganfallpatienten innerhalb von 2 Wochen nach dem Insult [11]. Hier erhielt die CIMT-Gruppe neben 2 h Therapie (wie Kontrollgruppe) für 6 h täglich eine "Restriktion" der gesunden Hand. Die Armfunktion (Action Research Arm Test) sowie die Aufgabe "Anziehen" des Functional Independence Measure (FIM), nicht jedoch der Barthel-Index bei Entlassung, hatten sich nach dem Taub-Training stärker gebessert.

Bei einer einfach blinden RKS mit 66 gehfähigen chronischen Schlaganfallpatienten, die minimale Handfunktionskriterien erfüllen, verglichen van der Lee und Mitarbeiter das Taub-Training mit einer gleich intensiven Bobath-Therapie [29]. Stärkere Verbesserungen nach dem Taub-Training wurden bezüglich der Armfunktion (Action Research Arm Test) eine Woche nach Training und nach einem Jahr sowie beim selbstbeurteilten Gebrauch des betroffenen Armes im Alltag eine Woche nach dem Training dokumentiert.

Repetitives sensomotorisches Training

Auch bei schwer betroffenen Patienten lassen sich Armfunktionsverbesserungen übungstherapeutisch erzielen. Eine belgische Arbeitsgruppe untersuchte mittels einfach blinder RKS den Effekt einer 6-wöchigen Armtherapie (30 min werktäglich) [14]. Dabei wurden in einem Schaukelstuhl in der Experimentalgruppe über eine Mechanik repetitiv Schulterbewegungen beübt, während in der Kontrollgruppe der Arm im Schaukelstuhl auf einem Kissen lag und nicht bewegt wurde. Sechs bzw. 12 Monaten nach dem Insult zeigte die Experimentalgruppe eine bessere motorische Erholung (Fugl-Meyer-Test). Die Therapieeffekte waren insbesondere bei Patienten mit schwerer Armparese (Fugl-Meyer-Arm-Score 0–10) und bei Patienten mit Hemianopsie oder Neglekt zu beobachten.

Bei einer "Baseline-treatment-Studie" mit 27 postakuten hemiparetischen Patienten wurde in der "Treatment-Phase" ein repetitives Training von Handgelenks- und Fingerbewegungen zusätzlich durchgeführt. In der "Baseline-Phase" fand entweder kein zusätzliches Training statt (12 Patienten) oder TENS-Therapie (15 Patienten). Für die "Treatment-Phase" mit repetitivem Training wurde jeweils ein deutlicher Zugewinn an aktiver Bewegungsfähigkeit dokumentiert (Rivermead Motor Assessment) [6].

EMG-Biofeedback in der Armrehabilitation

Wolf und Binder-MacLeod [55] untersuchten bei chronischen Insultpatienten mit einer Kohortenstudie die Effekte von EMG-Biofeedback in der Armrehabilitation. Eine Experimentalgruppe mit 22 Patienten erhielt 60-mal EMG-Biofeedback, eine Kontrollgruppe (9 Patienten) kein Training. EMG-Biofeedback-Therapieziele waren:

  • das Relaxieren hyperaktiver Muskeln,

  • die selektive Rekrutierung schwacher Muskeln und zwar von proximal nach distal mit einem Aufbau von Einzelgelenks- zu Mehrgelenksbewegungen.

Für die Gesamtexperimentalgruppe wurden Verbesserungen neuromuskulärer Parameter (EMG bei aktiven oder passiven Bewegungen) nachgewiesen, nicht aber funktionelle Verbesserungen.

Ebenfalls bei chronischen Insultpatienten zeigten Inglis und Mitarbeiter [19] mit einer RKS bei EMG-Biofeedabck im Vergleich zu konventioneller Therapie stärkere funktionelle Verbesserungen bezgl. Kraft, aktivem Bewegungsausmaß und Brunnstrom-Stadien (motorische Erholung).

Bei einer RKS mit subaktuen Schlaganfallpatienten hatte die EMG-Biofeedback-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe nach der 6-wöchigen Therapie stärkere Zugewinne bezgl. selektiver Willkürinnervation (Fugl-Meyer-Test) und Armfunktion (Action Research Arm Test) [9]. Die am schwersten betroffenen Patienten profitierten am meisten von der EMG-Biofeedback-Therapie.

Auch in einer Metaanalyse zur Wirksamkeit von EMG-Feedback in der motorischen Rehabilitation von Schlaganfallpatienten konnte eine Wirksamkeit belegt werden [45]. Die Effektgröße bei den 4 Studien mit Armrehabilitation lagen zwischen 0,39 und 1,03.

Kinästhetisches Feedback

Für die Ellenbogenextension untersuchten Greenberg et al. [17] bei 20 Insultpatienten mit einer RKS kinästhetisches Feedback über 4 Wochen im Vergleich zu konventioneller Ergotherapie, die versuchte, den funktionellen Armeinsatz zu verstärken. In der Studie wurden keine Wirksamkeitsunterschiede dokumentiert.

Mit einer einfach blinden RKS zeigten Bowman et al. [5] bei 30 Insultpatienten mit Einschränkung der aktiven Handgelenksextension den positiven Effekt einer 4-wöchigen zusätzlich zur konventionellen Therapie erfolgten kombinierten Positionsfeedback- und Elektrostimulationsbehandlung (2×30 min an Werktagen) auf den aktiven Bewegungsradius und die isometrische Kraft der Handgelenksextension.

Elektrostimulation

In einer RKS erhielten 44 Patienten 6–12 Monate nach ihrem Insult randomisiert entweder konventioneller Therapie (2-mal wöchtlich Physiotherapie) oder 5-mal wöchentlich über 3 Monate eine TENS-Behandlung [46]. Die TENS-Gruppe hatte danach (nicht jedoch bei einer 3-Jahres-Nachuntersuchung [47]) eine stärker gebesserte selektive Innervation (Fugl-Meyer-Test), und zwar die Subgruppe mit leichter bis mittelschwerer Armparese (Fugl-Meyer-Arm-Score 30–50 von 66 Punkten).

In einer RKS [13] mit 26 Insultpatienten bekam die Experimentalgruppe über einen 6-wöchigen Zeitraum 1,5–6 h täglich funktionelle Elektrostimulation (FES) für den M. deltoideus, pars posterior, und den M. supraspinatus. Danach und z. T. 6 Wochen später hatte sie stärkere Verbesserungen bezüglich Armfunktion, Muskelaktivität, Schultersubluxation und -schmerz.

Eine schottische einfach blinde RKS mit 60 Insultpatienten (2–4 Wochen nach Insult) zeigte als Effekt einer zusätzlichen Therapie mit Elektrostimulation (20 Hz) der Finger- und Handgelenksextensoren (8 Wochen 3-mal wöchentlich 30 min) eine verbesserte Kraft dieser Muskelgruppe (auch 24 Wochen später) und der Armfunktionalität (Action Research Arm Test: Griff, Präzionsgriff) [42].

Bei einem direkten Vergleich einer Elektrostimulation der Unterarmmuskeln und einer gleich intensiven Plazebostimulation bei einer amerikanischen doppelblinden RKS waren bei 28 der 46 initial eingeschlossenen Insultpatienten mit moderater bis schwerer Armparese (Fugl-Meyer-Test, Arm-Score <44) nach dem Training, aber auch 4 und 12 Wochen später die motorischen Zugewinne (Fugl-Meyer-Test) in der Verumgruppe stärker [8].

Bei der EMG-getriggerten Elektrostimulation werden kleine Willküraktivitäten in der beübten paretischen Muskulatur registriert und triggern eine Elektrostimulation mit großem Bewegunsgeffekt.

In einer Kohortenstudie mit 18 chronischen Insultpatienten verglichen Kraft et al. [22] den Effekt von EMG-getriggerter Elektrostimulation, (nicht EMG-getriggerter) Elektrostimulation sowie PNF im Vergleich zu keiner Behandlung auf die Veränderung der selektiven Innervationsfähigkeit (Fugl-Meyer-Test). Die Therapieeffekte waren bei der EMG-getriggerten Elektrostimulation am stärksten (+42% vs. +25% vs. +18% im Vergleich zu den Ausgangswerten).

Auch in einer kleineren einfach blinden RKS mit 9 subakuten ischämischen Insultpatienten, die eine schwere, inkomplette Armparese hatten, konnnten Patienten mit der EMG-getriggerten Elektrostimulation während ihrer Rehabilitationsbehandlung stärkere motorische funktionelle (Fugl-Meyer-Test) und alltagsrelevante Verbesserungen (FIM-Aufgaben mit starker Relevanz der oberen Extremität) erzielen, als eine Kontrollgruppe, die gleich intensiv passive Beweglichkeit und Kraft ohne Elektrostimulation übte [15].

Beim Vergleich von EMG-getriggerten Elektrostimulation in Kombination mit einem bilateralem Training (n=10), EMG-getriggerter Elektrostimuation für Handgelenks- und Fingerextensoren (n=10) und Kontrollgruppe (repetitives Training für Handgelenks- und Fingerextensoren; n=5) bei einem 2-wöchigen Training (4×1,5 h) zeigte eine RKS bei 25 chronischen Insultpatienten die stärksten Verbesserungen für die manuelle Geschicklichkeit und Reaktionszeit bei der bilateralen Therapieform, gefolgt von der (alleinigen) Elektrostimulation [7].

Bei einer Metaanalyse mit gepoolter Analyse der Effektgröße auf der Basis von 4 RKS, die im Zeitraum von 1978–1992 publiziert worden waren, wurde eine stärkere Zunahme der Kraft der behandelten hemiparetischen Muskelgruppen nach funktioneller Elektrostimulation (FES vs. keine FES) dokumentiert (mittlere Effektgröße 0,63, 95%-Konfidenz-Intervall 0,29–0,98) [16].

Ein weiterer sytematischer Review dokumentiert 6 RKS mit therapeutischer Elektrostimulation für den Arm bei Insultpatienten (bis 12.2001) [23]. Von diesen dokumentieren 4 einen positiven Effekt auf die motorische Kontrolle, Effektgrößen wurden in 3 Studien berechnet (0,55–1,46). 2 Studien untersuchen Funktionsverbesserungen, davon eine mit positivem Effekt. Eine Subgruppenanalyse in 2 Studien zeigt einen größeren Effekt bei leichter betroffenen Patienten.

Robot-assistierte Armrehabilitation

Bei einer verblindeten Kohortenstudie erhielten je 10 Patienten entweder eine echte Robot-assistierte Armtherapie (MIT-Manus) mit 4–5 h Schulter- und Ellenbogenbewegungen pro Woche während ihrer Rehabilitationsbehandlung oder eine nur "scheinbare" (sham) Robot-assistierte Therapie (alle 1–2 Wochen einen Robot-Kontakt) [1]. Für den motorischen Status des proximalen Armes ergab sich eine stärkere Verbesserung nach der echten Robot-assistierten Therapie.

Bei einer weiteren einfach blinden RKS erhielten 56 Insultpatienten entweder einmal werktäglich 1 h (mindestens 25 h, mindestens 1500 zielorientierte Bewegungen) Robot-Training für Schulter- und Ellenbogenbewegungen mit dem "MIT-Manus", oder aber wurden 1 h/Woche dem Robot ohne Training "ausgesetzt" (sham). Nach dem echten Robot-Training bestanden stärkere Verbesserungen der motorischen Funktionen von Schulter und Ellenbogen (nicht jedoch der Hand) ("Motor Status score", "Motor Power score") sowie auch motorische Alltagsfunktionsverbesserungen (FIM-motor) [53].

In einer einfach blinden RKS mit 27 chronischen Schlaganfallpatienten zeigen Lum et al. [32], dass die Robot-assistierte Armrehabilitation von Schulter- und Ellenbogenbewegungen im Vergleich zur Bobath-Therapie gleicher Intensität (24 h in 2 Monaten) nach 2 Monaten eine bessere selektive Beweglichkeit (Fugl-Meyer), Kraft und Reichbewegung erzielte. Nach 6 Monaten war ein Effekt für die Alltagskompetenz nachweisbar (FIM).

Therapeutische Implikationen

Therapieeffekte durch Therapieintensivierung

Durch zusätzliche Übungstherapie kann die Funktionserholung des zentralparetischen Armes gefördert werden. So kann durch eine Therapieintensivierung einer funktionell orientierten Therapie [25, 26, 48, 49] eine schnellere Funktionserholung erzielt werden. Andererseits geht ein Mehr an Therapie nicht unbedingt mit einer besseren Funktionserholung einher [30]; sowohl therapeutisch inhaltliche als auch Dosisaspekte könnten hier von Belang sein.

Therapeutische Erfolge lassen sich durch verschiedene spezifische Armrehabilitationsmaßnahmen erzielen wie durch das Armfähigkeitstraining, das Taub-Training, ein repetitives sensomotorisches Training, EMG-Biofeedback, Elektrostimulation (mit und ohne EMG-Triggerung) sowie mit Robot-assistierter Armrehabilitation.

Gibt es differenzielle Therapieeffekte?

Physiotherapeutische Schulen

Die meisten der Studien (Tabelle 2), die physiotherapeutische Schulen verglichen, hatten keine unterschiedliche Wirksamkeit nachweisen können. Das heißt, bislang kann keine der "großen" physiotherapeutischen Richtungen in der Schlaganfallrehabilitation für sich in Anspruch nehmen, Patienten eine besser wirksame Therapie anzubieten als andere Richtungen. In der beurteilten Literatur fand sich eine Ausnahme: das "Motor Relearning Programme" [28], dabei werden Patienten frühzeitig in Richtung alltagsnaher Funktion beübt werden.

Tabelle 2. Therapieverfahren in der Armrehabilitation und Evidenzstärke vorliegender Therapiestudien [3]

Wirksamkeit bei Patientensubpopulationen

Die Stärke neuerer therapeutischer Verfahren könnte darin liegen, dass sie für spezifische Problemkonstellationen spezifische (Schlüssel-)Therapien konzipieren.

Das Armfähigkeitstraining wurde für Patienten mit nur leichter Armparese entwickelt. Diese Patienten können zwar viele Aufgaben im Alltag mit ihrem Arm durchführen, sind dabei aber noch ungeschickt, d. h. verlangsamt und/oder unpräzise. Oftmals ist diese klinisch leichte Beeinträchtigung im Berufsalltag ein relevantes Handicap. Das Armfähigkeitstraining wurde speziell für diese Patientengruppe entwickelt, es führt nachhaltig zu einer alltagsrelevanten Verbesserung dieser reduzierten motorischen Effizienz.

Patienten, die zwar den Arm funktionell einsetzen können, aber noch deutlichere Schwierigkeiten haben, oder aber wegen dieser Schwierigkeiten verlernt haben, den Arm im Alltag entsprechend ihrer Fähigkeiten zu nutzen, profitieren von einer kurzen, 14-tägigen, sehr intensiven funktionell orientierten Therapie, dem Taub-Training (oder auch "constraint-induced movement therapy" CIMT).

Auch Patienten mit schwersten Armlähmungen können von einer Therapie profitieren. Diese Patienten können durch repetitive Innervationsversuche und ggf. auch durch repetitive somatosensible Stimulation (auch durch passive Bewegung) eine verbesserte Willküraktivität ihres Armes erzielen, brauchen dabei aber oftmals wegen der Schwere der Lähmung therapeutische oder apparative Unterstützung. Beispiele sind das repetitive sensomotorische Training, die funktionelle Elektrostimulation, aber auch die Robot-assistierte Armtherapie. Für dieses Patientenklientel ist auch EMG-Biofeedback über den Erfolg selektiver Innervation beim Training hilfreich.

Es sei angemerkt, dass es neben den erwähnten Therapien auch andere neue therapeutische Ansätze gibt, für die positive Fallserien vorliegen. Hierzu gehören u. a. das bilaterale Training (mit und ohne Spiegel) [2, 34] sowie das mentale Training (Imagery) [37].

Was wird durch Therapie gebessert?

Entsprechend dieser unterschiedlichen Problemkonstellationen lassen sich die jeweiligen Therapieeffekte folgerichtig auf unterschiedlichen Ebenen der motorischen Kompetenz beschreiben. Die Effekte des Armfähigkeitstrainings stellen sich im reduzierten Zeitbedarf für alltagsähnlich Aufgaben (für die Arme) dar (gebesserte Effizienz). Die Effekte des Taub-Trainings manifestieren sich in der selbstbeurteilten Nützlichkeit des Armes im Alltag sowie bei Tests, die die funktionelle Nutzbarkeit des Armes beim Hantieren mit Objekten quantifizieren. Therapien zur Verbesserung der stark eingeschränkten Willkürinnervation des schwer paretischen Armes stellen sich bei Test dar, die die Bewegungsfähigkeit des Armes untersuchen und nicht unbedingt bei Test, die die funktionelle Nutzbarkeit des Armes beim Hantieren mit Objekten quantifizieren.

Überlegenheit neuer Therapieansätze

Die enge Verzahnung von spezifischer Problemkonstellation und spezifischem therapeutischen Ansatz bei den neueren Therapieformen erhöht die Chance einer gegenüber anderen Verfahren überlegenen Wirksamkeit. So hatten chronische Schlaganfallpatienten mit mäßiger Armfunktionseinschränkung nach dem Taub-Training im Vergleich zu einer gleich intensiven Bobath-Therapie nach dem Training und auch noch ein Jahr später eine stärkere Funktionsverbesserung [29]. Die Willkürbewegungsfähigkeit war nach EMG-Biofeedback-Therapie [19] oder EMG-getriggerter Elektrostimulation [15] im Vergleich zu konventioneller Therapie stärker gebessert, bzw. auch nach Robot-assistierter Therapie im Vergleich zur Bobath-Therapie gleicher Intensität [32].

Der Erfolg neuerer Therapieverfahren spiegelt auch den Einfluss aktueller neurophysiologischer Forschungsansätze wider. Repetitives Üben verstärkt die Repräsentation geübter Bewegungen und kann durch trainingsinduzierte zerebrale Plastizität negative Folgen einer Hirnschädigung ausgleichen (vgl. "Repetitives sensomotorisches Training", "Funktionelle Elektrostimulation" und "Robot-assistierte Therapie") [21, 35, 36]. Motorikförderung auf hohem Niveau sollte die durch Tierexperimente, Bewegungsanalyse und funktionelle Bildgebung bekannte komplexe und modulare zerebrale Regulation der sensomotorischen Bewegungskontrolle berücksichtigen (vgl. Armfähigkeitstraining) [20, 39, 40, 44]. Der beim Tier und Menschen beobachtbare "gelernte Nichtgebrauch" kann durch die Anwendung lernpsychologischer Prinzipien, nämlich forcierten Gebrauch und verhaltenstherapeutische Übungen, behandelt werden (vgl. "Constraint-induced Movement Therapy") [12, 51].

Schlussfolgerungen

Die vorliegende Evidenz legt nahe, dass am ehesten durch Therapieverfahren, die für spezifische Problemkonstellationen des zentralparetischen Armes konzipiert sind, ein Therapieerfolg erreichbar ist. Therapieziele und Therapiewahl sind von der Schwere der Beeinträchtigung abhängig. Die derzeitige Praxis der rehabilitativen Versorgung bildet diese Evidenz aus dem internationalen Schrifttum nur wenig ab. Im Sinne der evidenzbasierten Rehabilitation wünschenswert wäre eine stärkere Berücksichtigung der Erkenntnisse aus klinischen Studien bei den therapeutischen Entscheidungen für einzelne Patienten einerseits, bzw. auch ein Diskurs über die notwendigen strukturellen und regulatorischen Voraussetzungen für eine solche Umsetzung im Gesundheitssystem.